Placebo:
Hi!
Ich frage mich als laie immer, warum im Buddhismus das Erreichen des Nirvanas so eine tolle Sache sein soll?
Falls ich es richtig verstehe, bedeutet das Nirvana "Ausloeschung", "Aufloesung", "das Nichts", etc.
Sprich kein Bewusstsein mehr.
Falls dies das Endziel sein soll, da waere dies doch durch Suizid sehr "einfach" und schnell zu erreichen.
Zumindest fuer Buddhisten, die nicht an Wiedergeburt und den besagten Kreislauf glauben.
Aber auch falls man daran glaubt, dann uebersteigt es meine Vorstellungskraft, dass Jemand wirklich die unendliche Ausloeschung seines Bewusstseins anstrebt.
Natuerlich behaupten gerade dies viele Menschen und es ist euch leicht gesagt, jedoch geht es entgegen dem menschlichem Selbsterhaltungs-Trieb, den jeder Mensch nun man von Geburt an in sich traegt.
Mich wuerden wirklich Meinungen bezueglich diesem Punkt interessieren.
Lg,
Placebo
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Ich finde Deine Frage sehr berechtigt.
Sie beruht aber auf verschiedenen Missverständnissen.
Welches nun das "richtige" Verständnis ist, darauf werden Dir Anhänger unterschiedlicher buddhistischer Richtungen auch verschiedene Antworten geben, die teilweise übereinstimmen, sich aber auch teilweise widersprechen.
Aus meiner Sicht möchte ich folgende Punkte betonen:
1. "Nirwana" bedeutet eben nicht "unendliche Auslöschung des Bewusstseins", sondern ein Erlöschen von Gier, Aversion und Verblendung.
2. Das Erlöschen von Gier, Aversion und Verblendung ist für den Praktizierenden des achtfachen Pfades ein PROZESS, der bei jedem Schritt auf dem Weg heilsame Wirkungen hat. Ob Du auf dem Weg voranschreitest und eine für Dich geeignete Praxis ausübst, lässt sich (langfristig) daran erkennen, ob dukkha reduziert wird und sich stattdessen mehr innerer Frieden und ruhige Heiterkeit entwickeln.
3. Wie bei vielen anderen Dingen im Leben, kann man zwar vieles dafür tun, um das "Ziel" zu erreichen, aber eine Mentalität des "Das-Endziel-haben-Wollens" ist dabei hinderlich. Es wird geübt im Hier und Jetzt, ohne Fixierung auf irgendwelche Ziele.
4. Einen Geisteszustand, in dem (für eine begrenzte Zeit) Gier und Aversion vollständig aufgehoben sind, erfährst Du in der vierten meditativen Vertiefung (Jhana, samma samadhi).
Im sutta-pitaka kannst Du nachlesen, dass der Buddha immer und immer wieder die Jhanas als zentralen Bestandteil der Praxis betont hat.
Es gibt dafür verschiedene gute Gründe.
(Ich möchte aber auch hinzufügen, dass diese Auffassung heutzutage eher eine Minderheitsmeinung ist, da die meisten Buddhisten andere Formen von Meditation praktizieren. Doch ganz gleich, welche "Methode" praktiziert wird, können Vertiefungen bei hinreichender Konzentration jederzeit spontan eintreten.)
Aus meiner Sicht kann man ein entscheidendes Argument für eine Praxis der meditativen Vertiefungen so formulieren: Ohne den Geisteszustand in der vierten meditativen Vertiefung selbst erfahren zu haben, lässt sich nicht wirklich innerlich-intuitiv verstehen, was ein Geisteszustand bedeutet, der frei ist von Gier und Aversion.
Und zwar bedeutet es:
5. einen tiefen inneren Frieden und eine Gleichmut, die zwar jenseits von "angenehmen" und "unangenehmen" Gefühlen sind, dennoch aber als eigentliche Befreiung und als höchstes Glück wahrgenommen werden.
Das klingt paradox und lässt sich in Worten gar nicht adäquat beschreiben. Es muss erfahren werden. Und wenn Du es erfährst, verschwinden die Missverständnisse im Hinblick auf "Nirwana". Die meditativen Vertiefungen sind also gerade auch ein Instrument für Einsicht.
Falls Du diesen Weg gehen möchtest, um es selbst zu erfahren: Für mich waren und sind dabei die Erläuterungen in der Tradition von Ayya Khema und in der Tradition von Ajahn Chah (vermittelt durch Ajahn Brahm) sehr hilfreich. Dieser Weg erfordert aber, ebenso wie viele andere auch, viel Geduld. Und es ist wichtig, das "Ziel" und die "Mittel" zwar zu kennen, aber die Mentalität des Haben-Wollens dabei loszulassen.