Beiträge von Sudhana im Thema „Rationalität und Gefühl“

    Monday:

    Was der dann mit dem Nichts macht, ist seine Sache - er kann mit leeren Händen nach Hause kommen (Dôgen) und ein paar Leutchen um sich scharen und ihnen was erzählen. Heute macht das einer im Forum oder auf facebook oder auf youtube. :grinsen:


    Das ist wie der Unterschied zwischen Krieg und zu Hause im Sessel hocken und am Computer 'Call of Duty' oder 'Counterstrike' spielen. Ist nicht wirklich dasselbe.


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    Monday:

    wenn sich Spezialisten verständigen wollen, müssen sie auch erst einmal klären, was sie so unter ihren Begriffen ihrer Spezialsprache verstehen.


    Wenn sich 'Spezialisten' verständigen wollen, dann impliziert der Begriff 'Spezialist', dass sie auf einen gemeinsamen Begriffsvorrat zugreifen können. Von zen chishiki habe ich Dir gegenüber gesprochen - nicht zu Yofi. Zu Yofi habe ich von kalyāṇa-mittata gesprochen.

    Monday:

    Es reicht dabei nicht, einfach mal so ein paar Kanji unter das Volk zu schmeißen.


    Swahili ist da auch nicht besser. Aber wie schon gesagt - damit warst Du gemeint, nicht "das Volk".


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    bel:

    Bei "kalyāṇa-mittatā" ist eigentlich nicht von "Freundschaft" in dem Sinne die Rede, wie wir dieses Wort verstehen - so wie eben auch bei fb-"Freunden".


    Nun, im Deutschen kann 'Freundschaft' auf ein weites Spektrum von Sachlagen angewandt werden - von der Freundschaft, der Schiller in seiner Ballade 'Die Bürgschaft' ein Denkmal gesetzt hat über die Freundschaft unter Parteifreunden bis hin zur deutsch-sowjetischen Freundschaft seligen Angedenkens. Hier zeichnet sich auch eine zweite Bedeutung von mitratā ab - 'Bündnis'. Gewissermaßen die völlig unsentimentale Form von Freundschaft. Entscheidend ist jedenfalls die genauere Spezifizierung durch das Adjektiv 'kalyāṇa', das allerdings ebenfalls einen weiten Bedeutungsraum abdeckt. Im Zusammenhang mit ‚Freundschaft‘ (oder 'Bündnis') steht kalyāṇa jedenfalls für den Bedeutungskomplex wohlwollend/wohltuend, tugendhaft, glückverheißend.

    bel:

    Bei "Zen chishiki" erkenne ich erst überhaupt keinen "Freund"


    Richtig. Auch, wenn es sich um die chinesische bzw. japanische Übersetzung von kalyāṇa-mitratā handelt, liegt der semantische Schwerpunkt doch etwas anders - möglicherweise auch, um die schon angedeutete sentimentale Konnotation von 'Freundschaft' zu vermeiden. Es wird dafür mit 知識 (zishi / chishiki) ein Begriff ausgewählt, der Wissen ausdrückt. Allerdings kein 'überweltliches' Wissen, sondern ein Sachwissen / Kenntnisse; die Beherrschung eines Wissensgebietes - hier ist dann auch die Beziehung zum 'Meister' (dem Fachmann, der sein Fachgebiet beherrscht) gegeben. Der natürlich keine "Macht" hat (wie unser Zenexperte Yofi zu wissen glaubt) sondern vielmehr auf überlegenem Wissen bzw. Kenntnissen beruhende Autorität. Auch hier wird das 'meisterliche Wissen' durch das vorangestellte adjektivische 善 (shan / zen) spezifiziert, das von der Bedeutung her (heilsam, tugendhaft, richtig, gut) ziemlich deckungsgleich mit kalyāṇa ist.


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    Monday:
    Sudhana:


    Zwischen zen chishiki und einer facebook-Freundschaft ist eine ziemliche Spannweite.


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    Kommt drauf an, wo man den Dharma sieht. Wenn du da Unteschiede pflegst, dann pflegst du deinen Dünkel [atimāna]. :grinsen:


    Kommt drauf an, wo man den Dharma nicht sieht. Wieauchimmer ... Jedenfalls habe ich nicht von "Unterschieden" geschrieben, sondern von einer "Spannweite". Das drückt keinen Unterschied aus, sondern ist ein schlichtes Streuungsmaß.


    Bekanntlich äußerte Joshu, als er mit 57 Jahren auf Tournee ging, er wolle sich von einem siebenjährigen Kind belehren lassen, wenn dieses ihn im Verständnis des Dharma übertreffe und er wolle einen hundertjährigen Greis belehren, wenn er seinerseits diesen im Verständnis des Dharma übertreffe. Man darf ihm wohl unterstellen, dass er auch bereit war, Siebenjährige zu unterrichten und sich von Hundertjährigen belehren zu lassen, so weit dies sinnvoll war. Bemerkenswerte Spannweite. Bemerkenswert aber auch, dass Joshu sich anscheinend durchaus zugetraut hat, zu unterscheiden, wer wen im Verständnis des Dharma übertrifft. Dass er erst auf diese Idee verfiel, als sein zen chishiki verstorben war, legt nahe, dass Joshu durchaus auch zwischen Hundert- und Siebenjährigen einerseits und Nansen Fugan andererseits zu unterscheiden wusste. Wobei es da natürlich auch noch eine andere Möglichkeit gäbe ... 不一不二


    Wer von Nicht-Unterscheidung spricht und dabei Unterscheidung von Nicht-Unterscheidung unterscheidet, sollte vielleicht nicht auch noch von 'Dünkel pflegen' reden.


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    Monday:

    Das sind deine Ansichten von Freundschaft.


    Nein. Das ist nur meine Ansicht von zen chishiki. Zwischen zen chishiki und einer facebook-Freundschaft ist eine ziemliche Spannweite.


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    Morpho:

    In nem Forum ist aber nix mit kalyāṇa-mittatā


    Gewiss nicht. Voraussetzung ist, dass man sich persönlich (d.h. in 'real life') gut kennt. Und der Austausch ist emotional und intellektuell intim - offen, aber nicht öffentlich.


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    Yofi:
    Sudhana:

    In der richtigen Gegend bist Du schon einmal.


    Dann ist doch sehr zu empfehlen auf die Schönheit der Gegend zu achten anstatt sich fern aller Rationalität auf 'Meister' einzulassen.


    Bei der 'richtigen Gegend' geht nicht um irgendwelche touristische Attraktionen, sondern um die Bewohner. Und - einen Dharma-Meister "fern aller Rationalität" auszusuchen, ist genauso wenig empfehlenswert wie bei einem Handwerksmeister. Wie kommst Du auf so eine bescheuerte Idee? Aber ich will die Metapher vom 'Meister' nicht überstrapazieren - anders als Morphos weisst Du nicht, worum es dabei geht. Sagt Dir kalyāṇa-mittatā etwas?


    Zitat

    Wenn einen weisen Freund man findet,
    Als Weg-Gefährten, edel lebend, kraftvoll,
    Jedwede Widrigkeiten überwindend,
    Mag wandern man mit ihm, beglückt und achtsam.



    Yofi:

    Eine Übertragung ist nicht der einzige Weg zum Dharma.


    Wenn man nicht gerade ein samyak sambuddha ist und aus eigener Kraft den Weg zur Befreiung entdeckt hat und ihn gegangen ist, dann schon. Alle Anderen sind wohl oder übel darauf angewiesen, zum Dharma über eine Übertragung zu finden. Es fragt sich nur, ob eine Übertragung durch Worte, die vor zwei Jahrtausenden erstmals niedergeschrieben wurden und mehr oder weniger gelungene Übersetzungen davon in der Kombination mit persönlichen Verständnissen und Missverständnissen dazu ausreichen.Selbst K. E. Neumann überträgt den Dharma. Dass er das nicht sonderlich meisterlich tut, ist eine andere Sache ...

    Yofi:

    Diese Behauptung würde alle allein Praktizierende diskreditieren


    Wer tatsächlich glaubt, er würde "allein" praktizieren, der diskreditiert sich selbst bzw. seine Praxis - der hat den Dharma noch nicht einmal von weitem gesehen. Das wäre in der Tat

    Yofi:

    weder sinnvoll noch steht das in irgendeinem Bezug zur Lehre.


    Den 'Nashörnern' ins Stammbuch geschrieben:



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    Noch eine Nachbemerkung zum Thema "Übungsledigkeit" - lass Dir diesen Bären nicht aufbinden. Aller Dinge ledig zu sein ist selbst eine Form permanenter Übung. Sie hat ihr Vorher, ihr Jetzt und ihr Nachher.


    ()

    Morpho:

    es ist doch arg zu eitel und zu dumm sich mit einem Meister in Vergleich zu setzen.


    'Sich' mit einem 'Meister' in Vergleich zu setzen, ist der einzige Weg, den Dharma zu übertragen. Nicht immer eine angenehme Aufgabe. Was aber nicht heisst, das ginge nur, wenn man Eitelkeit und Dummheit dafür einsetzt.


    Wenn Du Dich nicht mit Deinem Meister in Vergleich setzen willst, dann hast Du wohl Deinen Meister noch nicht gefunden. Das kommt schon noch, so lange Du mit dem Suchen nicht aufhörst. In der richtigen Gegend bist Du schon einmal.


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    Morpho:

    Von daher: Shizen (自然) !


    ... womit wir wieder bei Nicht-Intentionalität wären. Hatten wir das nicht schon durchgenommen? Wählerisches Auswählen, Werten, willkürliches Setzen von Genzen, z.B. zwischen Praxis und Nicht-Praxis - eben das ist alles Andere als nicht-intentional und daher auch kein wirkliches shizen.


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    bel:

    auch das nicht.


    Klar. Wie auch immer - es geht ja auch nicht (wirklich) darum, ob unser güllespuckender Scherzkeks ('Puhlbumb' nennt man das, wo ich lebe) recht oder ob accinca Buddhanatur hat (was er sich gewiss als völlig haltlose Unterstellung wenn nicht gar üble Nachrede verbitten würde) oder gar Buddha Hundenatur hat (möglicherweise hätte er den Gedanken zwar belächelnswert, aber doch ganz charmant gefunden) - oder was man da sonst noch alles an Fragen aufwerfen könnte. Alles schwierig zu entscheidende Fragen, zweifellos . :roll: Es geht doch eher darum, wo der Unterschied zwischen dem Streicheln eines Hundes und dem Streicheln von Morphos liegt. Wenn ich für meinen Teil da keinen Unterschied mache - ist das beleidigend für Morphos? Wenn ich da aber einen Unterschied mache - wäre das dann nicht irgendwie übergriffig? Einer fragwürdigen Intention verdächtig? Gut, dass das hier nur virtuell geht ... Jedenfalls soll das nie wieder vorkommen. Höchstens heimlich, versprochen. ;)


    Trotzdem - wenn es denn ein angenehmer Gedanke ist, dürfen auch keks und accinca sich selbstverständlich gerne von mir gestreichelt und wenn es sein muss sogar gebauchpinselt fühlen. So sie denn wollen. Solange sie nicht mich für den angenehmen Gedanken verantwortlich machen ...


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    Morpho:
    Zitat

    Es ist der Klang eines beruhigenden, liebevollen Streichelns.


    Ich bin doch kein Hund. :|


    Hat der Hund Buddhanatur? Wären Dir 30 Stockschläge lieber? Vergiss es, ist nicht mein Stil. 8)


    Morpho:
    Zitat

    Wenn man sich vom "Gefühl", vom 'Großen Mitgefühl' leiten lässt - was kann da eigentlich schiefgehen?


    'Großes Mitgefühl' ist verdammt uneigennützig. Und deswegen so bescheiden, bemerken viele gar nicht. Es ist zum Beispiel in einem unbewegt-freundlichen Gleichmut, der es dem Menschen, der ihm begegnet erlaubt, was kommt und vergeht zu akzeptieren, ganz zu entspannen und sich Vertrauen zu gewähren.


    Ja.


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    cinnamon:

    OT: kunterbunter Gesprächsverlauf :D


    Vielleicht hast Du ja nur Probleme, dem Gesprächsverlauf zu folgen. Das mag zum Teil daran liegen, dass das Gespräch z.B. zwischen Morpho und mir sich teilweise einer Sprache bzw. eines 'Zeigens' bedient, die / das unserer gemeinsamen Tradition geschuldet ist und Anderen möglicherweise hermetisch erscheint. Es geht die ganze Zeit um nichts als "Rationalität und Gefühl" und darum, was diese scheinbar widersprüchlichen Dinge mit unserer Praxis zu tun haben - mit der Art und Weise, wie Ich als Quelle von "Rationalität und Gefühl" mit Nicht-Ich umgeht.


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    Morpho:

    Sudhana:

    Zitat

    Praxis in "weltlich", "überweltlich" und "unterweltlich" einzuteilen, heisst Hindernisse zu setzen. Wer braucht sowas?


    Keine Ahnung. Ich sprach ja von weltlicher Beschäftigung und die kann natürlich keine Zen Übung sein.


    Ich verstehe Dein Problem. Du machst einen Unterschied zwischen Praxis und Nicht-Praxis. Und ich verstehe auch, wo Du die Grenzen Deiner Praxis - siehst? setzt? Die Sicht einer begrenzten Praxis - ist das Rechte Sicht? Das Setzen von Grenzen - ist das nicht das Setzen von Hindernissen?


    Morpho:

    Lin Chi antwortete auf die Nachfragen eines Gönners: Hier ( in der Halle ) wird weder meditiert, noch debattiert, noch studiert. Also hat er sehr wohl unterschieden. Zwischen denen die praktizierten und denen, die die Dinge sein ließen.


    Ja - und an der Stelle ist viel rumgerätselt worden, ob man sich denn bei Linji nicht mal in den Pausen von der Feldarbeit auch mal hingesetzt hat "zum Meditieren" oder wozu auch immer. Ein Rätsel ist das eigentlich nicht. Bei Linji hat man eine ungeteilte und vereinheitlichte Praxis gemacht. Meinst Du denn allen Ernstes, in Linjis Sangha hätte es Leute gegeben, die nur in der Halle herumsaßen um dort weder zu meditieren noch zu debattieren noch zu studieren während die Anderen draußen schufteten? Ohne wenigstens ab und zu selbst mal Hacke und Schaufel in die Hand zu nehmen wie der alte Linji? Ein Tag ohne Arbeit, ein Tag ohne Essen. Ist nicht von Lenin, ist von Rinzais Lehrer Hyakujo.


    Morpho:

    Shuzenbugyo bedeutet: Sich selbst aufgeben und Klarheit erlangen, also alles was das Ego dir einflüstert in die Tonne zu kloppen.


    Ist mahakaruna eine Einflüsterung des Egos? Das bezweifle ich.

    Morpho:

    Ansonsten kann man alles mögliche unter Gutem Tun verstehen. Und das ist nicht gut.


    "Alles Mögliche" unter gutem Tun zu verstehen ist gewiss nicht gut. Die Frage dabei ist, wovon man sich da leiten lässt. Wenn man sich da von "Rationalität" leiten lässt, dann kann das bei besten Absichten verdammt schief gehen. Die Geschichte der Ideologien und ihrer gebrochenen Versprechen zeigt es überdeutlich. Wenn man sich vom "Gefühl", vom 'Großen Mitgefühl' leiten lässt - was kann da eigentlich schiefgehen?


    Avalokitesvara bedeutet das Schreien der Welt zu hören. Jede einzelne Stimme, und jeder Stimme zuzuhören. Das ist Avalokitesvaras Praxis des Zuhörens, wie das Surangama Sutra lehrt. Und wie es auch Hakuin gelehrt hat. Der Klang der Hand ist kein Klatschen. Weder Beifallklatschen noch Ohrfeige. Es ist der Klang eines beruhigenden, liebevollen Streichelns. Und weil das so schön ist, hat Avalokitesvara 1.000 Hände. Mindestens :oops: .


    Fühl Dich gestreichelt :P


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    Yofi:
    Sudhana:

    Keine Sorge, das wird schon nicht vergessen - nur ist es hier, in diesem Forum, wohl doch eher offtopic.


    Wer fragt, sollte mit einer Antwort rechnen können.


    Dann finde ein geeignetes Forum und stelle Deine Frage. Oder formuliere sie so, dass sie hier in den Bereich "Allgemeines zum Buddhismus" passt. Wenn Du besonderen Wert auf eine Antwort von mir legst, schicke mir einfach einen kurzen Hinweis auf das Thema per PN, dann antworte ich bestimmt.

    Yofi:

    Umgekehrt - deine Ausführungen über die Geschichte Tibets, über den Dalailama, über deine Haustiere, Übersetzungen der Zen-Schriften sowie deine persönliche Beurteilung Kompetenzen anderer sind für mich nicht hilfreich gewesen.


    Das ist bedauerlich, aber wohl nicht zu ändern. Ob das nun an meinen oder an Deinen Bemühungen lag, spielt dann auch keine Rolle mehr.

    Yofi:

    Demnach bestand ursprünglich eine Tendenz dazu, den eigenen Körper zwar als Werkzeug zu betrachten, sich aber - durch Almosengang - möglichst vor einer Anhaftung auf die Herstellung und Auswahl der benötigten Mittel zu schützen.


    Nunja. Zumindest führst Du jetzt nicht die tibetische Klerikokratie als Muster für diese "Tendenz" an. Das lässt hoffen, dass meine Hinweise zumindest nicht komplett un-hilfreich waren.


    ;)


    ()

    Morpho:

    Mir scheint du legst gern ne Fährte vor, um zu einem Thema zu kommen, das eher für einen Diskurs geeignet wäre.


    Da ist was dran ... Wobei ich ja recht frühzeitig in diesem Thread offengelegt habe, in welche Richtung der Diskurs gelenkt werden sollte, um das doch recht abstrakte Thema "Rationalität und Gefühl" auf etwas herunterzubrechen, womit man etwas anfangen kann. Auf unsere Praxis nämlich. Denn die Dichotomie "Rationalität und Gefühl" spiegelt sich ja vor allem in der Praxis. Es gibt verschiedene Arten von Praxis, die die jeweiligen Anteile von "Rationalität" und "Gefühl" unterschiedlich gewichten. Das ist dann eine Praxis, die aus dem Gleichgewicht geraten ist. Das hat seinen Wert - für Praktizierende, die aus dem Gleichgewicht geraten sind und dies mit einer ungleichgewichtigen, im Extrem sogar einseitigen Praxis kompensieren. Die Frage ist dann, ob man sich mit einer Praxis bescheidet, die Ungleichgewichte kompensiert oder ob man eine - vielleicht etwas mühsamere - Praxis wählt, die das Ungleichgewicht auch korrigiert und zu Gleichgewicht von Praxis und Praktizierendem führt.


    Morpho:

    was aber in Peilrichtung "weltliche Beschäftigung" ausartet und von euch als "nüchterne Analyse" definiert wird, dabei ist Analyse, bemüht man schon diesen Begriff, im BuddhaDharma eine in die umgekehrte Richtung.


    Über Ausrichtung der Praxis hatte ich ja in diesem Thread schon etwas geschrieben - bei Bedarf lässt es sich sicher finden. Was die "weltliche Beschäftigung" angeht, weise ich (zum wiederholten Mal) darauf hin, dass auch "Beschäftigung" (shuzenbugyo) Praxis ist - nicht nur "Nicht-Beschäftigung" (shoakumakusa). Da gerät dann auch die Praxis nicht so schnell in die Gefahr einer Ausrichtung. Vielleicht konzedierst Du mir zumindest, dass das, was Du "weltliche Beschäftigung" nennst, meine "weltliche Praxis" ist. Wobei ich sie nun nicht "weltliche Praxis" nennen würde. Wenn ich ihr einen Namen geben sollte, dann "Haushälter-Praxis". Die Praxis Vimalakirtis. Mir ist bewusst, dass sie von außen, je nach dem durch den Standpunkt des Wahrnehmenden bestimmten Blickwinkel, als "weltliche Praxis", als "überweltliche Praxis" oder als "unterweltliche Praxis" erscheint. Aber "hier in diesem Klumpen roten Fleisches" (um noch einmal Rinzai zu bemühen) ist das Zentrum dieser Praxis - und da gibt es keine begrenzten Blickwinkel auf die Praxis und damit auch keine abgrenzenden Bezeichnungen. Der Mensch ohne Rang, der beständig durch die Sinnestore ein- und ausgeht, tut dies ohne Hindernis im Geiste. Ohne Hindernis und daher ohne Furcht (Yongjias 'Doktrin der Nicht-Angst') - aber entscheidender als "ohne Furcht" scheint mir doch "ohne Hindernis" zu sein. Praxis in "weltlich", "überweltlich" und "unterweltlich" einzuteilen, heisst Hindernisse zu setzen. Wer braucht sowas?


    ()

    Yofi:
    Sudhana:

    So viel Mühe darf die Suche nach Wahrheit schon kosten - selbst, wenn sie unangenehm ist.


    Wenn ich dich richtig verstehe, hast du auf Zensplitter und in anderen, von dir verlinkten Artikeln eine unangenehme Wahrheit gefunden und möchtest sie teilen - um was aufzuzeigen? Geht es dir um Politik, um die Tradition, oder was ist die Intention?


    Zum einen geht es schlicht um Aufklärung. Die ich angesichts von Bestrebungen, westliche Buddhisten als Rekrutierungspotential für politische Agenden ('Free Tibet') zu benutzen für sinnvoll halte. Es geht aber auch - und das hatte ich schon Morpho geschrieben - um die Inkulturation des Buddhismus im Westen und damit um die Frage, wie weit der 'real existierende Buddhismus' in Asien anpassungsfähige Modelle anzubieten hat, wie Buddhismus in einer Gesellschaft verankert werden kann und auch, wie er positiv auf sie einwirken kann. Dazu bedarf es eines nüchternen und nicht durch Projektionen verstellten Blicks auf die Wirklichkeit buddhistisch geprägter Gesellschaften.

    Yofi:

    Wie schon erwähnt, wir Europäer sollten versuchen unsere eigene Geschichte aufzuarbeiten anstatt uns in anderen Ländern per Ideologien oder Rüstungsaktivität engagieren zu wollen.


    Keine Sorge, das wird schon nicht vergessen - nur ist es hier, in diesem Forum, wohl doch eher offtopic.


    Yofi:
    Sudhana:

    Aus welchen Klatschspalten mit positiven Meldungen beziehst denn Du so Deine Kenntnisse über Tibet?


    Aus Erzählungen der tibetischen Flüchtlinge, aus Dokumentationen, aus Lebensläufen der tibetischen Meister etc., nicht zuletzt aus den Vorträgen und dem einzigartigen Buch von York Hovest - "Hundert Tage Tibet".


    http://www.welt.de/lesestueck/2014/tibet/


    Darüber, wie Tibet in den gut dreihundert Jahren unter der Ägide der Dalai Lamas aussah - vor allem für das Gros der Bevölkerung - hast Du daraus wohl nicht viel gelernt. Sonst würdest Du nicht im Ernst so etwas behaupten:

    Yofi:

    Das Prinzip dana hat früher in Asien ganz gut funktioniert - die Bevölkerung schenkt das Essen, Ordinierte leisten geistige Fürsorge und ermöglichen den Kindern eine gute Ausbildung. Mit dem Brauch, dass aus jeder Familie ein Kind im Kloster ausgebildet wird, hat z. B. die Tibetische Gesellschaft sehr gut funktioniert.


    Die tibetische Klosterkultur hat mit dana nichts, aber auch gar nichts zu tun. Etwa ein Viertel des gesamten kultivierbaren Landes gehörte 250-300 adligen Familien. Der ganze Rest gehörte grob zur Hälfte den Klöstern und Klosteruniversitäten, die andere Hälfte der (von Mönchen dominierten) Regierung. Jeweils mit den zugehörigen Leibeigenen. Alleine das Kloster Drepung verfügte über ca. 20.000 Leibeigene. "Die Bevölkerung schenkt das Essen"? Was das mit der "guten Ausbildung" angeht - das war nichts, was man der Bevölkerung zurückgab, die gab es nur für Mönche. Und selbst unter denen waren viele bloße 'Arbeitsmönche', deren 'Bildung' bestenfalls gerade mal zum Entziffern des Rezitationsbüchleins ausreichte.


    Vorschlag: ich hatte ja einen Link auf die Bio von Prof. Goldstein gesetzt. Der hat viele seiner Arbeiten ins Netz gestellt und auf dieser Seite verlinkt. Eine Fundgrube für jeden, der wirklich an Geschichte und Gesellschaft Tibets interessiert ist.

    Yofi:

    In den Jahren nach 1959 sind 6.000 tibetische Klöster durch die chinesische Besatzungsmacht zerstört worden


    Und das hat jetzt genau was mit unserem Thema bzw. dem Verhältnis Laien / Mönche zu tun?
    Trotzdem noch ein weiterer Hinweis, wenn auch offtopic hier:

    Yofi:

    Die Armut ist in manchen Regionen ein großes Problem - viele Kinder können keine Schule besuchen, weil deren Familien das Geld für die damit verbundenen Ausgaben fehlt.


    In der Volksrepublik China einschließlich der Autonomen Region Tibet gibt es eine 9-jährige Schulpflicht. Öffentliche Schulen sind bis zur 10. Klasse kostenfrei. Ethnische Tibeter sind generell (d.h. auch nach der 10. Klasse) von Schulgebühren befreit - Teil der Minderheitenpolitik Beijings. Zweifellos gibt es für die große und dünn besiedelte Region des tibetischen Hochlands zu wenig Schulen bzw. z.T. weite Schulwege - aber immerhin wurden zwischen 1999 und 2010 200 Primärschulen neu gebaut. Und man darf nicht vergessen, dass es vor 1959 nichts gab, dass den Namen 'Schulsystem' verdient und auf dem man hätte aufbauen können.


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    Morpho:

    sudhana:

    Zitat

    Zum ersten um den Aspekt getrennte Praxis - zum einen eine Laienpraxis, in der der durchaus heilsame Gefühle kultiviert werden sollen, wenn sie denn von Vorteil für die praktizierenden Mönche ist und zum anderen eine 'rationale' monastische Praxis, die auf Überwindung der Gefühle angelegt ist - auch der, die man den Laien empfiehlt und als heilsam anpreist.


    Das ist doch ebenso eine politische Denkweise oder einfach Meinung. Wozu die überhaupt pflegen, äh ... kultivieren ? Bedeutet das Heilsames zu kultivieren ? Eine "Überwindung der Gefühle" das ist sowieso nirgends "rechte Lehre".


    Bei Yofi schon. Ich dachte, Du würdest hier mitlesen ...


    Morpho:

    Das musst du jetzt nicht den Tibetern in die Schuhe schieben. Hab ich noch nie gehört bei die Tibeter.


    Erstens: auf das schmale Brett mit den Tibetern ist Yofi gekommen (einfach mal lesen oder nachlesen). Natürlich nicht im Zusammenhang mit dem Aspekt 'getrennte Praxis' (das ist mehr so'n Theravada-Dingens), sondern mit dem zweiten von mir genannten Aspekt - dem ökonomischen. Habe ich eigentlich ziemlich deutlich geschrieben. Lies mal da weiter, wo Du mit dem Zitieren aufgehört hast.


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    Morpho:

    Noch ein Tibeter Bashing ? Was hat das jetzt noch mit dem Thema zu tun ?


    Es geht um die Beziehung Laienpraxis / monastische Praxis. Zum ersten um den Aspekt getrennte Praxis - zum einen eine Laienpraxis, in der der durchaus heilsame Gefühle kultiviert werden sollen, wenn sie denn von Vorteil für die praktizierenden Mönche ist und zum anderen eine 'rationale' monastische Praxis, die auf Überwindung der Gefühle angelegt ist - auch der, die man den Laien empfiehlt und als heilsam anpreist. Irgendwie kann ich nicht umhin, da eine gewisse ... Inkonsistenz wahrzunehmen. Sodann geht es um den schlichten ökonomischen Aspekt - die Laien als Garanten der Subsistenz einer nichtproduktiven, auf ihre eigene spirituelle Vervollkommnung konzentrierten Mönchskaste. Da hat dann Yofi das Tibet unter dem Regime der Dalai Lamas als vorbildlich angepriesen.


    Ich denke mal, wenn Mönche betteln und man ihnen nur das geben muss, was man ihnen geben will, ist das akzeptabel. In Tibet lief das allerdings ein wenig anders.


    Wohlmeinend, wie ich bin, gehe ich davon aus, dass Yofi von der sozialen Wirklichkeit und den Auswirkungen der drei Jahrhunderte Mönchsherrschaft in Tibet nur gewisse verklärende Darstellungen kennt und habe ihn daher auf die historischen Fakten bzw. auf wissenschaftliche (historische, ethnologische, medizinhistorische, statistische) Quellen hingewiesen.


    Mit "Tibeter-Bashing" hat das herzlich wenig zu tun, hingegen viel mit der Frage, ob man aus der Geschichte des Mönchsstaates Tibet etwas für die Inkulturation des Buddhadharma im Westen lernen kann - und was.


    ()

    Yofi:

    Sudhana, den Link kann ich leider nicht lesen, weil ich bei weißer Schrift auf schwarzem Hintergrund hinterher etwa eine Stunde lang schwarzweiße Streifen vor den Augen hätte.


    Man kann in den meisten Browsern Schrift- und Hintergrundfarbe ändern. Im Firefox z.B. ist das eine Sache von nicht einmal 5 Sekunden. Ich kann Dir per PN gerne erklären, wie man das macht. Natürlich könnte man den Text auch einfach per Maus markieren, kopieren und in ein Editorfenster einfügen. Geht fast genauso schnell. So viel Mühe darf die Suche nach Wahrheit schon kosten - selbst, wenn sie unangenehm ist.

    Yofi:

    Oder noch besser man fragt sich selbst, was die eigentliche Ursache hinter dem eigenen Bedürfnis steht, Klatschspalten mit negativen Meldungen über andere Länder zusammen zu tragen – und zu veröffentlichen. Es gibt genügend Dokumentationen über die tibetische Kultur im Netz, auf solche „Schlagzeilen“, wie du sie hier präsentierst, ist heutzutage niemand mehr angewiesen.


    ... oder man fragt sich, was die eigentliche Ursache dafür ist, das parasitäre Regime einer Mönchskaste als vorbildliches Buddha-Wunderland anzupreisen. "Dokumentationen über die tibetische Kultur im Netz" mögen ja ganz nett sein, aber wirklich seriöse Quellen sind das allzu häufig nicht. Dazu sollte man schon besser eine Bibliothek oder eine Buchhandlung aufsuchen. Zum Beispiel für die beiden eingangs des Blogartikels vorgestellten Bücher, die im akademischen Diskurs Standardlektüre sind. Für Dich noch einmal aus Rücksicht auf Deine Leseschwäche schwarz auf weiß, mit einleitendem Hinweis:



    Zu den Autoren: https://empire2.esc.edu/esconl…rtslist/ATomGrunfeld.html , http://www.case.edu/affil/tibet/currentStaff/goldstein.htm


    Als im Internet zugängliche Quellen verlinkt in dem Blogartikel:
    http://www.case.edu/affil/tibe….html?nw_view=1413373346&
    http://www.case.edu/affil/tibe…n.population.in.china.pdf (Im Artikel mit folgendem Hinweis versehen: "Ich übersehe bei dieser Empfehlung nicht, dass der Autor Mitarbeiter eines chinesischen staatlichen Forschungsinstitutes ist. Die Zeitschrift, in der er die Arbeit publiziert hat, ist nichtsdestotrotz eine englische, seriöse wissenschaftliche Fachzeitschrift mit entsprechender peer review, vgl. http://www.tandf.co.uk/journals/carfax/14631369.html "). Beide verlinkte Artikel übrigens auf dem Server der Case Western Reserve University zur Verfügung gestellt


    Das sind neben den bereits oben im Zitat genannten Quellen die "Klatschspalten mit negativen Meldungen", auf denen der Artikel beruht. Aus welchen Klatschspalten mit positiven Meldungen beziehst denn Du so Deine Kenntnisse über Tibet?

    ()

    Yofi:

    Mit dem Brauch, dass aus jeder Familie ein Kind im Kloster ausgebildet wird, hat z. B. die Tibetische Gesellschaft sehr gut funktioniert.


    "Funktioniert" hat das zweifellos. Über die Frage, wie "human" (oder wie parasitär) diese gut funktionierende Gesellschaft war, kann man allerdings sehr unterschiedlicher Auffassung sein. Oder eigentlich nicht


    Zitat

    'Buddhistische' Mönche haben in Tibet jahrhundertelang blutige Fehden um die Macht ausgefochten - auch unter teils tatsächlicher, teils nomineller Führung von Dalai Lamas. Mit Hilfe von 'Mönchssoldaten' und mit Hilfe von landfremden Truppen wie den Mongolen, die den Dalai Lamas mit militärischer Gewalt erst zur weltlichen Macht in Tibet verhalfen. Unter deren Regime wurde Tibet zu einem der sozial rückständigsten Länder der Erde, in dem noch im 20. Jahrhundert außer etwa 250 aristokratischen Familien praktisch alle Laien Leibeigene waren - und das Gros der Mönche kaum besser dran war. Um dies zu wissen, muss man keiner chinesischen Propaganda, keinem Goldner oder Trimondi Glauben schenken, man lese Grunfeld oder Goldstein, seriöse 'westliche' Literatur. Zur tibetischen Gesellschaftsstruktur etwa dieses verhältnismäßig kompakte Papier Goldsteins: http://www.case.edu/affil/tibe…AndPapers/Human_Lease.pdf. Es war eine Ordnung, aufrechterhalten u.a. von bewaffneten Mönchssoldaten und Mönchspolizisten und mit Hilfe einer barbarischen Strafjustiz. "The people living at the time were happier and calmer than the people in this new generation" meint dennoch der Dalai Lama (http://www.friendsoftibet.org/main/intervw.html) lapidar dazu. Das zu glauben fällt mir zumindest in Hinsicht auf das "happier" schwer. Analphabetismus, selbst bei Mönchen die Regel. Kein Gesundheitssystem, das diesen Namen verdient hätte - Schmutz, Armut und eine Durchseuchung mit Geschlechtskankheiten und Pocken. Und nein, dies ist keine chinesische Propaganda, auch wenn seine Heiligkeit das zum Lachen findet (siehe das oben erwähnte Interview), das stammt vielmehr aus einer englischen medizinhistorischen Quelle: http://www.pubmedcentral.nih.g…render.fcgi?artid=1088216 . Auch das war tibetische Kultur ...


    Zitat http://zensplitter.blogspot.de…/die-sache-mit-tibet.html - letzter Abschnitt


    Yofi:

    Nebenbei hat sich das leider in den letzten Jahrzehnten durch den Einfluss der chinesischen Politik geändert. Nun werden Spenden für Kinder und Mönche aus dem Westen gebraucht.


    Ja - ist nicht so schön, wenn man die Domäne mit den fleißigen Leibeigenen weggenommen bekommt. Da muss man sich nach der Decke strecken und neue Quellen für den angemessenen Lebensunterhalt erschließen.


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