Herzlichen Dank für die vielen Antworten!
Ist es nicht erstaunlich, wie unterschiedlich wir mit dieser grundlegenden Übungs-Regel ("Enthalte Dich des Tötens!") umgehen?
Die einen möchten diese Regel konsequent in allen Situationen und auf alle Lebewesen anwenden. Für die anderen gibt es Ausnahmen von der Regel und die Notwendigkeit, in Ausnahme-Situationen nach dem eigenen Gewissen zu entscheiden. Also gegebenenfalls auch bewusst gegen die Regel zu handeln.
Daneben gibt es auch Stimmen, die sagen, dass das Tötungsverbot für manche Lebewesen ("Ungeziefer") gar nicht gilt. Und zuletzt noch jemand, der meint, dass das Tötungsverbot gar keine Relevanz für die heutige Zeit hat.
Das sind viele unterschiedliche Meinungen, die ich alle respektiere.
Und in meiner eigenen Familie geht es mir ebenso: Ganz unterschiedliche Meinungen und Gefühle dazu, wie wir mit der Situation umgehen sollen.
Unsere Katze bekommt die bestmögliche Behandlung. Dennoch kann es in Kürze soweit sein, dass wir uns für das "Einschläfern" entscheiden, und zwar genau dann, wenn eine Schmerztherapie nicht ausreicht, um ein friedliches Sterben zu ermöglichen.
Ich danke allen für die konkreten Ratschläge. Es war hilfreich, das zu lesen. Dennoch geht es mir zu nahe, die konkrete Situation der Katze hier im Forum zu diskutieren. Stattdessen möchte ich nur das grundsätzliche Problem besprechen: Das Problem mit dem Tötungsverbot in bestimmten Situationen.
Solche Situationen gibt es immer wieder - und deshalb hat das für alle Buddhisten große Relevanz, glaube ich.
Enel:
Wie bitte kann man mit den Tot umgehen, sagt es mir jemand der buddha?.
Warum gehst du nach eine Lehre, die was weiss ich wie alt ist?.
Wenn das Tier sich quält lass es einschläfern um Gottes willen.
Das Tier ist kein Testobject für dich, wie gut du die Lehre beherrschst oder beherzigst.
Nun ja, ich habe die 5 Silas übernommen, weil ich der Ansicht bin, dass es gute Auswirkungen hat auf mein Handeln, wenn ich mich - soweit möglich - nach diesen Regeln richte.
Ich stimme Dir aber zu, dass die Ethik des Buddha problematische Aspekte hat: Es geht doch bei "Sila" ursprünglich hauptsächlich um die Idee der "Reinigung", d.h. sich selbst zu "reinigen".
Deshalb sind die Gebote ja auch als Verbote formuliert: Man soll bestimmte Handlungen unterlassen, weil das zur "Reinigung" beiträgt.
Bekanntlich haben neuere Entwicklungen im Buddhismus versucht, diese tendentiell auf eigene Befreiung/Reinigung orientierte Denkweise zu erweitern. Ich selbst habe die 5 Übungs-Regeln von Thich Nhat Hanh übertragen bekommen, der ja versucht hat, die Regeln auch "positiv" zu formulieren.
Dennoch bleibt das Problem beim Tötungsverbot. Eine moderne Ethik untersucht einfach die Konsequenzen von Handlungen im Hinblick auf das Glück bzw. Leiden empfindungsfähiger Wesen. Da wäre es dann sogar ein Gebot, in bestimmten Situationen aktiv zu töten, wenn dadurch vermeidbares Leiden verhindert wird und man annehmen kann, dass die Handlung wirklich im Interesse des leidenden Wesens ist.
Im Buddhismus gibt es diese Überlegung nicht. Und das ist auch aus meiner Sicht ein grundlegendes Problem, mit dem ich seit langer Zeit hadere.
Ellviral:
Die Katze die bei uns ist bleibt so lange bis sie gehen muss weil es eben Zeit ist zu sterben. Für mich mag es Leiden sein für die Katze ist es nur Verfall. Die Katze wird einen Weg finden mich zu bitten sie zu befreien. Ein Arzt nimmt mir das mit Sicherheit nicht ab!
Ungeziefer das in dem Bereich lebet in dem es nichts zu suchen hat wird effektiv beseitigt. Da habe ich mit töten kein Problem ich seh das schon lange so das das Ungeziefer zu mir kommt um befreit zu werden. Morden tu ich nicht, aus Gier, Hass, Verblendung töten ist Mord. Es ist keine GHV wenn ich Ungeziefer beseitige das ist wichtig damit ich andere die mit mir leben keine Krankheiten bekomme.
Wer GHV erkennt nimmt Abstand vom Töten dafür braucht es keine Regel damit über die Regel geredet werden kann um sich ein leichtes Gewissen zu schaffen.
Was machst Du bei Leidenszuständen, die sich medikamentös nicht ausreichend behandeln lassen?
Sagst Du dann: "Das ist nur Verfall und kein echtes Leiden, weil die Katze keine Ich-Illusion hat und das deshalb gar kein echtes dukkha ist?" Oder hab ich Dich da falsch verstanden?
Zum "Ungeziefer", also z.B. Insekten, die sich im Haus vermehren:
Ja, wenn es gar nicht möglich ist, diese Tiere gewaltfrei nach draußen zu befördern, handele ich auch so wie Du. Also ein Töten ohne Hass.
Andererseits ist mir bewusst, dass ich damit gegen die Übungsregel verstoße. Es gibt in der Lehre des Buddha kein Recht, ein Tier zu töten, nur weil es im Weg ist und man keinen Hass beim Töten entwickelt.
Mir ist auch keine Tradition innerhalb des Buddhismus bekannt, die diese Regel so auslegt, dass es ein Recht gibt, "Ungeziefer" zu töten, sofern man das ohne Hass tut.
RolfGe:
Dir bleibt also nur die Abwägung, die karmische Wirkung des Tötungsaktes auf dich zu nehmen, dem Tier dadurch aber das aktuelle Leid zu ersparen, oder dies eben nicht zu tun und das Leid in Kauf zu nehmen.
Für mich heißt das in der Konsequenz für zukünftige Situationen, das ich nicht den Weg der Euthanasie gehe, sondern versuche das Leid durch medizinische Intervention so gering wie möglich zu halten.
Allerdings kann ich mir auch Situationen vorstellen in denen ich dann doch diesen Weg gehen würde, und die Handlung und ihre Auswirkungen dann in Kauf nehmen würde .
Nicht wirklich eindeutig, aber wie alles von Umständen abhängig..
Dies:
Zitat
Wenn ich mich aber gegen das "Einschläfern" entscheide, bin ich direkt verantwortlich für das Leiden, das dadurch entsteht
würde ich aber nicht unterschreiben. Du trägst nicht die Verantwortung für das Leiden weil du es nicht verursacht hast- du hast es nur nicht verhindert.
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Ich handhabe es ebenso wie Du: Für mich bleibt das Tötungsverbot gültig und ich bemühe mich sehr, es einzuhalten. Aber in bestimmten Situationen wäre es unverantwortlich, und dann töte ich unter Umständen doch.
Zur Verantwortlichkeit: Wir sind aus meiner Sicht nicht bloß für aktive Handlungen verantwortlich, sondern auch für Unterlassungen. Etwas nicht zu tun, ist doch ebenfalls eine Handlung.
Wenn Du von der karmischen Wirkung des Tötungsakts sprichst, gehst Du davon aus, dass eine aktive Handlung Verantwortlichkeit nach sich zieht. Wenn jemand beispielsweise einen Menschen in eine Grube stößt, ist er verantwortlich für das Leiden des Menschen in der Grube. Wenn jemand sieht, dass sich ein Mensch in der Grube befindet und entscheidet, ihm nicht zu helfen (obwohl er das könnte), ist er ebenfalls verantwortlich für das Leiden.
Das ist ebenfalls ein Problem der ursprünglichen buddhistischen Ethik aus meiner Sicht: Es wird ungenügend berücksichtigt, dass Unterlassungen ebenfalls Handlungen sind "mit karmischer Konsequenz".
Sherab Yönten:
Frieden-und-Freude:
Einerseits möchte ich vermeidbares Leiden verhindern, andererseits bin ich verpflichtet, nicht zu töten.
Der Tod ist nicht vermeidbar und das Sterben auch nicht. Was würdest Du Dir im Falle Deines eigenen Todes/ Sterbeprozesses wünschen? Alleine diese Frage ist nicht einfach zu beantworten.
Heutzutage ist es üblich, dass der Arzt das strebenskranke Haustier einschläfert. Ein Grund dafür könnte sein, dass Herrchen oder Frauchen überfordert sind, das sterbende Haustier zu Hause zu begleiten. Könntest Du das aushalten? Wenn ja gibt es sicher Möglichkeiten, die Schmerzen anhand von Medikamenten zu lindern und gleichzeitig den natürlichen Sterbeprozess zu akzeptieren.
Auch im Falle meines eigenen Sterbens würde ich mir eine Schmerztherapie wünschen. Und sobald diese Schmerztherapie an Grenzen stößt, halte ich Sterbehilfe oder Freitod für eine sinnvolle Option, die ich jedoch nicht leichtfertig nutzen würde.
Wie gesagt: Es gibt Grenzen der Schmerztherapie bei Tier und Mensch.
451:
das Leiden, aus der Sicht eines Tieres betrachtet, ist wohl auf das Aushalten von körperlichen Schmerzen begrenzt. Wir können wohl nicht davon ausgehen, dass sich die Katze ihres Sterbeprozeßes bewusst ist und dadurch egobehaftetes Leiden ("ich muss dieses unumkehrbare Leiden weiter aushalten.." "ich möchte das nicht mehr...") zusätzlich vorhanden ist.
(...)
Zur Problematik "unerwünschter" Tiere. Leider habe ich da keinen konkreten Tipp. Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass Duftproben von anderen Tieren oder bestimmte unangenehme Düfte die "unerwünschten" Gäste vertreiben können. Vielleicht gibt es im Bekanntenkreis einen Besitzer eines zahmen Frettchens, der sein Tier mal in deinem Garten spazieren gehen lassen möchte?
Ich weiß gar nicht so genau, ob wir Menschen die einzigen sind, die "egobehaftetes Leiden" kennen.
Diese Ich-Konstruktion, das Bewusstsein seiner selbst, hat sich ja evolutionär entwickelt. Bei bestimmten Tierarten ist so ein Bewusstsein seiner selbst bereits nachgewiesen.
Das ist schwer zu beurteilen.
Davon abgesehen: Starke Schmerzen sind definitiv Leiden, auch wenn da gar kein Ich involviert ist.
Zu den "Schädlingen": Du schlägst den Einsatz eines "zahmen Frettchens" vor.
Ich hatte zwar an bestimmte Insekten gedacht, die sich gelegentlich verbreiten. Aber es stimmt natürlich, dass wir hier auf dem Land auch Mäuse haben.
Findest Du es aber wirklich besser, Mäuse durch ein Frettchen töten zu lassen, als Schlagbügelfallen aufzustellen? Ist es moralisch besser, ein anderes Tier dafür einzusetzen? (Im Fall von Mäusen gibt es Lebendfallen, doch auch die Lebendfallen fügen oft erhebliches Leid zu: Eine Maus in einer "Lebendfalle" wird manchmal so panisch, dass sie halb-tot ist vor Angst oder sogar tatsächlich nach einigen Stunden Qual aus Panik stirbt. Auch dafür gibt es keine wirklich gute Lösung. Jedenfalls ist eine Schlagbügelfalle in der Regel mit weniger Qual verbunden als der gezielte Einsatz eines Frettchens oder einer Katze.)
Mich erinnert das an das Buch "Der leere Spiegel". Dort wird berichtet, dass die Mönche eines japanischen Zen-Klosters einen Hund halten, der Katzen tötet. Das Miaue der Katzen stört beim Meditieren, aber aktiv wollen die Mönche nicht töten, also wählen sie diese "Lösung".
Für mich ist das ein Beispiel für die Probleme und Grenzen buddhistischer Ethik.
Speziell dafür, dass übersehen wird, dass Geschehen-Lassen ebenfalls eine Handlung ist, für die man verantwortlich ist.
Das alles sind schwierige Probleme, die mich schon lange beschäftigen. Deshalb finde ich es gut, dass wir darüber diskutieren.