dass ich das Buch bis zur letzten Zeile unvoreingenommen lesen konnte.
Ich finde es interessant, dass du deine "Herangehensweise" als unvoreingenommen bewertest. Ich weiß nicht, wie du den Begriff hier verwendest, aber mir scheint es, als ob du die Abwesenheit von Informationen als Unvoreingenommenheit verstehst. Seit einiger Zeit interessiere ich mich dafür, wie Leute sich Texte erschließen, mit Informationen umgehen, ihre Entscheidungsfindung und Meinungsbildung usw.
Ich würde deine Herangehensweise eher als ohne Kontext, ohne Informationen und daher eher unwissend bezeichnen. Ich kann mit gegebenen Informationen voreingenommen oder unvoreingenommen umgehen, aber die Abwesenheit von Informationen ist eher Blindflug.
Mit welchem Gefühl würde man die Geschichte lesen, wenn man von Malones Vergangenheit weiß? Würde man ihm nicht ganz andere Motive unterstellen?
Für mich klingt dies so, als ob du gerade, weil du nur die Hälfte des Bildes siehst, das ganze Bild unvoreingenommen und damit besonders gut bewerten kannst. Dies finde ich problematisch. Ich finde, je mehr Informationen, desto besser kann die Meinungsbildung sein. Du schreibst:
Im Gefängnis ist er zum Buddhismus gestoßen und hat sich offenbar komplett gewandelt
Ich will hier noch einmal kurz Kontext liefern. Malone hat bei den Pfadfindern angeheuert und dann Kinder missbraucht. Als er dort entlassen wurde, ist er in die nächste Stadt, den nächsten Bundesstaat und wieder zu den Pfadfindern (daher wurden die wegen Fahrlässigkeit auch verklagt). Für mich liest sich dies ziemlich kalkuliert: wie komme ich am Besten an Kinder in eine Machtposition heran.
Die 20jährige Haftstrafe ist mittlerweile abgelaufen und die Justiz musste entscheiden, wie es zukünftig mit Malone weitergehen soll. Eine Jury hat ihn - nach seiner Haftstrafe und trotz allem was er in seinem Buch schreibt - als "Sexually Violent Predator" klassifiziert und damit zwangsverpflichtet, in einer speziellen Einrichtung für Sexualstraftäter zu leben. Nach dem Gesetz im Bundesstaat Washington war es Aufgabe der Staatsanwaltschaft:
prosecutors had to demonstrate Malone suffers from specific mental abnormalities and/or personality disorders that cause him to have serious difficulty in controlling his dangerous behavior and make him likely to engage in predatory acts of sexual violence unless confined to a secure facility.
Ich bin der Meinung, dass das US-amerikanische Justizsystem in vielen Punkten kaputt ist. Aber vielleicht hatte die Jury auch einfach entsprechende Informationen vorliegen und nicht nur ein selbstgeschriebenes Buch. Sie sind auf jeden Fall nicht zu der Ansicht gekommen, Malone hätte sich (durch den Buddhismus) "komplett gewandelt". In einem anderen Bericht über diese Einrichtung, auch Malone wurde interviewt, heißt es:
In therapy at the SCC, offenders are encouraged to disclose all of their sexual deviance to help understand the scope of their problem. Clinicians then target the factors that make them vulnerable to reoffend. The ultimate goal isn’t to eliminate urges but to mitigate risk by modifying thoughts and emotions to change destructive behavior.
Malone nimmt nicht an der Therapie teil, da er meint, im Gefängnis schon genug Therapiesitzungen gehabt zu haben: "As for Malone, he doesn’t participate in Treatment" (ebenda). Weiter sagt er:
Zitat “The only thing I would love to do is have the opportunity to talk more about what my future would be rather than to constantly revisit something that occurred decades ago … It makes it difficult to do rehabilitation work on yourself when you’re still stuck in that experience. (ebenda)
Kann ich sogar irgendwie verstehen, aber irgendwie kann ich mir vorstellen ist es auch ein Schlag ins Gesicht für die Opfer: es kann schon lästig sein über das zu sprechen, was man verbrochen hat. Ist das Einsicht in was er getan hat?
Um zurückzukommen zur Unvoreingenommenheit und Meinungsbildung. Ist es wirklich besser, diese Informationen nicht zu haben, um sich eine Meinung zu bilden? Oder muss man diese Informationen haben, um sich eine Meinung bilden zu können? Während man gleichzeitig reflektiert, ob man mit diesen Informationen unvoreingenommen umgehen kann.