Alles anzeigenDas Fortschreiten auf dem achtfachen Pfad bedeutet in den meisten Fällen nicht, von heute auf morgen auf Sinnesfreuden zu verzichten, sondern nach und nach "gröbere" (Sinnes-)freuden durch "feinere" Feuden zu ersetzen, bis hin zu:
"Das größte Gut ist die Gesundheit,
Nibbāna ist das größte Glück,
Der beste Pfad ist der Achtfache,
Der sicher zum Todlosen führt."Wenn Ananda den Mönchen in Aussicht stellt, die Höhle zu besuchen, dann bedient er dabei sicher auch die Freude auf Abwechlsung und Sensationsgier, aber dieser "Köder" wird verwendet, um die Bhikkhus in die weltanschauliche Diskussion mit den andersfährtigen Wanderasketen zu führen.
Wenn Sariputta die Schönheit des Salawaldes beschreibt, dann beschreibt er sie um des Gleichnis mit dem schmückenden Bhikkhu wegen, und es ist gar nicht klar, ob der sich dieser Schönheit in irgendeiner Weise hingibt. Die Lehrrede endet schließlich mit einer deutlichen Ermahnung:
Nach diesen Worten fragte der ehrwürdige Sāriputta den Erhabenen: "Ehrwürdiger Herr, wer von uns hat gut gesprochen?"
"Ihr habt alle gut gesprochen, Sāriputta, jeder auf seine Weise. Höre auch von mir, welche Art von Bhikkhu diesen Sālawald von Gosiṅga schmücken könnte. Sāriputta, wenn da ein Bhikkhu von seiner Almosenrunde zurückgekehrt ist, setzt er sich nach seiner Mahlzeit nieder, kreuzt die Beine, richtet den Oberkörper auf, verankert die Achtsamkeit vor sich und faßt den Entschluß: 'Ich werde diese Sitzhaltung nicht aufgeben, bis mein Geist durch Nicht-Ergreifen ( nān-upādāya ) von den Trieben befreit ist.' Jene Art von Mönch könnte diesen Sālawald von Gosiṅga schmücken."
Wenn der Buddha beispielsweise sagt:
"Und was, ihr Bhikkhus, ist die Befriedigung im Fall von Formen? Angenommen, da gäbe es ein Mädchen aus dem Adelsstand oder dem Brahmanenstand oder von einem Haushälter abstammend, in ihrem fünfzehnten oder sechzehnten Lebensjahr, weder zu groß noch zu klein, weder zu dünn noch zu fett, weder zu dunkel noch zu hellhäutig. Befindet sich ihre Schönheit dann auf dem Höhepunkt?" - "Ja, ehrwürdiger Herr." - "Das Glück und die Freude, die in Abhängigkeit von jener Schönheit und jenem Liebreiz entstehen, sind die Befriedigung im Fall von Formen."
Dann wird er damit das Schönheitsideal der damaligen Gesellschaft zitiert haben und man wird nicht davon ausgehen dürfen, dass er sich an den Körpern minderjähriger Mädchen ergötzt. Und in eben dem Sinne würde ich die Feststellung Sariputtas, der Salawald bei Gosinga sei besonders entzückend auch nicht als sein Ergötzen überinterpretieren.
Nun noch zu der Lobpreisung der Landschaft:
"Ihr Bhikkhus, immer noch auf der Suche nach dem Heilsamen, auf der Suche nach dem höchsten Zustand erhabenen Friedens, wanderte ich etappenweise durch das Land Magadha, bis ich schließlich bei Senānigama nahe Uruvelā ankam. Dort sah ich ein liebenswürdiges Stück Land, einen lieblichen Hain mit einem klar dahin strömenden Fluß mit angenehmen, sanft ansteigenden Ufern, und in der Nähe ein Dorf für den Almosengang. Ich erwog: 'Dies ist ein liebenswürdiges Stück Land, dies ist ein lieblicher Hain mit einem klar dahin strömenden Fluß mit angenehmen, sanft ansteigenden Ufern, und in der Nähe ein Dorf für den Almosengang. Dies wird den Bemühungen eines Mannes aus guter Familie, der auf Bemühungen aus ist, dienlich sein.' Und ich setzte mich nieder und dachte: 'Dies wird meinen Bemühungen dienlich sein.'"
Hier berichtet der Buddha über eine Wahrnehmung, die er vor seiner Befreiung hatte. Und an anderer Stelle sagt er auch, dass die Lieblichkeit der Landschaft mit dem Fluß ihn eher in Richtung zu starker Askese steuern ließ:
Alles anzeigen... Und ich setzte mich nieder und dachte: 'Dies wird meinen Bemühungen dienlich sein.'"
"Da fielen mir spontan drei Gleichnisse ein, von denen man vorher nie gehört hatte. Angenommen, da wäre ein nasses, grünes Stück Holz, das im Wasser liegt, und ein Mann käme mit einem Reibestock daher und dächte: 'Ich werde ein Feuer entfachen, ich werde Hitze erzeugen.' Was meinst du, Prinz? Könnte der Mann ein Feuer entfachen und Hitze erzeugen, indem er den Reibestock an dem nassen, grünen Stück Holz, das im Wasser liegt, reibt?"
"Nein, ehrwürdiger Herr. Warum nicht? Weil es ein nasses, grünes Stück Holz ist, das im Wasser liegt. Der Mann würde schließlich nur Erschöpfung und Enttäuschung ernten."
"Ebenso, Prinz, was jene Mönche und Brahmanen anbelangt, die noch nicht körperlich von Sinnesvergnügen zurückgezogen leben, deren Sinnesgier, Zuneigung, Vernarrtheit, Durst und Fieber in Bezug auf Sinnesvergnügen innerlich nicht völlig überwunden und beruhigt worden ist - selbst wenn jene guten Mönche und Brahmanen aufgrund ihrer Bemühungen schmerzhafte, quälende, bohrende Gefühle empfinden, so sind sie zum Wissen, zur Schauung und zur höchsten Erleuchtung nicht fähig; und selbst wenn jene guten Mönche und Brahmanen aufgrund ihrer Bemühungen nicht schmerzhafte, quälende, bohrende Gefühle empfinden, so sind sie zum Wissen, zur Schauung und zur höchsten Erleuchtung nicht fähig. Dies war das erste Gleichnis, das mir spontan einfiel, von dem man vorher nie gehört hatte."
Es bleibt also dabei: Entsagung von Sinnesvergnügen ist unabdingbar für das Überwinden der fünf Hindernisse und das Vorankommen auf dem achtfachen Pfad.
Viele Grüße
Elliot
Lieber Elliot,
die Diskussion mit Dir fand ich interessant. Inzwischen haben wir allerdings einen Punkt erreicht, an dem es unergiebig erscheint, das Gespräch fortzusetzen.
Es entspricht den Erfahrungen vieler Meditierender, dass bestimmte Sinneswahrnehmungen und dazugehörige Bewusstseinszustände im Vorfeld der Meditation förderlich sind, andere hingegen schädlich.
Eine bestimmte Form von Sinnesfreude kann mit der Praxis in Einklang stehen, andere Sinnesvergnügungen dagegen nicht. (Wie gesagt: Von einem "Schwelgen" oder gierigem Anhaften war dabei nicht die Rede.)
Wenn es nun sogar im Kanon Belege für eine solche der Praxis dienliche nicht-anhaftende Sinnesfreude gibt, sollte man meinen, dass es sinnvoll wäre, dem aufgeschlossen nachzugehen und zu prüfen, inwieweit das für unsere Praxis nützlich sein kann.
Stattdessen nutzt Du eine recht freie Form von Interpretation, um die Existenz einer solchen der Praxis dienlichen nicht-anhaftenden Sinnesfreude nicht zugestehen zu müssen. (Obwohl Dein Vorgehen sonst darin besteht, die Texte des Kanons wörtlich zu nehmen.)
Das ist der Grund, warum ich das Gespräch mit dieser Antwort beenden möchte.
Kurz zu Deinen Argumenten:
1. Ananda benutzt die "Sensationsgier" der Bhikkhus als "Köder": Reine Spekulation von Dir.
2. Sariputta benutzt die Schönheit des Waldes nur, um ein Gleichnis zu geben: Gewiss, aber das Gleichnis funktioniert ja nur, weil die Schönheit des Waldes von allen empfunden wird, ebenso wie die Einheit der Bhikkhus mit der Natur.
3. Es ist unklar, ob sich Sariputta "der Schönheit hingibt": Was Du mit "hingeben" meinst, weiß ich nicht, aber er empfindet die Schönheit sehr deutlich und macht die Bhikkhus darauf als etwas Bewundernswertes aufmerksam.
4. Diese Lehrrede endet in einer Ermahnung, nicht zu "ergreifen": Ja, was auch immer ergriffen und festgehalten wird, seien es Sinnesfreuden oder Ansichten - sogar Dogmen in Bezug auf die Lehre - erweist sich als unheilsam.
5. Es gibt auch eine Schönheit des Frauenkörpers, die als "Liebreiz" beschrieben wird, ohne dass sich der Buddha deshalb daran "ergötzt": Ja, nicht jede "Schönheit" ist etwas, das einen Bhikkhu zum Frieden hinführt, daran wird er sich sinnvollerweise dann auch nicht "ergötzen". Deshalb meditiert er vor dem Erwachen lieber in einer lieblichen Landschaft als inmitten liebreizender Mädchen. (Woraus nicht folgt, dass der aufreizende "Liebreiz" von Mädchen zur selben Kategorie von Schönheit gehört wie eine liebliche Landschaft, die den Geist beruhigt und eine friedvolle Meditation im Vorfeld fördern kann.)
6. Die positive Darstellung der lieblichen Landschaft direkt vor dem Erwachen war eben vor dem Erwachen: Ja, das ändert nichts daran, dass dies als förderlich dargestellt wird. Der Buddha sagt auch nicht im Nachhinein, dass darin ein Fehler lag. Das Ergebnis (das Erwachen) zeigt, dass der unerwachte Bodhisattva sich richtigerweise für eine förderliche Umgebung entschieden hat, wozu eben auch die liebliche Landschaft gehört und nicht ein Leichenfeld, auf dem er anscheinend früher gelegentlich asketische Übungen praktiziert hat.
7. Der Buddha betont die Wichtigkeit, von Sinnesvergnügen zurückgezogen zu leben und den Durst nach Sinnesvergnügen zu überwinden: Ja, deshalb können asketische Übungen im Verlauf der Praxis unter Umständen nützlich sein. Das spricht nicht gegen die hier zur Diskussion stehenden förderlichen nicht-anhaftenden Sinnesfreuden.
8. "Entsagung von Sinnesvergnügen ist unabdingbar für das Überwinden der fünf Hindernisse und das Vorankommen auf dem achtfachen Pfad." Ja klar, doch neben der Entsagung spielen eben auch bestimmte nicht-anhaftende Sinnesfreuden auf dem Weg zur Befreiung eine Rolle.
Auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, danke ich Dir und allen anderen für die Diskussion und die verschiedenen Anregungen in diesem Thread - sowohl für die kritischen Argumente als auch für das "Aufeinanderprallen" ganz unterschiedlicher Weltbilder und Diskussionsstile.