braucht es orthodoxe buddhisten?

  • Vielleicht sollte man aus Wikipedia nicht nur die Teile der Definition herauspicken, die der eigenen Argumentation dienen; auch Fettdruck täuscht nicht darüber hinweg, dass die 'Durchsetzung mit notfalls radikalen und intoleranten Mitteln' nur eine besonders radikale Ausformung des Fundamentalismus darstellt und in der wiki-Definition nur ein (nicht notwendiges) Detail darstellt. (Nur am Rande: ist der sangha-Ausschluss derer, die letztens Frauen ordiniert haben, kein 'radikales und intolerantes Mittel'? Im übrigen ist die Geschichte des Buddhismus voller Beispiele, wie die jeweilige Interpretation der 'reinen Lehre' durchaus gewaltsam durchgesetzt wurde, und der Fakt, dass dies heute eher selten geschieht, sagt weniger etwas über den Buddhismus aus, als darüber, dass so etwas heute nicht mehr so leicht möglich ist.)


    Interessanter (und m.E. zentraler) in der Definition auf wikipedia sind vielleicht etwa folgende Stellen:

    Zitat

    Fundamentalismus versteht sich in der Regel als Reaktion auf eine Aufweichung von Überzeugungen, die am Anfang des jeweiligen Glaubens oder Ideologie standen. Die Anpassung an aktuelle Lebensumstände oder den ethischen Kompromiss erscheinen in einem fundamentalistischen Weltbild als problematisch bis unmöglich. Diese Anpassungen versteht der Fundamentalismus als Verrat an dem Gründungsverständnis des Glaubens oder der Ideologie (...).


    Der Fundamentalismus schafft eine Konfliktlinie, entlang derer der Begriff des Pluralismus zum Vorwurf an die Adresse derjenigen wird, die historische Anpassungsprozesse für unabdingbar ansehen.


    Die fundamentalistische Weltanschauung ist in der Regel geprägt durch ein dualistisches Konzept des Niedergangs, nach dem die Anhänger des Wahren und Guten im Kampf gegen die Schlechten, das „Böse,“ anders Denkenden und anders Gläubigen begriffen sind. Dazu vertreten sie eine Lehre, der zufolge Sünde weniger das persönliche Fehlverhalten, sondern eine gesellschaftliche Kraft darstellt; dieser politisch verstandenen Sünde könne letztlich nur durch das Errichten einer Theokratie entgegengewirkt werden.


    Man lasse sich im letzten Zitat nicht durch den Begriff 'Sünde' ablenken - er lässt sich problemlos durch 'Fehlverhalten', 'nicht-heilsame Handlungen' o.ä. ersetzen.

  • Was ist die ursprüngliche Lehre? Wer bestimmt das und wer weiß das?
    Und siehe da: wir haben auch schon ein klassisches Argument des Fundamentalisten:
    Wer nicht der ursprünglichen Lehre folgt, die jemand zur ursprünglichen Lehre erhebt, (und natürlich weiß der Fanatiker genau, dass er allein im Besitz der einzig richtigen Lehre ist) hat einfach nur schlechtes Karma


    Knochensack

  • GaliDa68:

    Was ist die ursprüngliche Lehre? Wer bestimmt das und wer weiß das?


    Die Orthodoxen die der Lehre des historischen Buddha folgen :grinsen:


    GaliDa68:

    (und natürlich weiß der Fanatiker genau, dass er allein im Besitz der einzig richtigen Lehre ist) hat einfach nur schlechtes Karma


    Knochensack


    Das wäre in der Tat fundamentalistisch. Aber ein "Orthodoxer" weiß doch auch, dass man gutes Karma unabhängig von der Lehre machen kann ;)
    Mit dem Beenden von Samsara sieht es da schon etwas schlechter aus. Geht aber auch, wenn es karmisch passt.


    Nightrainmonk:

    (Nur am Rande: ist der sangha-Ausschluss derer, die letztens Frauen ordiniert haben, kein 'radikales und intolerantes Mittel'?


    Sind ja auch keine "Orthodoxen" :) gewesen. Das war eine Thailändische Sekte mit ihrer eigenen Tradition und kulturellen Gegebenheiten.


    ()

  • Das meiste was im Palikanon steht und mit "So habe ich gehört ..." anfängt. :)
    Manches ist auch da später hinzugefügt worden. Aber der rote Pfaden ist weiterhin erhalten. Kann man nachprüfen und man kommt zu den gleichen Ergebnissen wie der historische Buddha.


    ()

  • Hanzze:

    braucht es orthodoxe buddhisten?
    Es braucht nicht einmal Buddhisten, das Dharma beginnt zu blühen. *schmunzel* nur welche die beginnen wirklich zu praktizieren. Ach was bin ich wieder konservativ.


    Du bist nicht konservativ du bist ein *Schmunzeler* .

  • Kusala:
    Nightrainmonk:

    Mich würde ja mal interessieren, wo genau für die Befürworter Orthodoxie selbige in Fundamentalismus umschlägt.


    Zitat

    aus wiki
    Fundamentalismus ist eine Überzeugung, die ihre Interpretation einer inhaltlichen Grundlage (Fundament) als einzig wahr annimmt. Fundamentalismus wird durch eine stark polarisierte Auslegung einer Letztbegründung umgesetzt.
    Im weitesten Sinne wird als fundamentalistisch eine religiöse oder weltanschauliche Bewegung bezeichnet, die eine Rückbesinnung auf die Wurzeln einer bestimmten Religion oder Ideologie fordert, welche notfalls mit radikalen und teilweise intoleranten Mitteln durchgesetzt werden soll.


    Wer der ursprünglichen Lehre folgt, wird nie fundamentalistisch. Er wird vielleicht aufklären, aber letztendlich ist es jedermanns Sache (Karma) was er dann daraus macht. Er weiß ja um die Dinge (GHV) die zu "Leiden" führen :). Warum sollte er sie dann einsetzen?
    Dann würde er ja nicht mehr der Lehre des historischen Buddha folgen und wäre so auch nicht mehr orthodox :) ()


    Die Frage ist, ist es heilsam oder unheilsam sei es jetzt Kapitalismus
    oder Kommunismus. Niemand hat zu recht etwas gegen fundamentale
    Lehre wenn und soweit sie heilsam sind.
    Im Grunde ist es auch ein Stück undifferenzierter Begriffsmißbrauch
    denn natürlich können die fundamentalistischen Bewegungen, besonders
    in der Politik oder politische Bewegungen auch ihre Nachteile haben.
    Es kommt eben immer auf die Art und Weise
    an, in wie totalitär ein System, Staat, eine Bewegung ist.


    Wenn es z.B. in den Lehrreden heißt:
    "Nicht wohl geht es, wenn man im Hause bleibt, das völlig geläuterte,
    völlig geklärte Asketentum Punkt für Punkt zu erfüllen. Wie, wenn ich
    nun, mit geschorenem Haar und Barte, mit fahlem Gewande bekleidet,
    aus dem Hause in die Hauslosigkeit hinauszöge?´
    So gibt er denn später einen kleinen Besitz oder einen großen Besitz auf,
    hat einen kleinen Verwandtenkreis oder einen großen Verwandtenkreis
    verlassen und ist mit geschorenem Haar und Barte, im fahlen Gewande
    vom Hause fort in die Hauslosigkeit gezogen. "


    Dann kann ich mir natürlich vorstellen, das dies einer für Fundamental hält,
    wenn sich jemand so an die genauen Worte des Buddha hält, das es sein
    ganzes bisheriges Leben verändert. Ob solche ein Fundamentalismus gut
    oder schlecht ist, heilsam oder unheilsam kommt natürlich auf die praktische
    Umsetzung an.

  • Es war in diesem Fall mehr nach außen hin gemeint, lieber accinca.
    Bei einem selber kann es da schon Fundament - alistische Änderungen geben. :)


    ()

  • Braucht es Traditionen?

    GaliDa68:

    Ich denke nicht, dass sie notwendig sind. Eher hinderlich – wie in jeder anderen Religion auch.
    Aber ich bin der Meinung, dass es Leute geben sollte, die den Instrumentenkoffer bewahren und pflegen sollten, die der Buddhadharma im Laufe der Jahrtausende hervorgebracht haben.


    Genau. Das was wir vom Buddhadharma wissen, wissen wir nur über die gelebten Traditionen aus der gemeinschaftlichen Praxis der Traditionen über zweieinhalb Jahrtausende hinweg.
    Und nun wirklich einzigartig in dieser großen Zeitspanne, kommen n paar Hanseln und meinen, das nehmen wir jetzt mal, was sie ohne Tradtion nie hätten kennenlernen können.
    Sie nehmen, wo sie geben sollten, wenn sie irgendwas vom Dharma begriffen hätten. Und dieses Geben ist nicht das Tragen eines Instrumentenkoffers, sondern, wie es bei uns ausgedrückt wird, das "in die Reihe treten".


    GaliDa68:

    Denn wie könnte die Form etwas anderes als eine Methode sein?


    Sunyata. Nichts Getrenntes.


    _()_

  • bel:

    Das was wir vom Buddhadharma wissen, wissen wir nur über die gelebten Traditionen aus der gemeinschaftlichen Praxis der Traditionen über zweieinhalb Jahrtausende hinweg.


    Tradition ist mit Sicherheit wichtig. Besonders, wenn man anfängt. Die Gemeinschaft fördert und spricht, bevor sich wirklich Weisheit entwickelt, was ja dauern kann, ;) auch das "Herz" an. Ein guter Lehrer der motivierend vorlebt und damit zeigt, dass es gehen kann ist ein guter "Antrieb". Auch würde es ohne Traditionen keine so authentische Überlieferung, wie wir so heute haben geben.


    Aaaber irgendwann, nur meine Meinung, "wächst" man über die Tradition hinaus. Traditionen sind auch immer sehr Kulturabhängig und mit kulturellen Ausschmückungen, Riten, Ritualen und Ergänzungen, die nicht unbedingt der ursprünglichen Lehre entsprechen verknüpft.


    Am Ende zählt nur noch Buddha - Dhamma - Vinaya, event. ein paar "edle Freunde" und das was bei einem selber an Weisheit entsteht.


    Liebe Grüße
    Kusala

  • Kusala:


    ...
    Aaaber irgendwann, nur meine Meinung, "wächst" man über die Tradition hinaus. Traditionen sind auch immer sehr Kulturabhängig und mit kulturellen Ausschmückungen, Riten, Ritualen und Ergänzungen, die nicht unbedingt der ursprünglichen Lehre entsprechen verknüpft.


    Am Ende zählt nur noch Buddha - Dhamma - Vinaya, event. ein paar "edle Freunde" und das was bei einem selber an Weisheit entsteht.


    Guten Morgen Kusala,
    ja, so habe ich es beim Christentum erlebt, und so erlebe ich das jetzt. Irgendwann zählte nur noch die Quelle und die Verkleidungen hab ich beiseite gelegt.
    Ich glaube allerdings nicht, dass ich so ohne Vorlieben für bestimmte Traditionen an die Lehre Buddhas rangekommen wäre.
    _()_ Monika

  • "Denn je mehr ich den Dhamma studiere und praktiziere, desto weiter fühle ich mich vom Buddhismus als einer institutionalisierten Religion entfernt. Und je mehr ich mich dem Leben und der Lehre Gotamas annähere, desto weiter entferne ich mich von den selbstgefälligen Gewissheiten einer buddhistischen Orthodoxie"


    Stephen Batchelor: Bekenntnisse eines ungläubigen Buddhisten. 188

  • Onda:

    ".... desto weiter entferne ich mich von den selbstgefälligen Gewissheiten einer buddhistischen Orthodoxie"


    Mit was man sich auch alles abgeben kann....
    Ich habe noch nie auch nur von sowas wie
    eine "buddhistischen Orthodoxie" gehört und
    ich bezweifle auch das es das gibt. Hört sich aber
    sehr christlich an.

  • Onda:

    "Denn je mehr ich den Dhamma studiere und praktiziere, desto weiter fühle ich mich vom Buddhismus als einer institutionalisierten Religion entfernt. Und je mehr ich mich dem Leben und der Lehre Gotamas annähere, desto weiter entferne ich mich von den selbstgefälligen Gewissheiten einer buddhistischen Orthodoxie"


    Stephen Batchelor: Bekenntnisse eines ungläubigen Buddhisten. 188


    Was man mit dem Studium und der Praxis alles erreicht. *schmunzel* Vielleicht sollten wir das auch probieren, das da weder eine Orthodoxie noch eine Orthodoxe-Antiorthodoxie entsteht.

  • 'Buddhismus' als Ergo Therapie ?
    Ja warum,
    eigentlich nicht ? 8):lol:


    añjalī अञ्जलि
    Dorje Sema