ZitatIst es nicht eher so, dass "eine Voraussetzung zum Ernstnehmen von anatta und paticcasamuppada" die Einsicht in anatta und paticcasamuppada ist?
Dieser Zusammenhang wurde nun mehrfach angesprochen. Eine schwierige Problematik, finde ich.
Die Grundthese lautet: Keine Existenz hat ein Selbst.
Nun wird über eine Kette von Zusammenhängen - ob man sie nun vorwiegend als Folge oder als gleichzeitig und wechselwirkend betrachtet - hergeleitet, wie es zu der falschen Ansicht kommt, die Existenz habe ein Selbst.
Das Problem hierbei sehe ich darin, dies mit der Tatsache von anicca, Vergänglichkeit, in Einklang zu bringen. Denn wenn all diese Dinge, die als bedingtes Entstehen aufgeführt werden, vergänglich sind, wieso gibt man ihnen dann im Sinne der Theorie von paticcasamuppa eine Existenz? Im Grunde ist das illegitim, da alles andere, was ebenso vergänglich ist, die gleichen Eigenschaften hat wie Bewusstein, nama-rupa usf., nämlich nur illusorische. Es kann also eigentlich gar keine Wesensmerkmale geben, bedingtes Entstehen beschreibt ein Problem, das im Kern gar nicht existiert, Alter und Tod existieren nicht wirklich, genauso wenig wie Leiden, Vergänglichkeit und Nicht-Selbst, die ja nichts anderes sind als Namen. Es werden also Wesensmerkmale geschaffen, um dann ihre eigentliche Abwesenheit zu erklären. Meines Erachtens löst das den Diskussionsbedarf und die eher große Verwirrung aus. Es ensteht dann ein Bedürfnis, an den Merkmalen der Theorie festzuhalten, und man streitet sich zum Beispiel um die Existenz eines Selbst (oder dessen, was da erkennt), obwohl die Theorie - nach meinem Verständnis - den Zweck verfolgt, in eine Erkenntnis von "Leere" zu münden, was nichts anderes ist als das Ende aller Merkmale und Begriffe.
Ich würde es von daher anders sagen: Die Einsicht in Leere kann über ein Verständnis von anatta und paticcasamuppada geschehen, aber mir scheint das nicht zwingend zu sein. Vor allem erscheint es mir unnötig, einen Weg zum Ziel als mehr als dies zu preisen. In "Leere" ist m.E. kein Ort mehr für anatta und paticcasamuppada. Es könnte angebracht sein, ein Verständnis von Leere ohne Kopplung an bedingtes Entstehen zu entwickeln, wie es bisher weithin üblich war, weil diese Theorie konzeptuell ist. Das eigentlich leere Glas wird mit einer klebrigen Limonade gefüllt, die man sich später wieder von den Zähnen putzen muss, weil sie zu Rechthaberei, Meinungen und Gedankenketten führt, die der Erkenntnis von "Leere" dann sogar im Weg stehen können.