Zufluchtnahme und der Laie im Alltag

  • Einen schönen guten Abend zusammen,


    nach meinen bisherigen Kenntnissen ( ich bitte um Vervollständigung und Verbesserung oder gegebenfalls Korrektur, falls sie unvollständig, verbesserungswürdig oder korrekturbedürftig sind ) definiert sich "traditionell" ein Buddhistischer Laie durch:


    - Die Zufluchtnahme in Buddha, Dharma und Sanga
    - das Geloben des Einhaltens der Silas
    (- das Dharma studiert?)


    siehe auch Palikanon:


    http://www.palikanon.de/angutt/a08_021-030.html#a_viii25
    http://www.palikanon.de/samyutta/sam55.html#s55_7


    2 Fragen dazu habe ich:


    1. Dass die Zufluchtnahme ein ritueller Akt ist, der einen als buddhistischer Laie oder Buddhist auszeichnet scheint mir soweit klar. Doch wie äußert sich diese Zufluchtnahme im konkreten Leben? Kann man jederzeit darin Zuflucht nehmen und auch finden? Vor was sucht der Mensch Zuflucht? Vor Leid, Krankheit und Tod? Und inwieweit hilft die Zufluchtnahme vor diesen? Selbstverständlich erfährt jeder Mensch trotz der Zufluchtnahme das Leid nach wie vor normal weiter? Ich muss sterben, trotz meiner Zufluchtnahme. Ich kann krank werden, trotz meiner Zufluchtnahme.


    2. Als Laie die Silas zu beachten ist eine wunderbare Orientierung und Richtlinie im Leben, aber gibt es auch innerhalb von Stress, Zeitdruck, Arbeitsproblemen, Mitmenschen die einen gewollt oder ungewollt ablenken und leiden lassen, Praxis für den Laien? Permanente Achtsamkeit ist außerhalb der Hauslosigkeit ( meine Erfahrung ) enorm schwer zu halten. Und achtsam sein heißt leider auch, langsamer und bedachter zu sein. Im normalen Leben, wo Langsamkeit allzuoft ein Problem darstellt, wo man nicht die Ruhe findet ( zumindest nicht permanent ) achtsames Atmen, Gehen, Stehen oder Liegen zu praktizieren, wo finde ich da eine Verbindung zu meiner Praxis? Ich habe den ernsthaften Wunsch in jedem Moment praktisch zu üben, zu praktizieren.


    Ich würde mich sehr über eure Erfahrungen und eure Gedanken freuen.


    Liebe Grüße,


    Jan

  • Guten Morgen lieber Jan und erstmal herzlich Willkommen,
    seit 2008 bist Du bereits angemeldet. Darf ich davon ausgehen, dass Du hin und wieder hier reingeschaut hast und Dich im Forum ein wenig auskennst?
    Zur Zufluchtnahme habe ich diesen Thread gefunden:


    http://www.buddhaland.de/viewt…ilit=Zufluchtnahme#p74110


    Für mich ist die Zuflucht ein Bekenntnis. Sie ist kein Schutz vor Krankheit, Alter, Tod. Buddhisten geht es da nicht anders als anderen Menschen auch, rein äußerlich betrachtet scheint es nichts zu nützen. Aber zu was es nützt, das musst Du selbst herausfinden.



    Jan:


    ...


    1. Dass die Zufluchtnahme ein ritueller Akt ist, der einen als buddhistischer Laie oder Buddhist auszeichnet scheint mir soweit klar. Doch wie äußert sich diese Zufluchtnahme im konkreten Leben? Kann man jederzeit darin Zuflucht nehmen und auch finden? Vor was sucht der Mensch Zuflucht? Vor Leid, Krankheit und Tod? Und inwieweit hilft die Zufluchtnahme vor diesen? Selbstverständlich erfährt jeder Mensch trotz der Zufluchtnahme das Leid nach wie vor normal weiter? Ich muss sterben, trotz meiner Zufluchtnahme. Ich kann krank werden, trotz meiner Zufluchtnahme.



    Zitat

    2. Als Laie die Silas zu beachten ist eine wunderbare Orientierung und Richtlinie im Leben, aber gibt es auch innerhalb von Stress, Zeitdruck, Arbeitsproblemen, Mitmenschen die einen gewollt oder ungewollt ablenken und leiden lassen, Praxis für den Laien? Permanente Achtsamkeit ist außerhalb der Hauslosigkeit ( meine Erfahrung ) enorm schwer zu halten. Und achtsam sein heißt leider auch, langsamer und bedachter zu sein. Im normalen Leben, wo Langsamkeit allzuoft ein Problem darstellt, wo man nicht die Ruhe findet ( zumindest nicht permanent ) achtsames Atmen, Gehen, Stehen oder Liegen zu praktizieren, wo finde ich da eine Verbindung zu meiner Praxis? Ich habe den ernsthaften Wunsch in jedem Moment praktisch zu üben, zu praktizieren.


    Ja, die gibt es, die Silas sind doch nichts anderes als z. B. auch die 10 Gebote. Was ist daran schwierig, im Alltag sich nicht darin üben zu können?
    Permanente Achtsamkeit ist das Ziel der Übung der Achtsamkeit. Geistesschulung ist vergleichbar jeder anderen Höchstleistungssportart - trainieren, trainieren, trainieren. Selbst ein Olympiasieger fällt noch vom Pferd. Also, wo ist das Problem? Es geht nicht um Perfektionismus.


    Gerade als alleinerziehende Mutter und vollberufstätige Verwaltungsratsssekretärin kann ich dazu nur schreiben, das sind Ausreden. Ich musste häufig im Laufschritt arbeiten. Desto mehr ich praktizierte, desto mehr Energie stand mir zur Verfügung. Übrigens auch ein Effekt, wenn die Gedanken nicht mehr von Ast zu Ast hüpfen, sondern schön bei der Sache bleiben. Zeit ist ein Gefühl, je nachdem ob man gefoltert wird oder einen schönen Kuss bekommt. Das eine dauert zu lange, das andere ist zu kurz. Ich jedenfalls hatte immer mehr Zeit, die Kapazität wuchs, als ich erkannte, dass allein meine Gedanken eine Unmenge an Energie verschlingen. Dieser ständige geistige Kampf mit den Widerständen innen und außen ...


    Bei jeder Gelegenheit habe ich praktiziert, in der Bahn auf dem Weg zur Arbeit, Luftholen und konzentrieren und gleichzeitig achtsam sein (das geht), wenn ich in die Sitzung ging, wenn ich zum Chef ging, wenn ich mit Kollegen sprach ... Gerade auch am Computer hast Du gute Gelegenheit, Achtsamkeit zu üben, oder beim Autofahren. "Wer nicht hinschaut, fährt in die falsche Richtung". ;)
    Beim Warten in der Arztpraxis, beim Warten auf bestimmte Geschehnisse, Achtsamkeit beim Abwaschen bedeutet: Ich weiß, dass ich abwasche; beim Essen: ich weiß, dass ich esse usw. - und denke dabei nicht an Tante Hilde ...



    Das sind Übungen, und davon gibt es von Moment zu Moment unzählige, die Dich auffordern können "schau hin" (wertfrei). Hierzu gehört Entschlossenheit.
    Hinzufügen möchte ich noch, dass es zunächst f u r c h t b a r anstrengend erscheint, das ist nur die Ausrichtung auf eine ungewohnte Haltung, später ist es sogar eine entspannte, wohlwollende Haltung, vor allem, wenn wir aufhören uns mit Perfektionismus zu verfolgen. ;)
    Du schreibst, Du hast den ernsthaften Wunsch in jedem Moment praktisch zu üben. Das ist die beste Voraussetzung.
    Ich wünsche Dir alles Gute dabei
    _()_ Monika

  • Viele Anregungen zum Thema "Achtsamkeit im Alltag" findest du bei Thich Nhat Hanh.
    Etwa in seinem Buch: "Das Wunder der Achtsamkeit."
    Oder "Ich pflanze ein Lächeln".


    LG
    Onda

  • Moin Jan (und Peema) :),


    Monikamaries Ausführungen mag ich mich anschließen - Perfektionismus steht uns im Weg, denn sie stresst uns wiederum...


    Ein paar Sachen möchte ich noch aus meiner Sicht anmerken:


    - Das Wort "Ausreden" würde ich selber nicht so verwenden. Eher kenne ich es von mir selbst, dass ich vor dem 1., 2. und 3. Schritt viel zu viele Hindernisse sehe. Sie lösen sich oft in Wohlgefallen auf, wenn man loslegt, probiert und sich dabei Fehlschläge und auch Umdenken erlaubt. Mit den "wirklichen" Hindernissen, die auch vielleicht kommen, hat man dann gar nicht gerechnet / rechnen können. :lol:


    Jan:

    ...
    1. Dass die Zufluchtnahme ein ritueller Akt ist, der einen als buddhistischer Laie oder Buddhist auszeichnet scheint mir soweit klar. ...


    Eigentlich ist die Zufluchtnahme weniger ein äußerlicher Akt als vielmehr eine innerliche Sache. Es ist kein Ritual, das man einmal macht und dann ist man Buddhist. Dies würde aus buddhistischer Sicht gar keinen Sinn ergeben. Vielmehr ist es ein innerer Prozess, den man täglich erneuert - und das nicht einfach nur rituell durch Aufsagen des Zufluchtsgebetes, sondern durch stetes Sich-immer-wieder-bewusst-machen der Bedeutung. Dabei verändert und vertieft sich die Bedeutung über die Zeit. Das ist etwas persönlich Erfahrbares, was ich hier gar nicht so breit auswalzen will. Es gibt sicherlich im Netz gute Vorträge über die Bedeutung der Zufluchtnahme. (...ah, okay, da steht auch vieles, was in meinen Augen Schrott ist. Dieser Text hier geht in die Richtung, die ich meine: http://www.rabten.at/vbkRefuge_de.htm )




    Jan:

    ...
    Vor was sucht der Mensch Zuflucht? Vor Leid, Krankheit und Tod? Und inwieweit hilft die Zufluchtnahme vor diesen?


    Dem gehen Gedanken über die permanente innewohnende Leidhaftigkeit der Welt voraus. Auch ein innerer, persönlicher Prozess. Man wird Leid, Alter usw. dadurch nicht verhindern können, wie MM sagt, aber man ändert mit der Zeit seine Einstellung dazu.
    Für mich war es so, dass ich irgendwann anfing, inspiriert durch ein Buch, täglich für mich in Gedanken den Zufluchtsspruch aufzusagen: "Ich nehme Zuflucht zum Buddha, zu seiner Lehre und zu seiner geistigen Gemeinschaft. Möge ich dank meiner Gebefreude, ethischer Disziplin, Geduld, Tatkraft, Konzentration und Weisheit zum Wohle aller Wesen Buddhaschaft verwirklichen." Davon ging für mich irgendwie so eine Art Versöhnung, Beruhigung und Befriedung (in tieferen Schichten) aus. Die "offizielle Zufluchtnahme" war mehr etwas auch für das Außen, dass der Lama und ich irgendwie Kontakt aufgenommen haben. Ich fühle jetzt seinen (unpersönlichen) geistigen Schutz, eine Art Verbindung. Letztendlich ist das auch wiederum etwas Innerliches. Vielleicht ist es in anderen Stilrichtungen wieder etwas anders. Ich praktiziere tibetischen Buddhismus.



    Jan:

    ..., aber gibt es auch innerhalb von Stress, Zeitdruck, Arbeitsproblemen, Mitmenschen die einen gewollt oder ungewollt ablenken und leiden lassen, Praxis für den Laien? ....


    Meiner Meinung nach ist genau das die Praxis. Sich zurück zu ziehen, ist zwar eine wichtige Sache, um auf den Punkt zu kommen - so hat es der Buddha auch gelehrt. Aber dann, wenn man schon eine Ahnung von Gleichmut, Geduld, Achtsamkeit, Mitgefühl etc. erlangt hat, gilt es diese Dinge anzuwenden. Besonders für uns, hier, in der heutigen Zeit. Immer wieder wird man durch das Außen darauf hingewiesen, wo man mit seiner Praxis denn nun tatsächlich steht. Das Außen ist ein wunderbarer Lehrer und Spiegel des Inneren, unbestechlich, denn man muss aufhören, dem Außen die Schuld zu geben... Ein wirklich weites Übungsfeld.


    Es gibt ja die Geschichte von dem Yogi, der 20 Jahre lang allein in einer Höhle in den Bergen saß. Er meinte, dort sehr viel erreicht zu haben... Dann ging er nach 20 Jahren in die Stadt hinunter. Die Straßen waren voll mit Menschen und als ihn jemand anrempelte, wurde er sehr wütend über diese respektlose Handlung... Was also hatte er gelernt? Nüscht!


    So wollen wir nicht enden - :) - deshalb gilt es, die Reibereien im Außen schön abzuarbeiten, letztendlich dankbar als Lehrer anzunehmen, damit man langsam, allmählich, aber stetig wirklich was dazu lernt. ;)

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Jan:

    ... definiert sich "traditionell" ein Buddhistischer Laie durch:


    - Die Zufluchtnahme in Buddha, Dharma und Sanga
    - das Geloben des Einhaltens der Silas
    (- das Dharma studiert?)
    ...


    Noch was vergessen: "Dharma studieren" = logisch. Man nimmt ja nicht Zuflucht zu unberührten Buchdeckeln...
    Aber für mich heißt das auf keinen Fall nur "lesen und die Sachen im Kopf herumwälzen" sondern auch darüber dann mal zu meditieren, kontemplieren.
    Und Buddha, Dharma und Sangha greifen dann ineinander: "Dharma studieren" bedeutet auch, Vorträge / Belehrungen anhören, das Sangha-Juwel besuchen - da gibt es oft ganz andere Erkenntnisse und Interpretationen als das, was man sich im stillen Kämmerlein über die Texte zurechtgelegt hätte.
    Zu wem man da geht, muss man mit seinem Bauchgefühl abklären. Blindes Vertrauen ist nicht das beste.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Danke Dir, LL, besonders gut getan hat mir Deine Empfehlung, den Zufluchtsspruch laut mitzulesen. :D
    _()_ Monika