Beiträge von Thorsten Hallscheidt im Thema „Nirwana“

    Da geht es mir anders. Mir erzeugt es Wohlbefinden, freundlich zu sein oder ausgleichend oder fair etc - die Bedürfnisse, die Gefühle das Denken anderer (besonders der Menschen die mir nahe stehen) nehme ich besser zur Kenntnis und gehe damit um - im Sinne meines Wohlbefindens.

    Du hast recht, das war unpräzise formuliert. Ich meinte mit "Wohlbefinden": Wenn es mir vor allem um die Befriedigung meiner Bedürfnisse geht.

    Wenn ich die Dinge und Wesen um mich herum als nützlich, schädlich oder gleichgültig für mein Wohlbefinden betrachte, verzerrt sich die Wirklichkeit. Nützliches wird sehr wichtig, Schädliches möchte ich weg haben, und der Rest ist mir egal – für das, was mir nichts bringt und mich nicht ärgert, bin ich so gut wie blind. Ich habe eine verzerrte, verblendete Wahrnehmung bezüglich der Realität.


    Wenn ich nur mein Wohlbefinden verfolge, werde ich zum totalen Zentrum der Welt, die Bedürfnisse aller anderen werden unwichtiger. Dinge und Menschen werden "geliebt" und "vermisst" solange sie meinem Wohlbefinden dienen.


    Wenn ich annehme, dass es mein alleiniges Verdienst ist, was, wer und wie ich bin, dass ich getrennt von anderen bin, dann wird die Welt zu einer Leinwand und ich zum Zuschauer.


    Alles besteht nur in Abhängigkeit von MIR und für MICH. Ich bin das Zentrum meiner Welt, die sich wiederum zum Feld MEINER Bedürfnisse (und seien es auch spirituelle), Abneigungen und Gleichgültigkeit einengt: zum Gegenteil von Offener Weite


    Zitat

    Als der indische Zen-Patriarch Bodhidharma im 6. Jh. nach China kam, suchte ihn Kaiser Wu auf und fragte ihn: „Was ist die Essenz des Buddhismus?"


    Bodhidharma antwortete: „Offene Weite, nichts von heilig."


    Die Ich-Bezogenheit ist ein Knast. Die buddhistische Lehre kann den Weg daraus zeigen.

    Ganz und gar nicht. Ich befolge einfach den Vorschlag Buddhas, keine Theorie über ein Ich zu ersinnen und daran zu hängen. Solche Theorien ergeben für mich jedenfalls auch keinen Sinn. Es wundert mich dass hier so theoretisiert wird.


    Dass du meine Zeilen so abstempeln willst gefällt mir gerade nicht so, aber dagegen kann ich ja nichts tun.

    Ach was, ich meine es ja gar nicht böse.


    Die Spekulationen über ein Ich oder Spekulationen generell, die Buddha ablehnt, beziehen sich ja auf metaphysische Fantastereien, nicht aber auf die Beobachtung dessen, was gerade ist und wie es funktioniert, was gerade entsteht oder eben nicht: Ursache Wirkung. Da ist die Frage schon angemessen, was genau bezeichnet wird, wenn ich ich sage. Das hat weniger mit Theorien zu tun als mit dem Versuch, die Illusion einer festen Person, Persönlichkeit oder Identität aufzubrechen – und zwar auf der Ebene der Erfahrung. Das, was dann hier zu Worten gerinnt, ist eindimensional und angreifbar genug, keine Frage. Dennoch ist der Austausch darüber oder Literaturtipps, unbekannte Formulierungen, die plötzlich ein Verständnis öffnen, oft genug für mich zumindest fruchtbar gewesen.

    Aber ich muss sagen mir ist es nun genug mit dem Nachhaken und den Antworten - ich habe genug Ideen über 'das Ich' konsumiert es reicht jetzt mal damit. Danke fürs antworten.

    Dafür nicht. Es ist eben auch leichter über Konsumiertes zu urteilen, als selbst Vorschläge zur Definition oder Erklärung der Ich-Erfahrung zu machen. Es ist wohlfeil, Formulierungen anderer als fehlgeleitete Konzepte zu verkosten, während man selbst (wie ein Opa aus der Muppetsshow) auf dem Logenplatz bleibt.


    ;)


    Aber so sind's die Zaungäst...


    :P

    Vielleicht hilft es irgendwem man versteht worauf ich hinauswill und sieht weniger den Angriff auf eigene Vorstellungen in denen man leider aber offensichtlich hängt, ich sehe es ja deutlich und es soll eigentlich wirklich eine Hilfe bzw Unterstützung sein.

    Der Punkt ist gut. Manchmal benutze ich die Formulierungen aus Büchern und Vorträgen wie solide Bausteine, die zusammenpassen, egal, wie ich sie kombiniere. Das bringt jahrelange Beschäftigung mit den Lehrreden und den Kommentaren so mit sich. Aber das sind nicht meine Vorstellungen.


    Dass diese Bausteine mit der Wirklichkeit höchstens mittelbar zu haben, ist so selbstverständlich, dass ich es immer wieder vergesse. Auf diese Weise entstehen Sätze und Formulierungen als Reflexe und kaum mehr als Inhalte, die eine unmittelbare Entsprechung zur Erfahrung haben.


    Die Wirklichkeit hat mit all diesen Mustern und Konzepten natürlich nicht viel zu tun.


    Ich denke aber, dass die tradierten Texte sprachliche Übereinkünfte erzeugen, die wichtig sind, damit nicht alles in subjektive Beliebigkeit versinkt. Dazu gehören Formulierung wie diese, die als Referenz für eine mögliche Betrachtungsweise der eigenen Existenz dienen können:


    Zitat

    "Ganz richtig, o König, hast du erkannt, was ein Wagen ist. Gerade so aber auch, o König, entsteht in Abhängigkeit von Kopfhaaren, Körperhaaren, Zähnen, Nägeln usw. die Benennung, die Bezeichnung, der Begriff, die landläufige Ausdrucksweise, das bloße Wort Nāgasena. Im höchsten Sinne aber ist da eine Persönlichkeit nicht vorzufinden.

    Auch die Nonne Vajirā, o König, hat in Gegenwart des Erhabenen gesagt: Gerade wie man infolge des Zusammentreffens einzelner Bestandteile das Wort "Wagen" gebraucht, ebenso auch gebraucht man, wenn die fünf Daseinsgruppen (Skandha) da sind, die konventionelle Bezeichnung "Wesen."


    Ich kann über Erfahrung nicht sprechen. Das liegt in der Natur der Sache. Und Sprache transportiert Erfahrung nicht. Aber Sprache kann eine Karte sein, die Erfahrungen zuordnet, und sie ermöglicht Austausch. Wenn wir uns auf die alten Texte beziehen, kommen die dort verwendeten Formulierungen zum Tragen.


    Dennoch muss ich mir immer wieder vergegenwärtigen, dass es konzeptuelle Bausteine sind, wenn ich sie nutze. Wie fülle ich sie mit Fleisch? Nur durch Erfahrung, durch Anwendung auf das eigene Leben. In meinem Leben gibt es natürlich kein "Ding", das ICH heißt. Was soll das auch sein? Es gibt ein hochdynamisches kontinuierliches Zusammenspiel von unzähligen Wahrnehmungen, Gefühlen, Gedanken, Bildern und körperlichen Empfindungen, wie bunter Sand in ständiger Bewegung. Erst im Nachhinein, in der zusammenfassenden Erinnerung und Interpretation, entsteht Identität.


    Die alten Texte schlagen Kategorien vor zur Orientierung, um in der Komplexität der Erfahrung der Gegenwart Ansatzpunkte zur Analyse zu finden: Skandha. Es sind Hilfsmittel, keine Wirklichkeiten. Auch das ist im Grunde so selbstverständlich, dass ich es manchmal vergesse. Danke für Deine Erinnerung.


    _()_

    Eine Antwort wäre, am Ende ist das stützenlose Bewusstsein, für ein Bewusstsein das sich auf nichts stützt gibt es keine Grundlage für ein Ich (das bin ich).

    Ohne Inhalt kein Bewusstsein, auch kein stützenloses. Bewusstsein ist immer Bewusstsein von etwas (abhängiges Entstehen). Aber es geschieht etwas anderes:


    Hier lohnt sich, bei Interesse den ganzen Text zu lesen.

    Ich kenne ausserhalb dieses Forums niemanden der denkt 'Ich bin ein ich'. Insofern würde ich sagen: dieses Forum nährt solche absurden Satzkonstrukte

    Wo habe ich geschrieben, dass ich oder sonst wer das denken würde? Dennoch entspricht das dem alltäglichen Lebensgefühl und dem Selbstverständnis der allermeisten Menschen: Üblicherweise ist man ziemlich sicher, wer gemeint ist, wenn man sagt ICH.


    Aber ich habe irgendwie den Eindruck, dass Du Dich nicht wirklich über dieses Thema aus buddhistischer Perspektive austauschen möchtest. Wenn Du die Formulierungen, die hier benutzt werden, für absurde Satzkonstruktionen hältst, so wirst Du mit Palikanon und auch mit den meisten Texten des Mahayana nicht viel anfangen können – die sind nämlich voll von solchen "absurden Satzkonstruktionen". In diesem Sinne: Alles Gute dir.


    :angel:

    Im Alltag gibt es die trügerische Gewissheit, ein unveränderlichen, kontinuierliches Ich zu haben und zu sein. Die buddhistische Lehre fragt und analysiert, aufgrund welcher Phänomene und Konstanten solch eine Vorstellung und das Gefühl der empirischen Evidenz aufkommt und ob sie der Wirklichkeit entsprechen, denn offenbar bin ich weder meine Gefühle, noch meine Gedanken, noch meine Wahrnehmung, noch meine Emotionen, noch mein Körper, weil ich alles als von mir getrennt wahrnehmen kann. Aber auch die Bewusstseinsmomente der Wahrnehmungen sind nicht ich. Buddha empfiehlt bei der Praxis der Betrachtung der 5 Skandhas, immer wieder zu erkennen und zu formulieren: das bin ich nicht, das gehört mir nicht, das ist nicht mein Selbst. Aber was bleibt dann am Ende, und aus was nährt sich dann die Vorstellung, ein Ich zu sein?

    Bis auf ein Selbst / ein Ich. Denn so etwas entsteht und vergeht auch nicht, weil es das nicht gibt bzw weil die Behauptung dieser Sache nur der groben / oberflächlichen Betrachtung entspricht.

    Das Ich "existiert" nach buddhistischer Vorstellung in Abhängigkeit von den 5 Skandha aufgrund von Benennung (Siehe Milindapanha). Eine falsche Vorstellung von der Existenzweise einer Sache kann vergehen.

    Und ich ergänzte dazu, dass die buddhistische Lehre, bzw Buddha angesichts der ebenso vorhandenen Glaubensvorstellungen seiner Zeit lehrte, dass da auch kein Ich / kein Selbst ist, was zerstört werden / vergehen kann.

    Alles, was aufgrund von Ursachen und Umständen entstanden ist, vergeht, wenn die Ursachen und Umstände nicht mehr vorhanden sind -> Anicca.

    @eitelpfuetze


    Schau mal hier. Hier steht genau, was ich meine:

    Doch das bedeutet es, bzw sind es Trübungen des Geistes, Unwissen die dazu führen so ein

    zu denken und zu erklären. Dieses Denken und Handeln existiert.

    Ich habe geschrieben, dass die Lehre von Anatta sich gerade gegen eine solche Vorstellung richtet, die von einem unzerstörbaren innersten Kern der Subjektivität ausgeht.

    Und sicher auch ein solches Konzeptualisieren - man schaue es sich einmal distanzierter an: 'ein subjektives Ich als festen Kern mit / ohne inhärenter Eigenexistenz ' -

    worüber sprichst man da, als nur über ein Konzept ...

    Wir sprechen (schreiben). Also sind Konzepte im Spiel. Bekanntermaßen ist der zeigende Finger nicht der Mond. Anatta gehört zur Grundlage der buddhistischen Lehre. Und bei dieser Lehre geht es nicht nur um ein Ich, das man sich vorstellt, sondern auch um das Ich, das innerster Kern der Subjektivität ist, gerade um das. Die Auffassung, man würde dem Leben wie einem Film zuschauen, aus unbeteiligter Zuschauerperspektive, ist Ausdruck einer Annahme, die mit Buddhismus nichts zu tun hat.

    Jedenfalls lehnte Buddha das Denken und erklären eines objektiven ICHs / Selbsts aus nicht so schwer nachvollziehbaren Gründen ab.

    Buddha lehnte auch ein subjektives Ich als festen Kern mit inhärenter Eigenexistenz ab.

    Etwas das gar nicht existiert kann sich gar nicht auflösen da es ja gar nicht existiert.

    Das Ich existiert und soll sich auch nicht durch die Praxis auflösen. Sich auflösen, enden sollen Gier, Hass und Verblendung. Das Ich verfügt nicht über eine inhärente Eigenexistenz, also über kein Existenz, die aus sich selbst heraus entstünde – was übrigens alle Erscheinungen betrifft. Buddhas Lehre von Nicht-Ich (Anatta) wendet sich gegen die Vorstellung eines unabhängigen, festen und unzerstörbaren Kerns (Atta, oder Atman als unzerstörbarer Splitter von Brahman, der höchsten Gottheit), der von Leben zu Leben wandert, wie es zum Teil in der hinduistischen Kultur angenommen wurde.


    Ein Ich existiert auch nach buddhistischer Vorstellung, es ist aber von Umständen und Ursachen abhängig, und es ist unbeständig – wandelt sich von Augenblick zu Augenblick auf Basis dieser Ursachen und Umstände. Das meint der Begriff keine inhärente Eigenexistenz. Im Körper, in Gefühlen, geistigen Formationen, in Wahrnehmungen und auch in Bewusstseinsmomenten ist kein eigenständiges Ich zu finden, kein Geist in der Maschine, der sich der fünf Skandha bedienen würde. Das Ich ist – wenn man es modern ausdrücken möchte – ein emergentes Phänomen auf Basis von Körper, Gefühl, geistigen Formationen, Wahrnehmungen und Bewusstseinsmomenten. Im Milindapanha gibt es dazu eine schöne Diskussion zischen dem indischen Mönch Nagasena und dem griechischen König Milinda (Menandros).

    Es gibt da aber auch keinen Erkennenden.

    Wo, da?


    Und wenn kein dukkha mehr vorhanden ist,

    Aber auch nicht mehr das geringste Verlangen, nicht mehr die geringste Abneigung, nicht mehr die geringste Identifikation. Auf einer Rasierklinge balancieren ist leichter, wenn schon das Riechen an einer Blume im Vorbeigehen Diebstahl ist...


    ;)

    oder sieh es doch einfach so herum: der Mitochondrienaufbau ist eine Folge, eine feststofflichere Manifestierung vieler solcher ganz kleinen Momente, in denen es nur um angenehm und unangenehm oder neutral - geht.

    Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.

    Auf das hier hatte Hendrik ja schon an anderer Stelle hingewiesen:

    Igor07


    Cetasika (Geistesfaktoren) könnte dem entsprechen, was in diesem Kontext hier mit Emotionen bezeichnet wurde.


    Unter diese Geistesfaktoren fallen dann z.B. Neid, Hass, Stolz, aber auch Vertrauen, Gelassenheit und Mitgefühl.


    Tabelle II, Geistesformationen Gruppe, cetasika


    Während vedana also nur ganz grundlegende Kategorien oder Richtungen anzeigt (angenehm, unangenehm und neutral), verweist cetasika auf komplexere Gefühlslagen hin, die vielleicht eher aus einem Zusammenspiel der 5 Skandha entstehen. So hat Hass z.B. Ausprägungen im Bereich des Körperlichen (mir wird ganz schlecht, wenn ich diese ?%&%$§§%$ sehe), des Willens (dem ballere ich eine), der Vorstellungen (wie fein wäre es, wenn der sein Fett mal so richtig abkriegen würde), der Gefühle (Abneigung) und daraus resultierend natürlich verschiedener Bewusstseinszustände, die alle zusammengefasst eine Emotion bilden.


    Aber vielleicht kann man diese ganze Diskussion in einen neuen Thread kopieren, der sich dem Unterschied zwischen Gefühl und Emotion im buddhistischen Kontext beschäftigt.

    Hallo Igor07 .


    Die Definition "feeling" für Vedana kommt aus dem englischen Kontext:


    SuttaCentral
    Early Buddhist texts from the Tipitaka (Tripitaka). Suttas (sutras) with the Buddha's teachings on mindfulness, insight, wisdom, and meditation.
    suttacentral.net


    Ebenso ist im Englischen der Begriff Emotion sehr oft in den Übersetzungen der Lehrreden zu finden:


    SuttaCentral
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    suttacentral.net