Angelnde Zen-Mönche. Wieso und warum?

  • Sehr viele. Notwehr, Nothilfe. Also die gegenwärtige Reaktion der Ukraine auf den Angriff Russlands z.B.

    Das sind Situationen, in denen ich mir die Anwendung des Dhamma schwierig vorstelle, weshalb ich sie gar nicht erst beurteilen möchte. Diese Situationen hatte ich aber auch gar nicht im Sinn.

    Das Tier und Du teilen etwas Universales, und es wird dem Tier nicht genommen, wenn Du es tötest, weil es nicht genommen werden kann. Deine Aufgabe ist, in diesen Zustand geistig zu kommen. DAS ist Zen.


    Das klingt für mich, als würdest du in der Freiheit von dukkha die Teilnahmslosigkeit in gewalttätigen Situationen inkludiert sehen. Und mit Teilnahmslosigkeit meine ich nicht eine gleichgültige "ist-mir-scheiß-egal" Einstellung, sondern eine transzendierte Haltung der Akzeptanz gegenüber dem Akt der Gewalt.


    Daraus folgt für mich nämlich ein geistiger Zustand, der es mir ermöglicht ein Tier in "Zen-manier" zu foltern, ohne das ich darunter leide. Da sind wir allerdings weit entfernt von avihiṃsā, weshalb ich das (natürlich auch aus vielen anderen Gründen) strikt ablehen würde.

    Daher auch meine Frage, ob sich aus deinem beschrieben "geistigen Zustand" avihiṃsā ableitet, denn m.E. führt die Minderung von Gier, Hass und Verblendung zu einem Geist der Gewaltlosigkeit und des Wohlwollens.

    P.S. Ich kenne mich im Zen nicht gut aus. Ich frage, weil es mir falsch erschien und ich mich zum Thema interessiere.

  • Das Tier und Du teilen etwas Universales, und es wird dem Tier nicht genommen, wenn Du es tötest, weil es nicht genommen werden kann. Deine Aufgabe ist, in diesen Zustand geistig zu kommen. DAS ist Zen.

    Das Tier will einfach nur leben und dieser Wille wird nicht respektiert, sondern gewaltsam, mitsamt dem Leben, genommen.

    Wenn DAS Zen wäre, hätte es aber mit der Buddha-Lehre nichts mehr zu tun, die darauf verweist, dass Töten unheilsam ist, für den Geist (desjenigen, der tötet und den etwaiger Zuschauer!).

    Sein Problem ist das der meisten User hier: Sie können nicht ohne Gewissensbisse, d.h. ohne selbst zu leiden, ein Tier töten. Mit anderen Worten, sie tun es deshalb nicht, weil sie nicht leiden wollen. Insofern tun sie dann zwar etwas Buddhistisches, nämlich Leid vermeiden. Aber sie tun nichts Zenniges, nämlich die Ursache des Leidens nicht beseitigen: ihre künstliche Unterscheidung.

    Du ziehst hier eine falsche Schlussfolgerung, weil du völlig außer Acht lässt, dass man aus Liebe und Mitgefühl vermeidet, ein Tier zu töten. Das eigene Leiden ist da überhaupt kein Thema, sondern die Empathie für das Tier, von dem man weiß, dass es leben will.

    Selbst ethische Abwägungen scheitern hier sowieso, denn dem Fisch droht im Naturkreislauf - wie anderen Tieren, die der Mensch isst - ein ebenso adrenalinreicher Abschied wie beim Töten durch den Menschen - und da muss man nicht erst sehen, wie ein Komodo Waran seine Opfer verschlingt. Der Mensch ist Tier, und seine nächsten Verwandten sind Affen wie der Bonobo. Der Mensch ist anatomisch zum Fleischverzehr mutiert. Da die ethischen Argumente nie hinreichen (am ehesten noch der Klimaschutz), bemühen Buddhisten diese Regeln (sila)

    Wenn der Mensch sich an der Natur orientiert, kann er so ziemlich jede Grausamkeit rechtfertigen. Es ist sicher auch unheilsam für den Geist, sich anzusehen, wie ein Beutegreifer seine Beute tötet- der Buddha hat, meines Wissens, jedenfalls nicht dazu geraten, im Gegensatz zur Leichenbetrachtung....

    Ja, der Mensch ist - biologisch - ein Tier und manche Menschen wollen es bleiben.....

    "...Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..." (AN.VI.63)


    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)

  • Danke, Bosluk , da habe ich seinerzeit auch schon "mitgemischt"... ;)

    "...Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..." (AN.VI.63)


    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)

  • Anna, Du willst auch einfach nur leben und das wird nicht respektiert. Du musst sterben.

    Zitat

    Ja, der Mensch ist - biologisch - ein Tier und manche Menschen wollen es bleiben.....

    Manche Menschen wollen es nicht wahrhaben, auch wenn sie jeden Tag genau das Gleiche machen wie Tiere, nämlich fressen, kopulieren und defäkieren. Selbst wenn sie es nicht wollen, sie bleiben Säugetiere bis ans Ende ihres Daseins.


    Zitat


    Du ziehst hier eine falsche Schlussfolgerung, weil du völlig außer Acht lässt, dass man aus Liebe und Mitgefühl vermeidet, ein Tier zu töten. Das eigene Leiden ist da überhaupt kein Thema, sondern die Empathie für das Tier, von dem man weiß, dass es leben will.

    Diese Argumentation wurde sehr gut während Corona widerlegt, als sich herausstellte, dass Ungeimpfte das Virus gar nicht signifikant mehr weitergeben als Geimpfte, diese aber immer noch überwiegend behaupteten, sie ließen sich impfen, um andere zu schützen, und den Imfpverweigerern fehle es an Empathie.


    Zum einen ist also festzuhalten, dass die Empathiker sich etwas vormachen, einer Illusion aufsitzen über ihre eigenen Motive, und damit nicht richtig Zen üben.


    Zum anderen ist die Kategorie "Liebe" und "Mitgefühl" sehr schwammig. Wie ich schon sagte, ergibt sich aus der Situation möglicherweise ein Handeln, das man so beschreiben könnte, aber im Gegensatz zu Deiner Denkweise ist dieses Handeln kein Muss. Denn Du gehst von einer Prämisse aus - dass Liebe und Mitgefühl vorrangig seien -, die im Zen nicht gilt - da dort Erwachen und daraus folgendes handeln vorrangig ist. Dieses Handeln kann nicht mehr in dualistischen Kategorien wie Liebe und Hass agieren, sondern muss sie transzendieren können.


    Zitat


    Wenn DAS Zen wäre, hätte es aber mit der Buddha-Lehre nichts mehr zu tun, die darauf verweist, dass Töten unheilsam ist, für den Geist (desjenigen, der tötet und den etwaiger Zuschauer!).

    Das lehrt der Buddha aber in der Zen-Lesart nicht, sondern das selbst Kategorien wie "unheilsam" leer sind und sich im Geist des Erwachten nichts festsetzt und kein derartiges karma erzeugt wird.


    Zitat


    Daraus folgt für mich nämlich ein geistiger Zustand, der es mir ermöglicht ein Tier in "Zen-manier" zu foltern, ohne das ich darunter leide.

    Bosluk, warum sollte ein solcher Zennie ein Tier foltern? Das sind nur Spekulationen. Es fehlt ja an dem Interesse, der Kategorie Hass etc.


    Zitat


    Daher auch meine Frage, ob sich aus deinem beschrieben "geistigen Zustand" avihiṃsā ableitet, denn m.E. führt die Minderung von Gier, Hass und Verblendung zu einem Geist der Gewaltlosigkeit und des Wohlwollens.

    Das mag ja sein, ist aber dann wohl unnötig, weil die meisten Nicht-Buddhisten trotz Gier, Hass und Verblendung nicht besonders gewalttätig sind.


    Die Frage ist, was sich im Zen aus dem Zustand des Nicht-Unterscheidens ergibt, aus der Fähigkeit, nicht in die üblichen Kategorien von gut und böse zu trennen und situationsspezifisch zu reagieren. Die Frage für einen Zen-Übenden sollte nicht sein, wie eine zweitausend Jahre alte Lehre eine Kausalkette herleitet, nach der sich bei mönchisch angelegter Übung Gewaltlosigkeit einstellt. Wir haben historisch zu viele Beispiele, das darauf kein Verlass ist, von den Shaolin über japanische Tempelkrieger bis hin zu den burmesischen Rassisten in Robe, die gegen die Rohingya hetzen. Es gibt empirisch keine hinreichenden Belege, dass dieses auf Texten basierende Vorgehen zielführender ist.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Lieber Bebop,


    halte doch einfach mal einen von deinen Armen bei deinem nächsten Zoobesuch durch das Gitter vom Pumakäfig. Dann kannst du direkt in Zenni-Manier unmittelbar im Hier und Jetzt des Alltags lernen, warum es nicht gut ist wenn ein Lebewesen absichtlich unnütz leiden muss.


  • Zum anderen ist die Kategorie "Liebe" und "Mitgefühl" sehr schwammig. Wie ich schon sagte, ergibt sich aus der Situation möglicherweise ein Handeln, das man so beschreiben könnte, aber im Gegensatz zu Deiner Denkweise ist dieses Handeln kein Muss. Denn Du gehst von einer Prämisse aus - dass Liebe und Mitgefühl vorrangig seien -, die im Zen nicht gilt - da dort Erwachen und daraus folgendes handeln vorrangig ist. Dieses Handeln kann nicht mehr in dualistischen Kategorien wie Liebe und Hass agieren, sondern muss sie transzendieren können.

    Du denkst also, auf dem Weg zum Erwachen (welches ja nicht nur im Zen das Ziel der Praxis darstellt) sei es möglich, jenseits jeder Dualität, frei von Liebe/Hass (gut/böse) zu agieren und dann u.U. auch zu töten, um z.B. Sinne zu befriedigen (Stichwort "Gaumenkitzel") ?


    Und wenn jemand "vollständig erwacht" ist, hat er ohnehin "Narrenfreiheit", weil er ja gar nicht anders kann, als "richtig" zu handeln?

    Großartig- ein Freibrief für Missbrauch jeder Art...

    "...Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..." (AN.VI.63)


    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)

  • Zitat

    Du denkst also, auf dem Weg zum Erwachen (welches ja nicht nur im Zen das Ziel der Praxis darstellt) sei es möglich, jenseits jeder Dualität, frei von Liebe/Hass (gut/böse) zu agieren und dann u.U. auch zu töten, um z.B. Sinne zu befriedigen (Stichwort "Gaumenkitzel") ?

    Nein, nicht auf dem Weg ZUM Erwachen, sondern auf dem Weg DES Erwachens oder Erwachtseins. Denn da ist auch diese Kategorie "Gaumenkitzel" nicht entscheidend.


    Zitat


    Und wenn jemand "vollständig erwacht" ist, hat er ohnehin "Narrenfreiheit", weil er ja gar nicht anders kann, als "richtig" zu handeln?

    Das ist mir neu. Ich lebe in einem Rechtsstaat.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)