Beiträge von mukti im Thema „Sexualität und Befreiung: Ist die kritische Sicht des Buddha auf Sexualität für heutige Praktizierende relevant?“

    Bei ernsthafter Mönchspraxiks würde ich eher nicht von Sinnesfreuden sprechen, da geht es ja darum alle Sinnesfreuden letztlich aufzugeben, auch in den Jhanas. Bestimmte Umgebungen und Umstände sind halt der Meditation förderlicher als andere. Dabei soll es ja zu keiner Ablenkung durch Sinneswahrnehmungen kommen, also dass man sich da ergötzt anstatt zu meditieren.

    So gesehen kann die Natur zu einem ausgeglichenen Geist u nd einer friedlichen Stimmung beitragen. Auch ist die Freude an den Naturschönheiten ein harmloses Vergnügen und richtet keinen Schaden an, solange man darüber das eigentliche Ziel nicht vergisst. Als Mönch oder Nonne gibt man sich wohl mehr dem Ziel der Befreiung hin als solchem Genuss, da müssen jetzt meines Erachtens keine Regeln geändert oder gelockert werden.

    Dass dieser Ort der Meditation dienlich ist, beruht nun aber in dem Zitat nicht auf rein praktischen Erwägungen, sondern es werden explizit angenehme Natureindrücke genannt: "ein lieblicher Hain", "liebenswürdiges Stück Land" etc.

    Und ja: Diese förderliche Wahrnehmung von Schönheit ist frei von Gier, ebenso wie bei den bereits besprochenen Zitaten. Das ist ja der Grund dafür, dass diese Art von Sinnesfreude ganz selbstverständlich gestattet ist und überhaupt nicht problematisiert wird. Sie dient der Praxis, statt sie zu hemmen.


    Oder kannst Du eine Erklärung dafür vorbringen, warum die Wahrnehmung der Schönheit der Natur in verschiedenen Lehrreden gepriesen und sogar positiv mit der Praxis in Verbindung gebracht wird?

    Kann mir nicht vorstellen dass der Buddha ein Naturschwärmer war, zumal es nicht besonders angenehm ist längere Zeit im Freien zu wohnen, ohne Zelt, Schlafsack usw. bei den Moskitos und wilden Tieren. Und dass er dort hingegangen wäre um die Sinne genießen zu können.

    Im Moment finde ich allerdings nur noch die Diskussion über die Rolle von Sinnesfreude bei der Praxis wirklich spannend.

    Und dabei geht es nicht einmal um Sex, sondern um das Naturerleben und die Wahrnehmung von Schönheit auf dem Weg der Befreiung.


    Jedenfalls ist nach den vier edlen Wahrheiten das Begehren von Sinnesfreude die Ursache von Leid und nicht von Befreiung.

    Zitat

    Wo aber entsteht dieses Begehren, wo fasst es Wurzel? Bei den lieblichen und angenehmen Dingen in der Welt, da entsteht dieses Begehren, da fasst es Wurzel. Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper, Geist; Formen, Töne, Düfte, Säfte, Körpereindrücke und Geistobjekte sind etwas Liebliches und Angenehmes. Bewusstsein, Bewusstseinseindruck, aus dem Bewusstseinseindruck entstandenes Gefühl, Wahrnehmung, Wille, Begehren, Gedankenfassen und Überlegen, die durch Formen, Töne, Düfte, Säfte, Körpereindrücke und Geistobjekte bedingt sind, alle diese sind etwas Liebliches und Angenehmes. Da entsteht dieses Begehren, da fasst es Wurzel. D.22


    In der von dir zitierten Stelle aus M.26 kann ich kein solches Begehren entdecken:

    Zitat

    Ich erwog: 'Dies ist ein liebenswürdiges Stück Land, dies ist ein lieblicher Hain mit einem klar dahin strömenden Fluß mit angenehmen, sanft ansteigenden Ufern, und in der Nähe ein Dorf für den Almosengang. Dies wird den Bemühungen eines Mannes aus guter Familie, der auf Bemühungen aus ist, dienlich sein.' Und ich setzte mich nieder und dachte: 'Dies wird meinen Bemühungen dienlich sein.'"


    Natürlich ist ein solcher Ort der Meditation dienlicher als etwa eine belebte Hauptstraße, wenn auch Essen, Trinken und Waschen leicht erreichbar sind. Überhaupt wenn es dabei um das Riesenprojekt der endgültigen Befreiung geht.

    Vor diesem Hintergrund ist es vielleicht nachvollziehbar, wenn man - zumindest als Laie - das Ziel der Praxis zunächst einmal darin sieht, Sinnlichkeit zu kultivieren, statt sie vollständig zu überwinden.

    Das ist ein realisierbares Ziel, bei dem die Praxis des achtfachen Pfades helfen kann.


    Das letzte Ziel der vollständigen Befreiung muss man dafür nicht notwendig aufgeben. Es kann ja als utopisches Projekt beibehalten werden, etwa wenn jemand an eine bessere Wiedergeburt glaubt und an eine Fortsetzung der Praxis über mehrere Leben hinweg.


    Nach M.117 gibt es ja zwei Arten des achtfachen Pfades:


    Zitat

    Rechtes Handeln, sag' ich da, Mönche, ist doppelter Art. Es gibt, ihr Mönche, ein rechtes Handeln, das wahnhaft, hilfreich, zuträglich ist; es gibt, ihr Mönche, ein rechtes Handeln, das heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist.

    Aber deine Frage war: "Wieso soll es nämlich nicht möglich sein, Sex zu haben, ohne daran anzuhaften?" Da sehe ich hier keine Erklärung, wie das möglich wäre.

    Vermutlich, weil wir einfach von völlig unterschiedlichen Standpunkten draufschauen. Für mich ist es genauso absurd, jedes Sinnesvergnüngen automatisch mit Anhaften gleichzusetzen. (Sprich: mich überzeugen die "Erklärungen" nicht, die überall Anhaften und Dukkha wittern.) Beispiel Essen: ich esse natürlich lieber etwas, was mir schmeckt, als etwas was mir nicht schmeckt. Trotzdem muss ich mich nicht Vollschaufeln bis mir schlecht ist, und ich gräme auch nicht weil es dann vorbei ist. Da versteckt sich kein Anhaften oder Dukkha drin. Ist mit Sexualität nicht anders.

    Vielleicht verstehen wir auch nicht dasselbe unter anhaften. Ich sag mir halt wenn man etwas nicht braucht, nicht daran hängt, es nicht begehrt, warum sollte man es dann immer wieder willentlich aufsuchen. Warum dann wohlschmeckendes Essen vorziehen oder Sex haben. Und wieso sollte man dann nicht darunter leiden, einen Mangel empfinden, falls es kein gutes Essen und keinen Sex mehr geben sollte, wo einem das doch offensichtlich lieb und wert war.

    Essen ist nötig zur Erhaltung des Körpers, Sex nicht. Was wäre dann deiner Meinung nach das Motiv Sex zu praktizieren, wenn keine Anhaftung an Sinnesgenuss besteht?

    Na dann aber bitte aufpassen, dass du nicht aus Versehen "Freude" empfindest beim Essen. Also dass es dir schmeckt. Aber nicht schmecken darf es natürlich auch nicht, das wäre ja dann Abneigung. Insgesamt ist das doch wohl ein Konzept, welches den Menschen nur als Irrtum der Natur betrachten kann, oder? Oder vielleicht hat die katholische Kirche doch Recht - Sex bitte nur um Kinder zu zeugen?

    Der Mensch ist ein körperlich-geistiges Wesen in einer sozialen und materiellen Welt. Er verfügt über die Fähigkeit Freude, Leid etc. zu empfinden. Manche Beschäftigungen tun im auf lange Sicht und/oder im Übermaß nicht gut, wobei das eben bei jedem etwas unterschiedlich ist. Wenn jemand mit seinem Partner Sex hat, ja ganz einfach aus dem Grund weil er die Intimität zu diesem Menschen liebt und auch das Empfinden beim Sex, sehe ich da schlicht und einfach kein Problem. "Anhaftung an Sinnengenuss" ist einfach eine Floskel. Wenn du dich wohl fühlst ohne Sexualität, und auch keine Gedanken daran hast, ist ja okay.

    Bezogen auf die eigenen gegenwärtigen Befindlichkeiten sind deine Ausführungen für mich nachvollziehbar und ich gebe zu dass ich angehaftet bin. Meine Vorstellung Körper/Geist zu sein sehe ich durchaus als einen Irrtum dem ich erlegen bin.

    Aber deine Frage war: "Wieso soll es nämlich nicht möglich sein, Sex zu haben, ohne daran anzuhaften?" Da sehe ich hier keine Erklärung, wie das möglich wäre.

    Wieso soll es nämlich nicht möglich sein, Sex zu haben, ohne daran anzuhaften? Das ist ja genau das, was ich schrieb, eben mit Blick auf den ganzen Sinnesbereich (z. B. auch: leckeres Essen).

    Essen ist nötig zur Erhaltung des Körpers, Sex nicht. Was wäre dann deiner Meinung nach das Motiv Sex zu praktizieren, wenn keine Anhaftung an Sinnesgenuss besteht?

    Hi,

    ich bin wieder da und kann endlich schreiben, was ich schon die ganze Zeit schreiben wollte. Ja, Sexualität wird auch als als Geschlechtswahn bezeichnet und wird nicht als förderlich für das Voranschreiten auf dem Achtfachen Weg erachtet.

    Aber, da gibt es noch ein kleines Hintertürchen, mit der Aussage: Falls es dich fast zerreißt, kannst du mit einer Frau Sex haben aber bitte nicht mit einer verheirateten Frau. Gotamo Buddho hatte 40 Konkubinen und dann noch etliche Lieblingsfrauen dazu, natürlich in seiner Fürstenzeit.

    Zitat

    Hi,

    ich habe zu meinem obigen Beitrag, vergessen zu sagen, dass die Frau, mit welcher der Mönch Sex hat, bitte nicht

    verheiratet sein soll. Der Treppenwitz lässt grüßen.

    Möchte nur klarstellen dass im Patimokkha für Mönche kein solches Hintertürchen vorgesehen ist:


    Zitat

    Pārājikā Dhammā, 4 Regeln über Vergehen, die jegliches Erlösungsstreben vereiteln


    1. Welcher Mönch auch, der die Übung und die Lebensweise der Mönche auf sich genommen hat und der sich von (dieser) Übung nicht zurückgezogen und sein Unvermögen kundgetan hat, (obwohl) er sich dem Geschlechtsverkehr, auch sogar mit einem Tier hingibt, (dessen Erlösungsstreben) ist vereitelt; er ist ausgestoßen.

    Der Zweck des spirituellen Lebens und des Dhamma ist nun mal die Befreiung, und dazu ist das Versiegen des Begehrens nötig. Das sehe ich schon als den Hauptgrund dass der Buddha für Mönche und Nonnen keinen Sex erlaubt hat, eben deshalb weil er ein bedeutendes Hindernis für das Erwachen ist. Laien können das auch praktizieren wenn sie können, ist aber nicht vorgeschrieben.

    Wer das so sieht, dem empfehle ich Theravada.

    Es gibt aber auch noch andere buddhistische Sichtweisen, sowohl über Befreiung als auch über Hindernisse. Für wen das interessant klingt, dem empfehle ich Vajrayana, besonders die inneren/höchsten Yoga-Tantras.

    Kann mir jetzt nicht vorstellen dass der Zweck dieses Vajrayana ein Aufrechterhalten des Begehrens wäre. Das würde jedenfalls der Essenz der Buddhalehre, wie ich sie verstehe und wie sie in den vier edlen Wahrheiten ausgedrückt ist, genau entgegengesetzt sein.

    Das Verlieben ist - zumindest in meinem Leben - kein Zeichen von Sexualität gewesen, sondern spielte sich und spielt sich noch immer in meinem Herzen ab. Und bei mir wurzelt nichts mehr im Geschlechtstrieb.

    Verliebtheit im Herzen scheint sich vom Geschlechtstrieb wesentlich zu unterscheiden, ist aber doch an das Objekt der Liebe, den Körper und die vermeintliche Person gebunden. Metta richtet sich dagegen ohne Begehren an alle Wesen ohne Unterschied. Verliebtheit ist mit Dukkha verbunden: "von etwas getrennt sein das man liebt, ist Dukkha". So habe ich das letztlich immer als einen Sog in das Dasein hinein erlebt, bzw. als eine Kraft die im Daseinstrieb festhält. Wesentlicher Ausdruck oder Symptom von Weltliebe, eine Täuschung, wie ein Trick der Natur um die Art aufrecht zu erhalten.

    Nicht dass ich darüber hinweg wäre, aber es hat sich diese Einsicht entwickelt, die ich ganz im Einklang mit dem Buddhadhamma und den allgemeinen Weisheitslehren der Philosophie sehe.

    Wenn man das so (mal nicht religiös spirituell betrachtend ) sieht, dann muss er Sex für Mönche verbieten. Das sind Sachzwänge, mal ganz davon abgesehen ob Sex ein Hinderniss für das Erwachen ist oder nicht. Denn wenn der eine oder andere Bettelmönch neben dem Bettelgang auch die eine oder andere Hausfrau/tochter dabei schwängert dann wird die Dorfbevölkerung ganz einfach sagen:" Ihr wollt dass wir euch durchfüttern damit ihr euer Leben ganz dem spirituellen Leben und dem Dharma widmen könnt, aber ihr pimpert hier rum. So funktioniert das nicht. "

    Der Zweck des spirituellen Lebens und des Dhamma ist nun mal die Befreiung, und dazu ist das Versiegen des Begehrens nötig. Das sehe ich schon als den Hauptgrund dass der Buddha für Mönche und Nonnen keinen Sex erlaubt hat, eben deshalb weil er ein bedeutendes Hindernis für das Erwachen ist. Laien können das auch praktizieren wenn sie können, ist aber nicht vorgeschrieben.

    Das Problem mit der Sexualität ist meines Erachtens dass sie eine Anhaftung an den Körper ist, eine Folge der Identifikation mit dem Körper. Die muss aber unbedingt aufgelöst werden auf dem Weg zur Befreiung, Sinnesgenuss ist da ein Hindernis dass es zu überwinden gilt. Sexualität ist halt einer der höchsten, wenn nicht überhaupt der Höchste der sinnlichen Genüsse.


    Ich glaube auch dass man sich über die Anziehung der Geschlechter nicht täuschen sollte:

    Zitat

    Alle Verliebtheit, wie ätherisch sie sich auch gebärden mag, wurzelt allein im Geschlechtstriebe. (Schopenhauer