Beiträge von Selbst

    Zitat

    Ich kann nur von der überlieferten Lehre ausgehen.


    Lieber accinca, du schreibst es ja selbst: "Ich". Das ist der erste Erkenntnisschritt, dem du dich hartnäckig verweigerst, dass es keine überlieferte Lehre per se gibt, sondern einen, der sie liest und für sich deutet (ganz abgesehen von der Frage, was als "Überlieferung" und Dhamma gilt). Der beste Beweis sind die verschiedenen Deutungen hier, und wenn man es "anspruchsvoller" haben möchte, die Für und Wider-Essays von Leuten wie Schmitthausen.


    Wie Nibbana zu verstehen ist, darüber gibt es ebenfalls keinen Konsens in den buddhistischen Schulen.


    Der Punkt, den ich aufgezeigt habe, wird deshalb hier auch gar nicht weiter aufgegriffen, auch von dir nicht, weil du diese unlogischen Lücken im buddhistischen Gedankengebäude eben nicht überbrücken kannst. Bakram gibt sich damit wenigstens nicht zufrieden und fragt sich einfach, wie man das besser lösen kann.


    Woran sollen sich denn die nicht verloschenen Begierden binden? Jedenfalls nicht an mich, denn mich gibt es ja gar nicht (mehr). Wenn man diese Lehre durchdenkt, kann es nicht ernsthaft um die Dinge gehen, die du beschreibst, weil man gar kein Motiv hätte, sich mit etwas zu beschäftigen, was gar nicht existiert. Ein Beispiel: Das alaya-Bewusstein. Kein Problem, denn es ist nicht meins. Wen sollte irgendetwas, das im alaya-Bewusstsein gespeichert ist, also kümmern? Anderes Beispiel: Das Argument, ein Ewigkeitsglaube sei atman, ist genauso sinnig oder unsinnig wie das, Nibbana sei Glück, denn die Eigenschaft Glück ist nicht weniger atman als die Eigenschaft ewig, aber genau vom Glück hat Elliot weiter oben aus dem Palikanon zitiert. Ein kurzer Kommentar hier wird bereits im nächsten Moment durch ein Zitat aus dem Palikanon widerlegt.


    Das aus philosophischer Sicht Unausgereifte des Dhamma besteht, neben diesen vielen ungereimten Details, darin, dass die erleuchtete Sicht die Erkenntnis behauptet, dass Befreiung/Verlöschen/Nibbana das Loswerden aller Geistestrübungen (klesha) bedeutet. Dieses sei u.a. möglich, indem man all die Irrtümer des atman durchschaut, also das, was man nicht ist. Die tiefe Wahrheit des Buddhismus lautet also z.B.: Dies alles (was du denkst zu sein) bist du nicht.


    Man kann diese tiefste Wahrheit nicht umkehren und behaupten, dass einer, der dies nicht unterschreibt, dies alles eben doch sei. Das ist logisch nicht möglich, mit anderen Worten, auch derjenige, der die Geistestrübungen hat, ist sie nicht, unabhängig davon, ob er das begreift oder nicht. Selbst wenn er sich anders sieht, ist er aus der Sicht des Erleuchteten kein Selbst, kein atman, nicht das, was er glaubt zu sein. Darum sind auch alle anderen im Zen befreit, wenn man selbst befreit ist - weil man versteht, dass auch der Getäuschte kein atman hat.


    Es bleibt dann die Frage nach der individuellen Lebensqualität, also ob der Getäuschte ein Motiv hat, seine Täuschung abzulegen, weil es ihm damit besser geht. Für die Frage seines Nibbana spielt das keine Rolle, weil auch seine sämtlichen Täuschungen mit dem Tod erlöschen. Das ist nicht nur, worauf Bakram hinweist, eine wissenschaftliche Erkenntnis (da die Täuschungen gedanklicher Art sind und ein funktionstüchtiges Hirn benötigen), sondern das ist auch die Konsequenz der Einsicht, dass es kein atman gibt und klesha unbeständig sind und damit nicht an etwas ich-haftes gebunden überdauern können. Aber weil es andere Textstellen gibt, an die man sich ebenfalls klammern kann und die offenbar ein trotz anicca und anatman nebulöses Überdauern von Gedanken - im Sinne accincas - formulieren, darf sich der Buddhist damit trösten, dass er einen bedingten Pfad gehen kann, statt sich über die logische Konsequenz der tiefen Einsicht in anicca und anatman im Klaren zu sein.


    Und nun nochmal accinca:

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    Die Erkenntnis des anatta liegt gerade darin, zu erkennen das auch jetzt und zu jeder
    Zeit nirgends ein atta für den Vorgang des Daseins (Bedingte Entstehung) gebraucht wird.


    Genau. Es wird aber ein eingebildetes atta gebraucht, um eine solche Erkenntnis zu wollen. Und insofern machst du mit dieser Behauptung oder Erkenntnis in meinen Augen nicht ernst. Denn wenn es kein atta braucht, braucht es auch keinen, der sich um Nibbana sorgen muss.

    Zitat

    Erst einmal spielt es keine Rolle was immer auch meine Meinung ist, sondern was der
    Buddha lehrte.


    Lieber accinca, die richtige Formulierung heißt doch wohl: Was der Gläubige oder Lesende meint, dass der Buddha gelehrt hat.


    Wenn die geistigen Ursachen nicht vernichtet sind und man dann also nicht nibbana-mäßig tot ist, also nicht verloschen - wo sollen sie denn dann sein, da es doch kein atman gibt?


    Was meinst du mit "immer so weiter" - ist es denn schlecht, dass weiterhin Menschen geboren werden und leben?

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    man kann sicher noch verspätet versuchen, das eigentlilche Thema anstatt der eigenen Reaktionen darauf zu behandeln.


    Lieber Yofi, ein solches Problem hatte ich nicht, ich habe das eigentliche Thema behandelt. Morgen ist ja Abgabetermin, und ich bin davon ausgegangen, wer sich die gleiche Mühe macht wie ich und den ganzen Film vornimmt, wird das Alltibasu senden, statt hier erst eine öffentliche Diskussion einzuleiten, die nur auf Nebengleise führt (wie die Nazi-Mitgliedschaft Harrers). Ich brauche für meine Gedanken nicht den Segen anderer, und Alltibasu wird kritisch genug sein, zu nehmen, was ihm beliebt, von wem es auch kommen mag.


    Einige der Dinge, die mir auffielen, kann ich nächste Woche gern zitieren, weil sie Fragen nach buddhistischem Tiefsinn aufwerfen, wie die schon angedeutete Problematik mit den Würmern (wobei Alltibasu das ja gar nicht bis in die Tiefe abhandeln muss und das dann auch mehr Platz erfordern wird).

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    Ich schrieb über das Leid der Schmerzen, das wir bei einer durchschnittlichen Wahrnehmungsfähigkeit den Tieren nicht absprechen wollen.


    Lieber Yofi, was hat das aber mit dem Dhamma zu tun? Für solches Leid ist ein Tierarzt zuständig, einen anderen Ausweg hat ein Tier nicht, da es nicht "durchschauen" kann. Wie du richtig sagst, werden die verschiedentlichen Kategorien menschlichen Leides aufgezählt, und einen Aspekt davon herauszunehmen, macht keinen Sinn, da der Buddha-Weg für Menschen gemacht wurde, die alle diese Leiden kennen. Es gibt keine Buddha-Lehre, die isoliert für Schmerzen verfasst wurde, sie würde dann überhaupt nicht funktionieren, wie man sich leicht ausrechnen kann.


    Bist du denn der Meinung, dass der Buddha lehrte, wie man von Schmerzen befreit wird oder andere davon befreien kann? Dieses Rezept hätte ich gerne.


    Bakram: Deine Frage finde ich sehr passend. Die gleichen Gedanken habe ich da auch. Tatsächlich wird ja auch in diverse Arten von Nibbana unterschieden. Aber lassen wir accinca das Wort.

    Lieber keks, danke, dass du offen über deinen Autismus sprachst. Darf ich eine Frage anschließen? Wenn es nun für dich so ist, dass du Freude und Trauer eher gleichmütig erlebst, bedeutet das für dich noch Leiden oder ist dieser Teil deiner "Erkrankung" (falls du sie so siehst) eher so etwas wie "Glück"? Kannst du dich dann eigentlich verlieben (wenn ich das nicht mehr könnte, hätte ich ein Problem weniger ...)?


    Oder: Empfindest du dennoch ein eigenes Ego?


    Ich ergänze: Während ich mir vorstellen kann, dass du damit deinen Frieden machen kannst, ist es wohl im Umgang mit anderen schwierig, weil die für einen solchen Zustand kein Verständnis haben dürften und ihn tendenziell negativ auslegen dürften, also als pure Gefühlskälte.


    (Mein Lieblings-"Aspie", um dieses Wort abzugreifen, war bisher der davon betroffene Anwalt in der Serie "Boston Legal".)

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    Du bist soweit ab von dieser Lehre, daß es dich in diesem Leben eh nicht interessieren dürfte.


    Lieber accinca, ich bin lediglich weitab von deinem Verständnis der Lehre. Und da es offenbar deines ist, ist das auch kein Wunder.


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    der Wunsch, dieses Leiden zu beenden, einstellen.


    Lieber Yofi, dieses Thema birgt die Gefahr, woandershin abzudriften. Wenn wir bei unserem Topic bleiben, lautet die Frage, auch im Anschluss an das Verständnis der Wahrheiten, das accinca einbrachte: Welches Leiden der Tiere? Ist es denn für Tiere eine Wahrheit, dass sie aus Gier, Hass und Unwissenheit leiden? Das ist für mich nicht ausgemacht, dazu müssen sie offenbar eine dem Menschen ähnliche Bewusstseinsfähigkeit haben, damit die Merkmale der Buddha-Lehre, die zu den vier edlen Wahrheiten führen, zutreffen. Das gilt nur für wenige Tiere, und selbst wenn ich Menschenaffen als Beispiel nehme, so ist ihre Unwissenheit ja nicht aufhebbar, es sei denn vielleicht durch heftige Mutationen. Entweder man überträgt die Ursachen des Leidens auf diese Tierwelt und muss sich dann eingestehen, dass man ihr Leiden nicht beenden kann (mangels deren Einsichtsfähigkeit) oder man tut es nicht, wodurch man seine ethische Haltung zu Tieren anders begründen müsste.


    Von daher - siehe topic - ergibt sich die Frage, welches Tier ein Problem mit seinem Selbst überhaupt hätte. Welches Tier definiert sich denn schon als "ich" über seine Vorlieben und Abneigungen?

    Ich bin da ganz anderer Ansicht.


    Nehmen wir an, mein Zahn tut weh (Leiden, erste Wahrheit).
    Gehe ich zum Arzt, kann ich ihn fragen, warum (Ursache, zweite Wahrheit). Es kann aber sein, dass er es nicht weiß (Unwissenheit), oder dass mehrere Ursachen in Frage kommen (Schokoladen-Gier und Zahnbürsten-Hass).
    Schließlich macht er was (Pfad, vierte Wahrheit), und ich bin wieder schmerzfrei.
    Weil er weiß, wie das Problem zu beheben ist (Aufhebung des Leidens, dritte Wahrheit).


    Demzufolge ist die dritte Wahrheit die wichtigste. Es kann nämlich für die Beendigung meines Leidens egal sein, welche Ursachen es hat und welchen Weg ich beschreite, Hauptsache ist, dass ich am Ende leid-frei bin.


    Der Vorteil dieser Sicht ist vielfältig. Zum einen klebt man nicht an Definitionen fest, also am Problem, sondern man arbeitet zielgerichtet an der Lösung. Zum anderen ist man offener gegenüber anderen Lösungsansätzen, die zum gleichen Ergebnis führen (im Allgemeinen kann es dann auch eine andere Philosophie, Religion, Weltanschaauung, Lebensweisheit sein).


    Ich teile auch nicht accincas pessimistische Sichtweise des "Elends" aller Dinge. Die Dinge sind ja nicht einmal deshalb elend, weil sie vergänglich sind, ich halte es für einen Kardinalfehler, daran irgendeinen Gedanken zu knüpfen, der Ablehnung andeutet oder negativen Beigeschmack wie "Elend". Darum frage ich auch, von wem accinca beeinflusst ist - vielleicht erklärt sich diese Sicht aus der Biografie eines Lehrers oder einer Lehrerin.


    Lieber Ellviral, ich möchte dich fragen, was die erste Wahrheit des Leidens "bis zur ersten Alge" dann für eine Konsequenz hätte. Bist du da nicht gerade auf dem Weg eines Superveganers, denn was bedeutet es, wenn du meinst, das Leiden, das wir Menschen aufheben, sei mit dem Leiden (der Vergänglichkeit) einer Alge gleich? Kann ich dann noch Algen verzehren? Wahrscheinlich verstehe ich dich aber falsch.

    Lieber Sudhana, wegen der Produktionsgesellschaften und des französischen Regisseurs würde ich nicht einfach von einem "Hollywood-Film" sprechen wollen. Es wird gleich zu Beginn darauf hingewiesen, dass Harrer Nazi war. Und die Aufgabe, die der Schüler bekam, war ja eine andere: Was ist hier "Buddhistisches" zu entdecken? In einem Ethikkurs werden dann populäre buddhistische Filmklischees womöglich zu interessanten Fragen nach einer buddhistischen Moral. Was die Mythenbildung angeht, so scheint mir der tibetische Buddhismus selbst da eine geeignete Matrix zu sein. Der Dalai Lama wird im Film als Wiedergeburt von Avalokiteshvara bezeichnet, eines Bodhisattvas. Trifft da nicht Mythos auf Mythos, auch wenn Harrer es nicht mit Sozialkritik hat, sondern mit Naturbewunderung? Letzteres hat er wohl mit dem Regisseur gemein.


    Interessant wäre ein Vergleich mit dem gleichnamigen Film von 1959, in dem Harrer selbst mitspielte. Vielleicht findet man den auch online.

    Lieber accinca, ich habe schon verstanden, dass es etwas für dich gibt, von dem du denkst, dass man es "glauben muss".


    accinca:

    Zitat

    Wie kommst du denn darauf?


    Wie komme ich auf was?

    Liebe Elke, ich möchte dir zustimmen. Und erlaube mir eine kleine Spitze, weil ich dem Schüler ja nun meine themenbezogene Hilfe zukommen ließ und das Thema von dieser Seite her abgedeckt habe.


    Natürlich sollte man die Kritik an Harrer bedenken. Aber wenn ich mir überlege, dass er dann mit 26 oder 27 Jahren in Gefangenschaft kam, und das für 5 Jahre, während Helmut Schmidt noch mit 26 Jahren seine "tadelfreie nationalsozialistische Haltung" bescheinigt bekam und später Bundeskanzler wurde - dann frage ich mich wirklich, was die Aufregung um Harrer soll. Wenn man bei Schmidt die "Allerweltseinträge" relativiert, warum gestattet man das Harrer nicht, der Sportlehrer war und im Krieg selbst "weit ab vom Schuss"?
    http://www.spiegel.de/politik/…machtsakte-a-1005719.html


    Was mir an Harrer im Spiegel-Interview gefällt ist, dass er sich nicht von der ganzen Atmosphäre um den Dalai Lama einlullen ließ und kritischen Abstand zur Religion bewahrte. Das zeigt sich meines Erachtens sogar noch im Film, denn der ist kein gelungenes Plädoyer für den Buddhismus, sondern eher ein Folklore-Porträt.

    Zitat

    Man muß ja nicht jeden Unsinn glauben.


    Lieber accinca, das ist richtig. Das gilt für alles Gesagte und Zitierte.


    Zitat

    In der Lehre des Buddha gibt es eigentlich nur ein Problem und dieses
    eine Problem besteht darin das Leiden endgültig und für immer loszuwerden.


    In der Lehre des Buddha heißt das nach SN I:


    Zitat

    O bhikkhus, was ist das Absolute (Asaṃkhata, Unbedingte)? Es ist, o bhikkhus, das Verlöschen von Begierde (rāgakkhayo), Hass (dosakkhayo), Illusion (mohakkhayo).


    Demnach ist eben auch "das Unbedingte" eine andere Bezeichnung für Nibbana. Und deshalb ist es nicht richtig, muktis Einwurf, nibbana sei ungeworden und unvergänglich, als nicht die Lehre Buddhas zu bezeichnen.

    Zitat

    Tut mir leid, ich verstehe nicht was Du meinst.


    Lieber Elliott, es steht alles oben. Du hast gesagt/zitiert:

    Zitat

    Nibbāna ist das größte Glück

    .


    Und Yofi stellt nun die berechtigte Frage so:

    Zitat

    wenn nibbana als Befreiung übersetzt wird, wieso könnte sie dann 'etwas' sein?


    Und accinca meint auf "Denn sowohl Nibbana als auch Brahman wird als ungeworden und unvergänglich beschrieben" (mukti) offensichtlich ebenso wie Elliot:

    Zitat

    Aber nicht in der Lehre des Buddha.


    (Elliots Zitat braucht ihr nicht zu wiederholen, denn dass Glück - und damit Nibbana, gemäß des Zitats - vergänglich ist, und dass ein Pfad, der sicher wohinführt, eine Bedingung darstellt, steht logisch außer Frage.)


    Haltet ihr beiden, Elliot und accinca, Nibbana also für vergänglich und bedingt?

    Zitat

    Das größte Gut ist die Gesundheit,
    Nibbāna ist das größte Glück,
    Der beste Pfad ist der Achtfache,
    Der sicher zum Todlosen führt


    Hier lassen sich aber zwei Dinge zeigen: Zum einen ist Nibbana nach dieser Definition bedingt, denn es gibt einen Pfad, der "sicher" dorthin führt. Zum anderen hat es eine Eigenschaft, nämlich Glück, die wir eigentlich als anicca auffassen müssten. Egal, wie man das übersetzt, sobald Nibbana etwas "ist", wird natürlich das ganze Sichwinden um "weder Sein noch Nichtsein" absurd.

    Der oben zitierte Vers widerspricht damit der offensichtlichen Absicht des Zitierenden, "Sinn zu machen". Er meint, der Sinn entstünde allein durchs Aneinanderreihen von Zitaten, doch das Gegenteil ist der Fall.


    Ich habe deshalb ja schon vor einigen Tagen gefragt, was Elliott (und manchmal accinca) im Besonderen mit ihren Zitaten bezwecken wollen. Wenn sie eine eigene Meinung (nach der, glaube ich, auch Yofi fragte) durch Zitate ersetzen, die nur neue Widersprüche aufwerfen, lässt sich absehen, dass dieser Disput sich ewig fortsetzen wird.


    Andererseits ist das zu erwarten. Zum achtfachen Pfad gehören viele Dinge, die ein "moralisches Selbst" ausmachen.


    Eine Frage von Anandasa von Seite 1 möchte ich noch aufgreifen:

    Zitat

    Gibt es ein wahres Selbst oder ist dies hier nur misverständlich beschrieben oder ist es gemäß buddhistischer Theorie falsch?


    Eine mögliche Lesart (von vielen) findet sich bei Schmitthausen https://www.buddhismuskunde.un…/bd4-k06schmidthausen.pdf auf Seite 14.
    Demnach legt mindestens eine Textstelle (DN I 223) nahe, dass vijnana - als Wahrnehmungsvermögen und Lebensträger hier mit Nibbana ("grenzenlos, überallhin strahlend") gleichgesetzt - einen kosmischen Zug trägt, in den die individuellen Bewusstseine nach dem Tode einträten.

    accinca:

    Zitat

    Allerdings nach der Lehre kann, solange dieser Zweifel (vicikicchā zweite Fessel) nicht
    durch Erkenntnis überwunden ist, auch niemals Stromeintritt erlangt bzw. Nibbana verwirklichen werden.


    Ja, das ist bekannt. Wie gesagt interessiert mich bei dir und Elliot, ob ihr für euch den Palikanon lest oder ob ihr euch einer bestimmten Schule im Theravada zurechnet und Lehrer habt. Denn mir fällt etwas auf. Was ihr m.E. gemeinsam habt, ist die fehlende Erkentnis, dass es sich hier in eurer Argumentation um reine Eintrittskarten in einen Club handelt: Willst du Nibbana - dann musst du das so oder so machen. Das ist nur in sich logisch, deshalb schafft der Nibbana-Club seine eigenen spezifischen Regeln, wie jeder Club. Wer nicht mitspielt, soll draußen bleiben. Eine lautet: Solange du zweifelst, kein Nibbana. Eine allgemeingültige Lehre müsste anders verstanden werden.


    Mir scheint, wenn ihr mir diese Offenheit erlaubt, weder du noch Elliott verstehen diese Stelle so, dass der Zweifel auch derart aufgehoben werden kann, dass man zu anderen Schlüssen kommt als der Buddha (zum Beispiel in Hinblick auf die Tatsache, dass man an den Taten wie gesagt nicht erkennt, wie einer weiterwandert, da ja alle gleichermaßen sterben) - jedoch trotzdem Befreiung von der Leidhaftigkeit des Daseins erlangen könnte (was bei dir Nibbana heißt). Ihr bewegt euch in dieser Logik, die immer nur auf sich selbst verweist. Dann ist jeder Hinweis auf selbsttätiges Überprüfen oder vielleicht noch das Kalamer-Sutta sinnlos, da ihr offenbar der Meinung seid, eine solche Überprüfung müsste immer wieder zum Wortlaut des Palikanon zurückführen. Demnach gibt es de facto keine Möglichkeit, sich eine eigene Meinung zu bilden. Das finde ich sehr seltsam, auch wenn ihr in dieser Diskussion endlich mal ein wenig eigene Meinung und vor allem unterschiedliche Meinung erkennen lasst. Sonst sehe ich immer nur die Flucht ins Zitat.


    Meines Erachtens gibt es hierfür nur zwei Erklärungen. Entweder ihr habt keine eigenen Erkenntisse und überprüft nicht selbst, was ihr zitiert. Das fände ich traurig. Ich habe noch nie einen religiösen Text gelesen, indem ich alles unterschreiben kann, weder im Koran noch in der Bibel noch im Palikanon und so weiter.


    Oder ihr habt für euch alle Zitate bestätigt gefunden, dann wäret ihr im Sinne des Palikanons erwacht. Das fände ich erfreulich. Allerdings habt ihr das, wie ich zwischen den Zeilen lese, wohl bisher in Abrede gestellt. Darum ist meine Frage, warum ihr euch nicht mit persönlichen Ansichten zu euren Zitaten positioniert.


    Was für ein Weg ist das, in dem ihr alles mehr oder weniger kommentarlos wiederkaut? Gibt es da lebende oder halbwegs aktuelle Vorbilder für euch? Erkennt ihr wenigstens, dass dies pure Religion ist, eine reine Glaubensfrage, mit der Voraussetzung eines blinden Vertrauens in überlieferte Texte? Seht ihr darin nicht auch eine Gefahr (denn das Gleiche machen ja einige Bibel- und Korangläubige)?

    Elliot, hast du diese zitierte Methode ausprobiert?
    Zu welchem Schluss bist DU gekommen?


    Ich habe Achtsamkeit auf den Körper ausgedehnt und kann, wie gesagt, nicht bestätigen, dass "die Wesen ihren Handlungen gemäß weiterwandern".


    Wie steht es mit dir?

    Wie die Regel des Nicht-Tötens zu verstehen ist, erkennt man ja daran, dass Mönche, die alle Regeln sozusagen besonders genau nehmen sollen, nicht einmal ein Feld bearbeiten dürfen. Ist ja logisch, dass ein Mönch nicht den Rasen mäht, weil er dabei Lebewesen schaden kann. Darum siebt er auch sein Trinkwasser ab.


    Und nun sind da wir Laien, haben im Grunde die gleiche Regel zu beachten und wissen durch die weiteren Ausführungen im Palikanon, wie sie gedacht sind. Und das fällt auf uns zurück und macht uns Gewissensbisse. Ich glaube aber, wir könnten als Laien umgekehrt schauen, was dem Mönch im Unterschied von uns verboten ist. WIR dürfen den Acker bestellen. Denn WIR sind keine Mönche. Wir sollten das achtsam tun, ja, aber prinzipiell ist die Frage beantwortet: Da ich Laie bin, darf ich mehr als drei Kleidungsstücke zum Wechseln haben und den Rasen mähen oder sogar Gärtner werden.


    Ein weiteres Problem ist die Vermischung von Teilaspekten des achtfachen Pfades. Beim Rasenmähen geht es nicht um Rechtes Denken, sondern um Handeln. Das Ziel ist ja die Kürzung des Grases, dabei spielen doch Überlegungen wie Nicht-Gewalt gegenüber dem Rasen praktisch keine Rolle. Ich habe mich noch nie dabei ertappt, mit Absicht von Gewalt oder Hass ans Rasenmähen heranzugehen. Für mich sind das rein theoretische Fragen, unnötige Grübelei.


    Was wir also nicht machen sollten, das ist, die Regeln so zu verstehen, wie sie ein Mönch verstehen sollte, denn WIR sind Laien.
    Eine andere Frage sind die Bodhisattva-Gelübde. Diese Gelübde machen eigentlich die 5 Grundregeln komplizierter, als es m. E. sein muss. Man könnte sich fragen, ob man nicht mit den 5 Übungsregeln für Laien auskommen kann und warum man unbedingt als LAIE nach noch mehr Regeln sucht.

    Liebe(r) Alltibasu, kannst du es uns nicht leichter machen mit einer Liste der Dinge, die dir aufgefallen sind? Nicht jeder hat diesen Film zuhause.
    Ist das eine Schulaufgabe? Es klingt so, nämlich ein bisschen naiv, denn DEN Buddhismus gibt es nicht. Ich gebe dir ein Beispiel als meine persönlichen Gedanken zu deiner Frage (da ich nicht in Anspruch nehme, für den Buddhismus insgesamt sprechen zu können):


    Was Tibeter tun, ist womöglich eher tibetisch geprägt als buddhistisch (Motiv angestammte Kultur). Gartenarbeit (Umgraben) ist im Theravada-Buddhismus den Mönchen z.B. verboten.
    Einen Wurm, der ausgegraben ist, muss man nicht eingraben, das kann er schon selbst (Motiv des "Nicht-Handelns" oder Nicht-Eingreifens).
    Ist einen Wurm eingraben deshalb gut, weil man ihm einem Vogel wegschnappt, der ihn getötet hätte? Und der Vogel, der dadurch satt geworden wäre? (Motiv Unterscheidung)
    Viele Würmer werden beim Umgraben zerteilt. Was macht man nun? (Das könnte ein Zen-Koan sein - Aus eins wird zwei, wie machst du wieder eins daraus?)


    Das könnte ein spannendes Projekt sein, wenn du uns hilffsft. Mit sehr vielen Antworten, die euch alle vielleicht zu reghaften Diskussionen anregen, die über den Film und "den" Buddhismus hinausgehen. Mich würde freuen, wenn ihr dabei zur Erkenntnis kommt, dass ethische Fragen nicht immer einfach und schematisch zu beantworten sind und die verschiedenen buddhistischen Schulen auch unterschiedliche Perspektiven haben.

    Zitat

    und man versteht, wie die Wesen ihren Handlungen gemäß weiterwandern


    Lieber Elliot - tut man das? Zuvor ist in diesem Text doch bloß festgestellt worden, dass alle sterben. Wie kommt man dann auf "gemäß ihren Handlungen"? Genau das verstehen viele wohl nicht, oder analog zu deiner Protonenbehauptung: Das (Weiterwandern gemäß Handlungen) hat noch keiner je beobachtet. Um es zu beobachten, müsste man es ja mit eigenen ("himmlischen") Augen tun. Wer könnte das hier von sich behaupten? Damit bleibt es wiederum eine reine Glaubensfrage, etwas zugespitzt könnte man sagen: Ein Angeber behauptet, er habe das himmlische Auge, keiner kann es nachvollziehen (denn nachvollziehbar ist nur, dass alle - unabhängig von ihren Handlungen - am Ende tot sind), aber alle sollen ihm glauben.


    Hinterfragst du eigentlich deine Zitierweise bzw. den Inhalt deiner Zitate oder suchst du einfach mit Stichworten nach Textstellen, weil du sie für selbst erklärend und überzeugend hältst?


    Und könntet ihr beide, Elliot und accinca, einmal eure Schulrichtung etwas präzisieren, da ihr beide dem Theravada anzuhängen scheint, aber unterschiedlicher Ansicht?

    Zitat

    Eine der größten dabei Tücken ist, dass in den buddhistischen Texten, die nach bestem Wissen in der Nähe der Lebenszeit des Buddha entstanden sind, das Wort "Selbst" genausowenig auftaucht, wie das Wort "Nicht-Selbst".


    Lieber Elliott, das ist eine interessante Beobachtung. Könntest du kurz auflisten, welche Texte du dazuzählst?
    Und würdest du daraus schließen, dass wir hier viel Wind um etwas machen, das den Buddha womöglich gar nicht bekümmerte oder das er "offen" ließ?

    Lieber Yofi (wenn ich mich in der Anrede mit dem Geschlecht vertue, ist das keine Absicht, ich denke mir einfach je nach Klang des Namens männlich oder weiblich),


    Zitat

    Wenn man an der eigenen Ansicht festhält und dieses Festhalten als leidhaft empfindet, versucht man eine Bestätigung durch andere zu bekommen.


    Ja, doch logischerweise gilt das auch, wenn man die Bestätigung durch andere bei Buddha bzw. in buddhistischen Texten sucht. Das hat von vornherein die gleichen Tücken.