Was uebt man im Zazen eigentlich genau?

  • Zitat

    Die "Regeln" sind einfach zum natürliches Verhalten geworden.


    NEIN, zum tausendsten Mal, das sind sie nicht! Ich habe weiter oben zig namhafte Beispiele genannt. Ich könnte beliebig weiter machen. Zenadepten lügen, trinken Alkohol, brechen die Ehe wie die anderen auch. Zuweilen morden sie, und sie stehlen (Sasaki saß wegen Unterschlagung im Knast und macht da sein zazen weiter). Das war früher nicht anders. Takuan bildete Schwertkämpfer geistig aus und erfand die Rechtfertigungen für ihr Tun aus dem zen, Ikkyu soff und hurte, es gibt keine Regel, die sie nicht irgendwann mal ignoriert hätten. Und um von weiteren sila und Regeln zu reden: Sie besteigen ständig den "Hohen Sitz", sie schmücken sich mit edlen Roben, sie treten andere in die Tonne, sie häufen Geld an und werten wütend.


    Es gibt nicht einen bedeutenden Zenmeister, der die "Regeln" zu seinem natürlichen Verhalten gemacht hätte. Alle lebten nach ihren eigenen Regeln, dem, was sich ihnen - in ihrer Weisheit - als richtig auftat.

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  • diamant:

    Hier ein Beispiel für deine krude Logik. Es gibt keine Selbstdarstellung, ...


    Ach was :lol:


    Zitat

    Na klar erzählt keiner aus der Sotoshu sowas über Dogen.


    es geht doch hier überhaupt nicht um Dogen, höchstens in dem Sinne, daß Du hier immer falsch behautest, daß Dogen iwas anderes vertreten würde als Dein "früher Chan".


    Zitat

    Dein koreanischer Lehrer ist wahrscheinlich für deine Scheuklappen verantwortlich.


    Ne, war n Anderer.


    Zitat

    Die anderen hier Unbekannten (Quintero und Cech) kannst du ja mal verlinken oder ausgiebig vorstellen, damit wir ihre Texte erst mal zur Kenntnis nehmen.


    Tante Google hilft Dir bestimmt.


    Zitat

    Denn DU kommst aus Antaiji jedes Mal so raus, wie du reingegangen bist, wie man hier lesen kann.


    Kann man?
    Vllt liegst es aber einfach daran, daß Du Dich seit gefühlten 10 Jahren ständig wiederholst, nur das Publikum in den unterschiedlichen Foren wechselt hin und wieder.

  • diamant:
    Zitat

    Die "Regeln" sind einfach zum natürliches Verhalten geworden.


    NEIN, zum tausendsten Mal, das sind sie nicht! Ich habe weiter oben zig namhafte Beispiele genannt. Ich könnte beliebig weiter machen.


    Du belehrst doch so gerne andere Leute über Zirkelschlüsse. Offenbar entgeht Dir das bei Dir selbst.
    Danke, das wars jetzt aber mal wieder mit uns beiden für ne Weile.

  • Zitat

    Tante Google hilft Dir bestimmt.


    Dann bemüh sie mal. DU hast diese Floskel/Namen benutzt. Wenn da nix mehr kommt, sind die Namen Schall und Rauch. Was ich denke, steht hier. Was die denken, steht hier nicht.


    Zitat

    Vllt liegst es aber einfach daran, daß Du Dich seit gefühlten 10 Jahren ständig wiederholst


    Vor zehn Jahren kannte ich selbst das Eihei Koroku nicht. Genauso wenig wie diverse Studien, die ich hier einbrachte, oder die Bücher von Broughton.
    Meine Einstellung hat sich also durchaus geändert. Dôgen z.B. ist über das Shôbôgenzô allein gar nicht zu fassen, schon überhaupt nicht, wenn man nur ein "best of" daraus macht. Shikantaza ist eben nicht frühes Chan. Das ist auch nicht schwer zu verstehen. Hishiryo, shinjin datsuraku - das ist Dogens Wort- und Metaphernwelt. In den Legenden, die die Frühzeit beschreiben, hieß "Körper(und Geist) abfallen" schlicht, sich den Arm abzuhacken und nicht, sich auf eine Körperhaltung zu versteigen. Das muss man natürlich immer wiederholen, weil Leute wie blue ja keine Lehrer finden, die das wüssten oder ihnen erzählten, und auch keine Hochschule von innen sehen, wo man es ihnen verklickern könnte.

  • diamant:
    Zitat

    Tante Google hilft Dir bestimmt.


    Dann bemüh sie mal. DU hast diese Floskel/Namen benutzt. Wenn da nix mehr kommt, sind die Namen Schall und Rauch. Was ich denke, steht hier. Was die denken, steht hier nicht.


    Muho kennst ja :) - reicht dat nich?


    diamant:

    Vor zehn Jahren kannte ich selbst das Eihei Koroku nicht. Genauso wenig wie diverse Studien, die ich hier einbrachte, oder die Bücher von Broughton.


    Ja eben, deshalb ja. Allet nur Steinbrüche für Dich.

  • Zitat

    Allet nur Steinbrüche für Dich.


    Es ist im Zen wichtiger, im Steinbruch zu arbeiten als ihn sich von oben anzuschauen.


    Zitat

    Muho kennst ja


    Muho ist Teil der Soto-Schule. Er hat sich dafür entschieden, diesen Weg formal korrekt zu gehen. Du benutzt auch "Muho" nur als Floskel. Es kommen keine Inhalte. Es wird nichts dagegengesetzt. Es ist doch klar, dass du nicht FÜR Muho sprechen kannst, und nicht für Antaiji. Du könntest bestenfalls aus seinen Texten zitieren, wenn es zur Sache passt. Das kann ich hier nicht erkennen.

  • bel:
    Diamant:


    Ohne vollkommene Weisheit keine rechte Tugend, Der Tugendmangel wird in der Weisheit aufgehoben (nicht durch die Tugendübung).


    Ohne vollkommene Weisheit, keine vollkommende Tugend. Klar. Nur heißt "jenseits von Regeln" nicht die "Regeln" verletzen. Die "Regeln" sind einfach zum natürliches Verhalten geworden.




    diamant:

    Es gibt nicht einen bedeutenden Zenmeister, der die "Regeln" zu seinem natürlichen Verhalten gemacht hätte. Alle lebten nach ihren eigenen Regeln, dem, was sich ihnen - in ihrer Weisheit - als richtig auftat.


    Das liegt daran, das noch keiner von diesen Zen oder sonstigen Meister den Weg zu Ende gegangen ist. Es ist Irrglaube zu Meinen irgendein lebender oder toter Zen- oder sonstiger Meister hätte je das Ideal "Prajna Paramita" und damit vollkommene Tugend je erreicht.


    Es ist ein Ideal und deshalb nicht wirklich.

  • Zitat

    Das liegt daran, das noch keiner von diesen Zen oder sonstigen Meister den Weg zu Ende gegangen ist.


    Diese Erklärung ist nichts weiter als eine sophistische Ausrede im Theravada-Gewand. Die Zentradition geht entscheidend - das ist für ihre Legitimation unabdingbar - davon aus, dass xyz erwacht sind. Was andere aus anderen Schulen davon halten, ist den Zenmeistern recht egal. Es gäbe schlicht keine Dharma-Nachfolger, wenn dem nicht so wäre. Auch wenn einige Lehrer, wie Joshu Sasaki, tatsächlich keine ernannten, weil sie offenbar der Meinung waren, dass sie niemand adäquat weitervertritt, haben sehr viele andere dies anders gesehen. Damit steht und fällt die Zentradition. Im Zen wird eben nicht die Tugendhaftigkeit bestätigt und als "Lampe" weitergereicht, sondern das Lächeln Mahakashyapas bzw. wofür es steht. Das ist die Weisheit. Das ist Erkenntnis. Das ist Einsicht. Oft auch pädagogisches und didaktisches Geschick (abgesehen von simplen "Beziehungen" und Taktierereien im Klostergefüge). All dies wird von denen erwartet - die ansonsten §ihren Weg zu Ende gehen", indem sie sterben, wie die anderen auch.


    Man sollte verstehen, dass im Zen Meister wie Ikkyu, Dôgen, Bodhidharma - wie legendenhaft oder tugendlos auch immer - als keineswegs "unter" dem Buddha stehend angesehen werden. Wenn Sasaki den Weg nicht zu Ende gegangen ist, oder Deshimaru nicht, dann auch Shakyamuni nicht. Dann auch ich nicht. Wer seine Frau und sein Kind zurücklässt, um sich selbst zu verwirklichen, kann kein "guter Mensch" mehr sein. Wenn man diesen Gedanken verstanden hat, kommt man auch von den Erwartungen an die "Tugend" weg.

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  • diamant:
    Zitat

    Muho kennst ja


    Muho ist Teil der Soto-Schule. Er hat sich dafür entschieden, diesen Weg formal korrekt zu gehen. Du benutzt auch "Muho" nur als Floskel. Es kommen keine Inhalte. Es wird nichts dagegengesetzt. Es ist doch klar, dass du nicht FÜR Muho sprechen kannst, und nicht für Antaiji. Du könntest bestenfalls aus seinen Texten zitieren, wenn es zur Sache passt. Das kann ich hier nicht erkennen.


    Natürlich spreche ich nicht für ihn und auch nicht für Antaiji, wie kommst darauf?
    Ich hatte ja schon gesagt, daß ich keinen Sinn darin sehe, mit Dir auf dem Niveau wie Du es wieder hier anschlägst "Muho ist Teil der Soto-Schule" zu argumentieren - zumal Du ja ganz sicher schon relevante Quellen kennst - und Englisch verstehst Du, z.B. seine 3 Youtube-Videos "An open to reply to Brian Victoria" (1-3), schaus Dir noch mal ganz an :) Mit Soto-Formalismus hat das ganz sicher nix zu tun.
    Ich hab aber keinen Bock, hier was unautorisiert zu übersetzen oder mich andernfalls von Dir mit Hinweis auf Forenregeln angehen zu lassen.

  • diamant:

    Die Zentradition geht entscheidend - das ist für ihre Legitimation unabdingbar - davon aus, dass xyz erwacht sind


    Na gut. Ich will dir nicht deinen Glauben nehmen.

  • Zitat

    Mit Soto-Formalismus hat das ganz sicher nix zu tun.


    Deshalb schätze ich ihn auch. Allerdings würde das deine These noch nicht bestätigen, dass du von anderen was Wesentlich anderes hörst als von mir. Im Gegenteil. Was mir nicht behagt sind diese Namen als "Versatzstücke". Wo ist ein Text von Muho zu Huineng? Du erweckst den Eindruck, die von dir genannten Leute hätten sich mit den gleichen Dingen beschäftigt wie ich hier und anderswo, wofür ich keine Belege sehe. Hingegen ist klar, dass Muho Kodo Sawakis Überzeugungen zur Sitzhaltung weitgehend teilt.


    Jemand, der ein Teil des klösterlichen Lebens der Dogen-Tradition ist, wird bestimmte Dinge anders sehen und umsetzen als ich. Das ist logisch. Das ist auch in Ordnung (ich sagte Muhos Frau mal, für wie wichtig ich seine Arbeit und Antaiji halte).


    Aber wenn man ihn oder andere Namen bemüht als Belege für andere Thesen, dann hilft nur, sie konkret zu zitieren. Zum Plattformsutra, zu Dogen als konsequentem Umsetzer von Huineng oder frühem Chan oder was auch immer hier konkret ansteht.


    Punk:

    Zitat

    Na gut. Ich will dir nicht deinen Glauben nehmen.


    Das ist akademischer Fakt. Das hat mit meiner persönlichen Überzeugung nichts zu tun. So versteht sich die Zentradition. Darum die Rückführung bis auf Shakyamuni. Ich selbst halte längst nicht alle so genannten Meister für erwacht, das dürfte bekannt sein. Auch viele der Toten nicht, sofern ich überhaupt Anhaltspunkte habe. Aber ich glaube prinzipiell im Gegensatz zu einigen anderen hier, dass es diesen Zustand, diese Erfahrung gibt und sie als "Schlüsselerlebnis" erkennbar wird. Im Übrigen auch außerhalb des Zenrahmens, also ohne dass jemand dem Zen oder Buddhismus verbunden sein muss.

  • diamant:
    Zitat

    Mit Soto-Formalismus hat das ganz sicher nix zu tun.


    Deshalb schätze ich ihn auch. Allerdings würde das deine These noch nicht bestätigen, dass du von anderen was Wesentlich anderes hörst als von mir. Im Gegenteil.


    Doch doch, und zwar um nur ein Beispiel zu nennen, ganz generell was Deine These betrifft: "Der Tugendmangel wird in der Weisheit aufgehoben", womöglich mit der Implikation, es wäre dann völlig OK, zu saufen, zu stehlen, zu morden, usw.


    Trage noch zwei weitere Quellen nach:


    Youtube:
    Muho replies to request for clarification by Brian Victoria (1), September 11th 2014
    Muho replies to request for clarification by Brian Victoria (2), September 11th 2014

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • diamant:

    Das ist akademischer Fakt


    Ja, ja und Jesus ist am dritten Tage auferstanden von den Toten. Das kann man auch an jeder Uni studieren. :lol:


    Punk:

    Aber ich glaube prinzipiell im Gegensatz zu einigen anderen hier, dass es diesen Zustand, diese Erfahrung gibt und sie als "Schlüsselerlebnis" erkennbar wird.


    Es gibt alles mögliche an Erfahrungen. Das spreche ich niemandem ab.


    Mich befremdet lediglich der Glaube, dass jenen die ein solches Schlüsselerlebnis durchmachten automatisch vollkommene Weisheit und Tugendhaftigkeit attestiert wird.

  • Dein Nachtrag:

    diamant:

    Es ist im Zen wichtiger, im Steinbruch zu arbeiten als ihn sich von oben anzuschauen.


    Als Kalenderspruch-Ausreißer? :lol:

  • Nicht gegen die Hinweise auf Muhos Videos - aber ich kenne das alles, ich bleibe da schon am Ball. Mit Victoria habe ich mich ja selbst nochmal auf Sweepingzen auseinandergesetzt ...


    Es ist nicht okay, zu morden oder zu stehlen. Die anderen Dinge kann man damit nicht auf eine Stufe stellen, wie schon das Morden nicht mit Stehlen. Alkoholgenuss ist im Allgemeinen auf der Welt und in der Gesetzgebung "okay" (außer unter Muslimen), Lügen sind es teils auch, Ehebruch ebenfalls. Alles jedenfalls so, dass es mehr als die Ausnahme bleibt. Man könnte unter einem anderen Thread das lange diskutieren, so man will. Auf jeden Fall ist es der Welt zurecht wurscht, wenn konservative Buddhisten meinen, diese Dinge seien per se nicht okay. Ich sehe auch hier keinen differenzierten Text der von dir herbeizitierten Leute, die das irgendwie plausibel darstellen. In Antiji selbst trinkt man, wie ich sah, auch Alkohol. Warum, wenn es nicht okay ist? Es wird also, wie überall, relativiert. Es geht ums Maß. Im Palikanon nicht. Da ist ein klares nein zu lesen.


    Es ist ganz klar, dass DAS nicht meine Implikation ist. Weder ein sophistisches Relativieren noch ein Freibrief für irgendetwas. Ich behaupte immer ganz klar, dass eine neue Moral aus der Weisheit erwächst, die pragmatisch ist. Die Frage nach dem Okay ist dann auch nicht mehr die primäre. Sondern die Frage der Notwendigkeit. Wenn diese nachträglich erörtert werden müsste, kann dann auch ein Mord - speziell ein Tyrannenmord oder der eines Soldaten im Krieg - "okay" werden. Nur her mit den Texten, wenn sich da einer von deinen Leuten mal rausgelehnt hat. Ich hab es oft genug getan und auch Leute aus dem Zen zitiert, die das so sahen, wie Suzuki Shosan. Im Zen wird lediglich gefordert, dass man den von dir zitierten zweiten Pfeil dabei vermeidet. Es hat keinen Sinn, etwas zu tun, dass man dann bereut oder das einen nachträglich fertigmacht. Dann wäre man dafür eben nicht geeignet. Was nicht heißt, dass es niemand wäre und deshalb niemand tun dürfte.


    Zitat

    dass jenen die ein solches Schlüsselerlebnis durchmachten automatisch vollkommene Weisheit und Tugendhaftigkeit attestiert wird


    Eine gehörige Portion Weisheit schon. Das wird mit "Übertragung der Lampe" usf. ja zum Ausdruck gebracht. Tugend eben nicht. Tugendgeschichten etwa in den Koansammlungen sind von untergeordneter Bedeutung. Es geht meist um Einsicht. Im Josho-roku finden sich sogar Belege für Untugend, um diese Einsicht zu untermauern: Joshu, warum rennt der Hase vor dir weg? - Weil er weiß, dass ich ihn töten will. (Mein Lieblingsbeispiel)


    Wenn man von den ganzen Verbiegungen absieht, die Zenlinien begründeten, spricht aus ihnen der Wunsch, ein gewisses Maß an Zenweisheit oder -einsicht bestätigt und weitergetragen zu haben. Darum rezitiert man, ab und zu wohl sogar in Antaiji, die Liste der Ahnen. Man tut das zwar nicht im Bewusstsein, Tugendlose zu benennen, aber aus Respekt vor ihrem Zen-"Niveau". Von einigen dieser Ahnen wird man ihre Erweckungsgeschichte kennen, von den meisten jedoch kaum nennenswerte Tugenden (er stahl nie, log nie, tötete nie, schlief stets auf dem Boden, parfümierte sich nicht, tat immer Gutes, z.B. blablabla).


    Das gilt aber auch für die Theravadin und Tibeter. Selbst die Anhänger des Dalai Lama kommen gleich auf Glatteis, wenn sie seine Spenden an irgendwen aufzählen, weil man dann ja auch all das benennen könnte, was er für religiösen Prunk (Statuen) ausgegeben hat und was er noch so besitzt. Versucht man, selbst diese Superstars wegen ihrer Tugenden zu bewundern, findet sich schnell ein Hinweis auf ihre Verfehlungen. Das als Beleg für mangelnde Weisheit zu nehmen, wäre so, als würde man Stephen Hawkings Thesen zum All seine gescheiterte Ehe entgegenhalten. Allerdings: Bei denen, die die These, Weisheit müsse mit Tugend einhergehen oder Tugend bedinge Weisheit, vertreten, ist es gerade angebracht, ihnen durch Tugendverfehlungen ihren Mangel an Weisheit unter die Nase zu reiben. Es ist die Falle, die sie sich selbst gestellt haben.


    Die Weisheit eines Zenmeisters ist so nur zu fassen, wenn man nicht begriffen hat, dass das Streben des Zenmeisters nach Weisheit jenseits der Tugendhaftigkeit angesiedelt ist. Versteht man das nicht, kommt man zum Schluss, dass Deshimaru weniger Einsicht ins Dasein hatte als der DL, weil er wohl tugendloser war. Aber eine solche Einsicht würden sich selbst die Verfechter der Tugendthese unter den Zennies meist verbitten. Auf dieser Ebene hat nämlich auch Victoria den Sawaki für sich erledigt. Das will man immer dann nicht mehr haben, wenn es den eigenen Liebsten an den Kragen geht. Der heimatlose Kodo - in Wahrheit hatte er einen Tempel und teure Roben. Der Zazenverfechter - in Wahrheit waren Kesanäherinnen ohne Zazen unter seinen Lieblingen.


    Jundo Cohen - als nur indirektes Opfer dieser Tugendthese, weil sein Lehrer ja eigentlich gar nicht so viel mit Sawaki am Hut hatte - steigerte sich so in die Verteidigung von Kodo rein, dass ich wirklich baff war. Das alles passiert nur, weil diese Adepten nicht begreifen, dass es völlig unnötig ist, einen weisen Zenmeister mit Theravada-Tugendbegriffen, jukai o.ä. zu messen oder zu richten. Das soll die Welt tun (in diesem Fall ist das Victoria). Es ist bedauerlich, wenn Zenübende selbst auf diese Masche reinfallen.


    Es ist also für das Zen relativ egal, ob Kodo im Krieg tötete. Es ist auch relativ egal, dass Joshu Sasaki im Knast saß, Und dass Shimano die Ehe brach. Weil diese Tugendlosigkeit, wir wir im Umkehrschluss erkennen könnten, an ihren Einsichten nichts Wesentliches änderte. Nimmt man für einen Moment die Kenntis der Verfehlungen weg und beurteilt die Lehren der Leute, kann man also zum Schluss kommen (auch wenn das Ansichtssache ist), sie hätten etwas Weises erkannt und gelehrt. Wer jedoch die Tugend heranzieht, mindert diese Weisheit, weil er behauptet, sie sei nur so recht zu beurteilen. Das ist sie nicht. Die Weisheit bleibt, wenn das tugendhafte oder tugendlose Leben längst vorbei ist. Sasaki, Kodo und Shimano haben allesamt Hinweise gegeben, dass sie dies auch so sehen, und die Tugend relativiert. Für den Tugendhaften sind das natürlich billige Ausflüchte.

  • Vielen Dank für deine Erläuterungen.


    Ich lese daraus, dass auch Du der Meinung bist die Zen-Weisheit beinhalte nicht automatisch auch Tugendhaftigkeit. Dann sind wir uns ja einig.

  • Nicht das, was du - oder der Palikanon, die sila, die jukai - darunter verstehen. Zen-Weisheit wurde wieder und wieder charakterisiert mit Begriffen wie "nicht-wertend", "nicht-dualistisch", "intuitiv, spontan und frei" usw. Du kannst dich selbst fragen, ob das mit klar definierten Regeln zusammengehen kann oder nicht. Ich kann dir aus eigener Erfahrung sagen, dass im Alltag kein Abgleich mit solchen vorformulierten Regeln stattfindet. Ich kenne auch keine Zenlehrer, die was taugen, die das so handhaben würden oder gehandhabt hätten. Ein solcher "Zwang" besteht für die, die nach dem Vinaya ordinierten und dann regelmäßig Farbe bekennen sollen, wenn der Mond voll oder neu ist.


    Es ist also z.B. keinesfalls so, dass man nie Alkohol anrührt, weil das eben "natürlich" so geschehen würde und die "Regel" einem in Fleisch und Blut übergegangen ist, und es ist auch nicht so, dass man sich im Falle einer Feier sagt: Moment, ich muss mich an die sila halten und darf nichts trinken. Das, was "natürlich" geschieht und sich als Tugend offenbart, ist nicht irgendwo im Vorhinein festgelegt, sondern entsteht aus der Situation. Die Tugendhaftigkeit kann also auch darin bestehen, zu trinken.

  • diamant:

    Die Tugendhaftigkeit kann also auch darin bestehen, zu trinken.


    Tugendhaftigkeit zu fordern kann auch als gesellschaftlicher Zwang wahrgenommen werden, deren Verweigerung entsprechend als Befreiung ---> 68'er.


    Als Zen-Meister ist man bezüglich Befreiung nun aber nicht allein für sich selbst verantwortlich, sondern hat auch eine Vorbildfunktion inne. Deshalb dürfen hier höhere Massstäbe angewendet werden:


    Zitat

    "Cunda, daß jemand, der selbst im Schlamm versinkt, einen anderen, der im Schlamm versinkt, herausziehen sollte, ist unmöglich; daß jemand, der nicht selbst im Schlamm versinkt, einen anderen, der im Schlamm versinkt, herausziehen sollte, ist möglich."
    MN 8

  • Zitat

    Als Zen-Meister ist man bezüglich Befreiung nun aber nicht allein für sich selbst verantwortlich, sondern hat auch eine Vorbildfunktion inne.


    Wer sagt das? Wer ist es, der nach einem Vorbild ruft?


    Na denn hast du ja die Vorbilder und kannst sehen, dass Mord, Diebstahl, Ehebruch, Alkoholismus und Lügen nicht verhindern konnten, dass sie Zen-Meister wurden. DAS ist das Vorbild, das einen etwas Entscheidendes lehrt: Verstöße gegen Regeln können Weisheit nicht verhindern, sondern sogar befördern.


    Zitat

    Cunda, daß jemand, der selbst im Schlamm versinkt


    Wie ist es möglich, dass ein Erwachter überall Schlamm sieht?

  • diamant:

    Verstöße gegen Regeln können Weisheit nicht verhindern, sondern sogar befördern.


    Ich spreche nicht von Regeln sondern von Tugend.


    Nach meinem Verständnis von Weisheit beinhaltet diese eben auch Erlangen von Einsicht in die Sinnhaftigkeit tugendhaften Lebenswandels.

  • diamant:

    Es ist also z.B. keinesfalls so, dass man nie Alkohol anrührt, weil das eben "natürlich" so geschehen würde und die "Regel" einem in Fleisch und Blut übergegangen ist, und es ist auch nicht so, dass man sich im Falle einer Feier sagt: Moment, ich muss mich an die sila halten und darf nichts trinken. Das, was "natürlich" geschieht und sich als Tugend offenbart, ist nicht irgendwo im Vorhinein festgelegt, sondern entsteht aus der Situation. Die Tugendhaftigkeit kann also auch darin bestehen, zu trinken.


    Es ist aber so, um mal bei diesem einfachen Beispiel zu bleiben, dass sich mit fortschreitender Bewusstheit ein besseres Körpergefühl entwickelt, und dass man immer deutlicher spürt, was Alkohol mit dem Körper macht.


    Wenn man sich diesen unangenehmen Empfindungen (z.B. beim Sitzen) immer wieder stellt, und sie nicht mit Tabletten oder durch Rückzug (Ausschlafen) wegdrückt, verändert sich was.


    Das Trinken macht kein Vergnügen mehr.


    Wer also am exzessiven Trinken Vergnügen hat, ist in vieler Hinsicht unbewusst.


    Das ist nichts Schlimmes (außer für diese Person, und vielleicht ihr direktes Umfeld). Es hat nur mit „jenseits von Regeln“ im Sinne der Zenpraxis nichts zu tun.


    Ich spreche (leider) aus umfangreicher eigener Erfahrung.


    Deine Theorie, dass ganz besondere Lehrer regelmäßiges exzessives Trinken als geschicktes Mittel einsetzten, dürfte in fast allen Fällen Augenwischerei sein.

  • Punk:

    Zitat

    Ich spreche nicht von Regeln sondern von Tugend.


    Bitte erläutere, was du unter Tugend verstehst.


    Jojo:

    Zitat

    Deine Theorie, dass ganz besondere Lehrer regelmäßiges exzessives Trinken als geschicktes Mittel einsetzten,


    Eine solche Theorie habe ich nicht. Die tranken einfach, weil es ihnen mehr Freude machte, als nicht zu trinken, denke ich. Oder weil sie süchtig waren. Letztere hätten dann das Problem gehabt, von dem du schreibst. Die anderen lieben einfach die (vorübergehende) Steigerung des Glücksempfindes durch den leichten Rausch. Wenn es keine Alkoholiker sind, können die das vom Sitzen trennen. Aber wiederum: Das Sitzen ist eben NICHT der Maßstab für alles. Es wird schon so sein, dass da der Einfluss des Alkohols stört. Beim Nicht-Sitzen kann das anders sein. Oder bei der Art des Zen, die ich Alltagszen nenne und bei der man sich auch im leicht alkoholisch-erheiterten Zustand den Lauf der Gedanken und der Welt betrachten kann. Ich trinke selbst praktisch nichts Alkoholisches mehr, aber aus Rücksicht auf meinen Magen, doch ich erinnere mich auch an meine Erfahrungen an schönen Cocktailabenden nach Gewinnen auf der Rennbahn. Oder aber an den Sex, den ich nach einem dreitägigen Migräne-Anfall unter Morphiumbehandlung, die mir das Krankenhaus angedeihen ließ, noch schnell mitnahm. Zwar hatte ich so einen Rausch auch mal durch Eigenausschüttung der Endorphine bei einer bestimmten Frau in einer bestimmten Situation, aber ich würde deshalb nicht das eine gegen das andere ausspielen wollen. Die sila müsste eigentlich lauten: Rauschmittel bitte in Maßen und nicht beim Betätigen von Maschinen. Ich weiß ja nicht, was da noch so alles los war zu Shakyamunis Zeiten, aber Verkehrsunfälle dürften kaum der Grund für den rigiden Rat gewesen sein.

  • diamant:

    Bitte erläutere, was du unter Tugend verstehst.


    Im Grunde dasselbe wie Immanuel Kant:


    Zitat

    „Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille.
    Fehlt dieser, können alle anderen Tugenden „auch äußerst böse und schädlich werden“. Quelle: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten



    Unter Tugend verstehe ich im buddhistischen Kontext Wirken von heilsamen Karma

  • Punk: Mir ist bei solchen Definitionen nur klar, dass sie nicht das umfassen, was mir wichtig ist. Der "gute Wille" kann auch Selbstbetrug sein. Natürlich kann ein "guter Wille" Schlechtes bewirken und wird dann eben - nach meiner Philosophie - durch die Tat und das Ergebnis relativiert. Denn meine Philosophie ist an der Tat und der Auswirkung interessiert. Diese Kritik betrifft dann auch die Kamma-Lehre:


    Zitat

    den Charakter und Geschick der Wesen beeinflussenden heilsamen oder unheilsamen Willen


    Wir sind - das ist Teil der Zenlehre - mit allem Dasein in einer Beziehung (wofür oft "Indras Netz" als Bild steht). Das, was aber dem einen "Wesen" heilsam ist, das kann einem anderen unheilsam sein. Der gleiche Wille kann also beides zugleich sein - etwa im Krieg, wo man sich für eine Seite entscheidet und diese verteidigt, wobei andere Wesen getötet werden. Ich kann in solchen Fällen nichts mehr mit "heilsamem" und "unheilsamem" Willen anfangen. Darum bin ich ja Zen auch dankbar, weil es mir die Grenzen solcher Vorstellungen aufgezeigt hat.


    Unsere Vorstellungen von Tugend unterscheiden sich deshalb wohl. Tugend ist in meinen Augen relativ, sie kann sich noch im Rückblick als etwas anderes erweisen.