Beiträge von Frieden-und-Freude im Thema „Buddhas Lehre von der Wiedergeburt“

    Moosgarten:

    ich geb mal meinen Senf dazu: "jetzt" ist immer. Daran ändert auch nichts die rein praktische Unterscheidung zwischen gestern und morgen. Und weil das so ist, ist auch auch die Übung des Buddha Pfades eine Ununterbrochene, deshalb trifft für das Erwachen weder graduell noch plötzlich zu. Zumindest im Soto-Zen heißt es denn auch:"zum Pfad erwachen"


    Es ist immer "jetzt": Das wird wohl niemand bestreiten.
    Wobei es - genau genommen - natürlich nicht stimmt. Das bewusste Erleben ist ja immer ein wenig zeitverzögert und hinkt dem, was aktuell passiert, hinterher. Vielleicht müsste man genauer sagen: Es ist immer "vorhin". :grinsen:


    Aber okay, meinetwegen: Es ist immer "jetzt".


    Was folgt daraus für das graduelle Training?
    Vermutlich gar nichts.


    Bei allen Lernprozessen, gleich welcher Art, ist es doch so, dass sie graduell erfolgen, im Laufe der Zeit. Und irgendwann kommt ein Moment, dass jemand etwas Gelerntes umsetzen kann. Das erscheint plötzlich, beruht aber auf der Praxis der Vergangenheit.


    Jemand lernt Bogenschießen. Er beginnt damit, zu einem bestimmten Zeitpunkt. Er lernt und übt weiter. Er wird besser und besser. Und dann trifft er einmal ins Schwarze.


    Jemand entdeckt die Lehre des Buddha. Er beginnt den achtfachen Pfad zu praktizieren. Er lernt und übt weiter. Er wird besser und besser. ...


    Das alles sind doch zeitliche und graduelle Lernprozesse, genau so, wie es in den Lehrreden auch beschrieben ist.


    Finde ich ja interessant, etwas über die Zen-Sichtweise zu lesen.
    Ich möchte das auch gar nicht weiter kommentieren, da mir die zugehörige Praxis und die mit dieser Praxis verbundenen Erfahrungen nicht ausreichend bekannt sind.


    Nur noch mal eine Frage zur Klarstellung: Stimmst Du zu, dass die graduelle Praxis des achtfachen Pfades Voraussetzung für "Erwachen" (oder wie auch immer Du es beschreiben möchtest) ist - oder glaubst Du, als Freischwimmer auf Teile des in den Lehrreden beschriebenen graduellen Trainings verzichten zu können?

    accinca:
    Frieden-und-Freude:

    So ist es, werter Accinca!
    Und die Pointe dieser Aussage besteht - nach meiner Interpretation - darin, dass nur derjenige, der bereits sehr fortgeschritten ist in der Praxis des gesamten achtfachen Pfades, überhaupt fähig ist, diese vierfache Grundlage der Achtsamkeit 7 Tage aufrecht zu erhalten.
    Aus diesem Grund besteht ja auch kein Widerspruch zwischen dem "direkten Weg" Satipatthana und dem achtfachen Pfad.


    Richtig, natürlich besteht kein Widerspruch. Satipatthana ist Teil des
    achtfachen rechten Übungsweges.


    Exakt. Kann ganz nützlich sein, darauf explizit hinzuweisen, damit nicht jemand auf die irrtümliche Idee kommt, Satipatthana sei allein schon ausreichend und man könne auf das graduelle Training des achtfachen Pfades verzichten.

    Tychiades:
    Frieden-und-Freude:

    Schon klar. :grinsen:


    Was aber damit gesagt werden soll: die Achtsamkeit über einen längeren Zeitraum erhalten zu können, was eben nur bei sehr fortgeschrittenen Praktizierenden möglich ist.
    Von Erleuchtungserlebnissen innerhalb einer Sekunde scheint da nicht die Rede zu sein. (Womit ich nicht ausschließen möchte, dass es derartige plötzliche Momente des Erwachens gibt. Aber eben im Normalfall auf Grundlage eines längeren graduellen Trainings.)


    Du brauchst das nur von Morgens bis Abends - also täglich. Und immer wieder täglich. Aber es ist eben auch immer nur Jetzt.
    Immer im Jetzt sein - da braucht man keinen Begriff, wie Erleuchtung oder so.
    Das ist doch Schwachsinn, das noch mit Etiketten zu behängen.


    Klar. Doch sobald wir sprechen und schreiben, bewegen wir uns automatisch in Konzeptionen, die mehr oder weniger nützlich sind.
    So auch in Deinem Beitrag, als Du vom Durchbrechen der Grenzen in "einer Stunde, Minute, Sekunde" sprachst. Das ist auch nix anderes als das originale "sieben Jahre ... sieben Tage". 8)


    OK. Solange da nicht jemand meint, er könne ja schwimmen (respektive die Grenzen seines Geistes sekundenschnell erweitern) - und deshalb auf all die umständlichen Dinge wie "rechte Rede" usw. verzichten. :)

    Moosgarten:
    Frieden-und-Freude:

    Soweit ich mich erinnere, wird dort der schnellstmögliche Durchgang des "direkten Weges" mit 7 Tagen beziffert. :grinsen:


    diese Zahlendingense haben in Asien eher symbolische Bedeutung



    Schon klar. :grinsen:


    Was aber damit gesagt werden soll: die Achtsamkeit über einen längeren Zeitraum erhalten zu können, was eben nur bei sehr fortgeschrittenen Praktizierenden möglich ist.
    Von Erleuchtungserlebnissen innerhalb einer Sekunde scheint da nicht die Rede zu sein. (Womit ich nicht ausschließen möchte, dass es derartige plötzliche Momente des Erwachens gibt. Aber eben im Normalfall auf Grundlage eines längeren graduellen Trainings.)

    accinca:
    Frieden-und-Freude:

    Soweit ich mich erinnere, wird dort der schnellstmögliche Durchgang des "direkten Weges" mit 7 Tagen beziffert.


    Genau genommen wird nur gesagt, das jeder der in der Lage ist diese
    Übungen mindestens 7 Tage, aufrecht erhalten kann,
    entweder Arahat würde oder wenn noch ein Rest Anhangen da ist,
    Nichtwiederkehrer würde.


    So ist es, werter Accinca!


    Und die Pointe dieser Aussage besteht - nach meiner Interpretation - darin, dass nur derjenige, der bereits sehr fortgeschritten ist in der Praxis des gesamten achtfachen Pfades, überhaupt fähig ist, diese vierfache Grundlage der Achtsamkeit 7 Tage aufrecht zu erhalten.


    Aus diesem Grund besteht ja auch kein Widerspruch zwischen dem "direkten Weg" Satipatthana und dem achtfachen Pfad.

    Tychiades:
    Frieden-und-Freude:

    Soweit ich mich erinnere, wird dort der schnellstmögliche Durchgang des "direkten Weges" mit 7 Tagen beziffert. :grinsen:


    8)
    Naja - eigentlich ist es immer nur "Jetzt" - 7 Tage ist schon wieder ein Konzept, wie die Erschaffung der Welt in 7 Tagen oder so.
    Wie Moosgarten schon sagte, es braucht dann doch einen mehrmaligen Durchgang, falls da noch nicht der Groschen ganz gefallen ist.
    Weil wir ja wieder in die Welt der Unterscheidungen auftauchen oder eintauchen, braucht es eben eine Weile oder mehrere Wiederholungen - Wiederwerdungen - bis mans sehen kann. Und ich denke auch, es muss auch immer wieder aufgefrischt werden - weil das alaya-Bewusstsein eine ziemliche Betonschicht ist.


    Genau. Und deshalb braucht es doch auch das gesamte graduelle Training der Jungs von der Theravada-Fraktion, also den kompletten achtfachen Pfad. Oder siehst Du das anders? :)



    Ja genau, ich meine gerade diese offene Haltung, wenn ich den autoritären Glauben kritisiere.


    Kritik am autoritären Glauben bedeutet nicht notwendig, die Möglichkeit der Existenz von Devas, personaler Wiedergeburt und magischen Fähigkeiten dogmatisch und ohne nähere Prüfung abzulehnen.
    Skepsis hat ja im alten Wortsinn viel mit Offenheit zu tun.
    Und es gibt auch die skeptische Urteilsenthaltung in Fragen, die sich vorläufig nicht beantworten lassen.


    Da sind wir uns einig, dass es um die Lehre des Buddha gehen sollte!
    Mein Punkt darüber hinaus war, dass es gerade bei Texten wie dem Palikanon manchmal gar nicht so einfach ist herauszufinden, was zum Kern der Lehre gehört und was Beiwerk ist, das im Laufe der Überlieferung hinzugefügt wurde.


    Das sind schwierige Aufgaben der Textkritik und Interpretation. Gerade auch bei der Frage der Wiedergeburt.
    Wir alle sollten da vorsichtig sein und lernbereit und offen für unterschiedliche Perspektiven.

    accinca:

    Hier ist auch von einer Welt die Rede
    die eventuell außerhalb der Erfahrbarkeit liegt.
    "Da reicht der normale Menschenverstand nicht mehr aus":
    https://www.youtube.com/watch?v=PdxSYI0HOME


    Du hast völlig recht, wenn du sagen möchtest, dass ein Mensch nicht immer alles aus eigener Erfahrung nachprüfen kann.
    Glücklicherweise ist es trotzdem möglich, auf Grundlage der eigenen Erfahrung Regeln zu bilden, wem und was man vertraut und in welchem Umfang.


    Nimm einmal an, du begegnest bei einem Aufenthalt in einem Theravada-Kloster einen Ajahn, der dich in der Achtsamkeitspraxis unterweist.
    Du weißt, dieser Mensch hat viel Erfahrung von dem was er da sagt und du siehst ebenfalls im Laufe der Zeit, dass er gemäß dem Vinaya lebt und ernsthaft ist in seiner eigenen Praxis.
    Also wirst du Vertrauen fassen, auch wenn es mit der Umsetzung der Belehrung nicht gleich klappt.
    Wenn dieser Ajahn aber plötzlich davon anfängt, von weltlichen Dingen zu sprechen, von denen er nicht viel Ahnung hat, wirst du seiner diesbezüglichen Meinung, wenn du klug bist, nicht so sehr vertrauen.
    Denn du folgst ja der erfahrungsbasierten Regel, nicht blind zu vertrauen, sondern nur dann, wenn jemand kompetent und zuverlässig ist in dem, was er sagt. Und du kannst das einigermaßen aufgrund deiner Erfahrung beurteilen, in welcher Hinsicht der Mensch kompetent und zuverlässig ist.


    Jetzt wirst du vielleicht sagen: Der Buddha war eben in jeder Hinsicht kompetent und zuverlässig.


    Doch so einfach ist das nicht.


    Der Buddha wusste beispielsweise nichts über moderne Wissenschaft.
    Man kann vielleicht noch sagen, dass er in seiner tiefen Weisheit manches geahnt oder vorweggenommen hat, aber man kann nicht ernsthaft behaupten, er habe die gesamte moderne Wissenschaft und Technik gekannt.


    Insofern ist auch ein Buddha nicht allwissend oder in jeder Hinsicht kompetent.


    Wer anderes behauptet, zeigt damit nur, dass er im autoritären Sinne glauben und gläubig verehren will.


    Ist der Buddha in jeder Hinsicht zuverlässig?
    Vielleicht. Indem er nur das verkündet, in dem er kompetent ist: den Weg zur Auflösung des Leidens.
    Doch wir kennen die Lehre des Buddha nur aus der Überlieferung seiner Anhänger.
    Und die Erfahrung stützt die allgemeine Regel, dass religiöse Überlieferungen dieser Art immer in bestimmter Hinsicht verfälscht sind: Die Anhänger haben aus propagandistisch en Gründen das Interesse, den Religionsstifter mit übernatürlichen Fähigkeiten auszustatten und auch sonst manches zu übertreiben.
    Damit musst du aus Erfahrung rechnen und das berücksichtigen.


    Berücksichtigst du das nicht und verzichtest auf eine Textkritik, zeigst du damit wiederum nur, dass du im autoritären Sinne glauben und gläubig verehren willst.


    Denn würdest du es berücksichtigen, wäre es auch für dich selbstverständlich, die esoterischen Elemente des Palikanons mit größerer Skepsis zu betrachten.



    Es passt gut in den Zusammenhang der Diskussion, dass du "Vertrauen" erwähnst.
    Es gibt ja einerseits das Vertrauen, das einem unbedingten Glauben entspricht bzw. der Unterordnung unter Autoritäten: Man vertraut ohne rationale Grundlage des Vertrauens, einfach nur deshalb, weil es Autoritäten oder die Gemeinschaft so erwarten oder weil man ein Bedürfnis nach unbedingter Hingabe hat. Man kann sagen, dass das eine autoritäre Form des Vertrauens und der Religiosität darstellt.


    Andererseits gibt es Vertrauen, wenn jemand die Erfahrung gemacht hat, dass eine Praxis heilsame Wirkungen hat oder eine Person zuverlässig ist.
    Da kann es immer auch so etwas wie einen Vertrauensvorschuss geben, doch der jeweils erfahrene Zusammenhang zwischen der Praxis und ihren heilsamen oder nicht heilsamen Auswirkungen bildet die Grundlage und Rechtfertigung des Vertrauens.
    Das wäre dann eine nicht-autoritäre Form von Vertrauen.


    Im Buddha-Dhamma sind viele Elemente der Praxis in ihrer Wirkung von jedem nachprüfbar, der engagiert ist und sich bemüht.
    Andere Elemente dagegen scheinen eher einen esoterischen Überbau zu bilden. Dazu gehört die Existenz von Devas, die Lehre von einer persönlichen Wiedergeburt (von der unklar ist, wie das genau zu verstehen ist und ob es der Buddha so gemeint hat) und verschiedene andere Dinge, zum Beispiel Behauptungen über magische Fähigkeiten.


    Dieser esoterische Überbau ist nicht durch Erfahrung nachprüfbar. Es gibt allenfalls einzelne Menschen, die - wie in anderen Religionen auch - über völlig subjektive übernatürliche Erlebnisse sprechen. Für alle anderen gilt: entweder glaubt man das in der autoritären Form oder eben nicht.


    Auch wenn im Palikanon einige solche esoterischen Beschreibungen enthalten sind, hat die Lehre doch im wesentlichen eine aufgeklärte Richtung: weg vom autoritären Glauben und dem Personenkult und hin zu einer Praxis, die den achtfachen Pfad und die vier Wahrheiten anhand des eigenen Lebens prüft und auf dieser Erfahrungsgrundlage darauf vertraut.


    Das scheint mir die Hauptsache zu sein.
    Ob jemand auf dieser Grundlage auch den esoterischen Elementen Vertrauen schenken möchte, scheint demgegenüber Nebensache zu sein.

    mukti:
    Frieden-und-Freude:

    So verstanden würde es sich beim Buddhismus um eine Offenbarungs-Religion wie etwa der christlichen handeln:
    Das offenbarte religiöse "Wissen" kann nicht durch unsere menschliche Vernunft ergründet, sondern muss der Offenbarung entnommen und dogmatisch geglaubt werden. In der Regel verbunden mit einem Personenkult um den Religionsgründer.


    Ich respektiere natürlich Menschen, die religiös glauben wollen.
    Soweit ich sehe, wollte der Buddha aber keine solche Offenbarungs-Religion gründen. Stattdessen ein pragmatisches System der Selbsterziehung, das jeweils durch Erfahrung nachvollzogen werden kann. Bewertet wird es anhand der Früchte in diesem Leben: indem es allmählich Leiden reduziert.


    Sehe ich, wie schon mal gesagt, nicht ganz so. Im Christentum ist das Wesentliche der Glaube an den gesandten Sohn Gottes. Der Buddha ist ein Mensch, der das Dasein durchschaut und Dukkha beendet hat. Insofern sind gewöhnlich nicht ersichtliche Dinge von ihm offenbart worden, die sich erkennen lassen indem man seine Lehre praktiziert. Was allerdings nicht so einfach ist, weshalb der Buddha zuerst gar nicht lehren wollte: "Die von mir erkannte Lehre ist tief, schwierig zu verstehen, schwer zu durchschauen, friedvoll, erhaben, nicht dem logischen Denken zugänglich, subtil, nur den Weisen zugänglich." (Mahavagga).


    Natürlich unterscheiden sich Offenbarungs-Religionen in ihrem Inhalt.
    Mir geht es dabei aber um das Prinzip, dass Anhänger einer Religion darauf verpflichtet werden, an eine Offenbarung zu glauben und dass dieser Glaubensakt im Sinne von Glaubensgehorsam als wesentlich dafür angesehen wird, ob jemand zur Gemeinschaft dazugehört.


    Ich bin überzeugt, dass die Lehre des Buddha so nicht gemeint ist.
    Allerdings gab und gibt es doch Tendenzen, aus ihr ein Glaubenssystem zu machen und aus ihrem Begründer ein gottähnliches Wesen, das verehrt wird.


    Obwohl ich den Theravada sehr schätze, sehe ich auch dort solche Tendenzen. (Und auch eine Menge Aberglauben und fundamentalistische Textauslegung der "heiligen Schriften".)

    mukti:
    Moosgarten:


    Nun ja, aber der Buddha hat der Überlieferung nach dazu einen Versuch unternommen, sonst hätten wir ja seine Argumentation nicht. Es geht einfach nur darum, diese Argumentationen nachzuvollziehen und ganz und gar nicht darum "die Welt" zu erklären.


    Soweit ich das sehe beruht die überlieferte Wiedergeburtslehre des Buddha nicht auf dem Versuch rationaler Ergründung. In der ersten Nachtwache seiner Erleuchtung hat er seine vergangenen Leben gesehen und in der zweiten Nachtwache "wie die Wesen sterben und wiedererscheinen, gemäß ihrer Handlungen weiterwandern". Das geschah nicht durch Nachdenken sondern in der vierten Vertiefung, beschrieben in M.19 und anderen Lehrreden. Gäbe es dazu eine rationale Argumentation des Buddha dann wäre ja alles klar und es würden sich nicht verschiedene Meinungen bilden. Er hat es aber gesehen "mit dem himmlischen Auge, das geläutert und dem menschlichen überlegen ist", wie es erwähnt ist in M.71 und anderen Lehrreden. Davon hat er berichtet und es zum Bestandteil seiner Lehre gemacht. Aber wie lässt sich ein solches "himmlisches Auge" und das damit geschaute rational ergründen, man kann nur diese Möglichkeit in Betracht ziehen oder nicht.
    In Betracht gezogen lässt sich ein System rationaler Begründung entwerfen, wie es im Abhidhamma und Kommentaren geschehen ist. Das ist eine Erklärung, die aber auch nicht zum übermenschlichen Schauen führt, indem man sie studiert. Sie stützt nur die Annahme einer solchen Schau, beweist sie aber nicht.


    So verstanden würde es sich beim Buddhismus um eine Offenbarungs-Religion wie etwa der christlichen handeln:
    Das offenbarte religiöse "Wissen" kann nicht durch unsere menschliche Vernunft ergründet, sondern muss der Offenbarung entnommen und dogmatisch geglaubt werden. In der Regel verbunden mit einem Personenkult um den Religionsgründer.


    Ich respektiere natürlich Menschen, die religiös glauben wollen.
    Soweit ich sehe, wollte der Buddha aber keine solche Offenbarungs-Religion gründen. Stattdessen ein pragmatisches System der Selbsterziehung, das jeweils durch Erfahrung nachvollzogen werden kann. Bewertet wird es anhand der Früchte in diesem Leben: indem es allmählich Leiden reduziert.


    Ja, ok, das mit der Schallplatte war jetzt nicht das beste Beispiel für das, was ich sagen wollte. :)
    Aber Du hast mich verstanden, glaube ich.
    Und einen Primat des Materiellen möchte ich definitiv NICHT behaupten.
    Insofern sehe ich da keine prinzipiellen Unterschiede.


    Freue mich dann bei Gelegenheit auf eine Rückmeldung zu den Vorträgen von Leigh.
    Vielleicht verstehe ich anschließend Deine Auffassungen noch besser.


    Ich wünsche Dir einen schönen Urlaub! :sunny::like:




    an alle: Vielen Dank für die interessanten Diskussionen hier in diesem Thread. Hat mich gefreut, dass - nach meiner Wahrnehmung - diesmal fruchtbar über "Wiedergeburt" diskutiert wurde.
    Ich muss jetzt auch erst mal wieder andere Dinge machen. Bis bald!

    Moosgarten:
    Frieden-und-Freude:

    Mir erscheint es tatsächlich nicht ganz fair, den Säkularen generell zu unterstellen, sie würden mit leichter Hand das Fundament der Buddhalehre (paticcasamuppada) nicht gebührend würdigen.
    Mein Lehrer, Leigh Brasington, ein "Säkularer", spricht ausführlich darüber:
    http://www.audiodharma.org/series/24/talk/2351/


    Sorry, die Säkularen sind schon ne ziemlich heterogene Truppe. Ich kenn da nun auch nicht jeden ihrer Vertreter. Ich hör mir das gern an (das sind ja mehrere Stunden, haha, da brauch ich n bissel) und geb dir ggf n feedback, falls du magst.


    Ja, das würde mich interessieren, was Du davon hältst, weil ich gegebenenfalls von einer Kritik etwas lernen kann.


    Das stimmt, die Säkularen sind eine ziemlich heterogene Truppe.
    Die Zennies doch auch, oder? ;)


    Von einem Ajahn hab ich sogar kürzlich noch gehört, dass die Theravadins ein bunter Haufen seien mit unterschiedlichsten Ansichten.


    Die Vielfalt ist also offenbar typisch für Buddhisten. Und mit Generalisierungen über eine Richtung sollte man daher vorsichtig sein. :)

    Moosgarten:
    Frieden-und-Freude:

    Mir scheint, es wird mir nun verständlicher, was Du meinst. Vor allem, indem Du sagst, dass das Bewusstsein nicht vom Körper zu trennen ist und indem Du auf die Theorie der Meme verweist.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Mem
    Die Meme benötigen ja auch einen materiellen Träger ("Memotyp"), um weitergegeben zu werden.


    ja, aber der kann auch rein sprachlich oder gestisch sein.


    ja klar, kein Problem: Sprache und Gesten haben ebenfalls einen materiellen Träger.


    Moosgarten:
    Zitat

    Deine Abgrenzung von den "Säkularen" scheint also hauptsächlich darin zu bestehen, dass Du die Lehre von der bedingten Entstehung stärker betonst, ohne aber grundsätzlich vom säkularen Standpunkt abzuweichen.


    Ich gehe grundsätzlich nicht von einer säkulären Basis aus. Paticcasammuppada ist das Modell, mit dem der Buddha Entstehung und Beendigung des Leidens beschreibt.
    Ohne dieses kann man weder die 4fache Wahrheit noch den Weg verstehen.


    Den vermeintlichen Widerspruch zwischen einem säkularen Ansatz und paticcasammuppada müsstest Du mir noch ausführlicher erläutern, wenn Du möchtest, dass ich verstehe, was Du meinst.


    Ich habe oben eine Serie von Vorträgen von Leigh Brasington über paticcasammuppada verlinkt. Inwiefern kann ein Säkularer die bedingte Entstehung nicht richtig würdigen? Was genau fehlt Dir da? Inwiefern kann der Säkulare die vier edlen Wahrheiten und den Weg nicht verstehen?


    Moosgarten:
    Zitat

    Der säkulare Standpunkt besteht hierbei - kurz gesagt - darin, dass es keine Geister und nichts Geistartiges ohne einen materiellen Träger gibt.


    Da gäbe es schon einen Dissens. Ich würde nie von einem "materiellen Träger" sprechen. Es gibt diesen nämlich überhaupt nicht ohne einen entsprechenden "Geistigen Träger". Körper und Geist bedingen sich gegenseitig, sie sind sich gegenseitig Grundlage.


    Wenn Du eine Partitur oder eine Schallplatte mit der 5. Symphonie von Beethoven hast, gibt es einen materiellen Träger und etwas Geistiges. Meinetwegen kannst Du dazu sagen, dass sie sich gegenseitig bedingen und Grundlage sind.


    Wenn Du einen Haufen unbeschriebenes Papier hast oder eine ungeprägte Schallplatte, gibt es da etwas Materielles ohne etwas Geistiges.
    Jedoch etwas Geistiges ohne eine materielle Grundlage gibt es eben nicht.


    Kurz gesagt ist das der Punkt der "Säkularen".
    Soweit ich sehe, hast Du ebenfalls mehrfach zugestimmt, dass es nichts Geistiges ohne eine materielle Grundlage gibt.


    (Das jetzt als "Materialismus" zu bezeichnen, wie manche hier im Forum schnell geneigt sind, greift übrigens zu kurz und wäre völlig undifferenzierte Polemik, ohne Kenntnis der philosophischen Diskussionen zu diesem Thema.)

    Moosgarten:

    Ich wollte mit meiner Abgrenzung zu den Säkularen niemanden auf die Füße treten, aber manchmal nervt es mich n bissel, wie sie mit leichter Hand bestimmte Aspekte der Lehre nicht mehr gebührend würdigen und aus ihrer Sicht praktische Gründe vorbringen, dass es auch nicht notwendig sei, diese näher zu durchleuchten.
    Da machen sie dann nämlich den selben Fehler, wie schon die "Wiedergeburts"-Gläubigen. Das Fundament der Buddhalehre, paticcasamuppada, das, was er bei seinem Erwachen verkündet hat, wird einfach nicht mehr verstanden.



    P.S.
    Mir erscheint es tatsächlich nicht ganz fair, den Säkularen generell zu unterstellen, sie würden mit leichter Hand das Fundament der Buddhalehre (paticcasamuppada) nicht gebührend würdigen.
    Mein Lehrer, Leigh Brasington, ein "Säkularer", spricht ausführlich darüber:
    http://www.audiodharma.org/series/24/talk/2351/


    Mir scheint, es wird mir nun verständlicher, was Du meinst. Vor allem, indem Du sagst, dass das Bewusstsein nicht vom Körper zu trennen ist und indem Du auf die Theorie der Meme verweist.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Mem
    Die Meme benötigen ja auch einen materiellen Träger, um weitergegeben zu werden.


    Deine Abgrenzung von den "Säkularen" scheint also hauptsächlich darin zu bestehen, dass Du die Lehre von der bedingten Entstehung stärker betonst, ohne aber grundsätzlich vom säkularen Standpunkt abzuweichen.


    (Der säkulare Standpunkt besteht hierbei - kurz gesagt - darin, dass es keine Geister und nichts Geistartiges ohne einen materiellen Träger gibt. Und dass das "Wiederwerden des Leidens" oder auch die Reduzierung von Leiden durch das Handeln, die mit dem Handeln verbundenen Absichten und die Bedingungen des Lebens erfolgt.)

    Moosgarten:
    mukti:

    Also den Abhidhamma habe ich nur teilweise, und dass ich ihn nicht studiert habe, habe ich bereits angemerkt.


    Wie kommst du dann dazu, jemanden sein Studium zu empfehlen, wenn du garnicht weißt, dass da eine Antwort steht?


    Ich habe Mukti so verstanden, dass er einfach nur glaubt, dass im Abhidhamma eine Antwort auf die Frage "Wie soll das vonstatten gehen?" zu finden ist, ohne es zu wissen.
    Und dass er darüber lieber nicht sprechen möchte.
    Wenn jemand über etwas nicht sprechen möchte, ist das für mich okay.



    Erst einmal vielen Dank für die ausführlichen Antworten von allen - und insbesondere auch die sehr konkreten Anmerkungen von Dir, Moosgarten!


    Es scheint ja gerade eine Art Sternstunde im Buddhaland abzulaufen: Wir diskutieren über "Wiedergeburt" und statt einfach nur zu streiten, lernen wir anscheinend auch ein bisschen voneinander.


    Jedenfalls scheint der Austausch hier in diesem Thread gerade überwiegend fruchtbar, interessant und informativ zu sein.



    Zur Sache:


    Moosgarten
    Ich habe, glaube ich, endlich einmal verstanden, inwiefern sich Deine Sichtweise bei der "Wiedergeburt" von einer säkularen Sichtweise unterscheidet. Völlig sicher bin ich mir da allerdings noch nicht.


    Ein säkularer Buddhist könnte zwar auch sagen:

    Zitat

    Worum es also eigentlich in der Lehre Buddhas geht, ist das Wiederwerden des Leidens und nicht um das "Wiedergeburt von Personen" - für das Wiederwerden des Leidens braucht einfach keine Wiedergeburt, sondern einfach nur Geburt und Begehren.


    Doch in der säkularen Auffassung erfolgt das "Wiederwerden des Leidens" einfach nur durch das Handeln und durch die Bedingungen des Lebens.
    Beispielsweise indem sich ein Paar für ein Kind entscheidet und es in der Folge zu einer neuen Geburt kommt. Oder - ganz allgemein - indem jemand etwas sagt oder schreibt oder indem er sich absichtlich in bestimmter Weise verhält, die Konsequenzen für andere haben kann.
    Aus säkularer Sicht können solche Handlungen "Früchte" haben, also die weitere Existenz des Handelnden oder anderer beeinflusster Personen prägen.
    Über den Tod einer Person hinaus gibt es - aus säkularer Sicht - nur dann einen Impuls von dieser verstorbenen Person, wenn sie vor ihrem Tod (oder vielleicht sogar noch im Moment des Todes) irgendeine Handlung ausgeführt hat, die andere beeinflussen kann. Also beispielsweise etwas zu sagen oder ein Testament aufzusetzen oder dergleichen.


    Was Du oben über die Entwicklung eines Kindes schreibst, kann ein säkularer Buddhist komplett unterschreiben.
    In Deinem vorangegangenen Beitrag schreibst Du aber:


    Zitat

    Was ist patisandhi-viññāṇa (Wiederwerden-Bewußtsein) und cuti-viññāṇa (Sterbebewußtsein)?
    Beide sind "Momente" des "viññāṇasota"; cuti-viññāṇa ist das Objekt des Geistes, dass im Moment des Sterbens ergriffen wird, patisandhi-viññāṇa ist das Objekt des Geistes, das in dem Moment ergriffen wird, in dem die Sinnesbewußtseinsarten zum Aufmerken fähig sind und auch "vedana" entwickelt ist, sonst könnte kein "Anlanden" stattfinden.
    Es transmigriert also nicht, wie häufig angenommen, ein "Bewußtsein", auch kein Bewußtsobjekt, sondern es werden nur (potentielle) Objekte des Bewußtseins - also Samen "in dieser Welt" angelandet (letztes Bewußtseinsmoment) und "in jener Welt" (nächstes, das kann auch ein "erstes" Bewußtseinsmoment sein) wiederum angelandet.


    Damit ist doch, wenn ich es recht verstehe, der traditionell buddhistische Gedanke gemeint, dass ein "Samen" von einem sterbenden Lebewesen übertragen wird auf ein werdendes Lebewesen.


    Wie soll man sich das vorstellen?
    Der eine Mensch stirbt, entwickelt Sterbebewusstsein. Während ein anderes Lebewesen auf der Welt, das gerade im Entstehen ist (ein Embryo?), diesen "Samen" aufnimmt?


    Das würde bedeuten, dass aus Deiner Sicht zwar keine persönliche Wiedergeburt stattfindet und auch nicht das Bewusstsein des Sterbenden auf ein neues Lebewesen übertragen wird, aber doch dieser "Samen" irgendwie zu einem neuen Lebewesen hinwandert.


    Wenn das gemeint ist, stellt sich weiterhin die Frage: Wie soll das vonstatten gehen?


    Falls das aber nicht gemeint ist und sich Deine Ansicht mit der oben beschriebenen säkularen Sichtweise deckt: Warum dann die langen Ausführungen über Sterbebewusstsein und Wiederwerden-Bewusstsein, wenn sich das Sterbebewusstsein eben nicht auf irgendeine Art und Weise mit dem Bewusstsein eines neu entstehenden Lebewesens verknüpft?



    Vielen Dank für den Hinweis auf die Übersetzungs-Problematik bei Schumann.


    Hast Du denn von irgendeiner gehaltvollen Antwort gehört auf die Frage: Wie soll das vonstatten gehen?

    In dieselbe Richtung wie die letzten Beiträge (auf Grundlage des Abhidhamma) gehen die Zitate unten (auf Grundlage des Visuddhimagga). Auch hier scheint sich zu zeigen, dass aus Theravada-Sicht keine personale Wiedergeburt gemeint ist.


    http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=1&t=17159