Verbeugungen

  • Ich war vor Kurzem in einem (Zen-) Meditationskurs und fühle mich mit den Verbeugungen etwas hilflos.

    Als Studentin habe ich ein Jahr in Japan gelebt und die dort üblichen drei Verbeugungen gelernt: Sehr leichte Verbeugung für ein informelles "Hallo", etwas tiefere Verbeugung für höfliche Anlässe und die sich dem waagerechten annähernde Verbeugung für Situationen, in denen man sich für den wirklich schlimmen Mist, den man gebaut hat, entschuldigen muss.


    Nun habe ich in diesem Kurs bei den erfahreneren Teilnehmern Verbeugungen vor Buddha gesehen, die in meinen Augen einer selbstdemütigenden Entschuldigung für die eigene Existenz gleich kommen, und Verbeugungen vor der Sangha, die ein mörderisches Schuldbewusstsein implizieren. Aber ich bin mir sehr sicher, dass das nicht so gemeint war.


    Ich habe mich mit meinen Verbeugungen an Japan-Standard gehalten und niemand hat ein Wort gesagt.


    Nun zur Frage:

    Gibt es eine Handreichung zu den üblichen Formen im (Zen-) buddhistischen Kontext?

    Entweder haben sich die Anderen wirklich zu tief verbeugt, oder ich war kreuzunhöflich. Letzteres möchte ich nicht sein. ;)

  • Nyinje ☼

    Hat das Thema freigeschaltet.
  • Trenne die auch mir bekannten Konventionen des weltlichen Japan von dem, was im Rahmen der buddhistischen Praxis geschieht.


    _()_

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • Mit Zen kenne ich mich zwar nicht aus, aber ich mache meine Anmerkung hier trotzdem, weil im Titel und hier im Anfängerbereich nicht ersichtlich ist, dass es um eine nicht allgemein gemeinte Frage geht. Ich habe viele Verbeugungen in der Tradition des tibetischen Buddhismus gemacht.


    Dort ist es eine wichtige Übung, die allerdings mit Selbstkasteiung nichts zu tun haben kann. 100.000 Verbeugungen (eine vorbereitende Übung im tibetischen Buddhismus) sind mit negativem Mindset nicht zu schaffen.


    Man lernt Geduld, Ausdauer, Liebe zur Praxis, denn das ist das Rüstzeug für diese Übung. Mit der Vorstellung von Selbstdemütigung oder gar Unterwürfigkeit, wird man bestimmt schnell krank und muss aufhören, nehme ich an. Denn ich habe das "Niederwerfen" (man "wirft" sich nicht, sondern die Bewegungen müssen mit Bedacht ausgeführt werden) als sehr reinigend wahrgenommen. Stresse und Verkorksungen blühen auf der körperlichen Ebene raus und die Kunst ist, damit positiv und sich-selbst-annehmend umzugehen. Würde man mit sich selbst wie der eigene Feldwebel umgehen, wäre man schnell kaputt. Man braucht für diese Übung freudige Tatkraft und kann sie dadurch auch entwickeln.


    Es ist auch keine äußere höfliche Umgangsform, wo drauf geschaut wird, wer sich tiefer verbeugt und wer nicht. Im Gegenteil ist es eher eine Übung, die man ganz mit sich selbst abzumachen hat. Man umarmt seinen inneren Schweinehund und nimmt ihn mit.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Ich bin auch ein großer Freund der Tibetischen Form der Verbeugungen. Diese werden zwar auch Niederwerfungen genannt ,haben aber nichts mit Selbsterniedrigung oder Unterwerfung zu tun.

    Für mich haben sie viel damit zu tun mit seiner Ganzheit in Verbindung zu kommen, aber auf alle Fälle sind sie eine hervorragende Methode aus der Dominaz des logischen Denkens herauszukommen.


    _()_


    ( peinliche Superverbeuerei vor dem Altar oder einem hohen Rinpoche um allen zu zeigen, was für ein guter Praktizierender man ist ,gibts bei den Tibertern aber übrigens auch)

  • Liebe(r) Meriban,


    ich halte Verbeugungen bzw Niederwerfungen vor dem Buddha als Zeichen der Dankbarkeit durchaus für angemessen. Aber das muss jeder selbst wissen, was er/sie für angemessen hält.:rose:

    Mein Motto: "Nur Materie ist real." Probier's mal aus :)

  • Nun habe ich in diesem Kurs bei den erfahreneren Teilnehmern Verbeugungen vor Buddha gesehen, die in meinen Augen einer selbstdemütigenden Entschuldigung für die eigene Existenz gleich kommen, und Verbeugungen vor der Sangha, die ein mörderisches Schuldbewusstsein implizieren. Aber ich bin mir sehr sicher, dass das nicht so gemeint war.

    Wenn du sicher bist, das es nicht so gemeint war, dann mach kein Drama daraus.


    Ich habe mich mit meinen Verbeugungen an Japan-Standard gehalten und niemand hat ein Wort gesagt.

    Du musst deinen Weg und deine Antworten in dir selber finden. Das gilt auch für die Art der Verbeugung.


    Und was den "Japan-Standart" angeht, da scheißt der Hund drauf. Der Kurs hat schließlich nicht in Japan stattgefunden.

    Ohne eine lange Zeit grimmiger Kälte,
    die Dir in die Knochen fährt –

    wie könnten die Pflaumenblüten

    dich erfüllen mit ihrem durchdringenden Duft?
    (Obaku)

  • Mit den Niederwerfungen habe ich kein Problem; ich teile eure Meinung, dass man es wollen muss, um sie hinzubekommen. Wobei nach dreien schon mein Kreislauf schlapp macht, Wille hin oder her. :)

    Wie tief die Verbeugungen gefordert werden, ist für mich auch nicht schlimm. Ich mache Aikido und da landet mindestens fünf Mal pro Training der Kopf auf den auf dem Boden liegenden Händen.

    Mich irritiert eher, dass die "Begrüßungsverbeugungen" zu Altar und Sangha so unterschiedlich tief ausgeführt werden. Und zumindest im japanischen Kontext ist eine Verbeugung im Stehen, bei der der Kopf unter die Hüftlinie geht, mehr als lächerlich.

  • Ich glaube, dass man buddhistische Verbeugungen in dem Sinne nicht mit denen in Japan vergleichen kann.

    Sieh die Verbeugungen doch eher als Dank gegenüber dem Buddha an, der dir die Lehre geschenkt hat.


    Die tibetischen Niederwerfungen, die ja bis zum flachen Liegen auf der Erde durchgeführt werden, sind ja auch keine Art der Entschuldigung oder der Demütigung.

    Dabei geht es dann eher um die Selbstdisziplin, die mit den Niederwerfungen schon relativ früh getestet und gefestigt werden soll. :)

  • Mich irritiert eher, dass die "Begrüßungsverbeugungen" zu Altar und Sangha so unterschiedlich tief ausgeführt werden. Und zumindest im japanischen Kontext ist eine Verbeugung im Stehen, bei der der Kopf unter die Hüftlinie geht, mehr als lächerlich.

    Es geht nicht um den "Japan Standart". Es geht um dich.

    Kümmere dich nicht darum, was die anderen machen, kümmere dich darum, was du machst. Und sei dir auch im klaren darüber warum du machst, was du machst.

    Wenn du dich vor Altar und Sangha verbeugst, wer verbeugt sich da vor was oder wem? Mit welchem Hintergrund verbeugst du dich?

    Was sind Altar und Sangha für dich? Was bist du für sie?

    Da hast du schon mal einiges, um zu reflektieren.


    Und ansonsten; du sollst dich einfach nur verbeugen und nicht über Gott und die Welt philosophieren und dich mit anderen vergleichen.

    Dafür hast du deinen Sport.

    Und deine Irritation kannst du gut zum Objekt machen und einmal untersuchen, woher sie wohl kommt. Vielleicht ja ganz spannend.:grinsen:

    Ohne eine lange Zeit grimmiger Kälte,
    die Dir in die Knochen fährt –

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    (Obaku)

  • Ja, ich kann nur meine eigenen Handlungen kontrollieren. Aber jede meiner Handlungen hat nicht nur eine persönliche, sondern unter Anderem auch eine symbolische und eine soziale Perspektive.


    Eine Frage nach der etablierten Form mit "mach, wie Du denkst" zu beantworten fordert zum Improvisieren ohne Basis auf.

    Wenn man das Grundmuster kennt, kann man es nach eigenem Geschmack abwandeln und damit die eigenen Befindlichkeiten ausdrücken, so man denn möchte. Das Ausdrücken dieser Befindlichkeiten widerum ist ein soziales Signal, das von den anderen Angehörigen des Sangha aufgenommen werden kann.


    Mal ein christliches Beispiel:

    In der katholischen Kirche knickst oder verbeugt man sich vor dem Altar, bevor man sich in die Bank setzt.

    Das ist die Standardform, meist kombiniert mit einmal Bekreuzigen.


    Wenn ich jetzt die Kirche betrete und mich statt der kurzen Verbeugung in einer vollen Prostratio neben die Bank lege, sende ich damit ein anderes soziales und religiöses Signal als im Normalfall. Meine Banknachbarn und der örtliche Priester werden mich fragen, was los ist, Kirchenmitglied hin oder her.


    Ich habe jetzt die Frage nach der Standardform einer befreundeten Japanerin gestellt. Sie sagte:


    Im Tempel nie in der Mitte eines Weges laufen und nicht in der Mitte durch die Tür gehen.

    Verbeugungen im Tempel beim Betreten eines Raums etc. im 30-45°-Winkel, also formell höflich.

    Nicht auf Türschwellen und Tatamiränder treten.


    Ich denke, ich werde diese Regeln als Basis für meine Improvisation heranziehen.

  • Aber jede meiner Handlungen hat nicht nur eine persönliche, sondern unter Anderem auch eine symbolische und eine soziale Perspektive.

    Richtig. Und diese Perspektiven sind kulturbezogen. D.h. im asiatischen Raum anders als bei uns.

    Eine Frage nach der etablierten Form mit "mach, wie Du denkst" zu beantworten fordert zum Improvisieren ohne Basis auf.

    Auch richtig. Deshalb ist es auch sinnvoll, dort wo man übt nachzufragen. Das machst du aber nicht, sondern spekulierst über die Motivation anderer und vergleichst dann diese mögliche Motivation mit deinen Vorstellungen.

    Das ist so dünnes Eis, dass es schon richtig knirscht beim Laufen.:grinsen:

    Im Tempel nie in der Mitte eines Weges laufen und nicht in der Mitte durch die Tür gehen.

    Verbeugungen im Tempel beim Betreten eines Raums etc. im 30-45°-Winkel, also formell höflich.

    Nicht auf Türschwellen und Tatamiränder treten.

    Ja, das kenne ich auch aus unserem Tempel in Japan. Das heißt aber nicht, dass es in westlichen Tempeln auch so gehandhabt wird; von Meditationshäusern und anderen Gruppierungen, die keine Tempel sind, ganz zu schweigen.


    Ich denke, ich werde diese Regeln als Basis für meine Improvisation heranziehen.

    Mach das.

    Ohne eine lange Zeit grimmiger Kälte,
    die Dir in die Knochen fährt –

    wie könnten die Pflaumenblüten

    dich erfüllen mit ihrem durchdringenden Duft?
    (Obaku)