Also soweit ich das verstanden habe, ist Shamatha ruhiges Verweilen. Und Vipassana ist Einblick. Also zuerst wird der Geist ruhig gemacht und dann kann man auf den Grund blicken.
Was hat das Ganze jetzt mit Achtsamkeit zu tun?
Kann mir das jemand erklären?
Wozu ist Shamatha gut? Entfaltung von Shamatha als sabba-saṅkhāra-samatho ist ein wesentlicher Bestandteil der Praxis (MN 64):
"Es gibt einen Pfad, Ānanda, einen Weg zum Überwinden der fünf niedrigeren Fesseln; dass irgendjemand, ohne zu jenem Pfad, zu jenem Weg zu gelangen, die fünf niedrigeren Fesseln kennen oder sehen oder überwinden wird - dies ist nicht möglich… Und was, Ānanda, ist der Pfad, der Weg zur Überwindung der fünf niedrigeren Fesseln? In Abgeschiedenheit von jeglicher Vereinnahmung, mit der Überwindung unheilsamer Geisteszustände, mit der völligen Stillung körperlicher Trägheit tritt da ein Bhikkhu ganz abgeschieden von Sinnesvergnügen, abgeschieden von unheilsamen Geisteszuständen, in die erste Vertiefung ein, die von anfänglicher und anhaltender Hinwendung des Geistes begleitet ist, und verweilt darin, mit Verzückung und Glückseligkeit, die aus der Abgeschiedenheit entstanden sind. Was auch immer darin an Form, Gefühl, Wahrnehmung, Gestaltungen und Bewußtsein existiert, er sieht diese Zustände als vergänglich, als Dukkha, als eine Krankheit, als ein Geschwür, als einen Stachel, als ein Unglück, als Leid, als fremd, als etwas, das sich auflöst, als leer, als Nicht-Selbst. Er wendet seinen Geist von diesen Zuständen ab und lenkt ihn so zum todlosen Element: 'Dies ist das friedvolle, dies ist das höchste, nämlich die Stillung aller Gestaltungen ( sabba-saṅkhāra-samatho ), das Loslassen aller Vereinnahmung, die Vernichtung allen Begehrens, die Lossagung, das Aufhören, Nibbāna.'"
Was bedeutet Stillung aller Gestaltungen? Das (vorübergehende) zur Ruhe Kommen, das Aufhören (nirodha) der Gestaltungen der Sprache, des Körpers und des Geistes (MN 44):
"Was aber, Ehrwürdige, ist die Gestaltung des Körpers? Was ist die Gestaltung der Sprache? Was ist die Gestaltung des Geistes?" "Das Einatmen und das Ausatmen, Freund Visākha, ist die Gestaltung des Körpers; Gedankenfassung und diskursives Denken sind die Gestaltung der Sprache; Wahrnehmung und Gefühl sind die Gestaltung des Geistes. Freund Visākha, wenn ein Bhikkhu das Aufhören von Wahrnehmung und Gefühl erlangt, hört zuerst die Gestaltung der Sprache auf, dann die Gestaltung des Körpers, dann die Gestaltung des Geistes."
Wenn Samadhi-Praxis zur Stillung aller Gestaltungen führt, wozu braucht es dann noch Vipassana? Weil ohne Vipassana Zustände der Samadhi-Praxis mit dem vollständigen (vorübergehenden) zur Ruhe Kommen der Gestaltungen der Sprache, des Körpers und des Geistes verwechselt werden können (MN 111):
„Einen Halbmonat lang, ihr Bhikkhus, praktizierte Sāriputta Einsicht in verschiedene Zustände, einen nach dem anderen ( anupadadhammavipassanaṃ vipassati ).
Sāriputtas Einsicht in verschiedene Zustände, einen nach dem anderen, war diese: Da, ihr Bhikkhus, trat Sāriputta ganz abgeschieden von Sinnesvergnügen, abgeschieden von unheilsamen Geisteszuständen, in die erste Vertiefung ein, die von anfänglicher und anhaltender Hinwendung des Geistes begleitet ist, und verweilte darin, mit Verzückung und Glückseligkeit, die aus der Abgeschiedenheit entstanden sind. Und die Zustände in der ersten Vertiefung - die anfängliche Hinwendung des Geistes, die anhaltende Hinwendung des Geistes, die Verzückung, die Glückseligkeit und die Einspitzigkeit des Geistes; der Kontakt, das Gefühl, die Wahrnehmung, der Wille und Geist; der Eifer, der Entschluß, die Energie, die Achtsamkeit, der Gleichmut und das Aufmerken - diese Zustände wurden von ihm umgrenzt, einer nach dem anderen; jene Zustände entstanden, und er hatte Kenntnis davon, sie waren gegenwärtig, und er hatte Kenntnis davon, sie verschwanden, und er hatte Kenntnis davon. Er verstand: 'Diese Zustände treten also tatsächlich in Erscheinung, nachdem sie vorher nicht vorhanden waren; nach ihrem Vorhandensein zerfallen sie.' In Bezug auf jene Zustände verweilte er, ohne angezogen zu werden, ohne abgestoßen zu werden, unabhängig, ungebunden, frei, losgelöst, mit einem unbeschränkten Herzen. Er verstand: 'Es gibt ein Entkommen jenseits davon', und mit der Pflege jenes Erreichungszustands bestätigte er, daß es das gibt.“
Wenn Samadhi-Praxis zur Stillung aller Gestaltungen unverzichtbar ist, macht es dann überhaupt Sinn, so etwas wie Vipassana-Meditation ohne Samatha üben zu wollen? Sich in der Betrachtung von Entstehung, Veränderung und Vergänglichkeit zu üben, macht auch schon mit geringer Geistessammlung Sinn (MN 10):
„… Oder er verweilt, indem er die Ursprungsfaktoren in Geist betrachtet, oder er verweilt, indem er die Auflösungsfaktoren in Geist betrachtet, oder er verweilt, indem er die Ursprungs- und Auflösungsfaktoren in Geist betrachtet. Oder die Achtsamkeit, daß da Geist vorhanden ist, ist einfach in dem Ausmaß in ihm verankert, das für bloße Vergegenwärtigung und Achtsamkeit nötig ist. Und er verweilt unabhängig, haftet an nichts in der Welt an. Auf jene Weise verweilt ein Bhikkhu, indem er Geist als Geist betrachtet."
Aber idealerweise werden Samatha und Vipassana gemeinsam entfaltet, so wie es auf dem achtfachen Pfad ja auch geschieht (MN 149):
"… Die Ansicht einer so-gewordenen Person ist Richtige Ansicht. Ihre Absicht ist Richtige Absicht, ihre Anstrengung ist Richtige Anstrengung, ihre Achtsamkeit ist Richtige Achtsamkeit, ihre Konzentration ist Richtige Konzentration. Aber ihre körperliche Handlung, ihre sprachliche Handlung und ihre Lebensweise sind bereits früher gründlich geläutert worden. Somit kommt dieser Edle Achtfache Pfad durch Entfaltung in ihr zur Vollständigkeit. Wenn sie diesen Edlen Achtfachen Pfad entfaltet, kommen auch die vier Grundlagen der Achtsamkeit durch Entfaltung in ihr zur Vollständigkeit; auch die vier Richtigen Anstrengungen kommen durch Entfaltung in ihr zur Vollständigkeit; auch die vier Machtfährten kommen durch Entfaltung in ihr zur Vollständigkeit; auch die fünf spirituellen Fähigkeiten kommen durch Entfaltung in ihr zur Vollständigkeit; auch die fünf Geisteskräfte kommen durch Entfaltung in ihr zur Vollständigkeit; auch die sieben Erleuchtungsglieder kommen durch Entfaltung in ihr zur Vollständigkeit. Diese beiden Dinge - Ruhe und Einsicht - treten in ihr gleichmäßig gepaart in Erscheinung. Sie durchschaut Dinge vollständig mit höherer Geisteskraft, die vollständig mit höherer Geisteskraft durchschaut werden sollten. Sie überwindet jene Dinge mit höherer Geisteskraft, die mit höherer Geisteskraft überwunden werden sollten. Sie entfaltet jene Dinge mit höherer Geisteskraft, die mit höherer Geisteskraft entfaltet werden sollten. Sie verwirklicht jene Dinge mit höherer Geisteskraft, die mit höherer Geisteskraft verwirklicht werden sollten."
"Und welche Dinge sollten vollständig mit höherer Geisteskraft durchschaut werden? Die Antwort darauf ist: die fünf Daseinsgruppen, an denen angehaftet wird, nämlich die Daseinsgruppe der Form, an der angehaftet wird, die Daseinsgruppe des Gefühls, an der angehaftet wird, die Daseinsgruppe der Wahrnehmung, an der angehaftet wird, die Daseinsgruppe der Gestaltungen, an der angehaftet wird, die Daseinsgruppe des Bewußtseins, an der angehaftet wird. Dies sind die Dinge, die vollständig mit höherer Geisteskraft durchschaut werden sollten."
"Und welche Dinge sollten mit höherer Geisteskraft überwunden werden? Unwissenheit und Begehren nach Werden. Dies sind die Dinge, die mit höherer Geisteskraft überwunden werden sollten."
"Und welche Dinge sollten mit höherer Geisteskraft entfaltet werden? Ruhe und Einsicht ( Samatho ca vipassanā ). Dies sind die Dinge, die mit höherer Geisteskraft entfaltet werden sollten."
"Und welche Dinge sollten mit höherer Geisteskraft verwirklicht werden? Wahres Wissen und Befreiung. Dies sind die Dinge, die mit höherer Geisteskraft verwirklicht werden sollten."