Beiträge von Jojo

    dorakuan:

    Deswegen sehe ich Zen-Gruppen oder Sesshin wo man "nur sitzt", gelegentlich einem Vortrag des Lehrers lauscht und dann wieder nach Hause geht etwas problematisch. Der Lehrer hat dort eine "Rolle" ... im Alltag ist der Lehrer immer präsent, und steht meistens hinter dir, wenn du gerade dabei bist, irgend einen Blödsinn zu machen.


    ich denke, das eine ergänzt das andere.
    im Alltag sind meine Familienangehörigen, meine Eltern, meine Kollegen meine Lehrer.
    Besonders Familienangehörige und Kollegen lehren sehr intensiv...
    Ich nenne die "die Billiglehrer".
    An jeder Straßenecke steht einer bereit, um mich zu belehren.
    Wenn mich auf dem Sesshin dann einer, der auf dem Weg schon weiter ist, mal ausnahmsweise nicht belehrt, finde ich das sehr hilfreich.

    dorakuan:

    Auf meinen Sesshin erlebe ich, dass hin und wieder Leute kommen, die gar nichts lernen wollen. Oder die von mir nichts lernen wollen.


    ist das für dich dann eine statische Situation?
    oder sind das die Leute, von denen DU was lernen kannst?

    Ellviral:

    Einige von denen die ich nicht als Lehrer gesehen habe sind mir in der Erinnerung lieb geworden. Das werden sie nie erfahren, ausser es kommt ein gemeinsamer Zeitpunkt der Anwesenheit.


    so geht es mir auch.

    Ellviral:
    Jojo:

    Alle, die ich als gute Lehrer wahrgenommen habe, haben oder hatten etwas gemeinsam.


    Sage mir was sie gemeinsam hatten.


    sie waren/sind aufrichtig.
    sie waren/sind hingebungsvoll und konzentriert in ihrer eigenen praxis, ob formal oder nicht formal.
    und trotzdem: sie waren/sind nichts "Besseres" als ich.


    zum Thema Gewalt.
    ich denke, dass ein wirklicher Meister Gewalt tatsächlich als geschicktes Mittel anwenden kann. Dazu gehört aber wirklich Meisterschaft und große Erfahrung. und ich finde dieses MIttel gefährlich, weil viele von uns (Schüler, aber auch Lehrer) in dem Irrtum befangen waren/sind, dass Gewalt im Zen ein unvermeidbares Mittel ist.


    Den Begriff Gewalt möchte ich hier nicht nur auf physische Handlungen anwenden, sondern auch auf psychische, z.B. die Forderung nach blindem Gehorsam.

    Jikjisa:
    Jojo:

    was ist das wesentliche?
    dieses "Kriterium" führt in eine Sackgasse.


    Interessant. Wie kommst du darauf ?


    Ich frage mich: was ist ein guter Lehrer?
    Antwort: Er weist auf das Wesentliche hin.
    Frage: Was ist das Wesentliche?
    Antwort: Das, was der Lehrer dir sagt... ?


    Wie kann ich mit diesem Kriterium einen guten von einem nicht guten Lehrer unterscheiden?

    Ellviral:
    Jojo:

    3. Ein guter Lehrer übt keine Macht aus.


    Ein Guter Lehrer ist Macht! Ein Guter Lehrer ist Mächtig!
    Er muss das sein! Er muss auch Gewalt anwenden können, niemals Gewalt der Körperverletzung!!! Das macht ihn zu einem Tyrannen.


    Ich stimme nicht mit dieser Sprache überein.
    Vielleicht muss ich es anders formulieren.
    Ein guter Lehrer setzt seine Macht nicht mit Gewalt durch.
    Meinst Du vielleicht Unerschrockenheit, so wie bei einem Chirurgen?


    Wobei ich finde, das alles ist schon ein bisschen viel an Anspruch.
    Ich möchte weg von den Ansprüchen, hin zu den Erfahrungen.


    Meine heutige Vorstellung von einem guten Lehrer ist ganz anders als vor fünfzehn Jahren. Trotzdem. Alle, die ich als gute Lehrer wahrgenommen habe, haben oder hatten etwas gemeinsam.

    Ji'un Ken:

    Und schon können wir uns darüber austauschen, was ein guter Zen-Lehrer eigentlich ist. Kann man das überhaupt so sagen? Ist das nicht eher für jeden etwas anderes? Erleichtert es eine Lehrer/Schüler Beziehung, wenn der Lehrer als Freund empfunden wird, als jemand, der einen mag? Oder ist das nicht eher eine Falle? Braucht es die traditionelle Lehrer/Schüler Beziehung überhaupt oder wie könnte es anders aussehen?
    Hier ist die Möglichkeit für einen Diskurs.


    Über dieses Thema habe ich lange nachgedacht. Ich halte es für sehr wichtig. Es ist ein guter BAshing-Anlass, weil man Vorstellungen auf den Tisch legen muss.


    Ich oute mich mal. Mir fällt eine Bedingung ein, die ein guter Lehrer erfüllen muss. Ansonsten zeichnet ein guter Lehrer sich meiner Meinung nach vor allem durch das aus, was er nicht tut.


    1. Ein guter Lehrer ist präsent. Er ist da. Er macht den Zendo auf, schlägt die Glocke und praktiziert, egal, ob jemand kommt oder nicht. Mein erster Lehrer hat dreißig Jahre auf diese Weise gelehrt. Seit ein paar Jahren ist er tot. Erst jetzt fange ich an, von ihm zu lernen.


    2.Ein guter Lehrer erzieht seine Schüler nicht. In anderen Worten: er stülpt seinen Schülern nicht seine Vorstellung davon über, wie sie werden sollen.


    3. Ein guter Lehrer übt keine Macht aus.


    Dazu drei Zitate.


    Statt „sich selbst gegenüber kritisch eingestellt sind“ würde ich die Worte benutzen "sie praktizieren". Wenn sie bei sich einen Fehler bemerken, reden sie nicht drum herum. Sie verbergen ihn nicht, sie rechtfertigen ihn nicht. Sie lösen sich von solchem Verhalten und verändern ihr Verhalten. So etwas wird ganz sicher sichtbar. Und das nenne ich Lehrer sein.


    work in progress. to be continued.

    Matthias65:

    Du erweckst mit Deinem Satz den Eindruck, dass Liebe höherwertig ist als Mitgefühl.


    Was die Liebe und das Mitgefühl betrifft, hatte ich mal so eine interessante Erfahrung:
    Liebe ist die Abwesenheit von jeder Art von Spannung.
    Liebe ist der Grundzustand des angstlosen Seins in der Verbundenheit. Liebe braucht kein Gegenüber.
    Mitgefühl ist sekundär, und kommt erst danach. Mitgefühl braucht ein Gegenüber.


    Insofern ist Liebe dem Mitgefühl vielleicht nicht übergeordnet.
    Aber ich würde sagen, sie ist das Fundament, die Basis, oder der Hintergrund, so wie die weiße Wand hinter dem Kopf auf dem Passbild.


    Leider hat sich diese Erfahrung damals schnell wieder verkrümelt.
    Aber ich erinnere mich noch gut daran.

    Jikjisa:

    unter hass und wut, meiner erfahrung nach, steckt kränkung, dukkha, schmerz. nur darum sollten wir uns kümmern.


    Ja. Das kann ich immer wieder schön beobachten. Schmerz da, Hass da. Schmerz weg, Hass weg. Wenig Schmerz, wenig Hass. Mittlerer Schmerz, mittlerer Hass.


    Ich war ja Expertin im Nicht-Wahrnehmen von Schmerzen. Schmerzempfinden hatte ich mir in meinen ersten Lebensjahrzehnten wohl abgewöhnt. Empfindungen unterhalb der Schmerzschwelle kamen bei mir sowieso nicht vor. Ich hielt alles aus.


    Auf dem Zafu wurden mir dann die versammelten Lebensschmerzen im Körper bewusst. War sehr unangenehm. Jetzt arbeite ich mich langsam durch die Jahresringe von Schmerz, und es ist sehr schön, wenn der Schmerz nachläßt. Inzwischen habe ich auch ein normales Schmerzempfinden, glaube ich. Wie das aber alles zusammenhängt, mit welchen Kränkungen, das werde ich nie rausfinden, und habe ich auch gar kein Interesse mehr dran.


    Denn der Hass ist weg. Der ganz fiese jedenfalls. Der lähmende, deprimierende, der alte. Neuer kommt immer wieder dazu. Dafür habe ich noch kein Rezept gefunden, wie man das dauerhaft wegkriegt.

    Nelumbo:

    Die "Für Dummies"-Bücher sind meiner Meinung nach einfach klasse - gerade für Anfänger. Da kann ich "Meditation für Dummies" und "Buddhismus für Dummies" empfehlen.


    hallo nelumbo,
    das finde ich auch.
    Zen für Dummies ist allerdings nicht so gut.

    Jikjisa:

    Warscheinlich tierischer Respekt vor dieser Art Mushotoku-Shikantaza. ;)


    Physische Angstfreiheit & innerer Frieden nach 1, 5 Jahren. Soll vorkommen,
    aber ob deine "Tips" was für jemanden sind, der mit Bournout und Depressionen zu kämpfen hat ? Weiß nicht.


    Uups, ich dachte, es wär klar, dass das Quatschmachen ist.


    Ich dachte, dass uns hier ein wenig Unsinn gut täte.
    Nächstes Mal benutze ich die Ironie-Tags.


    Ich komme selbst aus jahrelanger Depression. Sit-Zen war das einzige, was half.
    Hatte aber Glück mit den Lehrern. Die ließen mich in Ruhe mit buddhistischen Ansprüchen an die Persönlichkeitsentwicklung.
    Die einzige Forderung war, meinen Hintern aufs Kissen zu bringen.
    Das fiel mir auch schwer, ging dann aber irgendwie doch immer wieder.

    Der Buddhismus hat mich anfangs überhaupt nicht interessiert.
    Ich wollte sitzen, und das möglichst krass, zwecks schneller Erleuchtung, um meine Probleme loszuwerden.
    Das ging damals leider nur in buddhistischem Umfeld. Welchselbiges ich zähneknirschend und sehr defensiv in Kauf nahm.


    Mit der Zeit sickerte das Basisvokabular durch die Kusen (kleine Vorträge während des Sitzens) ein.
    Ich stellte fest, dass die Begriffe Karma, Dharma und so weiter kein esoterischer Quatsch sind, sondern Fachjargon für erkenntnistheoretische Hypothesen.
    Ausserdem stellte ich fest, dass Buddhisten nicht per se böse, geldgierige Sektierer sind, die mich und meine Arbeitskraft ausbeuten wollen (äh, ich war geprägt von der Anti-Sekten-Aufklärung meiner Jugend).


    Zum Regelmäßigkeit der Praxis: Bei mir dauerte es einige Jahre, bis ich überhaupt anfing, regelmäßig - also täglich - zu sitzen. Wie das aussehen sollte, dass der ganze Tag von der Übung bestimmt wird, konnte ich mir nicht vorstellen. Ich stellte mir was sehr Zähes vor, so gezwungene Achtsamkeit den ganzen Tag mit festgefrorenem Dauerlächeln und überwarmen Zwangsumarmungen, brrr. Dann dauerte es noch mal einige Jahre, bis ich die Kai und die Paramitas als Werkzeuge erkannte. Erst seit kurzer Zeit durchdringt meine Übung den gesamten Tag. Im Grunde ist es für mich keine Übung, sondern ein Dauerexperiment. Ich bin einfach sehr neugierig, was funktioniert, und was nicht.


    Der gesamte Prozess begann und entwickelte sich nicht aus Einsicht und Interesse, sondern aus psychischer Not. Mir blieb einfach kein anderer Ausweg. Einsicht und Interesse entwickelten sich erst ganz allmählich aus der Sitzpraxis.

    Kleine Albernheit. Will jetzt keiner mehr mitspielen? :oops:


    Jojo:

    Da Du sehr gut informiert bist, wirst Du sicher wissen, dass Du mindestens 1.000 Stunden Sitzpraxis für das Grundlegende brauchst, und dass Du für dein Endziel etwa 10.000 Stunden Sitzen ansetzen musst.


    Etappe eins (physische Angstfreiheit, Befreiung von Schlafstörungen und innerer Friede) kannst Du in 1,5 Jahren schaffen, wenn du konsequent morgens und abends je eine Stunde sitzt. Sonst dauert es eben etwas länger.


    Zwei Retreats pro Jahr werden helfen, noch besser einer alle drei Monate. Du solltest einen nehmen, bei dem strenges Schweigen vorgeschrieben ist, der ca. 9-10 Stunden Sitzen pro Tag anbietet (je mehr, desto besser), und dir möglichst keine freie Minute für Dich läßt. Robe oder Nichtrobe ist egal.

    dann habe ich das erste soweit durch.
    am dritten und vierten finde ich nicht viel zu deuteln.
    zum zweiten hätte ich noch etwas zu fragen


    hier die auflistung der unterschiedlichen übersetzungen:
    煩 悩 無 辺 誓 願 断
    Bonno| mu jin (hen)| sei gan| dan
    [ist es hen oder jin?]


    Geistige Blindheit ist unerschöpflich − wir geloben, sie zu überwinden.
    Gier, Hass und Unwissenheit entstehen unaufhörlich; ich gelobe, sie zu überwinden
    Unerschöplich sind eitle Vehaftungen, ich gelobe, sie alle zu lassen
    Täuschende Gedanken und Gefühle sind grenzenlos, ich gelobe sie alle zu lassen.
    Unerschöpflich sind die leidschaffenden Täuschungen. Ich gelobe, sie alle zu transformieren.
    However inexhaustible our delusions are, I earnestly aspire to extinguish them all
    Endless delusion – let go
    Die Verblendungen sind unerschöpflich – ich gelobe sie zu beenden
    Unerschöpflich blinde Leidenschaften - ich gelobe ihnen zu widerstehen


    die Bedeutung von bonno erschließt sich ganz gut aus den Varianten. Mich interessiert das Verb. "Überwinden, lassen, transformieren, auslöschen, beenden, widerstehen" wecken sehr unterschiedliche Assoziationen.


    Können die Chinesisch-Experten noch mal helfend eingreifen?
    Danach gebe ich Ruhe. Versprochen.

    Ich praktiziere Shikantaza. Mehr Info darüber: http://de.wikipedia.org/wiki/Shikantaza
    Wegzuräumende Steine waren: Falsche Annahmen darüber, wie man meditiert, Trägheit.
    Heureka-Erlebnisse: Ja.
    Motivation in schwierigen Phasen: Retreats.
    Sitzen hilft bei allem. Sicher auch in deinem Fall. Rinzai-Zen mit Koan-Praxis ist auch gut. Typsache.


    Da Du sehr gut informiert bist, wirst Du sicher wissen, dass Du mindestens 1.000 Stunden Sitzpraxis für das Grundlegende brauchst, und dass Du für dein Endziel etwa 10.000 Stunden Sitzen ansetzen musst.


    Etappe eins (physische Angstfreiheit, Befreiung von Schlafstörungen und innerer Friede) kannst Du in 1,5 Jahren schaffen, wenn du konsequent morgens und abends je eine Stunde sitzt. Sonst dauert es eben etwas länger.


    Zwei Retreats pro Jahr werden helfen, noch besser einer alle drei Monate. Du solltest einen nehmen, bei dem strenges Schweigen vorgeschrieben ist, der ca. 9-10 Stunden Sitzen pro Tag anbietet (je mehr, desto besser), und dir möglichst keine freie Minute für Dich läßt. Robe oder Nichtrobe ist egal.


    Das ist der schnellste Weg.


    Noch schneller ist Antaiji im Winter, aber das ist nichts für Dich.

    Benkei:

    Ich hatte einfach das "manifest" der Übersetzung mit "verkörpern" übersetzt, welches dem näher kommt als "folgen" (wobei da natürlich immer das "butsu" fehlt, da es ja der Buddha-Weg ist...).


    verkörpern gefällt mir im Moment auch besser als "folgen".
    "folgen" impliziert, dass da was Vorgezeichnetes ist.

    bel:
    Jojo:

    衆 生 | 無 辺 |誓 願 |度
    Shu jo |mu hen |sei gan |do
    Wesen | ohne Zahl | geloben | befreien


    interessant ist die Kombination von 衆 (Shu) - unendlich/Milliarden/alle - und "無 辺" ohne Zahl - man könnte das als poetische Verstärkung auffassen oder/und aber letzteres als Anspielung auf die "höchste Wahrheit" - nämlich "ohne tatsächlich (feste) Existenz" - was letztlich bedeuten würde, daß es um unsere Vorstellungen von "Wesen" geht, den "Wesen" in unserer Vorstellung.
    願 (gan) "wollen" kennzeichnet den Verbmodus von "dō" im Optativ.


    Der Optativ ist ein Verbmodus, der bezeichnet, was erwünscht oder was möglich ist.


    Also könnte man es ungefähr so lesen:
    Shu jo | Alle Wesen
    mu hen | ohne feste Existenz / in meinen Vorstellungen
    sei gan | erwünscht oder möglich
    gan do | übersetzen (zum anderen Ufer), überqueren (einen Fluß), befreien, paramita, das Haus verlassen und den Weg suchen


    Ich bin die nächsten Tage nicht da. Nächste Woche sehe ich mal nach den anderen Zeilen.
    Kennt jemand vielleicht ein Buch, das sich auf linguistischer Ebene mit dem Shiguseiganmon beschäftigt?
    Shohaku Okumuras "Living by vow" behandelt den sprachlichen Hintergrund kaum.

    habe mir erlaubt, deine Anregung anders anzuordnen:


    Das ist in der Tat sehr... weitgehend.


    Kann man die Assoziationsfelder für die Zeichen "Wesen", "ohne Zahl" und "geloben" in ähnlicher Weise auffächern?
    Äh, wenn Du mal zuviel Zeit hast...


    衆 生 | 無 辺 |誓 願 |度
    Shu jo |mu hen |sei gan |do
    Wesen | ohne Zahl | geloben | befreien

    bel:

    Das Fehlen von Pronomina, und der Tempi/Modi der Verben führt nicht zu Beliebigkeit, diese ergeben sich aus dem Zusammenhang.
    Da es sich um ein Gelöbnis handelt, das in der Rezitation immer wieder neu abgelegt wird (und nicht um Gebote) verbietet sich der Imperativ und als Pronomen kann man "ich" oder "wir" einsetzten, je nach dem, ob man es für sich oder mit anderen gemeinsam rezitiert.


    leuchtet ein.
    es ist ja auch nicht nötig, in der übersetzung die struktur zu bewahren.


    aber welche wortfelder und assoziationen ich beim rezitieren hervor-rufe - darüber möchte ich mir gedanken machen.
    rezitationen "graben" sich mit der zeit ein. ich möchte mir keinen unsinn in den leib graben, nur weil´s der zuständige hauptmönch vor dreißig jahren gerade mal so formuliert hat.


    unsere sangha rezitiert erst seit kurzem die übersetzung. "unsere" übersetzung wurde über zwei ecken ohne kenntnis des chinesischen originals ins deutsche übertragen, und dann für´s rezitieren rhythmisch passend gemacht.


    andere wesen retten, oder anderen wesen freiheit ermöglichen. für mich ist das ein unterschied.
    wo sind überhaupt die fühlenden wesen geblieben? irgendwie fehlen sie mir. kommen die woanders vor?

    Für die erste Zeile habe ich jetzt mal alle Versionen zusammengesucht:


    衆 生| 無 辺 |誓 願| 度
    Shu jo | mu hen | sei gan | do
    Wesen| ohne Zahl | geloben | befreien


    Der Wesen sind unendlich viele − wir geloben, allen zu helfen
    Die Zahl der Wesen ist unendlich; ich gelobe, sie alle zu erlösen
    Zahllos sind die Lebewesen, ich gelobe, sie alle zu retten
    Die Lebewesen sind zahllos, ich gelobe sie alle zu retten.
    Unzählig sind die lebenden Wesen. Ich gelobe, sie alle zu befreien.
    However innumerable sentient beings are, I earnestly aspire to enlighten them all
    Numberless beings – set free


    Dabei entstehen recht unterschiedliche Assoziationen.
    Mir gefällt "befreien" am besten. Oder noch besser: frei lassen. Wie im Englischen.
    Frei lassen von unseren Vorstellungen. Sie von unseren Vorstellungen über sie befreien.


    "Erlösen", "retten" und "enlighten them" führt auf eine schwierige Bahn, finde ich.
    Welche Assoziationsfelder bietet denn das Zeichen 度? Ich hoffe, ich habe das richtige Zeichen gegriffen, bin Sino-Analphabetin.


    Muss jetzt weg, ich denke weiter drüber nach.

    void:

    Von Jeff Shore gibt es eine Übertragung ins Englische, die versucht, diese Struktur zu erhalten:
    Numberless beings – set free.
    Endless delusion – let go.
    Countless Dharma – see through.
    Peerless Way – manifest!


    Aber im Deutschen geht das leider nicht so gut.


    Ich bin kein Englisch Native Speaker, deshalb spüre ich nicht, wie weit das Subjekt in Jeff Shores Übersetzung noch präsent ist. Man könnte die Form als Imperativ deuten, oder als Infinitiv. Der englische Infinitiv assoziiert eigentlich wie im Deutschen ebenfalls eine Handlungsanweisung, oder?


    Der letzte Vers kommt bei mir nicht als Imperativ an, sondern als Anrufung. An den Weg selbst, sozusagen. Ohne dass ein hinderliches Subjekt dazwischen wäre.