Herzlichen Dank auch von mir, lieber Igor07 , für das wichtige Thema und das Einstellen des inspirierenden Interviews mit Bhikkhu Bodhi, den ich sehr schätze.

Zu einigen Zitaten des ehrwürdigen Bhikkhu Bodhi würde ich gerne noch ein paar Anmerkungen machen:
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Bevor ich mich mit dem Buddhismus beschäftigte, betrachtete ich mich als sozial und politisch fortschrittlich. Mitte der 1960er Jahre schloss ich mich der Protestbewegung gegen den Krieg der USA in Vietnam an und sympathisierte mit der Bürgerrechtsbewegung.
Wie viele junge Menschen dieser Zeit teilte ich die Hoffnung, dass wir endlich in eine Ära der Liebe, des Friedens und der Gerechtigkeit eintreten würden, in der alle Missstände weltweit beseitigt werden würden – eine Ära, die in Bob Dylans Lied "The Times They Are a-Changin'" beschrieben ist.
Bhikkhu Bodhi hat zuletzt gewissermaßen zu seinen aktiven Wurzeln zurückgefunden, nachdem er sich jahrelang "nur" um "Studium und Praxis des Dhamma" - "seine" Befreiung - bemühte.
Sein Interesse und Engagement bestanden also schon, bevor er mit dem Buddhismus in Kontakt kam, sind demnach Teil seiner "Persönlichkeit"...
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Wenn ich mir unsere derzeitige globale Situation anschaue, können wir meiner Meinung nach drei große Bereiche des menschlichen Lebens unterscheiden.
Der eine ist der transzendente Bereich, die Sphäre der Erleuchtung und Befreiung, die Verwirklichung des nirvanischen Friedens und der Freiheit, die der klassische Buddhismus anstrebt.
Der zweite ist der soziale Bereich, der sowohl die zwischenmenschliche Ethik als auch unsere politischen, sozialen und wirtschaftlichen Strategien und Organisationsformen umfasst.
Und der dritte Bereich ist der natürliche, der unseren physischen Körper, andere fühlende Wesen und die natürliche Umwelt einschließt. Aus meiner heutigen Sicht wird eine Spiritualität, die das Transzendente bevorzugt und die sozialen und natürlichen Bereiche abwertet oder sie bestenfalls als Sprungbrett zu höherer Verwirklichung betrachtet, unseren gegenwärtigen Bedürfnissen nicht gerecht.
Meines Erachtens erfordert unsere kollektive Zukunft eine integrale Art von Spiritualität, welche die drei Bereiche des menschlichen Lebens integriert.
Die drei Bereiche sind nachvollziehbar, doch passt diese Trennung/Aufspaltung zu dem "Einheitsgefühl/Einssein" mit allem? 
Leider wertet Bhikkhu Bodhi hier selbst eine Form der Spiritualität ab, nämlich jene, die "das Transzendente bevorzugt", weil er die Ansicht vertritt, dass sie "unseren gegenwärtigen Bedürfnissen nicht gerecht" werde.
(Wünsche, Bedürfnisse, "Habenwollen" -> Gier...?!)
Wird das Bedürfnis nach "Weltfrieden" je gestillt werden?
(Solange es die "Geistesgifte" gibt, wohl eher nicht...)
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Das bedeutet, dass wir unter dem Antrieb von Liebe und Mitgefühl die Weisheit, die wir aus unseren Einsichten in das Transzendente gewonnen haben, zurück in die Welt bringen müssen, um den sozialen und natürlichen Bereich in einer Weise zu transformieren und umzugestalten, die von der transzendenten Verwirklichung oder zumindest von den Prinzipien, die eine solche impliziert, geleitet wird.
Im sozialen Bereich müssen wir nach Regierungsmodellen streben, die Gerechtigkeit, Gleichheit, Mitgefühl und gemeinsamen Wohlstand beinhalten.
Im Bereich der Natur müssen wir lernen, den Eigenwert der Natur zu respektieren, andere Lebewesen mit Sorgfalt und Ehrfurcht zu behandeln und dafür zu sorgen, dass die natürliche Welt ihre Selbstregenerationsfähigkeiten bewahrt, damit künftige Generationen einen lebenswerten und blühenden Planeten von uns erben können.
Das hört sich alles wunderbar an, aber:
Wir "müssen" , wir "sollten".... "transformieren", "umgestalten"....
Solche Formulierungen gebrauchen Politiker häufig - und überhaupt Menschen, die "aktiv gestalten" wollen.
Ich kann das alles unterschreiben, finde aber den dahintersteckenden Anspruch problematisch und nicht recht kompatibel mit dem buddhistischen Gleichmut, die Welt - so wie sie ist - anzunehmen.
So wird m.E. - quasi nebenbei - ein latenter Druck auf Buddhisten ausgeübt, welche vielleicht von ihren ganzen Wesen her eher introvertiert sind, vom Meditationskissen aufzustehen und sich aktiv zu engagieren.
(Andernfalls müssen sie sich zumindest anhören, nicht mitfühlend (genug) zu sein...)
Warum kann es im Buddhismus nicht - wie z.B. bei den kath. Ordensgemeinschaften, wo, neben missionarisch und karitativ tätigen Orden, die sich "in der Welt engagieren", auch "kontemplative" , weltabgewandte, existieren, -
buddhist. Gemeinschaften mit eher nach innen gerichteter Praxis UND eben "engagierte Buddhisten" geben, OHNE dass die Erstgenannten dem Vorwurf mangelnden Mitgefühls und damit gleichsam einem Rechtfertigungszwang unterliegen?
Was jeder - außer der Dharmapraxis für inneren Frieden - tun kann, ist natürlich SPENDEN und da kann man sich dann fragen, wo das Geld sinnvoller angelegt ist:
In der Sangha, für Renovierungen, Deko/ Inventar, Festivitäten etc. oder bei einer Hilfsorganisationen wie MiA. e.V., die wirklich Notleidenden helfen.
(Am besten wohl gleichfalls: Sowohl, als auch...
)
Anders sieht es m.E. bei buddhist. Dachorganisationen aus - diese sollten z.B. bei weltbewegenden Ereignissen, wie Kriegen und anderen menschengemachten Katastrophen (Klimawandel,...),
NICHT SCHWEIGEN, sondern (recht) REDEN und ggf. HANDELN (Petitionen verfassen etc.).
Sie repräsentieren ja "die" Buddhisten nach außen und können dadurch, nebenbei noch, Menschen ansprechen und motivieren, sich für die Buddhalehre/den Buddhismus zu erwärmen...
Liebe Grüße, Anna
