Herzlichen Dank für Eure Antworten!
Ellviral:
pamokkha:
Was ist denn bei meiner ersten Antwort - Der Wille zu Töten steigt zwingend mit dem Geistesfaktor Hass auf - unklar geblieben. Der Wille steigt mindestens auf beim Tötungsauftrag und bei der Tötungsausführung.
Der Wille zum Töten aus Gier, Hass, Verblendung ist immer abzulehnen. Ich habe das Erfahren, doch es gibt eine Gier, Hass und Verblendung freie Tat des Tötens. Das ist einfach so und wenn ich das nicht so erfahren hätte müsste ich mich als Mörder bezeichnen.
Mir ist es wichtig, sehr ehrlich mit mir selbst zu sein. Dazu gehört es, deutlich zu beobachten, aus welchen Motiven ich handle. Welche Impulse bei mir vorhanden sind.
Und in den meisten Fällen, in denen ich in meinem Leben getötet habe, gab es Impulse von "Hass" (im Sinne von Aversion) und "Verblendung".
Beispiel: Als Kind habe ich Regenwürmer aufgesammelt, die auf der Straße waren, damit sie nicht überfahren werden. Einmal war ein Regenwurm bereits überfahren und fast ganz zerquetscht. Ich konnte die Vorstellung, dass der Wurm leidet, nicht ertragen und habe schnell ein Taschentuch daraufgelegt und ihn zertreten. (Hauptsächlich deshalb, um nicht selbst zu leiden.)
Da war "Hass" im Sinne von Aversion gegenüber dem Leiden und auch Verblendung.
Ob man sich gleich als "Mörder" bezeichnen muss, wenn solche Motive vorliegen, ist eine andere Frage. Ich finde es aber wichtig, die eigenen Motive klar zu sehen.
Also stimme ich Dir zwar zu, dass es eine von "Gier, Hass und Verblendung freie Tat des Tötens gibt", aber das kommt nur selten vor.
Jojo:
Der Terminus "Hass" gehört zu einer gängigen Variante der Bezeichnung der drei Geistesgifte (Gier, Hass, Verblendung). Man könnte statt Hass z.B. auch das Wort "Abneigung" verwenden (Abneigung, Zuneigung, Ignoranz).
Wenn man genau hinsieht, liegt tatsächlich Abneigung vor: Der Tierhalter möchte das Sterben des Tiers nicht so annehmen, wie es ist, und entscheidet sich daher, den Sterbeprozess abzukürzen.
Das ansich ist lediglich eine halbwegs neutrale Beschreibung des Vorgangs und trifft noch keine Aussage darüber, ob es "verwerflich" ist oder nicht, eine solche Abneigung zu empfinden.
Das Wort "Hass" impliziert schnell eine gewisse moralische Kategorie ("darf nicht sein, ist böse"), was wiederum alle möglichen Gedankenfiguren triggert, deswegen würde ich dieses Wort in einer Analyse nicht verwenden. Aber im Grunde, glaube ich, hat pamokkha Recht.
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Ich stimme Dir zu, dass bei solchen Handlungen meistens "Hass" im Sinne von "Abneigung" bzw. "Aversion" vorliegt.
Und ich stimme auch zu, dass das Vorliegen einer solchen Motivation noch nichts darüber aussagt, ob die Handlung moralisch "verwerflich" ist oder nicht. (Und zwar deshalb, weil eine ernstzunehmende Ethik immer auch die Konsequenzen einer Handlung berücksichtigt, nicht allein ihre Beweggründe.)
Was heißt es aber, dass "Abneigung" bzw. "Ablehnung" bzw. "Aversion" vorliegt?
Meiner Meinung nach heißt es, dass da ein Impuls sein muss, den der Handelnde bei ausreichender Achtsamkeit und Übung auch wahrnehmen kann.
Wenn Du stattdessen sagen möchtest, dass schon die Tatsache der Ablehnung einer Handlungsalternative "Hass" sei (auch ohne einen zumindest prinzipiell wahrnehmbaren Impuls von Aversion), dann wäre jede Handlung mit "Hass" verbunden. Denn bei jeder Entscheidung für eine Handlung entscheidet man sich automatisch GEGEN bestimmte Handlungsalternativen.
Als ich mich gegen die Option entschieden habe, meine Katze länger leiden zu lassen, habe ich keine Aversion gegen das Leiden gespürt, sondern nur Hilflosigkeit und direkt danach "Mögest Du frei von Schmerzen sein", also die Konzentration auf Befreiung, was verbunden war mit einem Zustand der Ruhe.
Gerade deshalb, weil ich ja sehr genau fühle und mich daran erinnere, wenn ich aus Ablehnung töte (siehe oben das Beispiel mit dem Regenwurm), überzeugt mich davon, dass da kein "Hass" war. Und Gier und Verblendung ebenfalls nicht.
mkha':
Ich verstehe, dass die harte Reaktion pamokkhas leicht irritierend ist, allerdings stellt das Gebot des „Nicht-Verletzens“ (skt. ahiṃsā). eines der „fünf Grundgebote der Sittlichkeit“ dar und gebietet, vom „Töten lebender Wesen“ (skt. prāṇātipāta) Abstand zu nehmen. Punkt.
(...)
Es heißt, in den meisten Fällen gehe das Denken dem Reden und der Tat voraus. Analysiert man also seine Motivation, (ohne sich selbst etwas vorzumachen), erkennt man recht leicht, ob das eigene Denken, Reden und Handeln karmisch heilsam oder unheilsam ist, (stark vereinfacht könnte man sagen: egoistische Motive unheilsam, selbstlose Motive heilsam).
Du hast, mit der Motivation helfen zu wollen, alles getan, um die schwere der Erkrankung für das Tierchen erträglicher zu machen. Du hast Dich fachlich beraten lassen und bist, aufgrund mitfühlender Motive, zum Wohle Deines Lieblings, der Ansicht des Tierarztes, dass es angezeigt sei, das nicht zu lindernde Leiden des Tieres zu beenden, gefolgt. Hättest Du dieses Karma nicht auf Dich genommen, wäre Das Tier bis zu seinem natürlichen Tod den nicht zu lindernden Schmerzen ausgesetzt gewesen. ... Meines Erachtens war das eine absolut selbstlose Tat zum Wohle des Tieres.
Vielen Dank für Deine freundlichen Worte!
Ja, die Auffassung Pamokkhas hinsichtlich des Gebots des Nicht-Verletzens ist mir ganz klar.
Weniger klar ist mir, ob er das Gebot richtig auslegt.
Denn wenn wir nichts "aktiv" tun, handeln wir doch auch. Und zwar durch Unterlassen.
Wenn Pamokkha also verantwortlich gewesen wäre für die Katze, hätte er ebenfalls folgende Alternativen gehabt:
(1.) Der Tötung durch die Tierärztin zuzustimmen.
(2.) Der Katze Schmerzmittel zu geben, die das Leiden nicht wirksam lindern, aber zu einer langsamen Vergiftung führen und also ebenfalls eine Tötung darstellen.
(3.) Die Katze ohne Gabe von Schmerzmitteln wieder mit nach Hause zu nehmen und für extremes Leiden verantwortlich zu sein.
Jede dieser Handlungsalternativen hätte doch "karmische Konsequenzen" gehabt.
Nicht bloß die Zustimmung der Tötung durch die Tierärztin, sondern auch die grausameren Alternativen durch Unterlassen bzw. langsame Tötung.
Sehe ich das falsch?
Da scheint doch bei der gängigen Auslegung des "Nicht-Verletzens" irgendwie die Illusion eine Rolle zu spielen, dass es gar keine karmischen Konsequenzen habe, wenn man scheinbar "nichts tut".
Doch das Unterlassen kann grausamer sein als eine direkte Tötungshandlung.
Sudhana:
Frieden-und-Freude:
Man könnte die buddhistische Ethik natürlich so umformulieren, dass daraus ein "negativer konsequentialistischer Handlungsutilitarismus" wird.
Das ist keine Umformulierung, sondern die buddhistische Ethik schlicht auf einen kurzen Nenner gebracht.
(...) eine 'Technik' um damit zu einem Ergebnis zu kommen, also die Orientierung / Bewertung des Handelns anhand seiner Eignung, zu einem Ziel (hier: Überwindung von Duhkha) zu führen ist - bezogen auf die Handlungsempfehlungen der sikkhapada - Utilitarismus. Da dies nicht auf ein positives Ziel gerichtet ist (etwa Erlangung von Glück), sondern auf ein negatives (Überwindung von Duhkha), handelt es sich um einen negativen Utilitarismus. Da dabei die Handlungen an ihren Folgen gemessen werden (führen sie zu einer Vertiefung / Perpetuierung von Duhkha oder zur Überwindung / Minderung) ist dieser Utilitarismus konsequentialistisch.
Lieber Sudhana,
eine philosophische Grundlagendiskussion wäre an dieser Stelle vermutlich off topic. (Wir können die Diskussion aber gern per PN führen, falls Du das möchtest.)
Vielleicht beschränken wir uns an dieser Stelle auf das konkrete Beispiel: Wie wurde in diesem Thread bisher über die Übung bzw. das Gebot nicht zu töten, diskutiert?
Es ging doch immer wieder hauptsächlich um die Motive des Handelnden: Waren da "Hass", "Gier" und "Verblendung"?
Es ging nur am Rande um die konsequentialistische bzw. utilitaristische Beurteilung der Handlungsalternativen.
Aus der Sicht eines negativen Utilitarismus müsste man die Handlungsalternativen im Hinblick auf die Minimierung des Leidens bewerten. Und käme sehr einfach zu dem Schluss, dass die Tötung der Katze durch die Tierärztin selbstverständlich die einzig richtige Entscheidung ist.
Da es aber in der Diskussion um Handlungsmotive geht und weniger um die Idee des Minimierens von Leiden, zeigt sich doch, dass hier eine Gesinnungsethik vorliegt, keine utilitaristische bzw. konsequentialistische Ethik.
(Sofern man den Buddhismus überhaupt mit Begriffen abendländischer Ethik-Traditionen beschreiben möchte. Ich bin da sehr skeptisch, ob das angemessen ist. Eine ausführliche Begründung würde hier zu weit führen.)