"Wie die Dinge sind" von Lama Ole Nydahl

  • Jan:

    Sagt denn keiner der anderen Lamas etwas gegen die Weltanschauung Lama Ole Nydahls?


    Warum sollten sie? Soweit ich das beurteilen kann, vertreten sie ähnliche Ansichten, denn auch sie gehören ja zum "Vajrayana" bzw. "Mahayana". Sie reden z. B. auch von einer "Natur des Geistes", die "klar und erkennend" ist usw. Auf die Lehre des Buddha, wie sie im Palikanon überliefert ist, können sie sich dabei (und auch in vielen anderen Bereichen) allerdings nicht berufen, denn dort ist von solchen Dingen nicht nur nicht die Rede, sondern die dortigen Aussagen des Buddha widersprechen dem sogar. Was diese Widersprüche zu bedeuten haben, muss jeder für sich selbst entscheiden. Für mich persönlich sind sie ein Zeichen für die Verwässerung und den Verfall der Lehre. Andere empfinden diese große "innerbuddhistische Vielfalt" vielleicht als Bereicherung.

  • Vajragesänge von Gendün Rinpotsche
    Ein kleiner Gesang über die vollkommen reine Natur,
    der meinem Mund entschlüpfte:
    Königliche Sicht ist,
    alle Vorstellungen von Subjekt und Objekt hinter sich zu lassen.
    Königliche Meditation ist,
    nichts zu tun, nicht zu meditieren und nicht abgelenkt zu sein.
    Königliches Handeln ist,
    frei von Anstrengung, Annehmen und Aufgeben zu sein.
    Hoffnung und Furcht loslassend
    offenbart sich die Frucht.
    Jenseits aller Bezugspunkte, wo es keinen Geist gibt,
    erstrahlt das Wesen des Geistes.
    Ohne Stufen oder Pfade zu durchlaufen,
    wird das Ende des Weges aller Buddhas erreicht.
    Ohne Meditationsobjekte meditierend
    wird unübertreffliche Buddhaschaft erlangt.
    Gendün Rinpotsche

  • Das Diamant-Sutra


    3. Das Bodhisattva Gelübde


    Der Buddha sprach zu Subhuti: "Auf diese Weise beherrschen die Bodhisattva-Mahasattvas ihr Denken: 'Wieviele Arten von Lebewesen es auch geben mag - ob aus einem Ei oder einem mütterlichen Schoß geboren, aus Feuchtigkeit entstanden oder aus sich selbst heraus; ob diese Wesen nun Form haben oder keine Form, Wahrnehmungen haben oder keine Wahrnhemungen; ... wir müssen all diese Wesen zum endgültigen, vollständigen Nirvana führen, damit sie Befreiung finden können. Und wenn die nicht zu zählende, unermessliche, unendlich große Anzahl der Wesen befreit ist, denken wir nicht, daß auch nur ein einziges Wesen befreit ist.'
    Warum ist das so? Wenn, Subhuti, ein Bodhisattva an der Vorstellung festhält, daß ein Selbst, eine Person, ein Lebewesen oder eine Lebensspanne existiere, dann ist er kein echter Bodhisattva."


    17. Genaues bestimmen des Bodhisattva


    Da wandte sich der ehrwürde Subhuti an den Buddha und sagte: "Weltverehrter, darf ich dich erneut fragen: Wenn Töchter oder Söhne aus guter Familie höchsten, vollkommen erwachten Geist zu erwecken suchen, auf was sollen sie sich stützen und was sollen sie tun, um ihr Denken zu beherrschen?"


    Der Buddha erwiderte: "Subhuti, ein Sohn oder eine Tochter aus guter Familie, der oder die höchsten, vollkommen erwachten Geist zu erwecken sucht, sollte folgendermaßen denken: ' Wir müssen alle Wesen zum Ufer des Erwachens führen, doch nachdem diese Wesen befreit sind, denken wir in Wirklichkeit nicht, daß auch nur ein einziges Wesen befreit ist.'
    Warum ist das so? Subhuti, wenn ein Bodhisattva noch in die Vorstellung von einem Selbst, einer Person, einem Lebewesen oder einer Lebensspanne verstrickt ist, dann ist diese Person kein echter Bodhisattva.
    Warum? Subhuti, in Wirklichkeit gibt es kein unabhängig existierendes Objekt des Geistes, das höchster, vollkommen erwachter Geist genannt wird. Was meinst du, Subhuti? Als der Tathagata in alten Zeiten mit dem Buddha Dipankara lebte, erlangte er da etwas, das höchster, vollkommen erwachter Geist heißt?"


    "Nein, Weltverehrter. Wenn ich die Lehren des Buddha richtig verstanden habe, gibt es kein Erlangen von etwas, das höchster, vollkommen erwachter Geist heißt."


    Der Buddha sagte: "Du hast recht, Subhuti. In Wirklichkeit gibt es den so genannten höchsten, vollkommen erwachten Geist, den der Tathagata erlangt hat, nicht. Wenn es nämlich ein solches gäbe, dann hätte der Buddha Dipankara von mir vorausgesagt: 'In der Zukunft wirst du ein Buddha namens Shakyamuni sein.' Diese Prophezeiung erfolgte nicht, weil es in Wirklichkeit nichts gibt, das erlangt werden kann und das höchster, vollkommen erwachter Geist heisst.
    Warum? Tathagata bedeutet die Soheit aller Dinge (Dharmas). Würde jemand behaupten, der Tathagata habe höchsten, vollkommen erwachten Geist erlangt, so irrte er, denn es gibt keinen höchsten, vollkommen erwachten Geist, der zu erlangen wäre. Subhuti, der höchste, vollkommen erwachte Geist, den der Tathagata erlangt hat, ist weder erfassbar noch nicht erfassbar. Daher hat der Tathagata gesagt: 'Alle Dharmas sind Buddhadharma.'
    Das, was alle Dharmas genannt wird, sind in Wirklichkeit alles Nicht-Dharmas. Darum werden sie alle Dharmas genannt.
    Subhuti, man kann dies vergleichen mit der Vorstellung von einem großen menschlichen Körper."


    Subhuti sagte: "Was der Tathagata einen großen, menschlichen Körper nennt, ist in Wirklichkeit nicht ein großer menschlicher Körper."


    "Subhuti, das gleiche gilt für Bodhisattvas. Wenn ein Bodhisattva denkt, dass er alle Lebewesen zu befreien habe, dann ist er noch kein Bodhisattva.
    Warum? Subhuti, es gibt kein unabhängig existierendes Objekt des Geistes, das Bodhisattva heißt. Daher hat der Buddha erklärt, daß alle Dharmas ohne ein Selbst, eine Person, ein Lebewesen oder eine Lebensspanne sind. Subhuti, wenn ein Bodhisattva denkt: 'Ich muß ein harmonisches, schönes, Buddha-Feld schaffen', dann ist diese Person noch kein Bodhisattva.
    Warum? Das, was der Tathagata ein harmonisches, schönes Buddha-Feld nennt, ist in Wirklichkeit nicht ein harmonisches, schönes Buddha-Feld. Und darum wird es harmonisches, schönes Buddha-Feld genannt. Subhuti, jeder Bodhisattva, der das Prinzip von Nicht-Selbst und Nicht-Dharma von Grund auf versteht, wird von dem Tathagata als wahrer Bodhisattva bezeichnet."

    Nimm dir täglich Zeit, ruhig dazusitzen und den Dingen zu lauschen.
    Achte auf die Melodie des Lebens, die in dir schwingt.
    Glaube an die Kraft eines freizügigen Herzens.
    Und gib anderen Wesen von dem, was du hast.

  • Hallo Jan,


    Lama Ole bezieht sich hier auf das Große Siegel.
    In den Mahamudra Wünschen vom 3. Karmapa steht:


    Vers 7: Die Grundlage der Reinigung ist der Geist selbst, seine Einheit von Klarheit und Leerheit; ………


    Vers 9: Alle Dinge sind Trugbilder des Geistes;
    Der Geist ist nicht als ein Geist vorhanden, er ist seinem Wesen nach leer;
    Obwohl leer, erscheint gleichzeitig alles ungehindert……….


    Vers 11: Er ist nicht vorhanden, denn sogar die Buddhas sehen ihn nicht;
    Er ist nicht nicht vorhanden, denn er ist die Grundlage von allem,………


    Vers 12: Man kann ihn nicht aufzeigen, indem man sagt „ dies ist er“;
    Man kann ihn nicht verneinen indem man sagt „dies ist er nicht“……..


    Vers 14: Erscheinung ist der Geist, und so ist Leerheit;
    Erkenntnis ist der Geist, und Verblendung ebenfalls;
    Entstehen ist der Geist, und Auflösen auch……….


    Vers 17: Blicken wir immer wieder auf den nicht sichtbaren Geist,
    sehen wir sein nicht sichtbares Wesen- ……….


    Wenn man diese Verse versteht, versteht man auch die Aussage von Lama Ole. Wer behauptet es gibt den Geist liegt falsch, wer behauptet es gibt den Geist nicht liegt auch falsch.
    Man sollte Lama Oles Aussage in seinem Buch im Zusammenhang sehen, nur so erschließt sich hier die Bedeutung seiner Worte. Ergänzend zu dem Buch „Wie die Dinge sind“ empfehle ich dir „Das Große Siegel“ von Lama Ole.


    Übrigens finde ich den Erklärungsversuch von Vinnana sehr treffend.


    Gruß
    Thai