Neben den Stupas gilt es eine Praxis Vasen mit heiligen Texten und Mantras zu vergraben und Tsa Tsa sowie in Stein gravierte Bilder von Padmasambhava an versteckten Orten aufzustellen bzw. zu verstecken. Das ist ein Akt von Magie, um den tibetischen Buddhismus in einer Gegend zu etablieren. Ein Stupa ist ein um so sichtbares Zeichen, dass zeigen soll, dann man an diesem Ort Fuß gefasst hat und die Absicht hat zu bleiben. Immer wenn ich im Westen auf Stupas stoße, habe ich das Gefühl, dass hier sichtbar Land in Besitz genommen wird. Das mag richtig oder falsch sein, aber so wirkt es auf mich und nachdem ich selbst im tibetischen Buddhismus beheimatet bin, ist das auch nicht ganz unbegründet.
Beiträge von Anandabodhi
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Das Buddhafield Festival in England von Triratna haben es ganz gut drauf, Naturspiritualität mit Buddhismus zu verbinden. Ich bin kein Mitglied von Triratna, aber so ein Festival wünsche ich mir auch in Deutschland.
"We welcome everything in.
The elements. Nature. Connection to something bigger. The parts of us we find difficult. The bits of life that make us laugh, and the bits that make us cry. Our own potential and each other's potential.
We let down our defenses, soften the boundary between self and other, and become part of ineffable wholenessBuddhafield Festival 2025 - Uncovering the Jewel 16th to 20th July
Blackdown Hills, Somerset
https://buddhafield.com/buddhafield-festival-2025" -
Hallo Qualia, was Du beschreibst ist viel zu sehr in der Theorie verhaftet. Echte Naturerfahrung braucht dieses intellektuelle Geschwurbel gar nicht. Einfach in das nackte Gewahrsein gehen, nicht urteilen, nicht intellektualisieren
Dafür dass du nicht urteilen willst kommen dir Worte wie „intellektuelles Geschwurbel“ äußerst leicht
über die Lippenauf die Tasten..Der Kontext ist wie immer entscheidend. Wenn man nur noch in einem Modell der Welt lebt, aber nicht mehr in der Welt selbst, ist das ein Problem. In die reine Wahrnehmung der Welt zu gehen, funktioniert ohne Urteilen. Wenn Menschen in ihren Denkmodellen feststecken und sich dem direkten Kontakt verschließen, kann man das leicht erkennen und beurteilen. Das geht einem dann auch leicht über die Lippen, weil es so erstaunlich offensichtlich ist.
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[lz]Der Begriff upàdàna (Ergreifen) aus den Darlegungen des Buddha beschreibt den Akt zentraler Gestaltungskraft im Dasein des Menschen. ...
Ja, ergreifen ist aus buddhistischer Sicht ein Problem. Die Punkt ist aber, dass man in die Anschauung geht, ohne zu ergreifen, sein Ego abstreift, reines Gewahrsein zur Natur.
Ergreifen ist kein Problem, das Aneignen, das am Ergriffenen anhaften ist das Problem. Etwas Ergriffenes festhalten, bewahren, wollen wider besseres Wissen ist das Problem, das ist meins und das bleibt es auch.
Hallo Qualia, was Du beschreibst ist viel zu sehr in der Theorie verhaftet. Echte Naturerfahrung braucht dieses intellektuelle Geschwurbel gar nicht. Einfach in das nackte Gewahrsein gehen, nicht urteilen, nicht intellektualisieren.
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Die Punkt ist aber, dass man in die Anschauung geht, ohne zu ergreifen, sein Ego abstreift, reines Gewahrsein zur Natur.
Für einen Arhat sind die fünf Skandhas eine Ansammlung und Bezeichnung ohne ergreifen - ob ihm so etwas wie "Natur" gewahr wird, ist fraglich. "Natur" ist ja eine Abstraktion und eine Ansicht und ein geistiges Objekt. Damit erscheint auch das Subjekt - denn Subjekt und Objekt beziehen sich aufeinander. Als Subjekt fällt er damit auch aus seinem "reinen Gewahrsein".
Auch das Ego ist lediglich als Vorstellung vorhanden und kann diesbezüglich als Vorstellung erkannt werden.
Wenn du gefragt wirst - zeig mir die Natur - kannst du immer nur auf Konkretes verweisen. Anschauung ist daher immer Ergreifen.
Und Ergreifen ist so unmittelbar mit Anhaftung verknüpft, dass es lange Übungspraxis braucht, um den Akt des Loslassens zu vollziehen. Alle Sinneswahrnehmungen sind ein "Ergreifen".
Das ist mir alles viel zu abstrakt. Was Du beschreibst ist ein vollkommen buddhologisch-theoretische Welt, die kaum etwas mit echter Naturerfahrung zu tun hat.
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Wir leben in einer anderen Welt heute, viel mehr abgeschnitten von der Natur, was uns krank macht
Von der Natur getrennt zu sein, verursacht Dukkha
Das ist etwas paradox, denn nun erfuhr auch der Buddha Dukkha, und er war ja "naturnäher"? Mir scheint wir erfahren Dukkha ob wir nun 'nahe' der Natur sind, oder ob wir mit unseren zivilisatorischen Errungenschaften versuchen uns vor Natur und Naturgewalten abzuschirmen. Was mir ein bisschen fehlt ist die Analyse an welcher Stelle dieses Dukkha denn entsteht, das durch eine Trennung von der Natur verursacht. Versteh mich nicht falsch ich bin sehr gerne in der Natur, ich wandere gerne, zelte gerne, ich empfinde die Natur schön. Aber die Natur lässt das Dukkha nicht erlöschen. Sonst wäre der Buddha vor seinem Erwachen als bettelnder śramaṇa in den Wäldern ja schon in einer Situation gewesen, in der er garnicht mehr hätte unterm Bodhi-Baum meditieren müssen.
Es gibt Studien zu dem Thema, dass Abgeschnittensein von der Natur mit eine Rolle spielt bei Angst und Depression und umgekehrt, dass der Anblick von Bäumen Angstzustände mindert. Eine Quelle dazu ist z.B. das Buch "Der Welt nicht mehr verbunden" von Johann Hari.
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[lz]Der Begriff upàdàna (Ergreifen) aus den Darlegungen des Buddha beschreibt den Akt zentraler Gestaltungskraft im Dasein des Menschen. ...
Ja, ergreifen ist aus buddhistischer Sicht ein Problem. Die Punkt ist aber, dass man in die Anschauung geht, ohne zu ergreifen, sein Ego abstreift, reines Gewahrsein zur Natur.
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Die Natur zu ignorieren, ist Ignoranz und das wiederum ist die Ursache für Leiden. Interessanterweise ist das auch wissenschaftlich bewiesen. Die Gleichsetzung von Öko und Ego ist für mich nicht schlüssig. Mitgefühl wäre dann immer eine Form von Anhaftung, aber trotzdem wird sie im Buddhismus gelehrt und empfohlen.
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Hallo Qualia, ich glaube, dass die Vorstellung, dass Du nicht verbunden bist, nichts mit Buddhismus zu tun hat. Die Umwelt ist sehr stark mit uns verbunden. Schau dir vielleicht mal das Konzept von Indra's Netz an.
Buddhismus ist Buddhismus, ich bin ich. Buddhismus und ich können nur interagieren, niemals eins sein.
Indras Netz ist eine Vorstellung von Menschen, wohl geschaffen, um sie zu fesseln.
Indras Netz ist eine Metapher, die auf dem Entstehen in Abhängigkeit beruht. Wir können nicht ohne die Natur existieren. Wir könnten nicht leben ohne Pflanzen und Tiere in unserer Biosphäre. Selbst unser eigener Körper besteht zu einem großen Teil aus einem nicht-menschlichen Biom. Die Natur weg zu abstrahieren, was mit den griechischen Philosophen begann, hat uns in eine Industriegesellschaft geführt, die vielleicht bald ihr Ende nimmt. Wir müssen wieder viel mehr die Natur kennenlernen und wie wir mit dieser zusammenleben.
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Naturalismus war ja (im 19. Jahrhundert) in der Kunst eine Bewegung die realität "sachlich und ungeschönt" darzustellen. Ich empfinde da also einen gewissen begrifflichen Gegensatz zur Naturspiritualität. Wenn man nun empfindet das die Natur beseelt ist, dann mag man auch "Naturalismus" und "Naturspiritualität" für nicht trennbar halten. Ich würde das aber etwas anders sehen.
Anandabodhi vertritt hier in gewisser Weise einen Animismus. Im Pali Kanon finden sich da gewisse Anklänge, aber mein Eindruck ist erstmal nicht dass das zentral für die Lehre Buddhas ist, vielmehr sind die Devas und Geister eben teil des erzählerischen Vokabulars mit dem Argumentiert wird und in das manche Aspekte eingebettet werden.
Was im Pali Kanon aber immer wieder betont wird: Samsara betrifft auch die Devas und Geister. Auch für diese gelten die Daseinsmerkmale anatta (kein Selbst/ keine ewige Seele), anicca (vergänglichkeit), dukkha (leid). Insofern liegt auch kein Heil im Anhaften an spirituelle Wesen, das wäre nur anhaften, was letztlich wieder unheilsam (akusala) ist und zu Dukkha führt.
Was wäre denn heilsam (kusala) wenn man Animismus vertritt? Die Brahmavihara: Mitgefühl, Mitfreude, Nächstenliebe, Gleichmut. Sicherlich auch die Einsicht dass die Vorstellung einer ewigen Seele dem Buddhismus eher fremd ist. Wichtig ist für die buddhistische Praxis die Handlungen & Geisteshaltung, nicht die metaphysischen Überzeugungen.
Ich persönlich finde da eher - zugegeben etwas abstraktere Formulierungen - für meine Praxis 'belebend', etwa "Jedes Ding enthält das Ganze, und das Ganze ist in jedem Ding gegenwärtig" aus dem Huayan zong relevanter für das was ich als "meine Naturspiritualität" erachten würde.
Hallo Pano, ich wollte nicht den Naturalismus mit Naturspiritualität gleichsetzen, sondern gegenüberstellen. Beide enthalten das Wort Natur und das kommt manchmal zu kurz im Buddhismus wie z.B. Arne Naess festgestellt hat. Ich verstehe nicht den Punkt den ich schön öfter hier gehört habe, dass man an etwas anhaftet, wenn man es betracht oder in den Kontakt geht. Es geht eher darum, dass man etwas kennenlernt als es sofort in die vorgefertigte Schublade zu packen die heißt "alles draußen ist Anhaftung". Der Buddha war viel naturnäher als wir es heute sind. Er hat z.B. unter einem Baum meditiert als er die Erleuchtung fand und ist viel gewandert. Wir leben in einer anderen Welt heute, viel mehr abgeschnitten von der Natur, was uns krank macht. Von der Natur getrennt zu sein, verursacht Dukkha. Darüber gibt es einige wissenschaftliche Studien. Deshalb ist das Thema gerade für uns vermeintliche Dukkha-Experten so wichtig.
Im Mahayana und Vajrayana werden sechs Lebensbereiche unterschieden. Diese sind die Götter, die Halbgötter, die Hungergeister, die Höllenbewohner, die Tiere und die Menschen. Auf den tibetischen Lebensrädern ist der Buddha in allen der sechs Bereiche gegenwärtig und hilft den Wesen dort. Es ist also nicht so, dass er weiter unter seinem Bodhi-Baum sitzt und sich nur um sich selbst oder nur anderen Menschen kümmert, sondern er geht aktiv auf alle Wesen zu. Er kann diesen Wesen geschickt helfen, weil er versteht, was diese brauchen. Dies hat er sicher dadurch gelernt, weil er mit ihnen in Kontakt getreten ist und sie betrachtet hat. Das hat nichts mit Anhaftung zu tun, sondern mit einem echten Interesse an unseren Mitgeschöpfen. Aus einer Bodhisattva-Perspektive ist der Kontakt zur Natur unumgänglich, einmal um den Wesen der sechs Bereiche zu helfen und um das eigene Dukkha zu lindern, dass durch die Abgeschnittenheit von der Natur verursacht wird.
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Hallo Qualia, ich glaube, dass die Vorstellung, dass Du nicht verbunden bist, nichts mit Buddhismus zu tun hat. Die Umwelt ist sehr stark mit uns verbunden. Schau dir vielleicht mal das Konzept von Indra's Netz an.
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Was ich meine, ist den Blick von Innen nach Außen zu richten mit einer etwas animistischen Brille. Was nützt es, wenn ich nur mich selbst kennenlerne, aber die ganze Welt da draußen außer Acht lasse.
Hallo Anandabodhi,
da Dein Faden "naturalistischer Busddhismus" heißt, nehme ich mal an, dass Du Beiträge aus dieser Sicht hören willst? Ich frage, um unserer beiden Zeit nicht zu verschwenden.
Zitat
Was nützt es, wenn ich nur mich selbst kennenlerne, aber die ganze Welt da draußen außer Acht lasse.Aus nicht-naturalistischer Sicht ist die Antwort ganz klar: Weil ich es bin, der Dukkha erzeugt, in meinem Geist. Deshalb muss es auch dort erkannt und überwunden werden. Das ist der Weg des Buddha.
Ich würde Deine Frage gerne umdrehen: Was nützt es, die belebte Welt (was immer das heißt) zu verstehen (was immer das heißt), wenn mein Geist Mist daraus macht.
Bitte nicht falsch verstehen. Ich stehe Deinem Ansatz gleichmütig gegenüber. Aus meiner Sicht steht allerdings vieles, was Du die letzten Tage hier geschrieben hast, im direkten Widerspruch zu dem, was der Buddha gelehrt hat. Wenn Du das nicht diskutieren willst (wollen solltest), ist das für mich vollkommen ok.
Liebe Grüße,
Aravind.
Sehen wie die Dinge sind, ist buddhistisch. Die Dinge in vorgefasste Schubladen zu stecken, kann man machen als Teil einer Übung, z.B. die 13. Stufe der Anapanasati. Im Dzogchen, also der höchsten Stufe des tibetischen Buddhismus in der Nyingma-Tradition, betrachtet man die Dinge einfach nur noch, ohne zu werten und auch nicht werten als Dukkha. Also seine ego-lose Wahrnehmung auf die Natur zu richten, ist buddhistisch, vielleicht nicht in jeder Tradition. Wenn man die Sicht auf die Welt versucht in eine feste Struktur zu pressen, anstatt sie unvoreingenommen wahrzunehmen, verschließt man sich gegenüber der Natur, anderen Lebewesen. Du kannst sie gar nicht voll erfassen, wenn Du dich sofort mit vorgefassten Beurteilungen selbst daran hinderst. Buddhismus wäre sehr arm, wenn es immer nur um das eigene Ich geht und vor allem wie ich es loswerde. Das Leben hat etwas mehr zu bieten. Sehen wie die Dinge sind; das schließt Leid und Vergänglichkeit mit ein, ist aber nicht alles. Leerheit bedeutet nicht, dass nichts existiert. Leben existiert, Lebewesen mit Gefühlen. Ja, sie sind vergänglich, aber Mitgefühl bedeutet, dass wir uns ihnen zuwenden und nicht sofort dagegen verschließen. Das wäre wahrscheinlich das Gegenteil von einer Bodhisattva-Haltung; eher nihilistisch.
Du hast die letzten Tage erwähnt. Mir ist bewusst, dass einige im Forum die Natur da draußen lieber ausblenden und sich ganz auf ihr eigenes Ich fokussieren möchten, um es zum Erlöschen zu bringen. Dabei habe ich das Gefühl, dass sie ihr eigenes Ego um so mehr aufblasen und ihre Haltung hartnäckig verteidigen müssen. Das Ausblenden der Natur ist eine Kritik von Arne Naess an den Philosophien und Religionen. Sie beziehen sich in der Regel auf die Entwicklung des Selbst in drei Stufen, Ego-Selbst, soziales Selbst und metaphysisches Selbst. Das haben wir auch im Buddhismus, wie man an den Phasen an der Metta-Meditation sieht. Die Natur kommt nicht vor. Deshalb plädiert er für die Entwicklung des Öko-Selbst. Bitte hängt euch nicht gleich an dem Wort Selbst auf, dass es ja im Buddhismus nicht gibt. Ich hoffe, ihr versteht den Punkt trotzdem. Er entwickelt auf dieser Basis eine Philosophie, die Ecosophy T, die im Kern zu einem Bodhisattva-Ideal führt, dass nicht buddhistisch, sondern philosophisch hergeleitet wird.
Aus meiner Tradition her, dem Dzogchen, siehe ich kein buddhistisches Problem darin, die Dinge frei von einem Ego her zu betrachten.
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Das ist aber immer noch falsch, ich verwies bereits auf vegetative Zustände. Zumindest Form ist da, Bewusstsein nicht. Das sind einfach Kategorien, die einem anderen Kenntnisstand der menschlichen Entwicklung entsprechen, also historisch bedingt sind.
Dass Pflanzen kein Bewusstsein haben, ist nach den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnis kaum noch haltbar. Es ist vor allem unsere anthropozentrische Sicht der Welt, die ihren Ursprung bei den griechischen Philosophen hat, die uns auf einen Sockel stellt und uns blind gegenüber anderen Lebensformen macht. Es gibt dazu ein ganz gutes Buch, das dieses Phänomen aus einer buddhistischen, wissenschaftlichen Perspektive beschreibt:
Unseen Beings: How We Forgot the World Is More than Human , von Erik Jampa Andersson
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Übrigens gibt es auch eine überlieferte 12-stufige Heldenreise des Buddha im Mahayana. Diese nennt sich "12 Taten des Buddha". https://de.wikipedia.org/wiki/Zw%C3%B6lf_Taten_des_Buddha
Die Anti-Heldenreise dazu ist das 12-gliedrige Entstehen in Abhängigkeit. https://de.wikipedia.org/wiki/Bedingtes_Entstehen
Eine moderne und säkulare Form von Buddhas Heldenreise findet sich in dem Büchlein "Die Spirituelle Heldenreise: Ein Arbeitsbuch in 12 Stufen".
Aber wie gesagt hat Buddha eine bestimmte 12-gliedrige Heldenreise für uns empfohlen, die vier edlen Wahrheiten und den achtfachen Pfad.
Vier edle Wahrheiten – Wikipedia
Edler achtfacher Pfad – Wikipediade.wikipedia.org -
kann dazu genutzt werden, mit den Naturkräften in Verbindung zu kommen
Ich denke das musst du weiter ausführen was du damit meinst. Beim achtsamen gehen komme ich mit der Schwerkraft in Verbindung, beim Atmen mit der strömungsdynamik. Oder bin ich mit dieser Interpretation deiner Worte schon „zu technisch“?
Bei der Gehmeditation kommen wir hauptsächlich mit uns selbst in Kontakt. Was ich meine, ist den Blick von Innen nach Außen zu richten mit einer etwas animistischen Brille. Was nützt es, wenn ich nur mich selbst kennenlerne, aber die ganze Welt da draußen außer Acht lasse. Du kannst vielleicht die Gaia-Hypothese heranziehen. Wir sind Teil einer belebten Welt. Das Meer ist nicht einfach nur ein Element, sondern ein Lebewesen, mit vielen Lebewesen darin. Das Meer ist potenziell tödlich, wenn man seine Eigenschaften und Grenzen missachtet, weswegen es von manchen als Gottheit angesehen wird. Aber lassen wir diese Sicht außer acht. Ich meine mit offenen Gewahrsein z.B. mit dem Mehr in Kontakt zu gehen, ganz hineinbegeben, nicht urteilen, einfach fließen lassen. Vom Gefühl so, als würdest Du dich nackt in den Regen stellen und ganz der Erfahrung hingeben.
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In den meisten überlieferten buddhistischen Traditionen findet man eine animistische Weltsicht. Im Palikanon sind es zum Beispiel die Naga, Yakkha, Peta und die Erdgöttin, die Buddhas Erleuchtung bezeugt. Dort wird manchmal zwischen den Göttern der Natur und den Göttern der menschlichen Natur unterschieden. Als Götter sind die Naturkräfte selbst gemeint, nicht ein Gott über die Natur, also keine Vermenschlichung. Das reine, nackte Gewahrsein, dass man im Buddhismus entfaltet, kann dazu genutzt werden, mit den Naturkräften in Verbindung zu kommen. Im Christentum hat sich etwas ähnliches entwickelt, und zwar die Lectio Naturae, die ungefähr dem Ablauf der Lection Divina folgt, der Schriftmeditation. Das funktioniert aus eigener Erfahrung sehr gut. Eine buddhistische Form wäre zum Beispiel, dass man aus der Übungsfolge der Anapanasati in eine Naturbetrachtung geht, idealerweise in der Natur. Dieser Schnittpunkt von reinem Gewahrsam des Buddhismus und in den Kontakt gehen mit der Natur kann eine starke Wirkung und läuft der Gefahr des Nihilismus im Buddhismus entgegen. Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht?
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Mein Spazierengehen ist eigentlich nur Sitzen im Gehen. Da bin ich ganz in der Welt und muss immer achtsam sein und mich nicht zu sehr von meiner Aufmerksamkeit ablenken lassen. Wenn ich vorher oder nachher Sitze, fällt mir erst auf, wie viel ich achtsam wahrnehme, ich bin auch da in der Welt. Meine Aufmerksamkeit ist damit beschäftigt, mir schlechte Haltung oder Gefahren zu melden, auf die ich reagieren muss oder kann. Im Sitzen spazieren gehen, im Spazierengehen sitzen. Mit ein wenig Achtsamkeit ist das einfach.
Beim Gehen treffe ich auch Menschen, meistens mit Hunden oder mit Laufen beschäftigt, sie sind immer beschäftigt immer in Aktion. Da ist mir besonders aufgefallen, dass die Hunde mich immer mit mehr Achtsamkeit und weniger Aufmerksamkeit wahrnehmen, bei Menschen ist es meistens umgekehrt oder nur Aufmerksamkeit.
Ich kann nachvollziehen, was Du meinst. Ruhe und Ungestörtheit sind beim offenen Gewahrsein schon sehr hilfreich. Alleine vor dem offenen Meer, auf einem Berg oder wehenden Wind zu sitzen, wären ideal, um mit diesem Element, wenn nicht sogar Naturgottheit in Verbindung zu kommen.
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Buddhas Erleuchtungsgeschichte folgt der Struktur einer Heldenreise von Joseph Campbell. Christopher Vogler und CG Jung haben daraus eine 12-stufige Heldenreise entwickelt. Für mich liegt es auf der Hand, dass der Buddha als Ergebnis seiner eigenen Heldenreise eine Heldenreise für uns hinterlassen hat und zwar die vier edlen Wahrheiten und den achtfachen Pfad, zusammen ebenfalls zwölf. Wir alle erleben unsere Heldenreisen im Leben. Eine davon bei mir ist der Aktivismus in der Klimakrise. In einer Klimagruppe wenden wir die vier edlen Wahrheiten und den achtfachen Pfad ganz konkret als spirituelle Agenda an und das funktioniert sehr gut. Wir haben zu diesem Thema auch ein passendes Buch gefunden. Ich finde, man sollte die Kernlehre des Buddha viel mehr und genereller auf konkrete Lebensthemen anwenden und schauen, wie sie einem dabei helfen können, die Dinge klarer zu sehen, als sie im luftleeren Raum zu betrachten.
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Man fragt sich manchmal, was an Erleuchtung und Nirvana eigentlich das Problem ist, wenn Buddha es erlebt und im Detail übermittelt hat in den vier edlen Wahrheiten und dem achtfachen Pfad. Ganz konkret wird es in der Anapanasati. Was erhoffe ich, wenn ich das erfahre, was der Buddha vor langer Zeit schon beschrieben hat? Eine Überraschung kann es eigentlich nicht sein. Ich sehe dann einfach mit Achtsamkeit und Klarblick, wie die banalen Dinge des Lebens entstehen und vergehen und ich loslassen kann. Das ist die Gegenwart. Wenn ich das ultimative Ziel mit anderen Religionen vergleiche, dann liegt sie immer in der Zukunft und kann eigentlich nie erreicht werden. Wenn einem das klar wird, kann man etwas entspannter an die Sache herangehen. Das Ziel reduziert sich darauf, dass man sich in die richtige Richtung entwickelt. Jeden Tag ein Stück achtsamer und weiser werden, manchmal in einem Retreat die Dinge ganz klar erkennen und dann wieder in den Alltag abtauchen und eine Praxis aufrecht erhalten, um nicht ganz davon aufgesaugt zu werden.
Wenn man alle Ablenkungen beiseite lässt, wie es z.B. in der Anapanasati beschrieben wird, kann man die Dinge mit nacktem Gewahrsein sehen und die Inspiration fließen lassen und es bleibt ein tiefgehendererer Eindruck davon hängen als dies in einem Normalbewusstsein möglich ist. Leider sitzen wir beim meditieren meistens nur in geschlossenen Räumen und nicht in Natur, wo das eigentlich Leben stattfindet. Wir erlernen also eine Praxis, wenden sie aber nur auf die Gedanken an, die in unserem Kopf im Karussell drehen anstatt auf die Welt da draußen. Nach dem die menschliche Natur auch ein Teil der Natur ist, erfassen wir damit immerhin noch einen Teil davon, aber nicht die ganze Welt bzw. Natur. Dummerweise werden im Buddhismus viele Gefühle von vorne herein als schlecht angesehen und man will sie deshalb sofort loswerden und sich davon distanzieren. Besser wäre es, sich ganz darin hinein zu begeben und sie im Ganzen wahrzunehmen; die Inspiration fließen zu lassen. Leerheit wird von vielen so verstanden, dass das Gehirn ganz geleert werden soll, was sehr bedauerlich ist, weil das einem nicht sehr weise machenden Nihilismus gleich kommt und die Welt auf sehr wenig reduziert. Meines Erachtens ist es besser die Leerheit des Geistes so zu verstehen, dass man die Dinge ohne zu beurteilen erkennen kann und damit viel mehr erfasst, also wenn man das Betrachten sofort abschaltet oder ins voreilige Beurteilen kommt.
Es gibt einige Praktiken, mit denen man es schafft, in ein offenes Gewahrsein zu kommen, ohne dass man sich gleich erleuchtet nennen muss. Der Unterschied zu Erleuchtung wäre dann nur, dass dieser Zustand nicht mehr aufhört. Ich bin mir nicht sicher, ob die andauernde Erleuchtung ein erstrebenswertes Ziel sind, weil man dadurch sehr viel aufgeben müsste, was uns als Menschen ausmacht. Ich fände es sehr spannend, sich dazu konkreter bei einem Treffen auszutauschen als es in einem Forum möglich ist.