Buddhas Lehre führt nicht zum Ende des Leidens

  • Hallo accinca,


    ich denke Erdmaus hat das Leiden an sich gemeint. Derjenige, dessen Egowahn zur Erlöschung kommt, wir sicher (hoffentlich ;) ) vom Leiden befreit. Alle anderen leiden aber weiter.


    In diesem Zusammenhang frage ich mich - bei der hier i.a. vertretenen übertragenen Bedeutung von Nirvana - ob es hilfreich ist, auf das Eintreten ins Nirvana zu verzichten, um andere zu erretten. Das ist doch der Gegenstand des Mahayana, oder? Wenn ich im Diesseits mein Nirvan gefunden habe, bin ich doch viel besser in der Lage, auch andere zu retten.


    LG,


    Milou

    "... Wer jedoch nur Ochsenscheiße hat im Geist, der sieht nur Ochsenscheiße überall."

  • Milou:

    Hallo accinca,
    ich denke Erdmaus hat das Leiden an sich gemeint. Derjenige, dessen Egowahn zur Erlöschung kommt, wir sicher (hoffentlich ;) ) vom Leiden befreit. Alle anderen leiden aber weiter.


    Das ist es was ich meinte. "alle anderen" ist ich, du oder sie - Wahn.
    Ist der da, dann ist auch Leiden. Ist er nicht, dann auch keine Leiden.
    Wo der Wahn (Triebe) erloschen ist, da gibt es kein Leiden und niemand
    der gerettet werden müßte. Nun sagen da viele, ja aber der Buddha, der
    hatte doch den Wahn überwunden und doch hat er anderen geholfen den
    Wahn zu überwinden - von Mitleid bewogen - wie passt das denn- wenn
    da kein Leiden wäre, hätte er doch nicht helfen können und brauchen?
    Die Antwort darauf ist nicht leicht verständlich, aber es ist eben so,
    das es einen Buddha nur solange gibt, wie es Ich-wahn und Leiden gibt.
    Es ist eben der Wahn, der einen Buddha im Erleben erscheinen läßt. Durch
    sehen, hören usw. entstanden und dieser lehrte, sehen soll nur noch sehen
    sein, hören soll nur noch "hören" sein usw. - so ist das Gestalten,
    Zusammensinnen, Konstruieren usw. zu überwinden. Solange aber noch
    Festhalten der Welt (von Ich, Wir, Du Unser) ist, solange ist Nichtwissen
    und Leiden. Mehr kann dazu eigentlich nicht gesagt werden.


    S.22.95
    Angenommen, ein Mann, der Augen hat, betrachte sich die vielen Wasserblasen auf dem Ganges, und er beobachte und untersuche sie gründlich; nachdem er dies aber getan hat, erscheinen ihm diese leer, unwirklich und wesenlos. In derselben Weise betrachtet der Mönch alles Körperliche, alle Gefühle, alle Wahrnehmungen, alle Aktivität und alles Bewußtsein, ob vergangen, gegenwärtig oder zukünftig, eigen oder fremd, grob oder fein, edel oder gemein, fern oder nahe, und er erkennt alle diese Dinge als leer, nichtig und wesenlos. Dem Schaumball gleichet dieser Leib, Der Wasserblase das Gefühl, Dem Luftbilde die Wahrnehmung, Dem Pisangstamm (Bananenstaude) die Geistgebilde, Bewußtsein einem Gaukelwerk.

  • Hallo accinca,


    soll das heißen, dass, wenn ich erleuchtet bin, für mich das Leid anderer nicht mehr existiert und ich diese deswegen nicht erlösen bzw. diesen nicht helfen muss? Ist das nicht die schlimmst mögliche Interpretation des Buddhismus?


    LG,


    Milou

    "... Wer jedoch nur Ochsenscheiße hat im Geist, der sieht nur Ochsenscheiße überall."


  • Das erinnert mich an das Kind, welches die Augen zuhält um nicht mehr gesehen zu werden ^^

  • Milou:

    Hallo accinca,
    soll das heißen, dass, wenn ich erleuchtet bin, für mich das Leid anderer nicht mehr existiert und ich diese deswegen nicht erlösen bzw. diesen nicht helfen muss? Ist das nicht die schlimmst mögliche Interpretation des Buddhismus?


    Es gibt kein Ichwahn der "erleuchtet" sein könnte.
    Entweder es gibt Ichwahn oder der Ichwahn ist erloschen.

  • Erdmaus:

    Das erinnert mich an das Kind, welches die Augen zuhält um nicht mehr gesehen zu werden ^^


    Das ist aber nicht das wovon ich sprach. Der Vergleich paßt
    gerade überhaupt nicht, denn es gibt hier niemand der sich
    die Augen zuhalten würde. Wo es keinen Ichwahn gibt, gibt
    es auch niemand der sich Augen zuhalten könnte. Sogar mit
    Ichwahn gibt es niemand der sich die Augen zuhalten könnte.
    Der Ichwahn ist schon eine Vorbedingung für den Wahn es
    könnte sich jemand die Augen zuhalten. Es ist übrigens auch
    ein Problem der modernen Physik die erkannt hat, das ohne
    Messungen bzw. Wahrnehmungen von einer Wechselwirkung
    und damit von einer Wirklichkeit nicht gesprochen werden kann.


  • Tja das kann passieren nach der Überwindung der Wahrnehmung .... :lol:

    Nibbana:..Befreit von der Zuordnung durch Form, Vaccha, ist der Tathagata tief, grenzenlos, hart auszuloten, wie die See. 'Wiedererscheinen', ist nicht anwendbar. 'Nicht wiedererscheinen',ist nicht anwendbar... MN72 (http://zugangzureinsicht.org/)

  • Mabuttar:

    Milou

    Zitat


    Das erinnert mich an das Kind, welches die Augen zuhält um nicht mehr gesehen zu werden ^^


    Tja das kann passieren nach der Überwindung der Wahrnehmung .... :lol:


    Zumindest erscheint hier der Wahn es gäbe jemand der sich die Augen zuhält.
    Kein Wunder also das es die Dinge trotzdem noch gibt.
    Der Objekt-Subjekt-Spaltungswahn ist nicht dadurch gelöst,
    daß die Augen zugehalten werden.

    Einmal editiert, zuletzt von accinca ()

  • Hey, vielen Dank für die Antworten !


    Ich denke ich verstehe, was ihr schreibt und ich habe mir auch die Links von Hanzze angeschaut. In der Geld-Anekdote scheint meine Antwort die ich suche angedeutet zu sein. Aber ich versteh es noch nicht.


    Milous Ausführungen über den Mittelweg erscheinen mir plausibel. Auch all die Dinge, die man tun sollte, um "gutes" zu tun. Ich fühle ja, dass das richtig ist, aber ich verstehe leider immer noch nicht, WARUM es so ist?! also rational gedacht. Wieso ist es aus der buddhistischen Logik heraus sinnvoll, Menschen Gutes zu tun?
    Das erschließt sich mir nicht.

  • Liebe(r) The36Chamber,

    Zitat


    Du schreibst:
    ... Wieso ist es aus der buddhistischen Logik heraus sinnvoll, Menschen Gutes zu tun? ...


    Die Profi-Buddhisten hier haben sicher wieder jede Menge Zitate auf Lager - damit kann ich Dir nicht dienen.
    Ich habe eine Weile über Deine Frage nachgedacht und mir das Hirn zermartert. Ich bin eher ZEN-lastig und
    mit den Vier Edlen Wahrheiten und dem Achtfachen Pfad mehr als genug bedient, d.h. viel mehr Motivation
    brauche ich nicht, um meinen Lebensweg buddhistisch zu gehen. Nachfolgend ein paar Gedanken, die ich
    mir gemacht habe.


    Gutes zu tun, lässt sich verschieden motivieren. Das primäre Ziel ist wohl, selbst vom Leiden erlöst zu werden.
    Das Leiden entstammt größtenteils aus der Anhaftung an Dinge und das eigene Ego. Gutes für andere zu tun,
    erzwingt gewiss das Loslassen des eigenen Egos bzw. des eigenen Vorteils. Es dient damit auf jeden Fall als
    Übung zur eigenen Entwicklung bzw. Erlösung.


    Weiterhin ist natürlich Rechtes Handeln auch ein Teil des edlen achtfachen Pfads und damit für Buddhisten
    verbindlich, da es ja zu den Grundthesen des Buddhsimus gehört (im Gegensatz zu Karma).


    Karmisch motiviert bringt das Unterlassen von Hilfe für Hilfebedürftige gewiss schlechtes Karma und ist damit
    ebenfalls zu vermeiden. Obwohl man natürlich bei ausgeglichenem Karma-Konto auch kein gutes Karma mehr
    anhäufen sollte. Ich vermute aber, dass die meisten Buddhisten davon ausgehen, dass ihr Karma-Konto erheblich
    im Minus ist. :D


    Sollte man schon erleuchtet sein, so ist im Mahayana wohl das nächste höchste Ziel, auch anderen Menschen
    zur Erleuchtung zu verhelfen bzw. diese vom Leid zu befreien.


    Hier stellt sich natürlich die Frage, was etwas Gutes tun bedeutet. Im Karma Yoga heißt es: Alles was
    geschieht ist gut für mich
    . Christen sehen es ähnlich: Alles was geschieht, geschieht aus gutem Grund,
    auch wenn wir es momentan nicht verstehen
    . Insofern kann auch das Prügeln eines bei der Meditation
    unaufmerksamen Schülers etwas Gutes sein. Hungernden Afrikanern Nahrung zu bringen, führt diese in
    die totale Abhängigkeit, was noch mehr Leid schafft und letztendlich eher schlecht ist.


    Diese Probleme machen die Beantwortung Deiner Frage für mich noch schwieriger. Man sollte wohl erstmal
    definieren, was etwas Gutes tun bedeutet.


    Vielleicht nützen Dir ja diese Gegankengänge, dann hätte ich etwas Gutes getan, was mich freut, aber gleichzeitig
    mein Ego mit Stolz füllt - was wiederum schlecht ist. :D


    LG,


    Milou

    "... Wer jedoch nur Ochsenscheiße hat im Geist, der sieht nur Ochsenscheiße überall."

  • Ich will auch kein "Profi" werden. Mir geht es um die Gedanken dahinter und darum, dass die buddhistische Philosophie in meinen Augen mehr Fragen beantworten kann als andere.


    Zitat

    Das primäre Ziel ist wohl, selbst vom Leiden erlöst zu werden.
    Das Leiden entstammt größtenteils aus der Anhaftung an Dinge und das eigene Ego. Gutes für andere zu tun,
    erzwingt gewiss das Loslassen des eigenen Egos bzw. des eigenen Vorteils. Es dient damit auf jeden Fall als
    Übung zur eigenen Entwicklung bzw. Erlösung.


    Also weil man kein "Ego" ist, sondern "eins" mit allen Lebewesen, kann man auch unmöglich anderen etwas antun, was man für sich selbst nicht will?!
    Das wäre aus der Logik des Buddhismus heraus eine Möglichkeit "Gutes" herzuleiten. Aber "Anhaftung" bedeutet ja auch, Anhaftung an Gutes. Also auch an Liebe, welche ja dann eigentlich auch etwas wäre, was wir nicht "zu viel" verteilen und wollen sollten (wogegen ich jetzt spontan mal protestieren würde)?!



    Zitat


    Vielleicht nützen Dir ja diese Gegankengänge, dann hätte ich etwas Gutes getan, was mich freut, aber gleichzeitig
    mein Ego mit Stolz füllt - was wiederum schlecht ist. :D


    :D
    Eigentlich triffst du damit auch den Punkt, den cih nicht verstehe. Wenn ich beispielsweise einem Obdachlosen Geld gebe, weil meine Prinzipien es mir sagen. Dann fühle ich mich doch gewissermaßen "gut", weil ich nach meinen Prinzipien gehandelt habe und tue meinem Ego damit was Gutes. Demnach kann diese Tat aufgespaltet werden in einen "Gut für mich"-Teil und "Gut für den Obdachlosen"-Teil. Auch das klingt irgendwie "unbuddhistisch"?


    Vielleicht nerv ich ja auch etwas mit meinen vielen Fragezeichen^^
    Aber ich würde da wirklich gerne etwas mehr Klarheit in mir finden.

  • Lieber The36Chamber,


    das eine Tat gut für Dich und gut für den anderen ist, ist ja erstmal nicht schlimm. Jemand hat im Chat mal gefragt, ob es buddhistisch ist, zum Frühstück eine Käsesemmel zu essen? Wir haben herzlich gelacht. Man muss sicher nicht alles mit Buddhsimus begründen. Der Buddhismus soll eine Richtlinie sein, aber kein Gesetz. Wenn man mal was unbuddhistisches macht, kommen halt ein paar zusätzliche Wiedergeburten dazu. ;)


    Letztendlich ist es natürlich im Buddhismus so, dass es keine Freude machen soll, Gutes zu tun (unabhängig von der Definition, was gut ist :D ). Alles Tun soll absichtslos geschehen. Wenn Du in der buddhistischen Ausbildung weiter fortgeschritten bist, wirst Du das verstehen.


    Wenn Du an Dir selbst arbeitest, wirst Du irgendwann merken, das es einfacher wird, Gutes für andere zu tun. Es läge ein roßer Fehler darin, sich selbst zu vernachlässigen, um anderen zu helfen. Dann endet man irgendwann als fundamentalisticher Eiferer. Nähert man sich der Erleuchtung, weiß man intuitiv was gut und richtig ist, ohne dem Guten und Richtigen anzuhaften.


    Aber vergiss nicht: Auch ich bin ein Blinder der von Farben redet!


    LG,


    Milou

    "... Wer jedoch nur Ochsenscheiße hat im Geist, der sieht nur Ochsenscheiße überall."