Es gab mal einen tollen David Niven - das war der Schauspieler.
Dieser David Niven, der hier zitiert wird, ist vor allem ein erfolgreicher Ratgeberschreiber, in denen er die Welt vereinfacht. Was unter Psychologen nicht unbedingt als redlich gilt (Die 100 Gemeimnisse glücklicher Menschen ... glücklicher Familien ... glücklicher Beziehungen, so lauten seine Titel). Sozusagen der Deepak Chopra unter den Sozialwissenschaftlern. Da ich u.a. Film- und Fernsehwissenschaft studiert habe, sehe ich diese Sache natürlich anders. Ich war ja umgeben von anderen Freaks. Wer mal Bastian Pastewka reden gehört hat, der TV aus Dekaden nacherzählen kann und bei dem das zu seiner eigenen produktiven Fernsehtätigkeit führte, versteht, was ich meine. Vielleicht hat Niven wieder mal nur die "Geschädigten" vors Gesicht bekommen. Nicht die, die sich mit Fernsehen bilden und es als kreative Möglichkeit sehen. Die Unterschichten, von denen er dann abstrahiert. Vor allem von Amerikanern. Und das ist der Punkt. Amerikanisches TV wird permanent von Werbeblöcken unterbrochen, länger und häufiger als bei uns. Leider setzen er und du das gleich mit "westlichem" Fernsehen. Dass Niven den Zerfall von Kulturen aufs TV verengt, ist ausgesprochen dämlich. Es ist ja bekannt, dass gerade bei Indianern der Alkohol ein großes Problem wurde, die Arbeitslosigkeit usw. Er verwechselt da Ursache und Wirkung. Wenn ich keine Beschäftigung habe, wird eben öfter der Fernseher eingeschaltet. In einem Land wie Nordkorea würden den Menschen die Augen aufgehen, wenn sie mal eine Woche "westliches Fernsehen" (das es so gar nicht gibt) sehen könnten.
Die Darstellung von Gewalt sollte reduziert werden, da stimme ich zu. Hier aber auch positive Effekte, die Nils natürlich verschweigt, weil er ja einen ideologischen Kreuzzug führt:
ZitatDie Verbreitung des Fernsehens im ländlichen Indien hat laut einer Studie von Robert Jensen und Emily Oster zu höherem weiblichen Schulbesuch und einer geringeren Fertilitätsrate geführt.
In Brasilien hat die Verbreitung von Rede Globo die Zuschauerzahlen für seine Seifenopern stark erhöht. In diesen Seifenopern haben über 70 Prozent der dargestellten weiblichen Charaktere keine Kinder. Insbesondere arme Frauen hatten seit der Verbreitung von Rede Globo in den 1970er und 1980er Jahren weniger Kinder. Der fertilitätsreduzierende Effekt entspricht etwa dem von zwei zusätzlichen Jahren weiblichen Schulbesuchs. (wiki)
Und wieder Nils:
ZitatIn Bhutan (...)
Dem ach so glücklichen Land werden Minderheiten rausgeworfen. http://info.arte.tv/de/bhutanische-fluechtlinge-nepal-15 Das war schon vor dem TV so. Das ist also in den Menschen angelegt. Das Fernsehen bringt diese Anlagen bestenfalls zum Ausdruck.
ZitatNach Richard Layard bestätigen die vorliegenden Untersuchungen eindeutig, dass die Menschen aggressiver werden, je mehr sie fernsehen.
Das ist ganz einfach zu widerlegen. Die Welt ist friedlicher, seit das Fernsehen sich verbreitet. Davor hatten wir Weltkriege und die Atombomben auf Japan. Fernsehen kann - wie in Nordkorea oder China - indoktrinieren, es kann aber auch informieren.
Twen nibbuti:
Zitatdie Welt (der Sinne) ist nicht genug
Die Welt der Sinnlosigkeit ist nicht genug.
Zitatviel Fernsehen fördert Hang zur proaktiven Argumentationsverstärkung
Wenig Fernsehen fördert den Hang zu fundamentalistischem Schriftglauben und verengt den Horizont.
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Und hier ein paar TV-Tipps zum Erhöhen des Vergnügens und zur Annäherung an Erleuchtung (siehe Thread-Thema):
- Kung Fu (die Serie aus den 70ern mit David Carradine, der sich im Alter beim Onanieren in einem Hotel in BKK erdrosselte): Einführung in Taoismus und Zen, wahnsinnig gut recherchiert (auch in den Kampfszenen, bis hin zur Einbindung eines Shaolin-Ablegers in Fukien)
- Life (leider nach 2 Staffeln eingestellt, der Protagonist - im Real Life ein bekannter Shakespeare-Darsteller - kommt im Knast auf Zen)
- Louie (das surreale Leben eines Bühnenkomikers)
- Mr. Robot (filmstilistich herausragend; Hacker will es Großkonzern heimzahlen, leidet aber auch unter Drogen-Halluzinationen; die Ausstrahlung der aktuellen Folge musste wegen Ähnlichkeiten mit dem Mord an den beiden Journalisten vor laufender Kamera in dieser Woche verschoben werden)
- Transparent (Amazon, ja Amazon, hat eine wundervolle Serie über einen alten Mann gemacht, der endlich seine Transsexualität zumindest als Transvestismus ausleben will)
- Fargo (vom gleichnamigen Film inspirierte TV-Serie, recht gewalttätig, aber auch von tiefschwarzem Humor; ich gehe davon aus, dass reife Menschen damit gut umgehen können)
- The Wire (Augenöffner über die Zustände in Baltimore, von Journalisten recherchiert, so realistisch wie Drama nur sein kann)
Und natürlich die Klassiker The Sopranos (mit psychotherapeutischen Ausflügen), Six Feet Under (der Tod, der Tod ...), Breaking Bad (Krebs, Drogen und wie man die Zeit dehnen kann - in einer Folge wird nichts weiter als eine Fliege gejagt).
Ich könnte dauernd weiterschwärmen. Von den Reisesendungen auf ARTE ("Die letzten Paradiese", 360 Grad-Reportage) oder "Die andere Heimat" (gerade in deren Mediathek + 7, von Edgar Reitz (wer hätte den schon im Kino sehen können?). Und von der Dynamik, die Talkshows von Markus Lanz entfalten können.