Beiträge von Frieden-und-Freude

    pamokkha:

    Du kannst dir so viel in die eigene Tasche lügen, wie du möchtest. Aber muss das im Bereich buddhistische Praxis sein. Was ist immer mit den Leuten, die ihr Töten und Morden rechtfertigen müssen. Gehörst du zum Mahayana?


    Glaubst du, dass deine vorwurfsvolle und schroffe Reaktion mit persönlichen Unterstellungen richtige buddhistische Praxis ist?


    Eine angemessene Antwort auf meinen letzten Beitrag, in dem ich dir ausführlich die Situation schildere, die mich dazu brachte, die Katze zu töten?


    Du bleibst mir die Antwort schuldig, was du an meiner Stelle getan hättest.


    Stattdessen fragst du mich, ob ich zum Mahayana gehöre.



    Dann werde ich Dir jetzt ausführlich die Situation beschreiben. Da ich sowohl die Situation als auch mich selbst mit größtmöglicher Achtsamkeit wahrgenommen habe, kann ich es Dir sehr detailliert beschreiben.
    Und ich hoffe, Du kannst mir sagen, wo in dieser Situation Hass gelegen haben könnte.
    Es ist übrigens keineswegs so, dass ich etwas nicht wissen oder hören möchte. Ich übe mich seit langer Zeit darin, meinen eigenen Motiven auf die Spur zu kommen. Falls Du also ernsthaft einen Beitrag dazu leisten möchtest freut mich das, wenn Du Deine Ansichten etwas ausführlicher erläuterst oder begründest.


    Im Vorfeld konnte ich mich damit auseinandersetzen, dass ich wahrscheinlich vor der Entscheidung stehen werde, meine Katze einschläfern zu lassen.
    Damit habe ich es mir nicht leicht gemacht. Weder geht mir "Töten leicht von der Hand" noch bin ich "nicht ausreichend in Achtsamkeit geschult".


    Ich hatte im Vorfeld entschieden, jede verantwortungsvolle Möglichkeit zu nutzen, eine Tötung zu vermeiden. Und nur dann von aktiver Sterbehilfe Gebrauch zu machen, wenn die Alternative mit erheblichen Qualen verbunden wäre.


    Mit der Tierärztin habe ich vereinbart, dass sie alle Behandlungsmöglichkeiten nutzt. Die Behandlung hat eine Stunde gedauert. In dieser Wartezeit fühlte ich mich unwohl, ich war unruhig und in Sorge, weil diese Behandlung Stress für meine Katze bedeutete und mit Angst und Schmerzen verbunden war. Ich fragte mich, ob das sofortige Einschläfern verantwortungsvoller gewesen wäre, da ein Behandlungserfolg eher unwahrscheinlich war. Doch ich wollte nicht töten und war nicht sicher im Hinblick auf die Aussichten der Behandlung. Auch die Tierärztin war sich nicht sicher.


    Als ich nach einer Stunde in das Behandlungszimmer gerufen wurde, lag meine Katze auf dem Operationstisch, halbseitig kahlgeschoren und halb betäubt. Mein Gefühl: Leichtes Entsetzen, vor allem im Hinblick auf den Gedanken, dass sie durch die Behandlung vermutlich zusätzlich Schmerzen hatte.
    Das Entsetzen habe ich rasch loslassen können, um der Ärztin aufmerksam zuzuhören.
    Sie erklärte mir ausführlich die Krankheitsursachen. Und die Gründe dafür, dass die Katze nicht zu retten sei. Sie sagte, ich müsse die Katze "gehen lassen".


    Das überzeugte mich noch nicht. Ich war darauf vorbereitet, meine Katze bis zum Tod zu pflegen. Deshalb bat ich die Tierärztin, mit mir diese Alternative zu besprechen. Sie erklärte mir daraufhin ausführlich, warum sie ein solches Vorgehen für unverantwortlich halte: Schmerzmittel würden bei dieser Form von Erkrankung nicht wirksam das Leiden lindern. Außerdem sei der Einsatz von Schmerzmitteln ebenfalls eine Tötung, da die Organe der Katze nicht mehr in der Lage seien, ein Schmerzmittel abzubauen. Eine Pflege bis zum Tode mit Einsatz von Schmerzmitteln würde eine langsame Vergiftung darstellen, also ebenfalls eine Tötung, die nur länger dauere und qualvoll für das Tier sei.


    Soweit ich es wahrnehmen konnte, war die Tierärztin in Sorge, dass die Katze unnötig leiden muss. Aus der Art wie sie mit mir gesprochen hat, konnte ich entnehmen, dass sie mich wohl für fundamentalistisch religiös gehalten haben muss. Sie plädierte sehr dafür, unnötiges Leiden zu verhindern.


    Ich habe noch immer nicht eingewilligt, sondern die Situation noch kurz telefonisch mit einem Familienangehörigen besprochen.


    Danach gab ich den Auftrag, die Katze zu töten.
    Was habe ich in dem Moment empfunden?
    Vor allem zwei Gefühle, abwechselnd: Ein Gefühl der Hilflosigkeit, das Töten nicht vermeiden zu können. Und ein Gefühl der Erleichterung, weil ich auf diese Weise der Katze Leiden ersparen kann.


    Da war weder ein Gefühl von Hass im engeren Sinne. Noch im weiteren Sinne von "Aversion" dem Leiden der Katze gegenüber. Also auch nicht eine Reaktion in der Art von "Ich lehne es ab, die Katze weiter zu pflegen oder die Zeichen von Leiden weiter zu ertragen". Sondern nur das Gefühl, dass es gut ist, vermeidbares Leiden zu verhindern.


    Bei der Tierärztin waren - nach meiner Wahrnehmung - hauptsächlich das Gefühl der Erleichterung, dass ich einsichtig war und die Katze nicht unnötig leiden muss. Ansonsten war jede Handlung bei ihr völlige Routine. Ohne erkennbares Gefühl.


    Zuerst wurde die Betäubungsspritze angesetzt. Ich hielt den Kopf der Katze und hoffte darauf, dass sie einen leichten Tod haben wird.
    Die Ärztin wollte nun 10 Minuten warten, bis die Betäubung komplett wirkt und ging in ein anderes Behandlungszimmer. Ich beobachtete die Katze, während ich ihren Kopf streichelte. Achtete sehr aufmerksam auf ihre Körperfunktionen, ihre Atmung, während ich freundlich mit ihr redete.
    Die Atmung wurde immer schwächer. Zuletzt nur noch ganz leicht und ruckartig. In dem Moment war ich in Sorge, dass da womöglich etwas Leidvolles passiert, ein Ersticken vielleicht. Ich rief die Ärztin, die mich beruhigte.
    Als sie die Giftspritze ansetzte war ich ganz ruhig. Die Katze war schon völlig bewegungslos und mit starren Augen, kaum noch ein Atem zu sehen. In diesem Moment dachte ich einzig und allein "Mögest Du frei von Schmerzen sein." Bei mir Frieden, nur dieser Gedanke "Mögest Du frei von Schmerzen sein."
    Gefühl von Gleichmut.


    Soweit meine Wahrnehmung der Situation.


    Wo war da Hass?


    Wie hättest Du in meiner Situation gehandelt und Dich gefühlt?


    Und glaubt jemand, es sei moralisch besser gewesen, die Katze nicht zu töten?
    Oder es sei besser im Einklang mit buddhistischer Praxis gewesen, die Katze weiter leiden zu lassen?


    Ich habe mich jetzt wirklich bemüht, ausführlich und aufrichtig zu beschreiben. Und hoffe, dass von Dir auch eine ausführliche und aufrichtige Antwort kommt.


    _()_

    Vielen Dank für Eure interessanten Antworten!


    Tulamben:

    Ich hatte dabei immer den Eindruck, dass diese Reaktion zum einen aus der christlichen Erziehung unserer Gesellschaft resultiert (man hat einfach ostentativ zu trauern, es wird erwartet, es gehört sich so etc.), in erster Linie, um die Trauer der Öffentlichkeit gegenüber zu "beweisen".
    Zum anderen zeigt es - meiner Auffassung nach, ein gewisses Maß an Unverständnis für einen alternativen Umgang mit dem Tod, als dies die Kirche vorgibt, resultierend eben aus einer anderen Glaubensgrundlage. Hier liegt eine eingeschränkte Sicht (Anhänger der monotheistischen Religionen können viele buddhistische Gedankengänge oder Verhaltensweisen nicht nachvollziehen und was fremd ist, lehnt man tendenziell ab) vor, was wiederum für mich ein Indiz dafür ist, dass hier doch eher die Ego-Anhaftung der Personen im Vordergrund steht. Hat die christliche Trauer nicht im Ursprung eine "egoistische" Komponente? Ich trauere, ich spende Beileid (was näher an Mitleid liegt als an Mitgefühl), ich werde an meine eigene Vergänglichkeit erinnert und kann damit nicht umgehen, weil mir die christliche Erlösungsethik hier letztlich nicht weiter hilft, das zentrale Gefühl ist Angst.


    Das Mit-Leiden als Akt der Trauer ist sicherlich ein Erbe unserer christlichen Prägung. Interessant finde ich diesbezüglich das Buch von Bikkhu Analayo über "Compassion & Emptiness". Er zeigt darin, dass Traurigkeit im Gegensatz steht zur buddhistischen Praxis von Mitgefühl.


    Unsere westliche Kultur ist natürlich längst nicht mehr überwiegend "christlich". Dieses stark Anhaftende und Egofixierte gerade im Umgang mit dem Tod scheint auch ein Ergebnis der materialistisch orientierten Kultur zu sein. (Der "Existenzform des Habens" im Sinne Erich Fromms.)


    mkha':

    Du weißt gewiss, dass den Schriften der buddhistischen Philosophie nicht zu entnehmen ist, dass von einem Anhänger des Theravada, Maha-und/ oder Vajrayana erwartet wird, dass er nicht trauere. Obwohl ihm bewusst ist, dass der Tod ebenso zum Leben gehört, wie die Geburt und das Altern, empfindet auch der Buddhist Trauer, auch er gibt sich die Zeit, diese Trauer zu leben, Abschied zu nehmen.


    Spannend finde ich in dem Zusammenhang die Berichte Ajahn Brahms, der in einem seiner Vorträge darüber spricht. Er hat jahrzehntelang im Nordosten Thailands Beerdigungs-Zeremonien durchgeführt und sagt, dass Trauer über den Verlust von Angehörigen dort sehr selten sei. Das erklärt er mit der Prägung durch die buddhistische Kultur.
    Da für uns Trauer und Verlust-Wahrnehmung so selbstverständlich sind, halten wir so etwas kaum für möglich. Aber ich glaube schon, dass Ajahn Brahm die Wahrheit sagt, auch wenn er gelegentlich zu Übertreibungen neigt.
    Er spricht an anderer Stelle davon, dass er Sterbende begleitet, die keine Trauer empfinden über ihren eigenen bevorstehenden Tod, was die Krankenschwestern und Ärzte irritiert. Aus Sicht eines westlichen Arztes oder Psychotherapeuten ist das "Verdrängung" oder "Verleugnung".
    Für viele Buddhisten aber komplett selbstverständlich, ohne dass man dafür besonders "erleuchtet" sein müsste.

    Kurz gesagt: Natürlich wird nicht "erwartet", vorhandene Gefühle der Trauer zu unterdrücken. Das wäre auch sehr schädlich.
    Die in unserer Kultur üblichen Konzepte von Trauer und Verlust scheinen aber nicht so universell zu sein, wie viele glauben.



    mkha':

    Auch im Christentum heißt es: Du sollst nicht töten! ... Auch Christen werden keine Ameisen, Silberfische, Mehlmotten, Spinnen, Mücken, Hunde-oder Katzenflöhe etc. im Haus beherbergen, ... dennoch gibt es unter ihnen Schädlingsbekämpfer, Schlachter, Metzger, und Soldaten und Polizisten, sowie Tierärzte, die die Entscheidung treffen, ein schwer krankes Tier von seinen Schmerzen zu erlösen.


    Das christliche Gebot "Du sollst nicht töten" hat eine ganz andere Bedeutung als die erste Sila. Das christliche Gebot bezieht sich gar nicht auf Tiere! Es ist ein Verbot zu MORDEN. Insofern überhaupt nicht vergleichbar.
    Im Christentum ist der Metzger ein völlig legitimer Beruf. Im Buddhismus ist das höchst problematisch und wird in der Regel als unrechter Lebenserwerb verstanden.
    Auch das Töten von Ameisen, Silberfischen etc. und die aktive Sterbehilfe ist im Rahmen der buddhistischen Ethik problematisch.


    Das war doch der Gegenstand der Diskussion! ;)


    Wenn Du hier mit Verweis auf das Christentum sagst, dass es da gar kein moralisches Problem gibt, wundert mich das schon.


    Sudhana:
    Frieden-und-Freude:

    1. Wenn man normalerweise von "Übung" spricht, meint man damit eine Aufgabe, die zumindest theoretisch erfüllt werden kann. Das ist bei der "Übung" der ersten Sila nicht der Fall, wie Du zurecht schreibst. (Auch der Veganer muss Leben nehmen, weil im Zusammenhang mit der Produktion der Nahrung Lebewesen getötet werden. Etc. Etc.)
    Wie kann man etwas als "Übung" ansehen, was nicht erfüllbar ist?


    Die Antwort, die ich darauf geben kann, ist notwendig von meiner Praxis - und damit von der Praxisgemeinschaft, der ich angehöre - geprägt. Ohne da jetzt allzu tief einsteigen zu wollen, ist der Kern dieser Praxis, die Übung von einem Ziel abzulösen, dessen Erreichung die Übung überflüssig macht. Natürlich bewirkt die Übung etwas - wenn Du z.B. beständig und intensiv Bogenschießen übst, wirst Du irgendwann ganz gut Deine Ziele treffen. Hörst Du dann auf zu üben, ist es damit auch bald wieder vorbei.


    Ich weiß nicht, ob der Hinweis auf die Zen-Praxis beim Umgang mit der ersten Sila wirklich hilft. Denn bei der Übung, Dich des Tötens zu enthalten, gerätst Du immer wieder in direkten praktischen WIDERSPRUCH zum Ziel der Übung.
    Weil es eben Situationen gibt, in denen es moralisch geboten ist zu töten, wenn man verantwortungsbewusst handeln möchte.
    Also müsste die Übung doch lauten: "Gehe verantwortlich mit Leben um" statt dogmatisch "Nicht töten!".
    Das wäre natürlich eine neue Interpretation der ersten Sila, aber angemessen und nützlich, meine ich.


    Sudhana:
    Frieden-und-Freude:

    2. Anscheinend hast Du einen Lehrer, der diese Probleme mit der ersten Sila thematisiert. Ich frage mich, warum in allen Unterweisungen, an denen ich teilnehmen durfte, niemals auf diese wirklich grundlegenden Probleme eingegangen wurde. Mein Gefühl ist, dass das auch für buddhistische Lehrer sehr heikle und kontroverse Fragen sind.


    Es ist vor allem heikel, da allgemeingültige Grundsätze zu formulieren. Jeder muss (und soll) mit diesem Übungsfeld selbst zurechtkommen, es sich erarbeiten. Stur Regeln zu folgen, die ein Lehrer aufgestellt hat, ist eher kontraproduktiv. Das heisst nicht, dass ein Lehrer einem bei dieser Übung nicht helfen kann - aber dafür ist mE eher ein privater Austausch angemessen als ein öffentlicher Vortrag.


    Da bin ich anderer Meinung. Ein Lehrer sollte bei Einweisungen und Vorträgen auch auf Probleme hinweisen, die in der Praxis entstehen.
    "Jeder muss damit selbst zurechtkommen" finde ich da keine zweckmäßige Haltung.
    Und nicht jeder hat die Möglichkeit eines privaten Austauschs mit guten Lehrern.


    Sudhana:
    Frieden-und-Freude:

    3. Als Begründung für die erste Sila wird häufig angegeben, dass es bei der Übung darum geht, sich von Hass freizumachen. Denn mit dem Töten sei Hass verbunden. Und außerdem produziere das Töten Leiden. Was ist aber nun mit all den Fällen, in denen das Töten weder mit Hass verbunden ist noch Leiden produziert. In der aktiven Sterbehilfe ist das Töten mit Liebe verbunden und reduziert Leiden!


    Auch Liebe kann da ein Fallstrick sein - das hatte ich schon versucht, anzudeuten.


    Du sprachst von "besitzergreifender Liebe, die nicht loslassen kann". Dieser "Fallstrick" hat doch mit der Sterbehilfe nichts zu tun, denn dabei muss man ja gerade loslassen.



    Sudhana:
    Frieden-und-Freude:

    Müsste man dann nicht sagen, dass die "Übung" hier ganz anders formuliert werden müsste? Nicht "davon abzustehen, Leben zu nehmen", sondern eben "verantwortlich mit Leben umgehen". (Was dann doch eine andere Übung ist, auch wenn jemand in seiner Praxis vielleicht beides miteinander vereinen kann.)


    Ich denke, das Wesentliche ist, zu wissen was man tut, warum man es tut und was es für Folgen hat. Da gerade der letzte Punkt häufig schwer zu erkennen ist, ist allgemein große Vorsicht, Wachheit und Achtsamkeit beim Tun ratsam.


    Ja, Achtsamkeit bei der Übung ist immer wichtig. Hier geht es aber um die Frage, ob die Übung ("nicht töten") besser formuliert werden sollte als Übung, verantwortlich mit Leben umzugehen. Wozu dann gegebenenfalls auch aktive Sterbehilfe gehört.



    Sudhana:
    Frieden-und-Freude:

    4. In meiner eigenen Wahrnehmung habe ich verantwortlich gehandelt. Im Sinne der Übung, "verantwortlich mit Leben umzugehen". Aber kann man wirklich sagen, dass ich im Sinne der ersten Sila gehandelt habe?


    Was "man" da sagt, ist völlig unerheblich. Was sagst Du Dir? Was ist denn der Sinn von Sila (auch und gerade der ersten) und damit in ihrem Sinn? Duhkha mindern, an der Überwindung von Duhkha arbeiten.


    Ja, Dukkha lindern, genau. Und das ist der Grund, warum die Übung eben nicht darin besteht, sich in jedem Fall des Tötens zu enthalten.
    Dennoch wird in Einweisungen es immer so dargestellt, als ob Töten stets Leiden verursacht und das aus Hass geschehe.
    Und das stimmt eben nicht.
    Dass ich nach meiner eigenen Wahrnehmung richtig gehandelt habe, sagte ich bereits. Und wahrscheinlich würden die meisten von Euch das ebenso empfinden und handhaben.
    Dennoch ist das eben nicht die traditionelle buddhistische Auffassung. Die traditionelle Auffassung ist: Töten ist generell schlecht, ausnahmslos. Es verursacht Leiden, ausnahmslos. Und es geschieht aus Hass, ausnahmslos.


    Und diese traditionelle Auffassung ist falsch. Deshalb sollten wir die erste Sila neu formulieren.
    Das ist mein zentraler Punkt!



    Sudhana:
    Frieden-und-Freude:

    Anders formuliert: Die buddhistische Ethik ist - zumindest im Ursprung - eine reine Gesinnungsethik, keine Verantwortungsethik.


    Nein. Buddhistische Ethik passt nach meinem Dafürhalten überhaupt nicht in Max Webers Schema. In westlichen Termen ausgedrückt, ist buddhistische Ethik eine teleologische oder Zweckethik. Sie ist, wie ich schon oben angerissen habe, an der Überwindung von Duhkha orientiert. Enger gefasst (für diejenigen, die sich schon eingehender mit westlichen Ethikkonzepten beschäftigt haben) würde ich buddhistische Ethik als negativen konsequentialistischen Handlungsutilitarismus charakterisieren. Das geht - wegen des Gewichts, das da auf Bewertung der Handlungsfolgen gerichtet ist - schon eher in Richtung Verantwortungs- als Gesinnungsethik. Die Entwicklung einer Gesinnung, aus der sich ein entsprechendes Handeln natürlich entwickelt, ist Mittel zum Zweck (dem Telos) - und Gegenstand beständiger Übung. Und in diesem Sinn des Sich-Einübens in 'Rechte Gesinnung' - als tägliche Aufgabe - ist sie auch eine Gesinnungsethik.


    ()


    Man könnte die buddhistische Ethik natürlich so umformulieren, dass daraus ein "negativer konsequentialistischer Handlungsutilitarismus" wird.
    Es ist aber ein Irrtum zu glauben, der Buddha habe einen solchen Handlungsutilitarimus gelehrt.
    Was er gelehrt hat, ist eine Heilstechnik, also ein Weg zur Überwindung von dukkha.
    Eine solche Heilstechnik ist zunächst gar keine Ethik im Sinne philosophischer Ethik-Konzeptionen. (Wenn man das mit der Terminologie von Kant beschreiben möchte, handelt es sich dabei um hypothetische Imperative, nicht um kategorische.)
    Die Silas werden traditionell aufgefasst als "Reinigung" des Geistes. Es geht nicht primär darum, in der Außenwelt etwas zu bewirken mit seinen Handlungen.
    Insofern ist es verfehlt, die Silas konsequentialistisch bzw. utilitaristisch aufzufassen.


    Ellviral:

    Ich mach das schon sehr lange so das ich nur dann "töte" wenn ich weder Hass noch Gier noch Glauben wollen als Gefühle habe. Entweder ist da Neutralität, Mitgefühl oder bedingungslose Liebe. Dann tue ich das was zu tun ist und dann brauch ich weder Regeln noch Riten. Auch wenn das in den Augen anderer Herzlos ist macht mir das kein Leiden.


    Das kann ich gut nachvollziehen.
    Wobei es ja schon eine "Regel" ist, wenn Du Dein Handeln an dem orientierst, was Du beschreibst.


    pamokkha:
    Frieden-und-Freude:

    Also ein Töten ohne Hass.


    Das ist schlicht nicht möglich.


    Könntest Du das näher erläutern? Warum sollte das nicht möglich sein?


    Konkret: Wenn ein Tierarzt einer Katze eine tödliche Spritze gibt, um sie von Leiden zu befreien: Wo ist dabei der Hass?


    Wenn der Halter dieser Katze dieser Handlung zustimmt: Wo ist dabei der Hass?


    (Ich finde jedenfalls keinen Hass bei mir. Und habe auch bei der Tierärztin keinen wahrgenommen.)


    _()_

    Was sich gerade ziemlich merkwürdig anfühlt: Einige Menschen in meinem persönlichen Umfeld verstehen es nicht, dass ich keine Trauer empfinde. Gerade Menschen, die bereits ein geliebtes Tier verloren hatten und tief trauerten deswegen, verstehen das als eine Art "Herzlosigkeit" bzw. als eine komische buddhistische Moral. So als ob da eine Religion den Menschen aus ideologischen Gründen verbieten würde zu trauern.


    Das habe ich bisher noch nie so klar empfunden, dass Trauer regelrecht erwartet wird.




    Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort!


    Ja, es ist eine Übung. Im Gegensatz zu der in unserem Kulturkreis üblichen Ethik der strikten Gebote und Verbote.
    Bei dem, was Du schreibst, beschäftigen mich gerade vier Punkte:


    1. Wenn man normalerweise von "Übung" spricht, meint man damit eine Aufgabe, die zumindest theoretisch erfüllt werden kann. Das ist bei der "Übung" der ersten Sila nicht der Fall, wie Du zurecht schreibst. (Auch der Veganer muss Leben nehmen, weil im Zusammenhang mit der Produktion der Nahrung Lebewesen getötet werden. Etc. Etc.)
    Wie kann man etwas als "Übung" ansehen, was nicht erfüllbar ist?


    2. Anscheinend hast Du einen Lehrer, der diese Probleme mit der ersten Sila thematisiert. Ich frage mich, warum in allen Unterweisungen, an denen ich teilnehmen durfte, niemals auf diese wirklich grundlegenden Probleme eingegangen wurde. Mein Gefühl ist, dass das auch für buddhistische Lehrer sehr heikle und kontroverse Fragen sind.


    3. Als Begründung für die erste Sila wird häufig angegeben, dass es bei der Übung darum geht, sich von Hass freizumachen. Denn mit dem Töten sei Hass verbunden. Und außerdem produziere das Töten Leiden. Was ist aber nun mit all den Fällen, in denen das Töten weder mit Hass verbunden ist noch Leiden produziert. In der aktiven Sterbehilfe ist das Töten mit Liebe verbunden und reduziert Leiden!


    Müsste man dann nicht sagen, dass die "Übung" hier ganz anders formuliert werden müsste?
    Nicht "davon abzustehen, Leben zu nehmen", sondern eben "verantwortlich mit Leben umgehen". (Was dann doch eine andere Übung ist, auch wenn jemand in seiner Praxis vielleicht beides miteinander vereinen kann.)


    4. In meiner eigenen Wahrnehmung habe ich verantwortlich gehandelt. Im Sinne der Übung, "verantwortlich mit Leben umzugehen". Aber kann man wirklich sagen, dass ich im Sinne der ersten Sila gehandelt habe? Auch aktive Sterbehilfe nimmt Leben.





    Sudhana:


    Eine Anmerkung noch zu dieser Geschichte:

    Frieden-und-Freude:

    Ich muss bei solchen Sachen immer gleich an die Geschichte mit dem Zen-Kloster denken, in dem ein Hund für das Töten zuständig ist, damit die Mönche friedlich und vermeintlich im Einklang mit allen Tugendregeln meditieren können.


    Katzen stellen für japanische Tempel - insbesondere in Städten - häufig ein echtes Problem dar. Und zwar, weil viele Japaner, die ihrer Hauskatze überdrüssig sind, sie dort aussetzen und sich damit beruhigen, dass die Mönche sich ihrer aus Mitgefühl annehmen. Wenn die Zahl der Katzen zu sehr zunimmt, steht man dann irgendwann vor der Entscheidung, ob man aus dem Tempel ein Tierasyl macht. Oder, ob man statt 20 oder 30 Katzen einen Hund mit durchfüttert. Nicht unbedingt, dass der dafür die Katzen tötet, sondern dass er sie fern bzw. 'Tierfreunde' davon abhält, dort Katzen auszusetzen. Sicher kann man geteilter Meinung darüber sein, ob das eine angemessene Lösung ist und ich weiss natürlich auch nicht, ob das in dem von Dir beschrieben Fall so ablief. Aber häufig stellen sich die Dinge bei näherer Betrachtung etwas anders dar als auf den ersten Blick.


    Ja, soweit ich mich erinnere, ist das genau die Situation, die in dem Buch beschrieben wird. Gut, dass Du das ergänzt, denn es macht das Handeln der Mönche ein wenig nachvollziehbarer. (Wobei der Hund in dem Fall offenbar tatsächlich stillschweigend die Aufgabe hatte, Katzen zu töten, nicht bloß Katzenbesitzer abzuhalten.)
    Trotz allem Verständnis für die Situation bleibt da etwas, was mich beschäftigt:
    Die buddhistische Ethik hat doch die Tendenz, in erster Linie dafür zu sorgen, sich die eigenen Hände nicht schmutzig zu machen. Das hängt damit zusammen, dass ihr Ausgangspunkt die Idee der "Reinigung" ist. (Die Silas dienen der Reinigung des eigenen Geistes.)
    Anders formuliert: Die buddhistische Ethik ist - zumindest im Ursprung - eine reine Gesinnungsethik, keine Verantwortungsethik.



    Vielen Dank auch für Deine Antwort!


    Das mit der "Tasse Blut trinken" ist eine starke Metapher.
    Anscheinend soll sie bedeuten, dass wir ständig "Blut trinken", also Leben nehmen müssen.
    Wenn das jetzt nur diesen beschreibenden Sinn hat, verstehe ich die Metapher.
    Oder geht der Sinn noch darüber hinaus? :)


    Wenn Du darauf verweist, dass die Silas "Übungen" sind, löst das noch nicht die Probleme, die ich angesprochen habe:
    Es kann in manchen Situationen wichtig und richtig sein, Leben zu nehmen. Solche Situationen werden bei der ersten Sila einfach gar nicht berücksichtigt!
    Das betrifft nicht bloß die aktive Sterbehilfe, so wie in der Situation mit meiner Katze.
    Wenn jemand "Ungeziefer" tötet, muss das nicht bedeuten, dass dieser Mensch noch mehr üben sollte, um die Situation in Zukunft besser zu bewältigen. Denn es kann sein, dass das Töten von "Ungeziefer" eine richtige und verantwortungsbewusste Entscheidung war.
    Stell Dir vor, Du bist als Familienvater verantwortlich für die Gesundheit Deiner Familie. Und die Hygiene in Eurer Wohnung wird beeinträchtigt durch Schädlinge, die sich nicht friedlich vertreiben lassen.
    Wenn Du sie tötest, ist das eine verantwortungsbewusste und ethisch richtige Handlung, obwohl es im Widerspruch zur "Übung" steht, kein Leben zu nehmen.


    Solche Fälle werden einfach nicht berücksichtigt ...


    Ich habe auch keine Lösung dafür. Nur das ganz deutliche Gefühl, dass da ein echtes Problem buddhistischer Ethik vorhanden ist. (Was dann wohl auch der Grund dafür ist, dass viele Dhamma-Lehrer bei Unterweisungen in Sila über solche Fragen gar nicht erst sprechen.)


    Herzliche Grüße
    _()_

    Heute Abend war es dann soweit, früher als gedacht. Die Tierärztin hat dringend dazu geraten, die Katze "gehen zu lassen". Ich habe mit der Tierärztin über mögliche Alternativen gesprochen, doch eine Behandlung mit Schmerzmitteln war gar nicht möglich.


    Also habe ich mich für aktive Sterbehilfe entschieden. Und ihren Kopf gehalten, während sie friedlich starb.


    Ich habe dabei "Mögest Du frei von Schmerzen sein" gedacht und das auch so gefühlt. Auch nach dem Tod der Katze. Auf der Heimfahrt mit dem Leichnam im Auto ein Moment der Trauer ("etwas verloren zu haben"), doch auch dieses Gefühl kam kurz auf und verschwand dann wieder.
    Ja, ich bin überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war.


    Habe ich nun ein "Gelübde" gebrochen?


    Wenn ja, stört es mich nicht. Denn dann passt das "Gelübde" nicht auf solche Situationen.
    (Die 5 Silas sind ja ohnehin keine starren Prinzipien, sondern eher Übungs-Regeln.)





    Ja, genau, lieber Rolf, mit Verantwortung meine auch ich keineswegs so etwas wie "Schuld". Das ist ja gerade das Gute am Buddhismus, dass dieser destruktive Schuld-Begriff hier nicht existiert.
    Wobei ich da sogar noch weiter gehe und auch meine, dass wir selbst bei aktiven Handlungen, die schädlich/"unheilvoll" waren, so ein selbstquälerisches Schuldgefühl gar nicht brauchen. (Also im Gegensatz zur christlichen Idee von Schuld oder Sünde, verbunden mit moralischer Zerknirschtheit und aggressiven Selbstanklagen.)


    Was ich meine, ist:
    Wir sind komplett verantwortlich für die Folgen unserer Taten, ebenso wie unserer Unterlassungen (die ja ebenfalls Taten sind), aber ohne deswegen "Schuld" empfinden zu müssen.
    Höchstens so ein Gefühl von "konstruktiver Reue/Scham", also etwas, was uns motiviert, es beim nächsten Mal besser zu machen.


    Zu dem Töten von "Ungeziefer": Ja, da sind wir derselben Meinung, Töten ist Töten. Auch ich übe mich darin, selbst "Schädlinge" leben zu lassen. Wobei es da tatsächlich ebenfalls Situationen gibt, in denen das mit so großen Nachteilen verbunden ist, dass es praktisch unmöglich ist. (Z.B. bei einem Befall des Wohnraumes mit bestimmten Schädlingen, die wirklich schädlich sind und sich nicht friedlich entfernen lassen.)


    451:

    @ F & F
    Kurzantwort


    Frettchenjagd ist jagdscheinpflichtig - das darf nur der Jäger! Das meinte ich auch nicht. Mir ging es nur um die eventuelle Abschreckung von Duftmarken, die das Frettchen vielleicht setzen könnte.
    Ansonsten sprichst du den Bereich Tierethik an. Da bin ich sehr vorbelastet, da ich viele Jahre für Tierrechte gestritten habe. Dieses Thema ist sehr vielschichtig und birgt viel Konfliktpotential ; o ) , dem ich mich heute in einem Forum keinesfalls mehr aussetzen werde.


    On topic: Du scheinst mir nun gefestigte Gedanken und Absichten für die Katze zu haben. Das ist eine gute Nachricht. Die besten Wünsche für alle Beteiligten!


    Vielen Dank! Sorry, dass ich das mit den Frettchen falsch verstanden habe. ;)


    Ich muss bei solchen Sachen immer gleich an die Geschichte mit dem Zen-Kloster denken, in dem ein Hund für das Töten zuständig ist, damit die Mönche friedlich und vermeintlich im Einklang mit allen Tugendregeln meditieren können.


    Liebe Grüße
    _()_

    Herzlichen Dank für die vielen Antworten!


    Ist es nicht erstaunlich, wie unterschiedlich wir mit dieser grundlegenden Übungs-Regel ("Enthalte Dich des Tötens!") umgehen?
    Die einen möchten diese Regel konsequent in allen Situationen und auf alle Lebewesen anwenden. Für die anderen gibt es Ausnahmen von der Regel und die Notwendigkeit, in Ausnahme-Situationen nach dem eigenen Gewissen zu entscheiden. Also gegebenenfalls auch bewusst gegen die Regel zu handeln.
    Daneben gibt es auch Stimmen, die sagen, dass das Tötungsverbot für manche Lebewesen ("Ungeziefer") gar nicht gilt. Und zuletzt noch jemand, der meint, dass das Tötungsverbot gar keine Relevanz für die heutige Zeit hat.


    Das sind viele unterschiedliche Meinungen, die ich alle respektiere.
    Und in meiner eigenen Familie geht es mir ebenso: Ganz unterschiedliche Meinungen und Gefühle dazu, wie wir mit der Situation umgehen sollen.


    Unsere Katze bekommt die bestmögliche Behandlung. Dennoch kann es in Kürze soweit sein, dass wir uns für das "Einschläfern" entscheiden, und zwar genau dann, wenn eine Schmerztherapie nicht ausreicht, um ein friedliches Sterben zu ermöglichen.


    Ich danke allen für die konkreten Ratschläge. Es war hilfreich, das zu lesen. Dennoch geht es mir zu nahe, die konkrete Situation der Katze hier im Forum zu diskutieren. Stattdessen möchte ich nur das grundsätzliche Problem besprechen: Das Problem mit dem Tötungsverbot in bestimmten Situationen.
    Solche Situationen gibt es immer wieder - und deshalb hat das für alle Buddhisten große Relevanz, glaube ich.


    Enel:

    Wie bitte kann man mit den Tot umgehen, sagt es mir jemand der buddha?.
    Warum gehst du nach eine Lehre, die was weiss ich wie alt ist?.
    Wenn das Tier sich quält lass es einschläfern um Gottes willen.
    Das Tier ist kein Testobject für dich, wie gut du die Lehre beherrschst oder beherzigst.


    Nun ja, ich habe die 5 Silas übernommen, weil ich der Ansicht bin, dass es gute Auswirkungen hat auf mein Handeln, wenn ich mich - soweit möglich - nach diesen Regeln richte.
    Ich stimme Dir aber zu, dass die Ethik des Buddha problematische Aspekte hat: Es geht doch bei "Sila" ursprünglich hauptsächlich um die Idee der "Reinigung", d.h. sich selbst zu "reinigen".
    Deshalb sind die Gebote ja auch als Verbote formuliert: Man soll bestimmte Handlungen unterlassen, weil das zur "Reinigung" beiträgt.
    Bekanntlich haben neuere Entwicklungen im Buddhismus versucht, diese tendentiell auf eigene Befreiung/Reinigung orientierte Denkweise zu erweitern. Ich selbst habe die 5 Übungs-Regeln von Thich Nhat Hanh übertragen bekommen, der ja versucht hat, die Regeln auch "positiv" zu formulieren.

    Dennoch bleibt das Problem beim Tötungsverbot. Eine moderne Ethik untersucht einfach die Konsequenzen von Handlungen im Hinblick auf das Glück bzw. Leiden empfindungsfähiger Wesen. Da wäre es dann sogar ein Gebot, in bestimmten Situationen aktiv zu töten, wenn dadurch vermeidbares Leiden verhindert wird und man annehmen kann, dass die Handlung wirklich im Interesse des leidenden Wesens ist.
    Im Buddhismus gibt es diese Überlegung nicht. Und das ist auch aus meiner Sicht ein grundlegendes Problem, mit dem ich seit langer Zeit hadere.



    Ellviral:

    Die Katze die bei uns ist bleibt so lange bis sie gehen muss weil es eben Zeit ist zu sterben. Für mich mag es Leiden sein für die Katze ist es nur Verfall. Die Katze wird einen Weg finden mich zu bitten sie zu befreien. Ein Arzt nimmt mir das mit Sicherheit nicht ab!


    Ungeziefer das in dem Bereich lebet in dem es nichts zu suchen hat wird effektiv beseitigt. Da habe ich mit töten kein Problem ich seh das schon lange so das das Ungeziefer zu mir kommt um befreit zu werden. Morden tu ich nicht, aus Gier, Hass, Verblendung töten ist Mord. Es ist keine GHV wenn ich Ungeziefer beseitige das ist wichtig damit ich andere die mit mir leben keine Krankheiten bekomme.
    Wer GHV erkennt nimmt Abstand vom Töten dafür braucht es keine Regel damit über die Regel geredet werden kann um sich ein leichtes Gewissen zu schaffen.


    Was machst Du bei Leidenszuständen, die sich medikamentös nicht ausreichend behandeln lassen?
    Sagst Du dann: "Das ist nur Verfall und kein echtes Leiden, weil die Katze keine Ich-Illusion hat und das deshalb gar kein echtes dukkha ist?" Oder hab ich Dich da falsch verstanden?


    Zum "Ungeziefer", also z.B. Insekten, die sich im Haus vermehren:
    Ja, wenn es gar nicht möglich ist, diese Tiere gewaltfrei nach draußen zu befördern, handele ich auch so wie Du. Also ein Töten ohne Hass.
    Andererseits ist mir bewusst, dass ich damit gegen die Übungsregel verstoße. Es gibt in der Lehre des Buddha kein Recht, ein Tier zu töten, nur weil es im Weg ist und man keinen Hass beim Töten entwickelt.


    Mir ist auch keine Tradition innerhalb des Buddhismus bekannt, die diese Regel so auslegt, dass es ein Recht gibt, "Ungeziefer" zu töten, sofern man das ohne Hass tut.



    Ich handhabe es ebenso wie Du: Für mich bleibt das Tötungsverbot gültig und ich bemühe mich sehr, es einzuhalten. Aber in bestimmten Situationen wäre es unverantwortlich, und dann töte ich unter Umständen doch.


    Zur Verantwortlichkeit: Wir sind aus meiner Sicht nicht bloß für aktive Handlungen verantwortlich, sondern auch für Unterlassungen. Etwas nicht zu tun, ist doch ebenfalls eine Handlung.
    Wenn Du von der karmischen Wirkung des Tötungsakts sprichst, gehst Du davon aus, dass eine aktive Handlung Verantwortlichkeit nach sich zieht. Wenn jemand beispielsweise einen Menschen in eine Grube stößt, ist er verantwortlich für das Leiden des Menschen in der Grube. Wenn jemand sieht, dass sich ein Mensch in der Grube befindet und entscheidet, ihm nicht zu helfen (obwohl er das könnte), ist er ebenfalls verantwortlich für das Leiden.


    Das ist ebenfalls ein Problem der ursprünglichen buddhistischen Ethik aus meiner Sicht: Es wird ungenügend berücksichtigt, dass Unterlassungen ebenfalls Handlungen sind "mit karmischer Konsequenz".


    Sherab Yönten:
    Frieden-und-Freude:

    Einerseits möchte ich vermeidbares Leiden verhindern, andererseits bin ich verpflichtet, nicht zu töten.


    Der Tod ist nicht vermeidbar und das Sterben auch nicht. Was würdest Du Dir im Falle Deines eigenen Todes/ Sterbeprozesses wünschen? Alleine diese Frage ist nicht einfach zu beantworten.
    Heutzutage ist es üblich, dass der Arzt das strebenskranke Haustier einschläfert. Ein Grund dafür könnte sein, dass Herrchen oder Frauchen überfordert sind, das sterbende Haustier zu Hause zu begleiten. Könntest Du das aushalten? Wenn ja gibt es sicher Möglichkeiten, die Schmerzen anhand von Medikamenten zu lindern und gleichzeitig den natürlichen Sterbeprozess zu akzeptieren.


    Auch im Falle meines eigenen Sterbens würde ich mir eine Schmerztherapie wünschen. Und sobald diese Schmerztherapie an Grenzen stößt, halte ich Sterbehilfe oder Freitod für eine sinnvolle Option, die ich jedoch nicht leichtfertig nutzen würde.
    Wie gesagt: Es gibt Grenzen der Schmerztherapie bei Tier und Mensch.


    451:


    das Leiden, aus der Sicht eines Tieres betrachtet, ist wohl auf das Aushalten von körperlichen Schmerzen begrenzt. Wir können wohl nicht davon ausgehen, dass sich die Katze ihres Sterbeprozeßes bewusst ist und dadurch egobehaftetes Leiden ("ich muss dieses unumkehrbare Leiden weiter aushalten.." "ich möchte das nicht mehr...") zusätzlich vorhanden ist.
    (...)


    Zur Problematik "unerwünschter" Tiere. Leider habe ich da keinen konkreten Tipp. Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass Duftproben von anderen Tieren oder bestimmte unangenehme Düfte die "unerwünschten" Gäste vertreiben können. Vielleicht gibt es im Bekanntenkreis einen Besitzer eines zahmen Frettchens, der sein Tier mal in deinem Garten spazieren gehen lassen möchte?


    Ich weiß gar nicht so genau, ob wir Menschen die einzigen sind, die "egobehaftetes Leiden" kennen.
    Diese Ich-Konstruktion, das Bewusstsein seiner selbst, hat sich ja evolutionär entwickelt. Bei bestimmten Tierarten ist so ein Bewusstsein seiner selbst bereits nachgewiesen.
    Das ist schwer zu beurteilen.


    Davon abgesehen: Starke Schmerzen sind definitiv Leiden, auch wenn da gar kein Ich involviert ist.


    Zu den "Schädlingen": Du schlägst den Einsatz eines "zahmen Frettchens" vor. :D
    Ich hatte zwar an bestimmte Insekten gedacht, die sich gelegentlich verbreiten. Aber es stimmt natürlich, dass wir hier auf dem Land auch Mäuse haben.


    Findest Du es aber wirklich besser, Mäuse durch ein Frettchen töten zu lassen, als Schlagbügelfallen aufzustellen? Ist es moralisch besser, ein anderes Tier dafür einzusetzen? (Im Fall von Mäusen gibt es Lebendfallen, doch auch die Lebendfallen fügen oft erhebliches Leid zu: Eine Maus in einer "Lebendfalle" wird manchmal so panisch, dass sie halb-tot ist vor Angst oder sogar tatsächlich nach einigen Stunden Qual aus Panik stirbt. Auch dafür gibt es keine wirklich gute Lösung. Jedenfalls ist eine Schlagbügelfalle in der Regel mit weniger Qual verbunden als der gezielte Einsatz eines Frettchens oder einer Katze.)


    Mich erinnert das an das Buch "Der leere Spiegel". Dort wird berichtet, dass die Mönche eines japanischen Zen-Klosters einen Hund halten, der Katzen tötet. Das Miaue der Katzen stört beim Meditieren, aber aktiv wollen die Mönche nicht töten, also wählen sie diese "Lösung".
    Für mich ist das ein Beispiel für die Probleme und Grenzen buddhistischer Ethik.


    Speziell dafür, dass übersehen wird, dass Geschehen-Lassen ebenfalls eine Handlung ist, für die man verantwortlich ist.


    Das alles sind schwierige Probleme, die mich schon lange beschäftigen. Deshalb finde ich es gut, dass wir darüber diskutieren.


    _()_

    Hallo miteinander,


    bei der Übungs-Regel, sich des Tötens zu enthalten, gibt es ja verschiedene praktische Probleme.


    Mir waren diese Probleme zwar immer bewusst, ich finde aber in manchen Situationen keine gute Lösung dafür.


    Aktuell: Meine Katze ist sehr alt und krank. Wenn ich sie zum Tierarzt bringe, wird der Tierarzt vermutlich vorschlagen, sie "einzuschläfern". Mir ist im Moment nicht klar, wie ich mich in diesem Fall verhalten soll: Einerseits möchte ich vermeidbares Leiden verhindern, andererseits bin ich verpflichtet, nicht zu töten.


    Wenn ich mich aber gegen das "Einschläfern" entscheide, bin ich direkt verantwortlich für das Leiden, das dadurch entsteht.


    Ein anderes Problem ist der Umgang mit "Ungeziefer" im Haus. Ich wohne auf dem Lande und da gibt es immer mal wieder die eine oder andere Plage. Manchmal kann man das Problem mit Lebendfallen lösen, manchmal aber auch nicht. Und wenn man dann auf das Töten verzichtet, entstehen unhygienische Zustände.


    Wie geht Ihr damit um?


    Herzliche Grüße
    _()_

    Moosgarten:

    :)
    Wir sind eben keine vereinzelten Wesen, die in irgendeiner Weise allein agieren könnten. Wir übernehmen alles was wir zu haben glauben (selektiv) von anderen und setzen es nur jeweils spezifisch zusammen. "anatta" ist auch daraus eine Konsequenz.


    Heiter und leicht aus der Meditation freue ich mich über diese heilsame Einsicht.


    :)

    accinca:
    Frieden-und-Freude:

    Moin Accinca! :)
    Stimmt genau, ich war leider nicht dabei, als der Buddha lehrte. Und etwas Schriftliches hat er auch nicht hinterlassen. Im Verlauf von Jahrhunderten wurde seine Lehre mündlich überliefert und die Überlieferung dabei immer wieder verändert.


    Wenn das denn deine Meinung ist die du als Wahrheit
    betrachten möchtest muß man das ja nicht auch glauben.
    Ein Gespräch über die Lehre erübrigt sich dann aber auch.
    Wäre ja auch unnütz.


    Du zitierst mich so, als wollte ich behaupten, dass man keine Aussagen darüber machen kann. Stattdessen sage ich aber, dass es sich um Hypothesen handelt. Und ich gebe Dir ausführliche Argumente.


    Du verdrehst also mutwillig meine Worte und gehst auf kein einziges Argument ein. ;)
    In diesem Stil möchte ich keine Diskussion fortführen.

    accinca:


    Von dem was der Buddha lehrte scheinst du wenig zu wissen.


    Moin Accinca! :)


    Stimmt genau, ich war leider nicht dabei, als der Buddha lehrte. Und etwas Schriftliches hat er auch nicht hinterlassen. Im Verlauf von Jahrhunderten wurde seine Lehre mündlich überliefert und die Überlieferung dabei immer wieder verändert.
    Deshalb weiß ich wirklich wenig darüber, was der Buddha lehrte. Und ich äußere mich darüber vorsichtig, denn alle Aussagen dazu sind Hypothesen.
    Du scheinst aber zu glauben, gerade in einem der umstrittensten Bereiche etwas sicher zu wissen, und zwar dass ein "innerer Wesenskern" als Träger personaler Identität wiedergeboren werde.
    Und Du äußerst wiederholt, dass die gesamte Lehre und Praxis sinnlos werde, wenn diese Interpretation von "Wiedergeburt" aufgegeben werden muss.


    Mir scheint aber das Entscheidende am Buddhismus (im Gegensatz zu den monotheistischen Religionen) darin zu bestehen, dass es gerade nicht um Glauben und Festhalten an Glaubenssätzen geht. Sondern um Entwicklung/"Erziehung", also Praxis.
    Ajahn Jayasaro formuliert das sehr deutlich und gut nachvollziehbar in einem seiner Vorträge:
    https://www.youtube.com/watch?v=-IHpwKa0E2Q


    (ab Minute 6.38 findest Du die relevante Stelle)



    Zu den Textstellen, die Du ohne Erläuterung angeführt hast, offenbar als Belege für Deine Interpretation: Da sehe ich nicht den geringsten Beleg dafür, dass innere Wesenskerne als Träger personaler Identität wiedergeboren werden.
    Was Du als Beleg für Deine Auffassung brauchst, sind Textstellen, aus denen hervorgeht, dass es eine Kontinuität personaler Identität gibt, von Geburt zu Geburt.


    Beispielsweise könntest Du folgende Textstelle anführen, die das scheinbar belegt:


    Majjhima Nikāya 12:


    17. (8) "Wiederum erinnert sich der Tathāgata an seine vielfältigen früheren Leben, das heißt, an eine Geburt, zwei Geburten, drei Geburten, vier Geburten, fünf Geburten, zehn Geburten, zwanzig Geburten, dreißig Geburten, vierzig Geburten, fünfzig Geburten, hundert Geburten, tausend Geburten, hunderttausend Geburten, viele Äonen, in denen sich das Weltall zusammenzog, viele Äonen, in denen sich das Weltall ausdehnte, viele Äonen, in denen sich das Weltall zusammenzog und ausdehnte: 'Dort wurde ich soundso genannt, war von solcher Familie, mit solcher Erscheinung, solcherart war meine Nahrung, so mein Erleben von Glück und Schmerz, so meine Lebensspanne; und nachdem ich von dort verschieden war, erschien ich woanders wieder; auch dort wurde ich soundso genannt, war von solcher Familie, mit solcher Erscheinung, war meine Nahrung solcherart, so mein Erleben von Glück und Schmerz, so meine Lebensspanne; und nachdem ich von dort verschieden war, erschien ich hier wieder.' Auch das ist eine Kraft eines Tathāgata, die der Tathāgata hat, kraft derer er den Platz als Anführer der Herde beansprucht, seinen Löwenruf in den Versammlungen ertönen läßt, und das Rad des Brahmā in Bewegung setzt."


    Das schaut ja auf den ersten Blick so aus, als ob der Buddha als Person immer derselbe bliebe: Es ist von "Ich" und "Mein" die Rede, bezogen auf die ganze Reihe an Wiedergeburten.


    Meine Gegenargumente dazu wären:


    1. Die Verwendung von "Ich" und "Mein" soll lediglich eine Art karmische Verbundenheit ausdrücken, nicht aber eine Fortexistenz als personhaftes Ich über die Zeiten hinweg.


    2. Selbst wenn sich einzelne Textstellen finden lassen sollten, die nach wörtlicher Lesart eine personhafte Fortexistenz suggerieren, sind diese Stellen metaphorisch zu verstehen. Denn sonst wäre die Lehre des Buddha inkonsistent. (Und das widerspricht dem zentralen Prinzip der Textauslegung, dem "principle of charity": Interpretiere so, dass Du dem Urheber eines Textes oder einer Rede keine offensichtlichen Widersprüche zuschreibst.)


    Warum es ein Widerspruch zu Anicca und Anatta wäre, eine personale Kontinuität oder irgendwelche inneren Wesenskerne anzunehmen, wurde bereits mehrfach gesagt.



    Ich hoffe, ich konnte ein wenig zur Klärung beitragen.


    Vorläufig muss ich mich aber aus der Diskussion verabschieden.


    Herzliche Grüße


    _()_



    Ich möchte noch auf Deine letzten Argumente eingehen, die ich noch nicht beantwortet hatte:


    1. Menschen bilden im Laufe ihres Lebens gewohnheitsmäßige Reaktionen aus. Man spricht dabei oft von ihrem "Charakter". Diese typischen Reaktionsweisen sind häufig relativ konstant, d.h. in ähnlichen Situationen reagiert derselbe Mensch jeweils ähnlich. Du möchtest offenbar sagen, dass dieser "Charakter" der "innere Wesenskern" sei, der eine Person ausmacht und der als personale Identität wiedergeboren wird.


    Meine Antwort darauf:
    Ja, da sind Gewohnheiten und "Gewohnheitsenergien", die im Laufe der Sozialisation entstehen. Und auch das sind bloße Prozesse, kein "innerer Wesenskern", der als Träger Deiner personalen Identität wiedergeboren wird.


    2. Du glaubst, dass die ganze Praxis vergeblich sei, wenn es keine Wiedergeburt im Sinne einer Kontinuität persönlicher Identität gebe. Der Buddha habe dann umsonst gelehrt.


    Mir scheint, dass der Buddha keineswegs die Wiedergeburt von "inneren Wesenskernen" bzw. die Konstanz personaler Identität gelehrt hat. Das alles sind doch eher Vorstellungen aus dem Brahmanismus oder anderweitige Seelen-Vorstellungen, auch wenn Du versuchst, das abzumildern, indem Du nur von relativer Konstanz statt absoluter Konstanz sprichst.


    Doch selbst, wenn der Buddha das so gelehrt haben sollte, was Du glaubst (wogegen sehr viel spricht), wird dadurch die Praxis in diesem gegenwärtigen Leben nicht sinnlos.


    Deine Reaktion ("dann ist alles sinnlos") erinnert mich an Dostojewskis Roman "Die Brüder Karamasow".
    In einer berühmten Passage ruft Iwan verzweifelt aus: "Wenn Gott tot ist, dann ist alles erlaubt!"


    Iwan hat alles Gute und Moralische auf den Begriff "Gott" projiziert. Sobald der Gottesglaube wegfällt, meint er, sei auch alles Gute vernichtet.
    Für Außenstehende ein klarer Trugschluss.


    Ähnlich scheint es bei Dir: Du hast anscheinend alles Gute an der Lehre des Buddha mit einem bestimmten Verständnis von Wiedergeburt verknüpft. Und wenn dieser Glaube wegfällt, so meinst Du, ist die Lehre tot.


    Ebenfalls ein Trugschluss.



    Gute Nacht & liebe Grüße


    _()_


    Lieber Accinca,


    erinnere Dich doch bitte an die Früchte des spirituellen Weges, die in DIESEM LEBEN SICHTBAR sind. Für jeden, der den Weg praktiziert. An die heilsamen Wirkungen für Dich selbst und für andere Menschen, mit denen Du zusammen bist.


    Das alles "macht Sinn". Ganz konkret. Im Hier und Jetzt.


    Ob "Wiedergeburt" als Kontinuität Deiner Person Sinn ergibt - oder ob es nicht eher spiritueller Materialismus ist (ein "Lohn" Deiner Arbeit in späteren Leben zu bekommen) - das ist eine andere Frage ...


    _()_

    accinca:


    Die Vorstellung: die Praxis bleibt die Praxis mit und ohne
    Buddhalehre, egal welche Ansicht man hat, vertrete ich nicht.
    Alle Gedanken verändern die Praxis.


    Ich hatte Dir oben das Beispiel einer Sichtweise der Lehre gegeben, die ohne die Idee "personaler Wiedergeburt" auskommt: Ziel ist die Überwindung von dukkha, nicht die "Befreiung" eines persönlichen Wesenskerns.
    Auch das Argument im Hinblick auf den Prozesscharakter personaler Identität (der 5 khandas) entstammt der Lehre selbst. Wer an einen persönlichen Wesenskern glaubt, der von Wiedergeburt zu Wiedergeburt schreitet, steht (meiner Meinung nach) im Widerspruch zum Anti-Essentialismus des Buddha.

    Und im Laufe des Threads gab es von Moosgarten noch andere Argumente, allesamt auf Grundlage des Pali-Kanons.



    Diese metaphysische Annahme, dass ein personaler Wesenskern wiedergeboren werde und das Ziel darin bestehe, vorrangig diesen zu erlösen/befreien, ist meiner Meinung nach gar kein Bestandteil der Lehre.


    Aber es kann sein, dass ich mich irre.
    Und ich möchte allen, die an einen fortdauernden persönlichen Wesenskern glauben, dennoch zubilligen, dass sie eine sinnvolle Praxis ausüben. Soweit sie den achtfachen Pfad praktizieren.


    So meinte ich das. :)



    Die Argumente sind ausgetauscht. Falls nicht noch ein spannender neuer Gesichtspunkt auftaucht, verabschiede ich mich jetzt aus dieser Diskussion.


    _()_

    accinca:
    Frieden-und-Freude:

    Na, in der modernen Philosophie haben erst im 20. Jahrhundert ein paar Leute neu entdeckt, dass alles Prozess ist und die Dinge keinen Wesenskern haben.


    Was immer die Herren Philosophen so glauben mögen, hier
    geht es ja nur um den Buddha und was er lehrte.
    Danach macht die Lehre keinen Sinn wenn man das Ziel
    der Lehre (nicht wieder geboren zu werden) auch ohne
    die Lehre automatisch erreichte.



    Ja, ich verstehe, was Du meinst.


    Was hältst Du denn von folgender Sichtweise: Das Ziel der Lehre ist die Überwindung von dukkha. Die leidenden Wesen sind nicht getrennt voneinander, stattdessen ist alles ein Prozess der beständigen Reproduktion von dukkha. Und "Du" (also der Prozess der 5 Khandas, die man "Persönlichkeit" nennt) kannst in jedem anderen Wesen Dein "eigenes" Leiden wiederentdecken. Und es wird in jedem empfindungsfähigen Wesen "wiedergeboren".
    Was Du tun kannst, ist die Überwindung von dukkha durch die Praxis des achtfachen Pfades. Dabei geht es darum, schon in diesem Leben Gier, Hass und Verblendung zu reduzieren und auch das Leiden anderer Wesen zu lindern.


    Würde das für Dich "keinen Sinn machen"?



    Morpho:

    Das Wort ist Sakkaya.


    Ja, das sind die 5 khandas - und das sind Prozesse, kein Wesenskern.






    Aber okay, mir liegt es fern, jemand von etwas überzeugen zu wollen.


    Ich habe gar nicht den Anspruch, eine besondere Interpretation der Lehre des Buddha vorzulegen.
    :)


    Was ich sagen möchte, ist: Auch ohne die Annahme, dass so etwas wie eine persönliche Identität als Wesenskern wiedergeboren wird, macht die Praxis der Lehre Sinn.


    Wenn aber jemand an dieser Annahme personaler Wiedergeburt festhalten möchte, ist das ebenso okay.
    Der metaphysische Überbau des Buddhismus hat nicht zwingend einen Einfluss auf die Praxis. (Und auf die Praxis kommt es an.)

    accinca:
    Frieden-und-Freude:

    Da müssten wir jetzt ganz grundsätzlich darüber sprechen, was der Buddha lehrte.
    Ich bin der Meinung, dass Richard Gombrich in seinem Buch "What the buddha thought" zutreffend beschreibt, dass die Lehre des Buddha anti-essentialistisch ist. Mit anderen Worten: Es gibt keinen Wesenskern.


    Tja, das nenne ich unbegründet das Kind mit dem Bade auskippen.


    Na, in der modernen Philosophie haben erst im 20. Jahrhundert ein paar Leute neu entdeckt, dass alles Prozess ist und die Dinge keinen Wesenskern haben.
    Insofern war der Buddha da recht fortschrittlich. ;)


    Da müssten wir jetzt ganz grundsätzlich darüber sprechen, was der Buddha lehrte.
    Ich bin der Meinung, dass Richard Gombrich in seinem Buch "What the buddha thought" zutreffend beschreibt, dass die Lehre des Buddha anti-essentialistisch ist. Mit anderen Worten: Es gibt keinen Wesenskern.

    accinca:
    Frieden-und-Freude:

    Aus "Alles ist Prozess" folgt lediglich, dass wir unsere Illusionen von "Person" und "Ich" (jeweils gedacht als konstante Einheit) nicht ins nächste Leben retten können. :)


    Was heißt denn "retten können"?


    Die weit verbreitete "volkstümliche" Vorstellung von Wiedergeburt ist doch, dass jemand glaubt, seine personale Identität bleibe erhalten. Als eine Art Wesenskern, der fortexistiert.
    Doch diesen Wesenskern gibt es eben nicht, da alles Prozess ist, auch die personale Identität selbst.

    accinca:

    Man kann
    aber nicht sagen: Alles ist vergänglich also kann
    es keine Wiedergeburt geben. Das ist sicher Falsch.



    Da stimme ich Dir zu. Das wäre ein Fehlschluss.


    Aus "Alles ist Prozess" folgt lediglich, dass wir unsere Illusionen von "Person" und "Ich" (jeweils gedacht als konstante Einheit) nicht ins nächste Leben retten können. :)

    accinca:
    Frieden-und-Freude:


    Doch alles ist Prozess. Und eine konstante personale Identität gibt es nicht einmal in diesem Leben.


    Kommt eben darauf an was man unter "Konstanz" versteht.
    Du sprichst hier sicherlich wohl von einer absoluten ewigen
    Konstanz. So eine gibt es nicht. Was anderes sind z.B. für
    lange konstant verlaufende und zusammenhängende Prozesse.


    Ob Prozesse langsam ablaufen oder schneller, spielt bei dieser Frage keine grundsätzliche Rolle. Sobald wir erkennen, dass alles prozesshaft ist, gibt es auch nicht so ein "personhaftes Ich-Ding", an das wir uns klammern müssten. Weder in diesem Leben noch für ein eventuell zukünftiges (was auch immer das bedeuten mag).


    Die Einsicht, dass wirklich alles prozesshaft ist, stellt meiner Meinung nach eine große philosophische Leistung des Buddha dar.

    accinca:


    Das Problem welches du beschreibst ist tatsächlich in der Vorstellung
    von "Konstanz" begründet und in der Annahme die bestehende "Konstanz"
    durch welche man jetzt und hier das Fortbestehen einer Person als eine
    Einheit durch dieses Leben identifiziert wäre ausschließlich von diesem
    Körper abhängig und würde darüber hinaus nicht möglich sein.


    Eine konstante personale Identität ist doch bereits in diesem Leben eine Illusion, eine mentale Konstruktion. Du bist nicht derselbe, der Du bei Deiner Geburt warst ... oder vor 20 Jahren ... oder vor zwei Wochen. Und das betrifft nicht bloß äußerliche körperliche Merkmale, sondern alle Merkmale, die Dich als Person ausmachen, also auch psychische und geistige Dispositionen. Natürlich gibt es Ähnlichkeiten und manche Merkmale, die sich nur sehr langsam verändern. Doch alles ist ein Prozess, alles verändert sich.


    Das normale Alltagsbewusstsein unterliegt gerade in diesem Punkt einer Täuschung. Menschen glauben, sie seien immer "derselbe" ... ununterbrochen und konstant, ein Leben lang (und evtl. darüber hinaus).
    Und gerade wenn Menschen älter werden, versichern sie sich dieser personalen Identität, indem sie ständig Geschichten über sich erzählen, um sich selbst und anderen zu zeigen "Das bin ich!".


    Doch alles ist Prozess. Und eine konstante personale Identität gibt es nicht einmal in diesem Leben.

    Verordnen lässt sich "rechte Rede" natürlich nicht. Aber es sollte schon immer wieder bewusst gemacht werden, dass die Praxis ganz konkret ist: Im Fall von Diskussionen in diesem Forum könnte es bedeuten, dass es wichtiger ist, Freundlichkeit und freundliche Rede zu üben, als auf der Ebene von "right view" Recht behalten zu wollen.


    Natürlich lässt sich rechte Rede auch in Diskussionen über "Wiedergeburt" üben. Doch diese Übung scheint schwierig zu sein. :)


    Was spricht eigentlich dagegen, sich die jeweiligen Meinungen mitzuteilen, sich kurz über den Inhalt und Argumente auszutauschen. Und es damit beruhen zu lassen. Statt mit Ablehnung und Aversion zu REAGIEREN und einander beständig zu provozieren.


    Das ist ja ein sehr konkreter und praktisch relevanter Sinn von "Wiedergeburt": Durch Aversion gegenüber den Meinungen des anderen und durch das Begehren, die RICHTIGE Meinung durchzusetzen, erschaffen wir fortlaufend unser EGO.
    Permanente Wiedergeburt im "Wiedergeburts"-Thread. :)



    Wenn jemand sagt, er wurde als "Person" wiedergeboren, dann impliziert das doch die Konstanz bestimmter Merkmale von Persönlichkeit.
    Und so ist das ja auch in der Regel beim volkstümlichen Begriff von "Wiedergeburt" gemeint, dem auch viele Buddhisten anhängen, weil man sich darunter noch etwas vorstellen kann: Man stellt sich vor, als Subjekt mit einem bestimmten konstanten Ich-Bewusstsein durch die Zeiten zu wandern. Doch das steht ja ganz offenbar im Widerspruch zur Lehre des Buddha.


    In der Hermeneutik (also in der Textauslegung) gibt es einen wichtigen Grundsatz, das "Principle of Charity". Dieser Grundsatz besagt, dass man dem Urheber eines Textes bei der Interpretation keine offensichtlichen Widersprüche oder Ungereimtheiten unterstellen sollte.


    Wenn sich also Passagen finden, die so klingen, als meine der Buddha "Wiedergeburt" im Sinne einer Konstanz von personaler Identität, sollten solche Passagen so interpretiert werden, dass die Lehre konsistent bleibt: beispielsweise als bloße metaphorische Rede.


    Insgesamt bestärkt mich die Diskussion in diesem Thread darin, mit dem Thema "Wiedergeburt" zurückhaltend umzugehen und mich des Urteils zu enthalten. Die Praxis des achtfachen Pfades halte ich für eine klar verständliche Lehre, die unter Praktizierenden auch Harmonie und Gemeinschaft stiftet. Im Gegensatz dazu scheint "Wiedergeburt" heutzutage eher Zwietracht unter Praktizierenden zu stiften. (Dieser Thread legt darüber Zeugnis ab. :) )

    Moosgarten:
    Frieden-und-Freude:

    Diese "Einzelnen" sind aber ontologisch nicht "real", sondern nur Manifestationen des Leidens.


    Wieso sollten sie nicht "real" sein, sie wirken doch durch ihre Gedanken, Worte, Taten, sind als das Wirklichkeit. Und sie können dies nur sein, weil nichts an ihnen isoliert ist - ihre Existenz besteht nur in Abhängigkeit von anderen, ist also keine vereinzelte.



    Vielleicht erläutere ich mal, wie "ontologisch" gemeint ist ...
    Es geht dabei um grundlegende Aussagen über den Bereich des Seienden. Beispielsweise sind die "Individuen" in der Ontologie Schopenhauers nicht real, sondern nur Manifestationen des Willens zum Leben.


    Jetzt zum eigentlichen Thema:


    Soweit ich das beurteilen kann, besagt die buddhistische Ontologie (trotz großer Unterschiede einzelner Richtungen) ungefähr Folgendes:
    Alles was existiert, sind nur Ströme abhängig entstehender Phänomene, die miteinander interagieren.


    Die Annahme von getrennt von allem anderen existierenden Einzelwesen ist also von vornherein eine Illusion. Man kann sogar radikaler sagen: Ein Einzelwesen gibt es gar nicht, denn es ist lediglich Teil des Stroms von Phänomenen.


    Wenn dem so ist, bedeutet "Wiedergeburt" vermutlich nur, dass sich die Phänomene (darunter das Leiden) immer neu reproduzieren.



    (Ich dachte, Du hattest das so gemeint.)

    void:

    Wenn man ein Signal braucht, dass man sich jetzt tiefer fallen lassen kann, ist die Hypnoseaffirmation vielleicht nicht so geeignet, weil sie einen ja zunächst auf ein sprachliche Ebene bringt, was einen aus der Meditation rausreissen kann.


    Bei der formellen Meditation gibt es rituelle Elemente ( Räucherstäbchen Glocken) die weil sie an
    an Gehör und Geruch gewendet sind, keinen Bruch in der Meditation verursachen - Je öfter man so meditiert, desto mehr wird der Körper lernen, diese als Signale(Anker) zu interpretieren und sich dadurch schneller tief zu entspannen.


    Das ist ein interessanter Gesichtspunkt. Wobei - nach meiner Erfahrung - solche Rituale in Gruppenmeditationen am besten funktionieren.


    Zu Beginn der Atemmeditation ist gegen Verbalisierungen nichts einzuwenden. Oder hast Du da andere Erfahrungen gemacht.


    Statt die Atemzüge zu zählen (z.B. von 1 bis 10) kann man beim Ausatmen einfach "Loslassen" sagen und am Anfang darauf achten, dass auch muskuläre Verspannungen losgelassen werden.


    Das gilt jetzt (aus meiner Sicht) sowohl für Anfänger als auch Fortgeschrittene.


    Ich weiß, dass manche Traditionen Verbalisierungen komplett ablehnen, auch am Anfang der Meditation.
    Bei mir führt das dazu, dass es einfach länger dauert, bevor sich Konzentration einstellt.


    Warum sich das Leben unnötig schwer machen, es gibt doch dukkha genug. :D


    Sobald die Konzentration dauerhaft beim Atem ist, kann man Verbalisierungen loslassen.

    medi1210:

    Hallo,


    ich interessiere mich neben der Meditation auch für die Hypnose. Ist es möglich während der Meditation sich selbst Befehle/Affirmationen zu geben, sodass man zB noch tiefer in die Versenkung gehen kann oder sich positive Glaubenssätze noch stärker verinnerlichen kann?


    Danke und liebe Grüße :heart: ,
    medi



    Du kannst Dir erst einmal bewusst machen, wozu Du überhaupt meditierst:
    Steht das Loslassen im Vordergrund oder geht es Dir vorrangig darum, "positive Glaubenssätze" zu verankern?


    Affirmationen können dazu führen, dass jemand die Realität seiner eigenen Gefühle nicht mehr sieht. In der Absicht, unangenehme Gefühle zu eliminieren und rasch in ihr Gegenteil zu verwandeln. Das klappt häufig nicht und richtet manchmal sogar Schaden an.


    In der (Achtsamkeits-)Meditation geht es vorrangig darum, das Anzunehmen, was tatsächlich vorhanden ist.
    Häufig ist das für Menschen heilsamer als etwas direkt verändern zu wollen.


    Wenn Du Anfänger bist, empfehle ich, vorläufig entweder bei einer einfachen Meditation (z.B. Atemmeditation) zu bleiben oder Autogenes Training zu lernen.


    (Autogenes Training ist eine Mischung aus Selbsthypnose und Meditation. Die Selbsthypnose dient dabei aber zunächst nur dazu, eine entspannte Konzentration zu bewirken, nicht zur Veränderung Deiner Gefühle im Sinne von Affirmationen!)


    Wenn Du fortgeschritten bist, kannst Du tatsächlich Autogenes Training mit Meditation kombinieren. Dabei ist das Autogene Training eine gute VORBEREITUNG auf eine Meditations-Sitzung.


    Siehe hier: http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=55&t=16183


    Ich empfehle aber, dass Du vorher Autogenes Training und (Achtsamkeits-)Meditation separat lernst. Und nicht gleich am Anfang Methoden kombinierst.