Beiträge von Nashorn im Thema „Individualität?“
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accinca:
Vernichtungsansicht ist was ganz anders. Vernichtungsansicht ist wenn da gedacht wird mit dem körperlichen Tode wird mein Selbst vernichtet sein oder das was ich für mein selbst halte.
Ja, und da sehe ich einen Knackpunkt. Denn erst der körperliche Tod ist das Ende der Khandhas, quasi das Ablegen der individuellen Khandhas. Bis zum Tod existieren die Khandhas, sowohl bei einem Weltling als auch bei einem Buddha. Nur besteht bei einem Arahant (oder Buddha) keinerlei Neigung mehr zu einem mein-machen der Khandhas. Sowohl beim Weltling als auch beim Arahant zerfallen die Khandhas im Augenblick des Todes. Nach deiner Argumentation gibt es dann bei beiden keine Grundlage mehr für "Ich bin", da keine Khandhas vorhanden sind. Für mich ist das Vernichtungsansicht.accinca:
Ich verstehe dich nicht, in der ganzen Lehre des Buddha mit samt der bedingten Entstehung geht es doch um nichts anders als immer wieder nur um das "Ablegen der Khandhas" .
Ich bitte dich nochmal konkreter zu werden was das "Ablegen der Khandhas" für dich bedeutet. Es geht in der Buddhalehre um das "Durchschauen der Khandhas" (als Nicht-Selbst) aber nicht um das "Ablegen" derselben. Wenn ich in der Begrifflichkeit bleiben sollte (welche ich für nicht konkret genug erachte) würde ich es als das "Ablegen der Vorstellung die Khandhas wären "mein"" bezeichnen.Schau, ein Arahant (oder Buddha) ist für uns Ich-verstrickte ein absolutes Mysterium. Wir sehen die Aggregate ständig als "mein" und "Selbst". In uns ist ständig die Täuschung "ich bin". Wir können uns einfach nicht vorstellen wie es ist die Aggregate als Nicht-Selbst zu sehen und das Erleben eines Arahants nachvollziehen. Und dann können Vorstellungen aufkommen dass erst mit vernichteten Aggregaten, wenn sie nicht mehr vorhanden sind, die Täuschung "ich bin" nicht mehr entstehten kann. Aber das sagte der Buddha nicht.
Auch mit völlig intakten Aggregaten ist es möglich die Täuschung "ich bin" zu durchschauen. Ich gehe noch weiter und sage statt "auch": "nur mit intakten Aggregaten ist Befreiung möglich". Denn nur wenn die Aggregate vorhanden sind können sie auch als "nicht mein" durchschaut werden. Und nur mit intakten Aggregaten ist Befreiung von den Trieben nach neuen Aggregaten möglich.
Um zu verstehen was der Buddha mit Nibbana meinte sollte man nicht ausschließlich das Pari-Nibbana betrachten. Denn das ist wahrhaft das letzte Zerfallen der Khandhas. Um Nibbana zu verstehen sollte man sich den Buddha kurz nach dem Erwachen vorstellen: Er ist 35 Jahre alt, gesund, die Khandhas sind völlig intakt. Und doch sind sie völlig als unbeständig, leidvoll und daher Nicht-Selbst durchschaut. Es gibt nicht die geringste Tendenz sie als "mein" zu betrachten. Das ist für mich das Verlöschen, das Verlöschen als Wesen, als Persönlichkeit, als "Ich" - Nibbana. Davon unberührt bestanden die Khandhas noch 45 Jahre als das Individuum, genannt der Buddha, aber sie wurden nicht für den kleinsten Moment als Selbst betrachtet. Es ist das unbeirrbare Wissen da dass da kein Wesen ist, dass die Khandhas irgendwann zerfallen und nicht neu entstehen, da kein Begehren mehr nach irgendeinem Erleben besteht.
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accinca:Nashorn:
Auch mit den Aggregaten "kann die Idee von einem irgendwie existierenden "Mein-selbst" nicht aufkommen", der Buddha hat es vorgemacht.
Es ist manchmal tatsächlich schwierig zu wissen wie der Andere was gemeint hat.
Ich bezog mich auf folgende Aussage in der Lehre:4. In Abhängigkeit wovon - und nicht ohne Abhängigkeit besteht nun (die Vorstellung) «Ich bin»?
In Abhängigkeit von Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung, Gestaltungen, Bewußtsein besteht
(die Vorstellung) «Ich bin», nicht ohne Abhängigkeit. S.22.83 u.a.Ohne Bedingung d.h. ohne Khandha gibt es eben auch keinen Ich-bin Identifikation bzw. nur mit ihnen zusammen kann diese Vorstellung aufkommen. Das besagt natürlich nicht, das sie auch bleiben muß oder nicht durchschaut werden kann. Aber wenn sie aufkommt, dann immer nur mit den Khandhas und niemals ohne sie. Das heißt auch, wenn die Khandhas abgelegt werden, dann kann die Neigung zu dieser falschen Vorstellung auch nicht aufkommen:
Du hast es schon wieder irgendwie so "komisch" ausgedrückt. Im ersten Zitat sagt der Buddha richtig das in Abhängigkeit der Aggregate die Vorstellung von "Selbst" entsteht. Und im zweiten Zitat (S 12. 23) sagt er es so wie ich es auch verstehe: Wirklichkeitsergründung, Widerwille, Entreizung, Befreiung.Aber kein Wort vom "Ablegen der Khandhas". Das steht so irgendwo im Kanon (keine Lust zu suchen), aber nicht als Bedingung für Erlösung sondern mehr als "Nachwirkung" der Befreiung von der Vorstellung "Ich bin". Was verstehst Du unter "Ablegen der Khandhas"? Das Ablegen nach dem Tode eines Arahant und das Nicht-Neuenstehen der Khandhas? Dann wäre erst mit dem Tode die Neigung zu "Ich bin" versiegt. Was der Buddha ja so nicht gesagt hat. Vielmehr müssen die bestehenden Aggregate als "nicht mein Selbst" erkannt werden (Wirklichkeitsergründung) um sich von ihnen als "mein Selbst" befreien zu können. Die Aggregate sind dann noch pañcakkhandhá aber nicht mehr pañc‘upádánakkhandhá (mit Ergreifen als "mein Selbst").
Entschuldige wenn ich nachfrage, aber so wie Du es ausdrückst lese ich da unterschwellig Tendenzen zu Vernichtungsansicht heraus. Das kann natürlich auch nur an mir liegen.
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accinca:Nashorn:
Ich habe mir das eben mal angesehen. Vielleicht hat Nanavira in diesem Punkt ja recht und die Leute waren wirklich so einfältig wie er vermutet und vieles spricht dafür, aber das kann auch täuschen denn es kann auch ganz anders verstanden werden als Nanaviera voraussetzt.
Das Gleichnis von der Kutsche öffnet m.M. den Missverständnissen Tür und Angel. Es wird immer wieder herangezogen (auch hier im Forum) um irgendwie das Nicht-Selbst zu erklären. Nanavira hat den Milinda besonders gebrandmarkt da er versucht Dhamma einfach zu erklären und am Ziel vorbeischießt und es falsch erklärt. Er hielt den Milinda für "einen besonders schuldigen Sünder, da er so populär ist". Viele Aussagen sind so bekannt dass sie oft fälschlicherweise dem Buddha untergeschoben werden wie z.B. "weder er noch ein anderer wird wiedergeboren" oder das Gleichnis von der Flamme im Zusammenhang mit Wiedergeburt (der Buddha benutzte das Flammengleichnis in einem anderen Zusammenhang). In der Tat wird vieles so einfach erklärt dass man schnell geneigt ist es als verstanden abzuhacken.accinca:
... und ohne Khandhas kann die Idee von einem irgendwie existierenden "Mein-selbst" gar nicht aufkommen wie er selber anmerkt, da Ideen ja an Khandhas gebunden sind.
Ich bin mir nie richtig sicher wie Du es meinst. Die Art wie Du es ausdrückst bewegt sich oft gefählich nahe am Vernichtungsglauben. Natürlich gibt es ohne die Aggregate kein Selbst. Aber wie ich schon im anderen Thread andeutete: Auch ein Stein hat keine Aggregate und somit keine Vorstellung von Selbst. Das Problem ist aber dass es nunmal Aggregate gibt die für "Selbst" gehalten werden. Und sie loszuwerden ist nicht so einfach. Dazu ist das Leiden zu durchschauen, der Ursprung des Leidens zu überwinden, das Aufhören zu verwirklichen und der Pfad zu entfalten. Leicht gesagt aber schwer zu verwirklichen.Auch mit den Aggregaten "kann die Idee von einem irgendwie existierenden "Mein-selbst" nicht aufkommen", der Buddha hat es vorgemacht. Wenn an ihnen nicht mehr als "Mein" angehaftet wird gibt es auch kein "Mein-Selbst". Ich würde obigen Satz vervollständigen zu "... und ohne Khandhas als "mein" kann die Idee von einem irgendwie existierenden "Mein-selbst" gar nicht aufkommen".
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Nanavira Thera hat den Unterschied zwischen Persönlichkeit(sansicht) und Individualität, nach meiner Ansicht, durchaus korrekt wenn auch ziemlich mit technischen Begriffen beschrieben. Aber im Sinne der Korrektheit ist es einer eher oberflächlichen Betrachtung vorzuziehen:
ZitatSAKKÁYA
Sakkáya ist pañc‘upádánakkhandhá (Majjhima 44 <M.I,299>) und mag zweckdienlich als „Jemand“ oder „Person“ oder abstrakt als „Persönlichkeit“ übersetzt werden.
Ein Arahat (solange er am Leben ist – das heißt, falls wir überhaupt vom „lebenden Arahat“ sprechen können) bleibt weiterhin ein Individuum in dem Sinne, dass „er“ als Abfolge von Zuständen (Theragáthá Vers 716) von anderen Arahanto zu unterscheiden ist (und kraft dessen von Individuen, die keine Arahanto sind). Jedes Set von pañcakkhandháa – nicht pañc‘upádánakkhandhá im Fall des Arahat – ist einzigartig, und Individualität in diesem Sinne hört erst beim endgültigen Ende der pañcakkhandhá, beim Zerfall des Körpers des Arahat auf. Aber ein Arahat ist nicht mehr jemand oder eine Person, weil die Vorstellung oder der Dünkel „(Ich) bin“ bereits aufgehört hat. Individualität ist daher sorgfältig von Persönlichkeit zu trennen. Letzteres bedeutet: eine Person sein, ein Jemand sein, ein Subjekt sein (dem Objekte anwesend sind), Selbstheit, das Trugbild „Ich bin“ und so weiter. Der puthujjana ist nicht in der Lage, zwischen ihnen zu unterscheiden – für ihn ist Individualität getrennt von Persönlichkeit, die er als Selbstheit auffasst, nicht vorstellbar. Der sotápanna ist in der Lage, sie zu unterscheiden – er sieht, dass Persönlichkeit oder „Selbstheit“ eine Täuschung ist, abhängig von avijjá, eine Täuschung, abhängig vom Nicht-Sehen der Täuschung, was bei Individualität nicht der Fall ist – auch wenn er vom Aroma der Subjektivität, asmimána, noch nicht frei ist. Der Arahat unterscheidet nicht nur zwischen ihnen, er ist auch jeglichen Makel der Subjektivität vollständig losgeworden – „er“ ist individuell, aber keinesfalls persönlich. Mangels passender Ausdrucksweise (die den puthujjana sowieso nur verwirren würde) ist „er“ gezwungen, weiterhin „ich“ und „mir“ und „mich“ und „mein“ zu sagen (vgl. Dìgha 9 <D.I,202>; Devatá Samy. 25 <S.I,14>14). Was den Arahat anbelangt, beinhaltet Individualität immer noch die Perspektive oder Orientierung, die die Dinge notwendigerweise annehmen, wenn sie existieren oder anwesend sind oder erlebt werden; und die Perspektive ist für jedes Individuum anders. Wenn upádána verloren geht, heißt das nicht, dass der Standpunkt verloren geht.
(Notizen zu Dhamma)
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genau-so:
Ich bin mir nun nicht sicher, aber sind diese Schlussfolgerungen einigermaßen korrekt?
Es geht in der Buddhalehre nicht um die Eigenexistenz von Dingen wie Autos. Es geht vielmehr um die Täuschung der Eigenexistenz des wahrnehmenden Subjekts.Im Satz: "Dieses ist meine Wahrnehmung vom Auto" ist die Täuschung nicht "das Auto", sondern "dieses ist meine Wahrnehmung".
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Manussa:anita.m4:
wenn im buddhistischen Sinne kein "Ich" und kein "Selbst" anerkannt wird.
Welche Ansicht hat der Buddhismus dann zur "Individualität"?
Wenn Du unter "Individualität" solche Merkmale verstehst, die einen Menschen mehr oder weniger unverwechselbar machen, d. h. es ermöglichen, ihn von anderen Menschen zu unterscheiden, so ist diese Art von Individualität nicht von der Nicht-Ich-Lehre betroffen. Der Buddha löste sich ja nicht in Luft auf als er erwachte. Aber von "seiner Seite her" gibt es eben keinerlei Identifikation mehr mit dieser Art von Individualität im Sinne von "ich" und "mein". In der Aussage "Das bin ich" ist nicht das "Das" das Problem, sondern das "bin ich". Nur Letzteres wird durch das Erwachen beseitigt. Wird beides vermengt, missversteht man Befreiung als Vernichtung.
Sehr gut erklärt. Genau so ist es.