Display MoreGuter Gedanke, nur hast du leider nicht viel zur Auflösung dieses Widerspruchs beigetragen, wenngleich deine Analogie zum "Ich/Selbst" hilfreich sind - bitte versteh das nicht als Vorwurf :).
Ich werf mal mein 10 ct rein:
Die ganze Wiedergeburtsdebatte - aber auch gerade die zu "Atta/Anatta" krankt an ihrer Theorielastigkeit und ist abstrakt, weil oft falsche Definitionen im Umlauf sind. Man könnte auch fragen, warum zum Heck, hat der Buddha so einen schwer verständlichen Kram, wie "Nicht-Ich/Nicht-Selbst", überhaupt aufgebracht?
In der (nicht vermeidbaren) Debatte mit anderen Glaubensrichtungen seiner Zeit musste der begründen, wieso eine tätige Praxis überhaupt zu einem Ausstieg aus dem "Daseinskreislauf", aka "Erwachen", führen kann - genau das wurde nämlich von seinen Opponenten geleugnet (siehe auch MN76)
Das ist ja nur möglich, wenn das "Ich/Selbst" zusammengesetzt und damit vollständig wandelbar ist, also keinen abgegrenzten, andauernden Kern hat.Anatta bedeutet also "zusammengesetzt", "angeeignet", "nicht aus sich selbst heraus". Das
"Ich -Gefühl" selbst ist keine Illusion, eine Illusion bestände allerdings in der Annahme, dass dieses Gefühl auf einem unantastbaren Persönlichkeitskern beruht. Wenn man aber sagt, mein "Ich-Gefühl" beruht darauf, dass ich ganz spezifisch (durch Aneignung, also durch Bewertung meiner Erfahrungen) zusammengesetzt bin, dann ist das eine zutreffende Erkenntnis. Dann täuscht auch das "subjektive Gefühl" nicht.
Was folgt daraus - als eine ergänzende Sichtweise, quasi als "andere Betrachtungsweise".Ungeachtet der Tatsache, dass alle Wesen einzigartig spezifisch zusammengesetzt sind und damit jeweils ein spezifisches "Ich-Gefühl" erleben, teilen alle Wesen die gemeinsame Daseinsmerkmale "Zusammengesetzt sein", "Vergänglichkeit", "Leiden". Auf dieser Ebene unterscheiden sie sich eben nicht, nicht im Geringsten.
Das ist in der Praxis nach meiner Erfahrung offenbar schwer einzusehen, weil es selbst unter Buddhisten ein ziemlich weitverbreitetes Schema ist, sich in Hinblick auf die angenommenen eigenen Fortschritte auf dem Pfad, als weniger leidend anzusehen. Damit schränkt man aber schon die universelle Gültigkeit dieser Daseinsmerkmale ein, nämlich in Bezug auf sich selbst. Atta hat sich unbemerkt durch die Hintertür eingeschlichen.
Es ist nun (per Dfinition) klar, dass man dem Buddha (und den Pfadeingetretenen) einen solchen Vorwurf nicht machen kann.Wenn die Daseinsmerkmale vollständig durchdrungen sind - dann gibt es bezüglich dieser auch keinen Unterschied in der Betrachtung der Wesen. "Ich" ist dann haargenau dasselbe wie "Du", völlig abgesehen von individuell unterschiedlichen Zusammensetzungen. Und es ist ein Merkmal des Stromeintritts, dass man hinter diese Erkenntnis nicht zurückkann.
Wenn der Buddha (schon als Ergebnis der 4.Vertiefung) berichtet,
Zitat'Dort war ich, jenen Namen hatte ich, jener Familie gehörte ich an, das war mein Stand, das mein Beruf, solches Wohl und Wehe habe ich erfahren, so war mein Lebensende; dort verschieden trat ich anderswo wieder ins Dasein: da war ich nun, diesen Namen hatte ich, dieser Familie gehörte ich an, dies war mein Stand, dies mein Beruf, solches Wohl und Wehe habe ich erfahren, so war mein Lebensende; da verschieden trat ich hier wieder ins Dasein': so erinnert er sich mancher verschiedenen früheren Daseinsform, mit je den eigentümlichen Merkmalen, mit je den eigenartigen Beziehungen. (MN 76)
stellt er eben gerade nicht die "eigentümlichen Merkmalen, mit je den eigenartigen Beziehungen" in den Vordergrund - sondern das Gegenteil - das alles war "Ich" in vollständiger Anerkennung der universellen Daseinsmerkmale.
Mein "Ich" in der Qualität "leidendes Subjekt" wird ausnahmslos in jedem anderen leidenden Wesen "verschieden ins Dasein getreten" wiedergeboren.
Man muss sich nicht wundern, wenn die allermeisten seine Zuhörer das damals nicht in die Reihe bekommen konnten und heute ist es halt nicht anders.
Da wir hier im sakulärem Thread zum Thema Wiedergeburt sind und du bereits das Erste der Drei te-vijjā (die Erinnerung an frühe Daseinsformen) schön beschrieben hast, würde ich meine Vermerke zum 2. te-vijjā dazu packen (und zur Diskussion teilen).
Es handelt sich um das Wissen vom Schwinden und Erscheinen der Wesen (satta cutūpapāta-ñāṇa) das auch in deinem Bezugssutta MN76 zu finden ist und als Wissen vom Sterben und der Wiedergeburt der Wesen gedeutet wird.
QuoteWenn sein konzentriertes Herz auf solche Weise geläutert, klar, makellos, der Unvollkommenheit ledig, gefügig, nutzbar, stetig und unerschütterlich ist, richtet er es auf das Wissen vom Sterben und Wiedererscheinen der Wesen (satte). Er sieht mit dem geläutertem Himmlischen Auge die Wesen verschwinden (hāyati) und erscheinen (upapajjati), niedrige und hohe, schöne und häßliche, in Glück und Elend. Er versteht, wie die Wesen ihren Handlungen gemäß weiterwandern.
Ich fande hier besonders interessant, dass hier wieder vom Wesen (Satta) gesprochen wird.
QuoteWenn du an Sehnen, Begehren (chando - rago) und Verlangen (Taṇhā,) in Bezug auf Form/.../Bewusstsein festhältst,dann spricht man von einem Wesen
...heißt es in S23.2. Das ist nichts theoretisches, es lässt sich praktisch auf dem Kissen und im Alltag überpüfen. Und genauso lässt sich das "Erscheinen und Verschwinden eines Wesens" überprüfen. Denn wenn ich auf dem Kissen aufgrund eines zwickenden Knies nicht mehr sitzen will, mich über die Dunkelheit und Nässe oder über meine plappernden Nachbarn ärgere, dann ist da Begehren (taṇhā) und mit ihm auch ein Wesen erschienen. Ein Wesen gibt es immer nur in Verbindung mit einem Brennstoff (upādāna = Ergreifen/Brennstoff). Und ohne den Brennstoff (upādāna) oder ohne das Begehren (Taṇhā) verschwindet die Erscheinung "Wesen"(, nicht aber Form/.../Bewusstsein). Das wäre auch der Grund warum in MN72 Erscheinen (upapajjati) nicht mehr auf einen tathāgatā zutrifft, denn dieser hat das Begehren und Ergreifen abgeschnitten.
Der nächste Punkt ist, dass man upapajjati gerne als Geburt übersetzt und hāyati als Sterben. Und so kommt man dann auf "vom Sterben und Wiedergeboren werden der Wesen aufgrund ihrer Taten..."
Mettiko hat hier richtigerweise Erscheinen und Verschwinden der Wesen übersetzt. Unter diesem Link wird die Deklaration gut anhand der Sutten M148 und MN72 beschrieben, dass upapajjati keinesfalls einfach mit Geburt übersetzt werden kann und im Kontext anderer Sutten nicht richtig sein kann.
Sicherlich gibt es hier viele Arten der Interpretation und entsprechend des Kalamer-Sutta geht man nicht einfach nach dem Geplapper anderer. Aber nur wer eine Auswahl an Interpretationen kennt, kann auch eine Entscheidung darüber treffen, welche davon zum Ende von Dukkha führt und zum Segen und Wohl meinerseits, als auch zum Segen und Wohl des anderen beiträgt.