Das posting, mit dem ich mich hier beschäftigen möchte, ist schon ein paar Tage alt. Bemerkenswert fand ich vor allem die ausbleibende Reaktion, von einem wohl eher höflich / respektvoll gemeinten abgesehen. Wobei das posting durchaus Aufmerksamkeit verdient, denn es wird da eine Reihe von Stereotypen und ausgesprochenen Missverständnissen angeführt, die anscheinend unausrottbar unter Laien zirkulieren.
Mal der Reihe nach.
es ist ein Missverständnis, dass im Mittelpunkt buddhistischer Ethik Gewaltlosigkeit stehe. Dieses Prinzip erstreckt sich auch nicht auf Tiere und Insekten. Das findest du bei den Jains.
Mir ist nicht klar, was stattdessen "im Mittelpunkt buddhistischer Ethik" stehen sollte. Schaun wir mal stellvertretend für die Theravadin ins Abhisandasutta, MN.39.8:
Zuerst gibt da ein edler Schüler das Töten lebender Geschöpfe auf und tötet nicht mehr. Indem er das tut, gibt er unzähligen Lebewesen die Gabe der Freiheit von Furcht, Feindschaft und bösem Willen. Und auch er selbst genießt grenzenlose Freiheit von Furcht, Feindschaft und bösem Willen. Das ist die erste Gabe, die ein großes Opfer ist, ursprünglich, lange bestehend, herkömmlich und alt. Sie ist unbefleckt, wie sie von Anfang an war, sie wird jetzt und in Zukunft nicht befleckt werden. Sie wird von vernünftigen Asketen und Brahmanen nicht verachtet.
Okay, man könnte nun sagen, hier stünde "Freiheit von Furcht, Feindschaft und Böswilligkeit" im Mittelpunkt. Und dass diese Freiheit sich nicht nur auf Interaktionen mit Menschen erstreckt, sondern auch auf die mit den "unzähligen Lebewesen" wird da explizit gesagt. Die Mahāyānin haben es hingegen eher mit "alle Wesen", sarvasattva.
Es folgen jedenfalls noch vier weitere "Gaben", die wiederum gemeinsam die vierte Art überfließenden Verdienstes darstellen. Einfacher: es geht um die pañcasila; genauer hier speziell die erste. Auch das erste Gelübde ethischen Verhaltens, das bei der Ordination abgelegt wird: pāṇātipātā veramaṇī sikkhāpadaṃ samādiyāmi. - ich nehme die Übungsregel auf mich, davon abzustehen, Leben zu nehmen. Von nur menschlichem Leben ist da nicht die Rede.
Im Gegenteil kennt der Mahayana eine ganze Reihe von Rechtfertigungen für Gewalt. Selbst das Theravada kennt kein striktes Tötungsverbot. Hier ist es Mönchen durchaus erlaubt, Fleisch zu essen.
Um das mal aufzudröseln: bei "Rechtfertigungen für Gewalt" werden unweigerlich immer dieselben zwei oder drei Jatakas angeführt, also volkstümliche Legenden und Wiedergeburtsgeschichten (die gibt's auch bei den Theravadin). Meine Bitte in solchen Diskussionen war bei diesem Argument immer, doch bitte ein kanonisches Sutra oder Shastra zu nennen, das Gewaltanwendung befürwortet. Der Verweis auf die Upaya-Doktrin (geschickte Mittel) des Lotossutra zur Rechtfertigung von Handlungen, die eindeutig mit den Gelübden in Widerspruch stehen, beruht auf einem bemühten Missverständnis. Der Bruch der Gelübde ist kein geschicktes Mittel, sondern ein ungeschicktes.
Um das mit den Fleisch essenden Mönchen aufzuklären: die dürfen das nicht, sondern die müssen das - was auf den Tisch in die Spendenschale kommt, wird gegessen. Vorbehaltlich, dass der Spendenempfänger nicht gesehen oder gehört oder Anlass zur Vermutung hat, dass ein Lebewesen absichtlich für diese Essensspende getötet wurde. Dann ist das Annehmen der Spende verpflichtend, um die Heilsamkeit der Spende nicht zu schmälern.
Die Geschichte des Buddhismus ist auch eine Geschichte der Gewalt, wie bei anderen Religionen - nur vielleicht nicht ganz so schlimm.
Die Geschichte des Buddhismus ist auch eine Geschichte des Versagens ihrer Träger, wie bei anderen Religionen. Okay - "nicht ganz so schlimm". Bei einer historischen Betrachtung zeigt sich häufig, dass der Buddhismus auf die Kulturen, in die er Eingang fand, eine befriedende /zivilisierende Wirkung ausübte. Mongolen und Tibeter sind die deutlichsten Beispiele für solche 'Wehrkraftzersetzung'.
Und auch der Dalai Lama befürwortet unter bestimmten Bedingungen Gewalt,
Sorry - aber für mich ist bzw. war der Dalai Lama ein Exilpolitiker, der gelegentlich Unsinn redet. Können wir den rauslassen? Ich will mich hier ja nicht unbeliebt machen ...