Sich selbst und anderen verzeihen

  • Das ist garnicht so einfach.


    Manchmal, wenn wir schlecht geschlafen haben und müde und gereizt sind oder abgelaufen oder einfach nicht sehr gut drauf, dann bekommen wir Blicke entgegengeworfen oder Worte zu hören die unangenehm und auch etwas überraschend sein können, weil wir uns eigentlich in der Situation nicht wirklich etwas zu Schulden haben kommen lassen.


    Aber dieser simple Zustand schon, die eigene Gereiztheit oder Unzufriedenheit, wirkt ganz unmittelbar auf die Umgebung und wird augenblicklich zu uns zurückgeworfen. Und ich habe mich früher desöfteren bei dem enttäuschten Gefühl und der Frage ertappt: Warum sind die Leute denn jetzt so zu dir? Gestern waren sie noch freundlich und heute gehen sie dir alle aus dem Weg. Ich bin doch noch derselbe...


    Und doch erleben wir die Welt ununterbrochen nur so, wie die Welt uns erlebt. Wir erleben die Welt durch unsere eigene Welt, und somit wird die "äußere" Welt ganz fundamental von unserer "inneren" Welt beeinflusst.


    Gestern war wieder so ein Abend, wo einfach nichts gelingen wollte. Ich war im Geiste freundlich und habe wirklich versucht das Beste aus meiner Müdigkeit (die schnell in Überanstrengung übergeht) zu machen. Aber es gelang mir nicht und so wurde es zur Anstrengung für die anderen sich weiter mit mir zu beschäftigen.


    Früher wäre ich darüber sehr traurig und vielleicht auch ein bisschen wütend oder vielleicht eher trotzig, abwehrend geworden. Aber heute kann ich verstehen warum die Menschen in diesem Moment so reagiert haben. Es lag einzig und allein an mir selbst. Ich kann niemanden dafür veranwortlich machen wenn er abweisend oder gar schlimmeres zu mir ist, denn das ist in grundlegendem Maße von dem abhängig was ich tue, was ich bin. In meinem Leben, mit meinem Leben. Auch wenn wir auf solche Dinge wie Müdigkeit und Gereiztheit eher nur indirekt Einfluss haben, so können wir doch durch unsere Gedanken und Handlungen mittelfristig dafür sorgen, das sie mit der Zeit immer schwächer werden. Das kann auch mal soetwas simples wie eine Ernährungsumstellung oder gezielter Sport sein.


    Letztendlich kann ich aber heute für mich sagen, das ich überhaupt nicht mehr böse oder enttäuscht bin, wenn die Menschen an manchen Tagen nicht sehr freundlich zu mir sind. Ich erkenne nun woran es liegt und weiß auch was ich dagegen tun kann. Dafür bin ich sehr dankbar, denn es gibt mir eine klare Richtung. Und jedes Mal neue Motivation noch ein bisschen mehr an mir zu arbeiten.


    Sich selbst und anderen zu verzeihen sind zwei Seiten der gleichen Medaille.


    Und all das gilt natürlich auch umgekehrt für alles Schöne was einem so passiert. :)

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Geronimo:

    ... Es lag einzig und allein an mir selbst. Ich kann niemanden dafür veranwortlich machen wenn er abweisend oder gar schlimmeres zu mir ist, denn das ist in grundlegendem Maße von dem abhängig was ich tue, was ich bin. ...


    Es ist aber auch nicht möglich, alles im Vorfeld zu verhindern. Manche Sachen kommen eben wie sie kommen - und gehen auch wieder.
    Du weißt es sicher, aber ich möchte es herausstellen: auch das Auftreten von Unannehmlichkeiten mit anderen Menschen gehört zu diesem ganzen Tanz. So unschön es ist, so ist es eben auch einfach. Schlicht.
    Wichtig ist Authenzität. Und Selbstreflektion, da hast Du Recht.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Losang Lamo:
    Geronimo:

    ... Es lag einzig und allein an mir selbst. Ich kann niemanden dafür veranwortlich machen wenn er abweisend oder gar schlimmeres zu mir ist, denn das ist in grundlegendem Maße von dem abhängig was ich tue, was ich bin. ...


    Es ist aber auch nicht möglich, alles im Vorfeld zu verhindern. Manche Sachen kommen eben wie sie kommen - und gehen auch wieder.
    Du weißt es sicher, aber ich möchte es herausstellen: auch das Auftreten von Unannehmlichkeiten mit anderen Menschen gehört zu diesem ganzen Tanz. So unschön es ist, so ist es eben auch einfach. Schlicht.
    Wichtig ist Authenzität. Und Selbstreflektion, da hast Du Recht.


    Oh ja, nee. Das wollte ich nicht sagen. Wenn alles Unglück vermeidbar wäre dann wär's ja einfach. Selbst der Buddha ist ja noch auf Feindschaft gestoßen.


    Aber man kann auf jeden Fall das bestmögliche für sich selbst und andere herausholen, wenn man an sich arbeitet.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • mhm, was heisst nun: an sich arbeiten? Klar, dass man Agressionen zurückhält. Es bringt gar nichts, sie rauszulassen, ich halte nichts von der Theorie, dass man dann was aufstaut, wenn man sie gar nicht rauslässt. Mir geht es gut mit dem gewaltfrei kommunizieren.
    habe aber in letzter Zeit bemerkt, dass Leute agressiv werden, weil ich in Situationen wiederholt mich nicht so verhalte, wie sie es sich wünschen. Früher habe ich nachgegeben, weil ich Angst vor den Agressionen der anderen hatte. Weil ich empfänglich war dafür, wenn andere versuchten, ihren Willen durchzusetzen dadurch, dass sie mir ein schlechtes Gewissen machten. Als Kind war das so. Jetzt reagiere ich eben anders. Ich kommuniziere gewaltlos, glaube ich, aber andere werden agressiv, wegen des Inhalts, den ich sage. Ich weiß genau, dass sie sich etwas anderes wünschen, was ich sagen solle, inhaltlich. Ich weiß in diesem Fall nicht, ob es nicht doch ein Fehler ist, so zu handeln. Mhm, ich hoffe, es war verständlich beschrieben. Wenn ich etwas für richtig halte, dann rücke ich nicht davon ab. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, wenn es andere zu verbaler Agression anregt.

  • Turmalin:

    mhm, was heisst nun: an sich arbeiten? Klar, dass man Agressionen zurückhält. Es bringt gar nichts, sie rauszulassen, ich halte nichts von der Theorie, dass man dann was aufstaut, wenn man sie gar nicht rauslässt. Mir geht es gut mit dem gewaltfrei kommunizieren.
    habe aber in letzter Zeit bemerkt, dass Leute agressiv werden, weil ich in Situationen wiederholt mich nicht so verhalte, wie sie es sich wünschen. Früher habe ich nachgegeben, weil ich Angst vor den Agressionen der anderen hatte. Weil ich empfänglich war dafür, wenn andere versuchten, ihren Willen durchzusetzen dadurch, dass sie mir ein schlechtes Gewissen machten. Als Kind war das so. Jetzt reagiere ich eben anders. Ich kommuniziere gewaltlos, glaube ich, aber andere werden agressiv, wegen des Inhalts, den ich sage. Ich weiß genau, dass sie sich etwas anderes wünschen, was ich sagen solle, inhaltlich. Ich weiß in diesem Fall nicht, ob es nicht doch ein Fehler ist, so zu handeln. Mhm, ich hoffe, es war verständlich beschrieben. Wenn ich etwas für richtig halte, dann rücke ich nicht davon ab. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, wenn es andere zu verbaler Agression anregt.


    Ich meine in allen Bereichen an sich arbeiten. Gutes tun, heilsames Denken pflegen, gesunder Lebenswandel, achtsam sein, Güte und Mitgefühl entwickeln, und was es sonst noch alles an unterstützenden heilsamen Dingen gibt. Da gibt es eigentlich keine Grenzen, und jede Übung, egal wie klein sie ist, trägt zum großen Ganzen bei.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • A.V.193 Die fünf Hemmungen - 3. Saṅgārava Sutta
    Zu einer Zeit, Brahmane, wenn man mit einem von Starrheit und Mattigkeit gefesselten und gequälten Geiste verweilt und der aufgestiegenen Starrheit und Mattigkeit Aufhebung nicht der Wirklichkeit gemäß erkennt, zu einer solchen Zeit sieht und erkennt man wirklichkeitsgemäß weder sein eigenes Heil, noch das Heil anderer, noch das gemeinsame Heil; und selbst die lange Zeit memorierten Sprüche fallen einem nicht ein, geschweige denn die nicht memorierten. Es ist, Brahmane, wie wenn da in einem Topfe befindliches Wasser mit Moos und Wasserpflanzen völlig bedeckt ist. Wenn nun ein Mann mit gesunden Augen darin sein Spiegelbild zu sehen wünscht, so könnte er es nicht der Wirklichkeit entsprechend erkennen und wahrnehmen. Ebenso auch ist es, Brahmane, wenn man mit einem von Starrheit und Mattigkeit gefesselten und gequälten Geiste verweilt . . . ()


    Da keine Klarheit / Sati da ist,
    ist es schwierig heilsame Dinge aufsteigen zu lassen
    und den unheilsamen keine Aufmerksamkeit
    zu widmen.
    Es dürfte besser sein bei Müdigkeit und Gereiztheit
    entweder zu schlafen oder sich von Gesellschaft zurückzuziehen.


    'Was aber, Brüder, ist die Ursache und Bedingung, durch die unaufgestiegene Verblendung aufsteigt und aufgestiegene Verblendung stärker und machtvoller wird? ' - 'Unweise Aufmerksamkeit', wäre da zu erwidern. 'Denn in dem, der unweise Aufmerksamkeit pflegt, wird unaufgestiegene Verblendung aufsteigen und bereits aufgestiegene Verblendung stärker und machtvoller werden.' ()


    Mit freundlichen Grüßen !

  • Zitat

    Gestern war wieder so ein Abend, wo einfach nichts gelingen wollte. Ich war im Geiste freundlich und habe wirklich versucht das Beste aus meiner Müdigkeit (die schnell in Überanstrengung übergeht) zu machen. Aber es gelang mir nicht und so wurde es zur Anstrengung für die anderen sich weiter mit mir zu beschäftigen.


    Lieber Geronimo,


    ich bin Praktikerin. Komme ich also in so eine Situation, in der ich erkenne, dass ich z.B. müde bin und dadurch reizbar, dann sage ich das. Es gibt wohl kein Publikum, vor dem ich das verheimlichen muss: "Sorry, Leute! Ich bin todmüde und dann werde ich leicht reizbar." Dann gehe ich entweder ins Bett oder – manchmal geht es ja nicht – bitte um Entschuldigung und dafür mich gerade nicht besonders ernst zu nehmen. Ich kann auch darum bitten, darauf Rücksicht zu nehmen und mich nicht allzusehr zu fordern. Passiert mir das in einer Arbeitssituation, dann bitte ich darum diesen Umstand zu berücksichtigen und nicht auf meine übliche Verlässlichkeit zu vertrauen. (In meinem Arbeitsumfeld geht das, und meine Auftraggeber wissen, dass ich das für sie auch gerne mache und ihnen selbst in allen Situation beistehe. Meine Erfahrung ist auch, dass sie sich sogar freuen, auch einmal etwas für mich tun zu können.) Aufgrund meiner körperlichen Beschwerden stehe ich oft vor diesem Problem, daher schreibe ich aus persönlicher Erfahrung.


    Handle ich so, dann muss ich nichts verzeihen, weder mir noch anderen, noch muss ich um Verzeihung bitten. Es wird nicht einmal ein Keim für solches gelegt. Meine Freundlichkeit besteht dann eben in der Offenlegung meines Zustandes.
    In meinen Augen braucht es dafür nur zwei Voraussetzungen: Achtsamkeit und Ehrlichkeit.


    Liebe Grüße
    Doris

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.


  • Da macht wohl jeder seine eigenen Erfahrungen. In meinem Fall haben Erklärungen so gut wie überhaupt keinen Effekt. Ich stelle fest das die Menschen wesentlich stärker auf das reagieren was ich ausstrahle, als auf das was ich sage. Und wenn es mit nicht gut geht überträgt sich das ganz unmittelbar auf meine Umgebung, bzw. fällt auf mich zurück. Da bringt die Bitte um Verständnis überhaupt nichts. Aber das ist meine sehr persönliche Erfahrung. Ich sehe auch das das für andere wiederum
    sehr gut funktioniert. Aber irgendwie habe ich noch nicht den rechten Zugang zu dieser Form der Kommunikation gefunden. Wenn mein Herz nicht wirklich meint was ich sage, dann passiert überhaupt nichts. Von daher ist mein Zugang zu diesen Dingen im Moment hauptsächlich innerer Natur.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Ich glaub, daß ist so bei sensitiven Menschen.
    Sie sind sehr empfindsam was die Gefühle und Bedürfnisse betrifft.
    umgekehrt ist es nicht so.
    Sie merken nämlich, daß in ihrer Gereiztheit noch andere Empfindungen stecken.
    Diese Vielschichigkeit macht es ihnen schwer zu sprechen.
    In der Verinnerlichung von sensitiven Menschen gibt es keine so klaren Zuordnungen.
    Würden sie das eine sagen, fehlte das andere und so kommen sie sich falsch vor.
    Das Transparente der Sensitiven strahlt aus.