Buddhismus als Heldenreise

  • Buddhas Erleuchtungsgeschichte folgt der Struktur einer Heldenreise von Joseph Campbell. Christopher Vogler und CG Jung haben daraus eine 12-stufige Heldenreise entwickelt. Für mich liegt es auf der Hand, dass der Buddha als Ergebnis seiner eigenen Heldenreise eine Heldenreise für uns hinterlassen hat und zwar die vier edlen Wahrheiten und den achtfachen Pfad, zusammen ebenfalls zwölf. Wir alle erleben unsere Heldenreisen im Leben. Eine davon bei mir ist der Aktivismus in der Klimakrise. In einer Klimagruppe wenden wir die vier edlen Wahrheiten und den achtfachen Pfad ganz konkret als spirituelle Agenda an und das funktioniert sehr gut. Wir haben zu diesem Thema auch ein passendes Buch gefunden. Ich finde, man sollte die Kernlehre des Buddha viel mehr und genereller auf konkrete Lebensthemen anwenden und schauen, wie sie einem dabei helfen können, die Dinge klarer zu sehen, als sie im luftleeren Raum zu betrachten.

  • Übrigens gibt es auch eine überlieferte 12-stufige Heldenreise des Buddha im Mahayana. Diese nennt sich "12 Taten des Buddha". https://de.wikipedia.org/wiki/Zw%C3%B6lf_Taten_des_Buddha


    Die Anti-Heldenreise dazu ist das 12-gliedrige Entstehen in Abhängigkeit. https://de.wikipedia.org/wiki/Bedingtes_Entstehen


    Eine moderne und säkulare Form von Buddhas Heldenreise findet sich in dem Büchlein "Die Spirituelle Heldenreise: Ein Arbeitsbuch in 12 Stufen".


    Aber wie gesagt hat Buddha eine bestimmte 12-gliedrige Heldenreise für uns empfohlen, die vier edlen Wahrheiten und den achtfachen Pfad.

    Vier edle Wahrheiten – Wikipedia

  • Die zwölfgliedrige Heldenreise des Buddha ist eine Reise, die einen Anfangspunkt und einen Endpunkt hat, doch eine einzigartige. Eine normale Reise geht immer weiter, von Zuhause nach Dahin und von Dahin nach Zuhause und ... Von meinem Bett aufsehen, um wieder zu meinem Bett zu kommen.


    Die Kette des bedingten Entstehens ist fast genau so eine Reise. Natürlich hat sie einen Anfangspunkt, nämlich die Unwissenheit, wie ich Zweifel und Leiden erzeuge. Komme ich bei meiner Analyse auf der letzten Perle an, dann geht es auf dem gleichen Weg zurück, dem Erkennen, wie ich Zweifel/Leiden vermindern kann bis zur dann verminderten Unwissenheit zurück.

    Erst auf diesem Rückweg kommen die vier Wahrheiten ins Spiel, vorher benötige ich keine Handlungsanweisungen. Die sind erst wichtig, wenn ich an meinem Sterben verzweifle, eine Lösung suche. Mit den vier Wahrheiten beginnt der Rückweg zur Unwissenheit, dann wird die Unwissenheit, wie Leiden erscheint, zum Vergessen haben der vier Wahrheiten als Richtschnur. Der Weg der zwölf Perlen ist eine immer flacher werdende Sinuskurve.


    Gehen wir die Kette so wie Buddha es anweist, können wir uns bald wie im Schlaf darauf bewegen und die Unwissenheit/Dukkha vernichten, doch dann ist die Heldenreise des Buddha die Vernichtung des Helden. Kein Heldentum mehr möglich.

  • Wenn man SN56.11 genau liest, gibt es die angeblich erste Wahrheit nicht, Einbildung.


    Die Erste ist: Nicht an Sinneslust oder Sinnesleid festhalten. Vergangene Lust oder Leid sind nicht mehr real.

    Die Zweite ist: Und das ist die Wahrheit vom Leiden (das durch Festhalten an Sinnesfreude und Sinnesleid erzeugt wird.)

    Die Dritte ist: Wie Leiden bewirkt werden, die zwölffache Kette des bedingten Entstehens bis zum Sterben. 1–12.

    Die Vierte ist: Vernichten des Leidens, die zwölffache Kette des bedingten Entstehens vom Sterben bis zur Unwissenheit. 12 - 1.


    Der achtfache Weg ist kein Leiden, sondern die Erkenntnis, wie man den mittleren Weg erkennt und leben kann, damit man relativ frei von Leiden bleiben kann.


    Außerdem ist er verkürzt aufgeschrieben, mit gutem Grund, denn schon 9 befreit vom Glauben an die Meinungen anderer und 10 sogar vom Glauben an die eigenen Meinungen. Ein wahrer Meister führt einen Schüler den ganzen Weg und nicht nur zurück zum: Leben ist Leiden.

    9 Rechte Weisheit

    10 Rechte Freiheit.

    Buddha hat in seinen Reden immer den ganzen Weg gezeigt, nichts ausgelassen oder verschwiegen, das taten nur Menschen, die sie aufgeschrieben haben. Die Lehre verwässern, begann spätestens 150 Jahre nach dem Tod Buddhas mit dem Aufschreiben.

  • Ein interessanter Gedanke dem ich bei der Beschäftigung mit dem Christentum ist, das Evangelium als Literaturgattung zu begreifen. Das kann man erstmal ganz unabhängig davon machen, ob eine solche Erzählung einem Archetypen von Erzählmustern entspricht oder nicht. Im Mittelmeerraum waren zum Beispiel auch Briefe eine beliebte (oft fiktionale) Literaturgattung. Entsprechend einig ist sich die Bibelforschung auch, dass viele Briefe in der Bibel nicht authentisch sind, also ursprünglich nicht als Briefe an eine Gemeinde verfasst wurden, sondern vorneweg entstanden sind um in Buchform veröffentlicht / geteilt zu werden.


    Wenn man diesen Standpunkt einnimmt kann man diese Quellen immer noch rezipieren, aber sie verlieren etwas diesen Absoltheitsanspruch der so manche Diskussion unmöglich macht.


    Ich denke man kann auch die Pali-Suttas und die Mahayana-Sutras unter einem solchen Winkel betrachten. Damit werden sie von authentischem Buddha-Wort zum authentischen literarischen Ausdruck der gelebten Dharma-Praxis den Entstehungszeitalters. Es bleibt bei Authentizität aber ihr Wesen verschiebt sich etwas. Das ganze funktioniert allerdings nur dann produktiv wenn man erstmal alle Quellen so betrachtet. Es reicht eben nicht, wie viele Theravadins es tun, die Mahayana Sutras als fiktionale Werke zu begreifen, und gleichzeitig Suttas aus dem Palikanon als Protokolle des ursprünglichen Buddha-Wortes zu begreifen.

  • Von David Loy gibt es das schöne Buch "the world is made of stories" in der es eben genau um die Beziehung zwischen Buddhismus und Narration geht:


    Diejenigen, die meditieren, kennen die Warnungen: "Haltet euch nicht Wir sollten sie loslassen, weil sie unsere Wahrnehmung verzerren. unsere Wahrnehmungen. Doch Konzepte sind an sich Fragmente, Das Problem sind nicht die Geschichten selbst. Das Problem sind nicht die Geschichten selbst, sondern wie wir uns zu ihnen verhalten. Wir sehen unsere Geschichten nicht als Geschichten, weil wir durch sie hindurch sehen: Die Welt, die wir als Welt, die wir als Realität erleben, ist durch sie konstruiert. Dass die Welt aus Geschichten besteht, stimmt mit dem überein, was der Buddhismus über das menschliche Dilemma sagt und wie es gelöst werden kann.


    Die grundlegende Geschichte, die wir erzählen und neu erzählen, ist das Selbst, das angeblich getrennt und substanziell ist, aber aus den Geschichten besteht, mit denen Geschichten, mit denen ich mich identifiziere und die ich zu leben versuche. Unterschiedliche Geschichten haben unterschiedliche Konsequenzen. Karma ist nicht etwas, das das Selbst hat sondern das, was aus dem Gefühl des Selbst wird, wenn wir unsere Rollen innerhalb von als real wahrgenommenen Geschichten spielen. Wenn diese Rollen zur Gewohnheit werden - Gewohnheit werden, verfestigen sich mentale Tendenzen und wir binden uns ein Seil. Wenn das Selbst aus Geschichten besteht, was bedeutet das dann für seinen Tod?

    Von daher kann man dann Freheit unterschiedlich sehen.


    Als Freheit von Geschichten - wo nichts mhr sich zu einem sinnvollen Ganzen fügen muß sondern ruhig kontingent und auch absurd sein kann. Dies ist der Weg der Dekonstruktion.


    Oder als die Freheit auch frei ganz andere Geschichten erzählen zu können. Joseph Campbell neigte, gerade in seinem vierten Band "Schöpferische Mythologie" wo er James Joyce das Loblied singt, letzterer Sicht zu. Mensch zu sein, bedeutet für ihn kreativ und schöpferisch zu sein. Eher auf immer neue Geschichten zu kommen, statt sie zum Schweigen zu bringen.

  • Joseph Campbell dachte ja, dass die Heldenreise ein universelles Phänomen sei. Tatsächlich ist es so, dass diese Grundstruktur zwar in vielen Märchen und vielen Kulturen vorkommt, aber eben nur eine der Grundstrukturen ist. Auch im Westen gibt es Mythen wie den von Ödipus ( das sich Vollziehende Verhängnis) die nicht der Heldenreise entspricht.


    As story consultant Steve Seager explains on his blog, the monomyth is only one type of ancient myth. While narratives like the story of Moses in the Book of Exodus and the battle between Marduk and Tiamat in Mesopotamian mythology can be summarized as hero’s journeys, many other tales of old — from tragedies like Oedipus Rex to folktales like Rumpelstiltskin, not to mention most creation myths — cannot.


    Cultures from the ancient world not only had unique gods and monsters, but unique narrative traditions also. “Indian narrative forms are radically different from Western forms,” Seager writes. “Watch a Bollywood movie. One moment the film is a romance, then a thriller, then a musical, then a martial arts movie — confusing for a Western audience but totally natural for an Indian audience.” He defines these narrative forms as “eminently comfortable with complexity, non-linearity and the non-binary nature of being.” Where hero’s journeys deal in dualities, with the protagonist abandoning one worldview in favor of another, defeating the dragon or being defeated by it, Indian stories — shaped by Hinduism and Buddhism — do not typically present their conflicts in the framework of a choice.

    Wobei der "Held" ja auch eine ganz spezielle Figur ist. Ihm gelingt es die Mächte des Chaos ( Löwen, Zyklopen und andere Ungeheuer) zu besiegen. Während eben bei Ödipus der Mensch sich als schwach erweist und die Schicksalmächte den Sieg davon tragen.


    In Japan gibt es öfter eine Mischung aus beidem. So werden im Heike Monigatari durchaus die stolzen Helden - die prächtigen Samurai besungen, die es schaffen Ruhm zu erlangen. Aber im Hintergrund ist immer ein pessimistisch er, buddhistischer Grundton,der anmahnt dass auch wenn sich die Helden gegen die Vergänglichkeit durchsetzen, ihr Sieg in er ein kurzer ist .


    Zitat

    „Das Läuten der Tempelglocke von Jetavana verkündet die Unbeständigkeit aller Erscheinungen dieser Welt, und die Farbe der Salbaumblüten offenbart das unvermeidliche Schwinden jener, die sich erfolgreich entfalten. Nicht lange währen die Hochmütigen, es gleicht dem Traum einer Frühlingsnacht, und auch die Kühnen vergehen letztendlich wie der Staub vor dem Wind.“


    Aber ironischerweise sagt dass dann, das vielleicht der Weg Buddhas die einzige mögliche Heldenreise ist.