Beiträge von Frieden-und-Freude im Thema „Sexualität und Befreiung: Ist die kritische Sicht des Buddha auf Sexualität für heutige Praktizierende relevant?“

    Lieber Elliot,


    die Diskussion mit Dir fand ich interessant. Inzwischen haben wir allerdings einen Punkt erreicht, an dem es unergiebig erscheint, das Gespräch fortzusetzen.


    Es entspricht den Erfahrungen vieler Meditierender, dass bestimmte Sinneswahrnehmungen und dazugehörige Bewusstseinszustände im Vorfeld der Meditation förderlich sind, andere hingegen schädlich.

    Eine bestimmte Form von Sinnesfreude kann mit der Praxis in Einklang stehen, andere Sinnesvergnügungen dagegen nicht. (Wie gesagt: Von einem "Schwelgen" oder gierigem Anhaften war dabei nicht die Rede.)


    Wenn es nun sogar im Kanon Belege für eine solche der Praxis dienliche nicht-anhaftende Sinnesfreude gibt, sollte man meinen, dass es sinnvoll wäre, dem aufgeschlossen nachzugehen und zu prüfen, inwieweit das für unsere Praxis nützlich sein kann.

    Stattdessen nutzt Du eine recht freie Form von Interpretation, um die Existenz einer solchen der Praxis dienlichen nicht-anhaftenden Sinnesfreude nicht zugestehen zu müssen. (Obwohl Dein Vorgehen sonst darin besteht, die Texte des Kanons wörtlich zu nehmen.)

    Das ist der Grund, warum ich das Gespräch mit dieser Antwort beenden möchte.


    Kurz zu Deinen Argumenten:


    1. Ananda benutzt die "Sensationsgier" der Bhikkhus als "Köder": Reine Spekulation von Dir.

    2. Sariputta benutzt die Schönheit des Waldes nur, um ein Gleichnis zu geben: Gewiss, aber das Gleichnis funktioniert ja nur, weil die Schönheit des Waldes von allen empfunden wird, ebenso wie die Einheit der Bhikkhus mit der Natur.

    3. Es ist unklar, ob sich Sariputta "der Schönheit hingibt": Was Du mit "hingeben" meinst, weiß ich nicht, aber er empfindet die Schönheit sehr deutlich und macht die Bhikkhus darauf als etwas Bewundernswertes aufmerksam.

    4. Diese Lehrrede endet in einer Ermahnung, nicht zu "ergreifen": Ja, was auch immer ergriffen und festgehalten wird, seien es Sinnesfreuden oder Ansichten - sogar Dogmen in Bezug auf die Lehre - erweist sich als unheilsam.

    5. Es gibt auch eine Schönheit des Frauenkörpers, die als "Liebreiz" beschrieben wird, ohne dass sich der Buddha deshalb daran "ergötzt": Ja, nicht jede "Schönheit" ist etwas, das einen Bhikkhu zum Frieden hinführt, daran wird er sich sinnvollerweise dann auch nicht "ergötzen". Deshalb meditiert er vor dem Erwachen lieber in einer lieblichen Landschaft als inmitten liebreizender Mädchen. (Woraus nicht folgt, dass der aufreizende "Liebreiz" von Mädchen zur selben Kategorie von Schönheit gehört wie eine liebliche Landschaft, die den Geist beruhigt und eine friedvolle Meditation im Vorfeld fördern kann.)

    6. Die positive Darstellung der lieblichen Landschaft direkt vor dem Erwachen war eben vor dem Erwachen: Ja, das ändert nichts daran, dass dies als förderlich dargestellt wird. Der Buddha sagt auch nicht im Nachhinein, dass darin ein Fehler lag. Das Ergebnis (das Erwachen) zeigt, dass der unerwachte Bodhisattva sich richtigerweise für eine förderliche Umgebung entschieden hat, wozu eben auch die liebliche Landschaft gehört und nicht ein Leichenfeld, auf dem er anscheinend früher gelegentlich asketische Übungen praktiziert hat.

    7. Der Buddha betont die Wichtigkeit, von Sinnesvergnügen zurückgezogen zu leben und den Durst nach Sinnesvergnügen zu überwinden: Ja, deshalb können asketische Übungen im Verlauf der Praxis unter Umständen nützlich sein. Das spricht nicht gegen die hier zur Diskussion stehenden förderlichen nicht-anhaftenden Sinnesfreuden.

    8. "Entsagung von Sinnesvergnügen ist unabdingbar für das Überwinden der fünf Hindernisse und das Vorankommen auf dem achtfachen Pfad." Ja klar, doch neben der Entsagung spielen eben auch bestimmte nicht-anhaftende Sinnesfreuden auf dem Weg zur Befreiung eine Rolle.



    Auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, danke ich Dir und allen anderen für die Diskussion und die verschiedenen Anregungen in diesem Thread - sowohl für die kritischen Argumente als auch für das "Aufeinanderprallen" ganz unterschiedlicher Weltbilder und Diskussionsstile.

    :) Du wirst aber hoffentlich zugestehen, dass ich eine Anstrengung unternommen habe, Dir mein Argument verständlich zu machen:


    Lieber Accinca, ich möchte mich mit Dir nicht um Worte streiten.


    Ich habe mein Bestes getan, um Dir zu zeigen, dass du das Essen eben nicht mit der Wahrnehmung von Naturschönheit vergleichen kannst, Dein diesbezügliches Argument also ungültig ist.

    Wir sind uns vermutlich einig, dass es bei den Sinnesfreuden verschiedene Gruppen gibt, die man danach einteilen kann, dass im Kanon jeweils ein unterschiedlicher Umgang damit empfohlen wird auf dem Weg der Befreiung:


    (1.) Zum einen gibt es die Sinnesfreuden, die man auf dem Weg der Befreiung komplett überwinden sollte.

    Das Paradebeispiel dafür ist Sex. Diesbezüglich werden diejenigen, die Befreiung erlangen möchten, angewiesen, vollständig darauf zu verzichten. Die Idee dahinter besteht darin, dass durch die Praxis das Bedürfnis danach verschwindet. Wer nicht in der Lage ist, auf Sex zu verzichten, kann demnach Befreiung nicht erreichen. Ein solcher Mensch (Mann) erhält lediglich die Anweisung, nicht mit verheirateten Frauen zu schlafen und nicht mit Frauen, die unter der Obhut ihrer Familie stehen.

    Wer zwar auf Sex verzichtet, aber dennoch das Bedürfnis nach Sex nicht vollständig überwindet, kann ebenfalls Befreiung nicht erreichen.


    (2.) Daneben gibt es Sinnesfreuden, die aus Bedürfnissen entstehen, die nicht überwunden werden können, aber dennoch ein Hindernis auf dem Weg der Befreiung darstellen, wenn man ihnen verhaftet bleibt.

    Das Paradebeispiel dafür ist die Ernährung. Hier wird im Kanon empfohlen, sich auf das Nötige zum Erhalt der Gesundheit zu beschränken und sich den damit verbundenen Freuden nicht hinzugeben.

    Wer in dieser Praxis genügend fortgeschritten ist, kann auch ohne Gefahr solche Speisen essen, die bei weniger Fortgeschrittenen zur Anhaftung führen.

    Dennoch wird auch der Fortgeschrittene, der nicht mehr gierig anhaftet, sich keineswegs dem Genuss dieser Speisen hingeben und darin schwelgen, sondern auch die besten Speisen mit Gleichmut essen. Der Fortgeschrittene wird von solchen Speisen nicht "entzückt" sein, er wird sie nicht preisen oder anderen empfehlen, sie zu kosten, um diese Sinneseindrücke ebenfalls zu erhalten.


    Stimmst Du mir bis dahin zu, dass dies die Auffassung ist, die sich im Pali-Kanon findet?


    Und nun gibt es eine kleine Überraschung.

    Denn es gibt noch eine dritte Gruppe von Sinnesfreuden im Kanon:


    (3.) Diese dritte Art von Sinnesfreuden werden, so haben wir gesehen, in verschiedenen Lehrreden erwähnt: Es handelt sich um ein Erleben von Schönheit. Der Arahant Sariputta, der weiseste unter den Bhikkhus des Buddha, "General des Dhamma", preist diese Sinneseindrücke und macht die Mönche auf sie aufmerksam. Er und andere stellen sogar das Naturerleben in eine positive Verbindung zur vorbildlichen Praxis.


    Würde Sariputta die Bhikkhus auf ein leckeres Essen aufmerksam machen und sagen: "Seht her, Ihr Bhikkhus, diese Speise ist entzückend, riecht den Duft des köstlichen Essens, schmeckt den Geschmack der erlesenen Zutaten. Welche Art von Bhikkhu könnte dieses Essen schmücken?"


    Nein, das würde der ehrwürdige Sariputta auf keinen Fall sagen.

    Und deshalb ist es falsch, das Erleben von Schönheit mit dem Essen zu vergleichen. Es handelt sich um Sinnesfreuden, die von den Bhikkhus unterschiedlich bewertet werden: Im Fall des Essens liegt eine Gefahr in der Sinnesfreude, der man sich nicht hingeben soll.

    Im Fall der Wahrnehmung von (Natur-)Schönheit wird die Sinnesfreude nicht als Hindernis betrachtet, sondern sogar als förderlich für die Praxis.


    Der Buddha selbst suchte sich vor dem Erwachen ganz ausdrücklich eine schöne Gegend aus!


    Was macht diese dritte Kategorie von Sinnesfreuden so besonders, dass sie förderlich für die Praxis sein kann?

    Die Antwort liegt sehr wahrscheinlich darin, dass sie eine friedliche und freudige Stimmung erzeugt (im Gegensatz zu den beiden erstgenannten Kategorien) und dass sie i.d.R. nicht mit gierigem Anhaften verbunden ist, sondern umgekehrt geeignet ist, Sati und Samadhi zu unterstützen.

    Dass "Befreiung in Mitten der Welt stattfindet" und der Mönch achtsam und unbewegt sitzt mit festem Entschluss, besagt doch gar nichts im Hinblick auf unsere Frage, wie in dieser Lehrrede der Wald von den Mönchen wahrgenommen wird, welche Rolle die "entzückenden" Natureindrücke spielen und in welchem Sinn die Mönche ein "Schmuck" des Waldes sind.

    Genau das möchte ich sagen: Die Wahrnehmung von Naturschönheit kann zu einem ausgeglichenen Geist und einer friedlichen Stimmung beitragen - und ist daher hilfreich und förderlich für die Praxis.

    Außerdem gilt auch: Die Jhana-Praxis vertieft und intensiviert die Wahrnehmung von Schönheit (nach der Meditation).

    Also überrascht es nicht, dass die Mönche des Buddha diese Schönheit so stark empfunden haben, und zwar als nicht-gierige, anhaftungsfreie Sinnesfreude.


    Wenn Du anschließend aber sagst, "als Mönch oder Nonne gibt man sich wohl mehr dem Ziel der Befreiung hin als solchem Genuss", übersiehst Du erneut, dass diese Art der Wahrnehmung von Schönheit förderlich ist für die Praxis und eben kein Hindernis darstellt.

    Und ja: Das ist alles völlig im Einklang mit den Vinaya-Regeln. Da muss in dieser Hinsicht nichts "gelockert" werden.

    Gelockert werden darf allerdings die rigorose Deutung der Buddha-Lehre, dass jede Art von Sinnesfreude ein Hindernis darstellt. :)

    Dass dieser Ort der Meditation dienlich ist, beruht nun aber in dem Zitat nicht auf rein praktischen Erwägungen, sondern es werden explizit angenehme Natureindrücke genannt: "ein lieblicher Hain", "liebenswürdiges Stück Land" etc.

    Und ja: Diese förderliche Wahrnehmung von Schönheit ist frei von Gier, ebenso wie bei den bereits besprochenen Zitaten. Das ist ja der Grund dafür, dass diese Art von Sinnesfreude ganz selbstverständlich gestattet ist und überhaupt nicht problematisiert wird. Sie dient der Praxis, statt sie zu hemmen.


    Oder kannst Du eine Erklärung dafür vorbringen, warum die Wahrnehmung der Schönheit der Natur in verschiedenen Lehrreden gepriesen und sogar positiv mit der Praxis in Verbindung gebracht wird?

    Man kann es auch anders sehen. Keiner der Mönche spricht davon, sich dem sinnlichen Waldgenuss hinzugeben, um den Wald zu schmücken....Sondern jeder gibt an, wie er auf seine Art den Dharma praktiziert. Man kann das auch als Metapher verstehen. Wie nutzt man die Zeit als Mensch....wie nutzt man sein weltliches Dasein inmitten einer sinnlichen, verführerischen Welt ?

    Du sprichst jetzt von MN 32, obwohl Du die Diskussion über MN 26 zitierst.


    MN 32 ist die Lehrrede, in der Sariputta auf bewundernswerte Natureindrücke verweist und den übrigen Mönchen die Frage stellt, wie ein Mönch beschaffen ist, um diesen Wald zu schmücken.

    Die Mönche schildern jeweils einen Teil ihrer vorbildlichen Praxis, danach wird der Verweis auf die bewundernswerten Natureindrücke wiederholt und ebenso die Frage, wie ein Mönch beschaffen sein soll, um diesen Wald zu schmücken.

    Diese Verbindung zwischen dem "entzückenden" Wald und der vorbildlichen Praxis der Mönche durchzieht die gesamte Lehrrede. Hierbei ist der entzückende Wald jeweils die Inspiration, die Mönche als Schmuck des Waldes sind Teil der Natur.


    Du möchtest das jetzt entgegengesetzt interpretieren: Dann wäre der Wald die "sinnliche, verführerische Welt" und die Praxis der Mönche dazu in einem Gegensatz.

    Dafür gibt es allerdings nicht den geringsten Beleg in der Lehrrede.

    Dass dieser Ort der Meditation dienlich ist, beruht nun aber in dem Zitat nicht auf rein praktischen Erwägungen, sondern es werden explizit angenehme Natureindrücke genannt: "ein lieblicher Hain", "liebenswürdiges Stück Land" etc.

    Und ja: Diese förderliche Wahrnehmung von Schönheit ist frei von Gier, ebenso wie bei den bereits besprochenen Zitaten. Das ist ja der Grund dafür, dass diese Art von Sinnesfreude ganz selbstverständlich gestattet ist und überhaupt nicht problematisiert wird. Sie dient der Praxis, statt sie zu hemmen.


    Oder kannst Du eine Erklärung dafür vorbringen, warum die Wahrnehmung der Schönheit der Natur in verschiedenen Lehrreden gepriesen und sogar positiv mit der Praxis in Verbindung gebracht wird?

    Kann mir nicht vorstellen dass der Buddha ein Naturschwärmer war, zumal es nicht besonders angenehm ist längere Zeit im Freien zu wohnen, ohne Zelt, Schlafsack usw. bei den Moskitos und wilden Tieren. Und dass er dort hingegangen wäre um die Sinne genießen zu können.

    Nein, er ist nicht dort hingegangen, "um die Sinne genießen zu können". Das war auch nicht meine Behauptung.

    Die Behauptung war: Eine bestimmte Art von Sinnesfreude (hier: Wahrnehmung der Schönheit der Natur) ist

    (a) unproblematisch und (b) sogar förderlich für die Praxis.


    Das was in den zitierten Lehrreden beschrieben wird, kann jeder auch in seiner eigenen Praxis beobachten:

    Bestimmte angenehme Sinneseindrücke, die Wahrnehmung der Schönheit der Natur etwa auf einem Abendspaziergang, können eine förderliche Vorbereitung auf eine gute Meditation sein.


    Es ist eben falsch zu glauben, jede Sinnesfreude sei ein Hindernis für die Praxis.

    Dass dieser Ort der Meditation dienlich ist, beruht nun aber in dem Zitat nicht auf rein praktischen Erwägungen, sondern es werden explizit angenehme Natureindrücke genannt: "ein lieblicher Hain", "liebenswürdiges Stück Land" etc.

    Und ja: Diese förderliche Wahrnehmung von Schönheit ist frei von Gier, ebenso wie bei den bereits besprochenen Zitaten. Das ist ja der Grund dafür, dass diese Art von Sinnesfreude ganz selbstverständlich gestattet ist und überhaupt nicht problematisiert wird. Sie dient der Praxis, statt sie zu hemmen.


    Oder kannst Du eine Erklärung dafür vorbringen, warum die Wahrnehmung der Schönheit der Natur in verschiedenen Lehrreden gepriesen und sogar positiv mit der Praxis in Verbindung gebracht wird?

    Könntest du mir bitte sagen, wo ich deiner Meinung nach "bei Sexverzicht einen verpflichtenden inneren Konflikt postuliere"

    Ähm... ist das nicht Inhalt dieses Threads? Also dass die Anweisung des Buddha, Sexualität sei loszulassen und zu überwinden, heute abgemildert werden solle, weil menschenunmöglich bzw. aus die meisten Menschen überfordernd?

    Lieber Cfant, in dieser Diskussion habe ich eine ganze Menge von Argumenten und Thesen auf die Probe gestellt, um mir über verschiedene Punkte klarer zu werden.

    Was davon am ehesten in die Richtung geht, die du ansprichst, war das Argument, die Auslegung der Vinaya-Regeln (die ohnehin in vielen Aspekten einen Interpretationsspielraum und Spielraum für Ausnahmetatbestände haben) in der Anwendung auf das Keuschheitsgebot für Novizen und junge Mönche moderat zu liberalisieren.

    Oder die These, dass es sinnvoll wäre, bei den Laien die Übungsregel, von sexuellem Fehlverhalten abzustehen, inhaltlich zu präzisieren und dabei zwischen heilsameren und weniger heilsamen Formen der Sexualität zu unterscheiden und den Metta-Aspekt liebevoller Sexualität hervorzuheben, was im Kanon völlig fehlt.


    Im Moment finde ich allerdings nur noch die Diskussion über die Rolle von Sinnesfreude bei der Praxis wirklich spannend.

    Und dabei geht es nicht einmal um Sex, sondern um das Naturerleben und die Wahrnehmung von Schönheit auf dem Weg der Befreiung.

    Man sollte diese Diskussion vielleicht auskoppeln unter der Überschrift "Sinnesfreude und Befreiung".

    Ob es sich bei dem Besuch von Ananda und den Bhikkhus bei der Höhle wirklich um das Ausleben von Sinnesvergnügen handelt, wage ich doch zu bezweifeln. Offenbar ist die Höhle ein beliebter Aufenthaltstort für Wanderasketen und die Lehrrede besagt, dass es denen weniger um Naturschönheiten, sondern mehr um weltanschauliche Diskussionen geht.


    Auch bei den fortgeschrittenen Bhikkhus im Sālawald von Gosiṅga spielt die Schönheit der Natur eine Nebenrolle. Sie wird zwar erwähnt, aber auch hier geht es den Bhikkhus eigentlich nur um Eröterungen in Zusammenhang mit dem Dhamma.


    Und falls Du - wie nicht wenige andere - die Auffassung vertreten solltest, asketische Übungen seien nur für Anfänger gedacht, wenn erstmal "Anatta" oder "Leerheit" realisiert sind, kann man natürlich wieder in Sinnesvergnügen schwelgen, dann muss ich dich enttäuschen:

    Nein, lieber Elliot, ich möchte nicht die Auffassung vertreten: "wenn erstmal Anatta oder Leerheit realisiert sind, kann man natürlich wieder in Sinnesvergnügen schwelgen".


    Meine These war bescheidener, und zwar, dass in der Praxis des Buddha und seiner Jünger bestimmte Sinnesfreuden als unproblematisch betrachtet werden. Sinnesfreuden dieser Art sind gestattet.

    Ich werde gleich noch ein wichtiges Zitat aus MN 26 bringen, das es erlaubt, diese These sogar etwas stärker zu formulieren: Bestimmte Sinnesfreuden sind nicht nur unproblematisch für die Praxis, sondern sogar förderlich!


    Zunächst zu Deinen Einwänden bei der Interpretation der bisherigen Zitate: In MN 76 steht geschrieben, dass Ananda und andere Mönche "zum Devakata Teich gehen, um sich die Höhle anzuschauen". Du sagst nun, dass es ihnen dabei "weniger um Naturschönheiten, sondern mehr um weltanschauliche Diskussionen geht".


    Das spielt aber keine Rolle im Hinblick auf die von mir aufgestellte These. Ob die Mönche zusätzlich das Motiv hatten, mit den Wanderasketen weltanschauliche Diskussionen zu führen (wovon nicht explizit die Rede ist), ändert nichts daran, dass ausdrücklich das Motiv angeführt ist, sich die Höhle anzuschauen.

    (Nebenbei: Da die Wanderasketen "laut und lärmend viele sinnlose Gespräche führen", ist Deine Interpretation ohnehin nicht sehr wahrscheinlich, da es doch kein heilsames Motiv wäre, weltanschauliche Diskussionen mit Leuten zu führen, die laut und lärmend viele sinnlose Gespräche führen.)


    Dein Einwand bezüglich MN 32 lautet: "Bei den fortgeschrittenen Bhikkhus im Sālawald von Gosiṅga spielt die Schönheit der Natur eine Nebenrolle. Sie wird zwar erwähnt, aber auch hier geht es den Bhikkhus eigentlich nur um Eröterungen in Zusammenhang mit dem Dhamma."

    Widerspricht das in irgendeiner Weise meiner These oder der Beschreibung, die ich gegeben habe?

    Meine Darstellung war:

    Sariputta macht Ananda und Revata auf bewundernswerte Natureindrücke aufmerksam, auf den "entzückenden" Wald, die "mondhelle Nacht", blühende Bäume und (dadurch verursachte) "himmlische Düfte".

    (Darüber hinaus sieht Sariputta die Mönche offenbar als Teil des Naturgeschehens, als weiteren "Schmuck" des Waldes. Das deutet auf ein starkes Erlebnis von Einheit mit der Natur hin.)

    Selbst wenn die bewundernswerten Natureindrücke in dieser Lehrrede nur eine Nebenrolle spielten (was nicht der Fall ist), änderte dies nichts daran, dass Sariputta die anderen Mönche auf die bewundernswerten Natureindrücke aufmerksam macht. Es würde auch nichts daran ändern, dass es hier ein starkes Erlebnis von Einheit mit der Natur gibt und dass die beschriebene Art von Sinnesfreude als unproblematisch für die Praxis dargestellt wird.


    Deine Behauptung, die Schönheit der Natur spiele in dieser Lehrrede nur eine Nebenrolle, ist aber darüber hinaus falsch:

    Die ganze Lehrrede beschäftigt sich damit, wie die Praxis eines Mönches aussieht, der den Salawald von Gosinga schmückt. Dadurch wird die gesamte Beschreibung einer vorbildlichen Praxis in den Kontext des positiven Naturerlebens gestellt!


    Es gibt also eine bestimmte Art von Sinnesfreude, die nicht bloß unproblematisch ist für die Praxis, sondern sogar eine positive Beziehung zur Praxis hat.


    Das lässt sich anhand eines weiteren Zitats belegen, das erhebliche Bedeutung hat, weil es zeigt, dass angenehme Natureindrücke für den Buddha selbst kurz vor seiner Befreiung eine förderliche Rolle gespielt haben:

    17. "Ihr Bhikkhus, immer noch auf der Suche nach dem Heilsamen, auf der Suche nach dem höchsten Zustand erhabenen Friedens, wanderte ich etappenweise durch das Land Magadha, bis ich schließlich bei Senānigama nahe Uruvelā ankam. Dort sah ich ein liebenswürdiges Stück Land, einen lieblichen Hain mit einem klar dahin strömenden Fluß mit angenehmen, sanft ansteigenden Ufern, und in der Nähe ein Dorf für den Almosengang. Ich erwog: 'Dies ist ein liebenswürdiges Stück Land, dies ist ein lieblicher Hain mit einem klar dahin strömenden Fluß mit angenehmen, sanft ansteigenden Ufern, und in der Nähe ein Dorf für den Almosengang. Dies wird den Bemühungen eines Mannes aus guter Familie, der auf Bemühungen aus ist, dienlich sein.' Und ich setzte mich nieder und dachte: 'Dies wird meinen Bemühungen dienlich sein.'"

    (Erleuchtung)

    18. "Dann, ihr Bhikkhus, nachdem ich selbst der Geburt unterworfen war, die Gefahr in dem, was der Geburt unterworfen ist, erkannt hatte und die ungeborene höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein, Nibbāna suchte, erlangte ich die ungeborene höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein, Nibbāna; nachdem ich selbst dem Altern unterworfen war, die Gefahr in dem, was dem Altern unterworfen ist, erkannt hatte und die nicht alternde höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein, Nibbāna suchte, erlangte ich die nicht alternde höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein, Nibbāna; nachdem ich selbst der Krankheit unterworfen war, die Gefahr in dem, was der Krankheit unterworfen ist, erkannt hatte und die nicht krankende höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein, Nibbāna suchte, erlangte ich die nicht krankende höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein, Nibbāna; nachdem ich selbst dem Tode unterworfen war, die Gefahr in dem, was dem Tode unterworfen ist, erkannt hatte und die todlose höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein, Nibbāna suchte, erlangte ich die todlose höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein, Nibbāna; nachdem ich selbst dem Kummer unterworfen war, die Gefahr in dem, was dem Kummer unterworfen ist, erkannt hatte und die kummerfreie höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein, Nibbāna suchte, erlangte ich die kummerfreie höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein, Nibbāna; nachdem ich selbst der Befleckung unterworfen war, die Gefahr in dem, was der Befleckung unterworfen ist, erkannt hatte und die unbefleckte höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein, Nibbāna suchte, erlangte ich die unbefleckte höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein, Nibbāna. Das Wissen und die Schauung erwuchs mir: 'Meine Befreiung ist unerschütterlich; dies ist meine letzte Geburt; jetzt gibt es kein erneutes Werden mehr.'"


    @Frieden und Freude: Mir ist nicht klar, warum Du quasi bei Sexverzicht einen verpflichtenden inneren Konflikt postulierst. Meine Erfahrung ist eher, dass auch massive Lebensumstellungen recht beschwerdefrei verlaufen, wenn sie einem tiefen inneren "Aha-Erlebnis" folgen. Dann gehen Umstellungen, die - wenn befohlen - zu Revolution und Hassattacken führen würden.

    Könntest du mir bitte sagen, wo ich deiner Meinung nach "bei Sexverzicht einen verpflichtenden inneren Konflikt postuliere"?


    Es gibt eine Reihe von Menschen, die aus verschiedenen Gründen keinen Sex haben, ohne dadurch einen "inneren Konflikt" zu erleiden.

    Das muss auch gar nichts mit spiritueller Praxis zu tun haben: Es gibt Menschen, die eben aus physischen Gründen kein (oder ein geringes) Bedürfnis danach haben, z.B. altersbedingt. Oder die aus psychischen Gründen (z.B. traumatisierende Erfahrungen) darauf verzichten.


    Interessanter für unsere Diskussion sind diejenigen Menschen, die einerseits ein durchschnittliches oder starkes sexuelles Verlangen haben und dennoch z.B. längere Zeit in einem Kloster praktizieren wollen oder dort sogar Novize bzw. Mönch sind.

    In diesem Zusammenhang habe ich Probleme geschildert, von denen ich selbst früher nicht geglaubt hätte, dass sie so dramatisch sein können.

    Ich hätte beispielsweise nicht gedacht, dass ein Mönch, der seit Jahrzehnten eifrig praktiziert, noch Schwierigkeiten mit seinem Sexualtrieb hat. Und ich hätte ebenfalls nicht für möglich gehalten, wie sehr jüngere Novizen/Mönche deswegen "neben der Spur" sein können. (Und das, obwohl sie sich freiwillig und durch Dhamma inspiriert für den Weg der Entsagung entschieden haben.)


    Daneben gibt es sicherlich auch Mönche, die mit ihrer Sexualität weniger oder keine Probleme haben.


    Die spirituelle Praxis allein ist jedenfalls noch keine Garantie dafür, dass es keine inneren Konflikte gibt!


    Halten wir als erstes fest:


    1. Ananda und eine Reihe weiterer Mönche machen Spaziergänge, um Naturgegebenheiten zu besichtigen. Das wird als etwas Selbstverständliches dargestellt, ohne den geringsten Hinweis darauf, dass es anstößig oder falsche Praxis sein könnte.


    2. Sariputta macht Ananda und Revata auf bewundernswerte Natureindrücke aufmerksam, auf den "entzückenden" Wald, die "mondhelle Nacht", blühende Bäume und (dadurch verursachte) "himmlische Düfte".

    (Darüber hinaus sieht Sariputta die Mönche offenbar als Teil des Naturgeschehens, als weiteren "Schmuck" des Waldes. Das deutet auf ein starkes Erlebnis von Einheit mit der Natur hin.)


    Was bedeutet das nun für unsere Frage, ob sämtliche Sinnesfreuden eliminiert oder gleichmütig betrachtet werden sollen oder nur das gierige Anhaften überwunden werden soll, während es bestimmte Sinnesfreuden gibt, die ohne Gefahr gestattet sind?


    Die Antwort darauf kann doch nur lauten: Den Mönchen des Buddha waren völlig selbstverständlich bestimmte Sinnesfreuden gestattet. Die hier erwähnten Mönche haben Vorbildcharakter und ihre Praxis ist über jeden Zweifel erhaben.

    Wenn sie also Spaziergänge machen, um Naturgegebenheiten zu besichtigen oder die "entzückenden" Natureindrücke bewundern, dann eben deshalb, weil diese Praxis völlig normal und nicht kommentierungsbedürftig war.


    Wie ist es dann zu erklären, dass es Stellen im Kanon gibt, die stattdessen in pädagogisch-belehrendem Stil auf die Gefahr von Sinnesfreuden generalisierend hinweisen und Übungen empfehlen, wie man die "Sinnestore hütet" oder in Gleichmut gegenüber Sinneseindrücken verweilt?

    Eben genau aus pädagogischer Absicht gegenüber den noch nicht so weit fortgeschrittenen Schülern, die noch an Sinnesfreuden gierig haften. Sozusagen eine didaktische Übertreibung, wie es auch heute noch manche Lehrer ausüben, um Schüler anzuspornen.


    Was ist von Deiner alternativen Vermutung zu halten, dass auch die "erfahrenen Bhikkhus" in dieser Form üben und z.B. das Abstoßende am Nicht-Abstoßenden wahrnehmen?

    Ganz offensichtlich haben sie das eben nicht gemacht, was aus Deinen Zitaten hervorgeht.

    Sariputta sagt nicht: "Ihr Bhikkhus, der Sālawald von Gosiṅga ist entzückend, die Nacht ist mondhell, die Sālabäume stehen alle in Blüte, und himmlische Düfte scheinen in der Luft zu schweben - und seht nun das Abstoßende des Waldes und der mondhellen Nacht und riecht das Abstoßende an den himmlischen Düften!"


    Warum nicht? - Weil diese fortgeschrittenen Mönche nicht mehr gierig an Sinnesfreuden anhaften, aber sich dennoch (oder gerade deswegen) manche Sinnesfreuden gestatten und sie sogar auf Spaziergängen aktiv aufsuchen.


    Noch einmal: Viele rigorosen Übungsanleitungen und Warnungen vor den Gefahren von Sinnesfreuden sind meines Erachtens pädagogisch motivierte Übertreibungen. Sie richten sich nicht an weit fortgeschrittene Mönche, sondern sollen die Schüler zu Höchstleistungen anspornen.

    Zu glauben es gäbe eine "schöne Natur" ist eine bescheidene kleinmütige Geisteshaltung.

    Insbesondere das was Menschen sich darunter vorstellen können. Und in der Matrix bist

    du total eingebunden.

    Das ist nun aber eine wirklich falsche Ansicht bei Dir.

    Jemand der Jhanas praktiziert, erlebt - direkt nach der Meditation - gerade die Schönheit der Natur weitaus intensiver als zuvor.

    Damit meine ich nicht, dass dann eine Gier besteht, diese Schönheit zu erleben. Es passiert einfach.

    Wobei sich das dann nicht bloß auf die Natur bezieht, sondern auf alle Dinge beziehen kann. Unter Umständen sogar auf diejenigen, die konventionell eher als hässlich beurteilt werden.

    Ajahn Brahm nennt das in seiner spaßigen Art "super-power-mindfulness". Die Achtsamkeit aufrecht zu erhalten, ist dann recht einfach, solange die Wirkung andauert.


    Wenn also der Buddha und seine Mönche diese Form von Samadhi und Sati dauerhaft aufrechterhalten haben, ist völlig verständlich, dass keine Gier nach Sinnesvergnügen mehr auftritt.

    Dennoch bleibt ja die Präferenz, sich beim Spazierengehen umzuschauen, statt bloß auf die eigenen Füße zu gucken. Oder bei dem Anblick eines Blattes zu verweilen, das gerade fasziniert.

    Da sehe ich keinen Widerspruch zu dem, was ich gesagt und gemeint habe: Das gierige Anhaften an sinnliche Vergnügen ist etwas, das überwunden werden soll. Ebenso wie das Ausüben unheilsamen Vergnügens.

    Daneben gibt es aber eben auch den Prozess der anhaftungsfreien nicht-gierigen Freude, die mit Sinneskontakt verbunden ist.

    Ellviral hat das recht plastisch zum Ausdruck gebracht.


    Für mich war es diesbezüglich sehr beeindruckend, mitzuerleben, wie Thich Nhat Hanh mit seinen Mönchen und Nonnen musiziert. Das ist für mich ein Beispiel für eine solche anhaftungsfreie nicht-gierige Freude, die mit Sinneskontakt verbunden ist.


    Demgegenüber sehe und spüre ich einfach nicht, dass bei denjenigen, die in der Sinnesfreude generell eine Gefahr sehen und sie mit Stumpf und Stil ausrotten wollen ("Vernichtung der Triebe") etwas Gutes dabei herauskommt.

    Dieses Ideal ist aus "Papier", wie Ellviral treffend sagte.




    P.S. Ich sehe gerade, Du hast Deinen Beitrag ergänzt:


    Zu den Jhanas: Ja, es gibt diese Freude jenseits des Kontakts mit Sinneseindrücken. Direkt nach einer solchen Meditation hat man keinerlei Wunsch nach irgendwelchen Sinnesfreuden. Auch Musizieren wäre dann sozusagen zu grob.

    Der Punkt ist aber, dass auch die besten Jhana-Praktizierenden, die ich kennengelernt habe (und das ist sozusagen eine "Elite" im Vergleich mit "normalen" Mönchen oder Praktizierenden) völlig außerstande sind, dauerhaft eine so intensive Praxis auszuüben.

    Welche Entwicklung jemand einschlagen möchte muß jeder selber wissen.

    Alles eine Frage der Interessenlage.

    Wer aus den Gründen Mönch werden will, alle Triebe zu überwinden, wird sich von

    deiner triebhörigen Interessenlage eh nicht beeindrucken lassen und umgekehrt.

    Wackerer Accinca, guten Morgen! :)


    Wenn wir von der ersten Liste an sinnlichem Vergnügen den letzten Punkt streichen:

    Bist Du dann immer noch der Auffassung, dass jeder Wunsch nach solchen sinnlichen Vergnügen gemäß der Buddhalehre eliminiert werden soll oder nur eine eventuell vorhandene Gier danach?


    Zitat


    Zum "sinnlichen Vergnügen" kann nahezu alles gehören, was Menschen machen:


    - beim Spazierengehen die Natur bewundern

    - Musizieren oder Musik hören

    - ein Kunstmuseum besuchen

    - ein gutes Buch lesen

    - Fahrrad fahren oder schwimmen gehen

    - ins Theater gehen

    - einen Freund umarmen

    - sich massieren lassen

    - den Geschmack von guten Speisen bewusst wahrnehmen


    Kurzum: Glaubst Du allen Ernstes, dass ein "Befreiter" keinerlei Präferenz mehr hat, auf einem Spaziergang die schöne Natur zu bewundern, statt z.B. auf seine eigenen Füße zu schauen?

    kāma-taṇhā, bhava-taṇhā und vibhava-taṇhā - Verlangen nach sinnlichen Vergnügen, Verlangen nach ewigem Dasein und Verlangen nach Vernichtung mit dem Tode. Diese drei Arten von Verlangen sind zu überwinden.

    Dann lass uns einmal über "Verlangen nach sinnlichem Vergnügen" gemeinsam nachdenken:


    Zum "sinnlichen Vergnügen" kann nahezu alles gehören, was Menschen machen:

    - beim Spazierengehen die Natur bewundern

    - Musizieren oder Musik hören

    - ein Kunstmuseum besuchen

    - ein gutes Buch lesen

    - Fahrrad fahren oder schwimmen gehen

    - ins Theater gehen

    - einen Freund umarmen

    - sich massieren lassen

    - den Geschmack von guten Speisen bewusst wahrnehmen

    - liebevollen Sex mit einer Partnerin/einem Partner


    oder auch:

    - Rauchen

    - Horrorfilme sehen oder sich am TV berieseln lassen

    - Pornos konsumieren

    - Fastfood essen

    - liebloser Sex mit ständig wechselnden Partnerinnen/Partnern

    - etc. etc.


    Die meisten Menschen (und auch viele Buddhisten) würden nun sagen:

    Die zuerst aufgezählten Vergnügen sind heilsam und nützlich. Sie machen das aus, was man Lebensfreude nennt. Eine Freude, die mit Sinneskontakt zu tun hat.

    Die zuletzt aufgezählten Vergnügen sind nach Auffassung vieler Menschen unheilsam und in der Regel mit einem suchtartigen Verlangen (Gier) verbunden.

    Die erstgenannten dagegen sind in der Regel nicht mit einem suchtartigen Verlangen verbunden. Es entsteht dabei meistens keine Gier.


    Wenn ich Dich richtig verstehe, macht der Buddha Deiner Meinung nach zwischen den beiden Arten von Vergnügen keinen wesentlichen Unterschied. Beide Arten müssen auf dem Weg der Befreiung überwunden werden. Und wer nicht in der Lage ist, sämtliche sinnliche Vergnügen zu überwinden, sollte Laie werden. Als Laie muss er dann nur die 5 Silas einhalten und dann macht es - gemäß der Buddhalehre in Deiner Interpretation - auch keinen Unterschied, ob er sich mehr an der zweiten Liste von sinnlichem Vergnügen orientiert oder an der ersten.

    Jedenfalls hast Du bisher meinen Vorschlag abgelehnt, wenigstens für Laien stärker zu differenzieren, welche Vergnügen heilsamer sind als andere.


    Mir erscheint das wenig förderlich für die Entwicklung von Menschen.

    Eine Schule des Buddhismus, die so wenig differenziert, hilft doch 99,9 Prozent aller Praktizierenden nicht, ein gutes Leben zu führen und sich weiterzuentwickeln.


    Sie hilft nicht einmal der übergroßen Mehrheit der Ordinierten, denn eine totale Entsagung von sinnlichem Vergnügen (auch der ersten Art) setzt - und da waren wir uns einig - eine derart intensive und ununterbrochene Jhana- und Achtsamkeitspraxis voraus, dass permanent ein Zustand von "wunschlos glücklich" erreicht wird.

    Das möchte ich als utopisches Projekt bezeichnen, jedenfalls sind in der Gegenwart auch die fleißigsten Mönche weit davon entfernt. Und etwas, was nicht realisierbar ist, betrachte ich nicht als sinnvolles Ziel.


    Doch selbst dann, wenn es einem Mönch gelänge, eine solche Praxis einzuhalten, würde er beispielsweise auf einem Spaziergang bevorzugen, die schöne Natur zu bewundern, statt stumpf auf den Boden zu starren.

    Und er bevorzugt die gut schmeckenden Speisen gegenüber den schlecht schmeckenden, wenn er nicht gerade die Übung macht, alles in seiner Schale zusammenzurühren.


    Ist eine Entsagung von allem sinnlichen Vergnügen überhaupt Befreiung?

    Oder nicht doch "lediglich" die Überwindung von Gier - was die Möglichkeit einschließt, weiterhin an manchem Schönen Vergnügen zu finden?


    Verstehe mich bitte nicht falsch: Ich schätze Deine konsequente Lesart des Kanons.

    Allerdings halte ich sie für zu rigoros, für utopisch im Hinblick auf die Realisierbarkeit und für wenig hilfreich bei der Entwicklung von Menschen.


    An der Art und Weise wie beispielsweise Thich Nhat Hanh mit seinen Mönchen und Nonnen musiziert hat, steckt keine Anhaftung. Das ist ein Vergnügen, das ohne Gefahr genossen werden kann.

    Ganz gleich, was im Pali-Kanon darüber steht, wie der Buddha angeblich das Musizieren beurteilt hat.


    Ebensowenig ist "wohlmeinender Körperkontakt" ein Hindernis.

    Ganz genau, beides ist möglich. Und dazwischen gibt es noch ganz viele Schattierungen.


    Übrigens lebt der Mensch, den Du da zitierst, überhaupt nicht enthaltsam:

    Zitat



    Also, ich habe trotzdem noch Dates. Dennoch lasse ich mich nicht mehr so leicht auf Sex ein. Ich mache das nur, wenn es sich richtig anfühlt und eine Verbindung da ist. Habe ich aber das gegenteilige Gefühl, dann lasse ich mich auf eine sexuelle Beziehung gar nicht mehr ein.



    Das gehört doch eher in die Kategorie: "Ich lebe enthaltsam, wenn gerade nicht die passende Frau da ist, mit der es sich richtig anfühlt." - Du wolltest aber ein positives Beispiel für Enthaltsamkeit bringen. Das wäre dann aber der totale Verzicht auf jegliche Form von Sexualität, wenn ich Dich bislang richtig verstanden habe.


    Das Beispiel dieses No Fap-Hardmode-Vertreters geht doch eher in die Richtung "Kultivierung der Sexualität", die ich im Laufe der Diskussion vorgeschlagen hatte.

    Es ist ja wohl gut erforscht, dass Babies ohne engen Köperkontakt geradezu verkümmern können aber auch anfälliger für Krankheiten sind. Aber wo wird denn belegt, dass das nicht nur für kleine Kinder gilt?

    Hier Berichte über Studien, dass auch Erwachsene ohne Körperkontakt anfälliger für Krankheiten sind:


    Hugs Help Protect Against Stress and Infection, Say Carnegie Mellon Researchers - News - Carnegie Mellon University


    USATODAY.com - Study: Hugs warm the heart, and may protect it



    Hier ein ZEIT-Artikel dazu:

    "Eine "chronische Berührungsarmut" diagnostiziert Uwe Hartmann, Professor für Sexualmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover. Fakten bestätigen seinen Eindruck: Der Anteil der Singlehaushalte ist in Deutschland inzwischen auf 41 Prozent angestiegen, Paare führen oft Fernbeziehungen. Und selbst wenn ein geliebter Mensch in der Nähe lebt, ist das noch lange kein Garant für Zärtlichkeiten. In den ersten fünf Jahren einer Partnerschaft wird der Sex deutlich seltener, bleibt dann aber im Mittel über 20 bis 25 Jahre hinweg stabil. Im Alltag indessen berühren Paare einander immer seltener, je länger sie zusammenleben. Viele umarmen den Partner nur noch alle paar Tage, wenn überhaupt. Das zeigen Untersuchungen.

    Zugleich ist die Sehnsucht nach Berührungen bei vielen groß. In Umfragen wirken die Deutschen geradezu liebeshungrig. Fragt man sie, was sie glücklich macht, sagen die meisten an erster Stelle, noch vor dem Zusammensein mit Freunden und Familie, Musik oder einem Spaziergang durch die Natur: eine Umarmung. Jede zweite Frau und jeder dritte Mann sehnt sich sogar mehr nach Kuscheln als nach Sex mit dem Partner.

    Instinktiv spüren wir offenbar, wie gut uns das Geschmuse tut – oder tun würde. Bei Umarmungen schüttet der Körper das Hormon Oxytocin aus, das gegen Stress wirkt. Der Blutdruck sinkt, das Stresshormon Cortisol wird vermindert, Ängste und Schmerzen verblassen. Regelmäßige Umarmungen könnten sogar das Immunsystem stärken und weniger anfällig für Erkältungsviren machen: Psychologen der Carnegie Mellon University in Pittsburgh befragten Probanden nach ihren sozialen Kontakten und infizierten sie dann gemeinerweise mit Erkältungsviren. Die Teilnehmer, die oft in den Arm genommen worden waren, bekamen seltener einen Schnupfen als andere."

    Körperkontakt: Fass mich an | ZEIT ONLINE


    Wie soll man das nun bewerten?

    Es gibt offenbar tatsächlich eine Korrelation zwischen einem Mangel an zärtlichen Berührungen und höherer Krankheitsanfälligkeit und Stress bei Erwachsenen.


    Ob das auch für fortgeschrittene Praktizierende gilt, war ja der Streitpunkt der Diskussion.

    Ich glaube nicht, dass es dazu eine Studie gibt. Dass in den Traditionen, in denen ich bislang praktiziert habe, zärtliche Berührungen oder wohlmeinender Körperkontakt (wie auch immer man das formulieren will) eine Rolle spielen, hatte ich erwähnt.

    Lieber Accinca, dass bei der Jhana-Praxis "Atmung und Herzschlag zum Stillstand kommen können", ist ein Anekdötchen, das manche Lehrer erzählen. Dem solltest Du keinen Glauben schenken.


    Oder möchtest Du auch glauben, dass Du durch die Jhana-Praxis übernatürliche Fähigkeiten erwerben kannst?

    Zitat

    magische Kräfte und Fähigkeiten wie Gedankenlesen, das Wetter beeinflussen, übers Wasser gehen, sich durch die Lüfte oder Felsen bewegen, Krankheiten spontan heilen, Unverwundbarkeit oder Tote zum Leben erwecken

    Siddhi – Wikipedia


    Ja, einige solcher Fähigkeiten werden im Pali-Kanon als Ergebnis der Jhana-Praxis aufgeführt.

    Möchtest Du alles glauben, was dort geschrieben steht?

    Bist Du bereit, zumindest in Erwägung zu ziehen, dass solche Aussagen Übertreibungen sind oder einfach nur Aberglauben?


    Und warum regt es Dich so auf, wenn jemand kritische Fragen stellt und Argumente vorbringt?

    Wäre es da nicht sinnvoll, den Gleichmut, den Du predigst, auch zu praktizieren?

    Vielen Dank für Dein kritisches Argument!


    Es scheint allerdings ein ungültiges Argument zu sein, da es auf einer begrifflichen Kategorisierung beruht, die ich ja gerade in Frage stelle.

    (Man nennt das "petitio principii".)



    Meine Argumentation war: Es gibt eine große Anzahl sinnlicher Bedürfnisse. Manche davon können durch spirituelle Praxis "überwunden" werden, andere nicht - und daneben gibt es sinnliche Bedürfnisse, die offenbar eine Mittelstellung einnehmen, die also durch Übungen verändert, aber i.d.R. nicht vollständig eliminiert werden können.

    Wenn in den Lehrreden nun ausschließlich eine bestimmte Kategorie von Sinnlichkeit per Definition exklusiv als "Verlangen nach Sinnlichkeit" bestimmt wird, besagt das nichts in der Sache. Definitionen entscheiden keine Sachfragen.

    Ich kann lediglich aus einer nichtbuddhistischen Position und Erfahrung heraus feststellen, dass es keinen Grund gibt, Zölibat und Enthaltsamkeit als ein unerreichbares Hexenwerk zu brandmarken. Ich würde sogar soweit gehen und behaupten, dass sich an der Sexualität wirklich zeigt, wo man steht.

    Du möchtest behaupten, dass die "Überwindung" der Sexualität ein wesentliches Kriterium für spirituellen Fortschritt ist?


    Da Du vor einem christlichen Hintergrund argumentierst, möchte ich kurz darauf hinweisen, dass die christliche Sexualmoral im Laufe der Jahrhunderte wenig Gutes gestiftet, dafür aber bei unzähligen Generationen verheerenden seelischen Schaden angerichtet hat.

    Als Klassiker zu diesem Thema kann ich Dir Karlheinz Deschners "Das Kreuz mit der Kirche. Eine Sexualgeschichte des Christentums" empfehlen.


    Damit möchte ich keineswegs ausschließen, dass es auch viele Christen gegeben hat und gibt, die einen Verzicht auf Sexualität als befreiend erleben und bei denen das ein Teil ihres spirituellen Fortschritts ist.

    Leider sind die negativen Folgen der repressiven christlichen Sexualmoral sehr umfangreich und erschreckend. Das beginnt bei weit verbreiteter Heuchelei (viele Klöster waren regelrechte Bordelle) und endet bei den unzähligen Missbrauchsfällen bis zur Gegenwart, die sehr häufig durch die Kirche vertuscht wurden.


    Die repressive Sexualmoral ist dabei ein Teil dieses Sumpfes an moralischer Korruption.

    Bekannt ist auch das Phänomen, dass eine repressive Sexualmoral einhergeht mit einer Zunahme von Feindseligkeit und regelrechtem Sadismus. Die eigenen Triebimpulse von sexuell "enthaltsamen" Männern werden beispielsweise auf Frauen projiziert. Die Frau wird dadurch zur Hexe, zur bösen Verführerin, mit dem Teufel im Bunde.


    Was hat das jetzt mit dem Buddhismus zu tun?

    Sexualität wird im Buddhismus ja nicht als etwas Böses verteufelt, sondern nur als ein Hindernis auf dem Weg zur Befreiung betrachtet, das es zu überwinden gilt. Insofern gibt es Unterschiede zur christlichen Sexualmoral.

    Dennoch sind die Parallelen sehr auffällig: Die Unterdrückung der Frauen gerade im Theravada ist ganz offensichtlich. Mönche gehören dabei oft zu den reaktionärsten Befürwortern dieser Unterdrückung.

    Die Frau ist als Dienerin und Unterstützerin des Klosters willkommen, ihr wird dafür eine "gute Wiedergeburt" versprochen, darüber hinaus bleibt ihr aber echte Partizipation verwehrt. Wenn überhaupt Frauen-Ordination zugelassen wird, sind die Nonnen systematisch benachteiligt und müssen oft unter miserablen Bedingungen leben.

    Der feindselige Sexismus mancher Mönche erinnert dabei doch sehr an das Christentum, bei dem die repressive Sexualmoral zu Projektionen und zur Verteufelung der Frau als Verführerin des "keuschen" Mannes geführt hat.


    Kurz gesagt: Bei vielen Menschen (vor allem Männern) führt Enthaltsamkeit zu einer Zunahme von Aggression, Feindseligkeit und Intoleranz.

    Das ist nicht im Sinne der Buddha-Lehre, kann aber die Konsequenz sein.


    Deshalb sollte man "spirituellen Fortschritt" besser an dem Wachstum von Gleichmut, Mitgefühl und Einsicht messen.

    Wenn im Zuge der Enthaltsamkeit feindselige Reaktionen und Aversionen zunehmen, möchte ich nicht von einem spirituellen Wachstum sprechen, eher von dem Gegenteil.

    Zunächst mal zur Behauptung, das Wikipedia-Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen. Die zusammenfassende Einleitung des Artikels lautet vollständig:

    Das ist keine Behauptung, sondern die Eigenheit eines Zitates, aus dem Zusammenhang gerissen zu sein. Es ist eine Textstelle, die aus dem gesamten Textzusammenhang entnommen ist.

    Anscheinend möchtest Du sagen, dass jedes Zitat "aus dem Zusammenhang gerissen" ist.

    Üblicherweise wird davon nur dann gesprochen, wenn jemand sinnentstellend zitiert - und so wird der Ausdruck "aus dem Zusammenhang gerissen" üblicherweise verstanden.


    Dass Wikipedia-Artikel den Forschungsstand zu einem Thema mal besser und mal schlechter wiedergeben, darin stimme ich Dir zu. Aber es ist immer eine gute erste Orientierung. Wie gesagt: Ich bin sehr offen dafür, wenn Du andere Studien kennst oder nachprüfbare Informationen hast, die auf das Gegenteil hinweisen.


    Beispielsweise wäre für mich interessant: Gibt es überhaupt eine buddhistische Tradition, von der genügend Erfahrung vorliegt, um verlässlich sagen zu können, dass die praktizierenden Mönche auf "wohlmeinenden Körperkontakt" komplett verzichten?


    ----------------


    Auf die polemischen Teile Deiner Antwort, die starke Aversionen erkennen lassen, möchte ich nicht eingehen.

    Dabei hilft ja bekanntlich die Praxis von Gleichmut und Metta.

    Schön, aber inwiefern helfen Deine wissenschaftlichen Studien, die Frage ob "es sinnliche Bedürfnisse gibt, die durch eine spirituelle Praxis (welcher Art auch immer) nicht (oder nicht vollständig) "überwunden" werden können." zu beantworten? Dazu müsste man nun mal Leute fragen, die diese spirituelle Praxis sehr weit entwickelt haben. Und das war bei diesen Studien wahrscheinlich nicht der Fall.

    Ich stimme Dir zu, dass man auch Menschen in solche Untersuchungen einbeziehen sollte, die in der spirituellen Praxis weit entwickelt sind.

    Deshalb habe ich ja auch zusätzlich meine Erfahrungen mit solchen fortgeschrittenen Praktizierenden geschildert, aus den zwei Traditionen, die ich aus eigener Erfahrung kennengelernt habe.

    Das Ergebnis: Es gibt zärtlichen Körperkontakt. Zum einen in Form einer ritualisierten "hugging-meditation", zum anderen in Form von Massagen.

    Zunächst mal zur Behauptung, das Wikipedia-Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen. Die zusammenfassende Einleitung des Artikels lautet vollständig:


    Zitat

    Körperkontakt bezeichnet die aktive oder passive Berührung des eigenen oder fremden Körpers. Die Intensität reicht dabei von der sanften Berührung mit den Fingerspitzen, über den Kontakt mit Lippen oder Händen usw., bis zum Schlag mit der Faust. Neuere Forschungen haben ergeben, dass wir ausreichenden und wohlmeinenden Körperkontakt brauchen, um zentrale Körperfunktionen wie beispielsweise unseren Wärmehaushalt, unser Immunsystem und Herz-/Kreislaufsystem zu regulieren. (Juhan, Bauer u. a.)

    Körperkontakt – Wikipedia


    Indem ich den letzten Satz daraus zitiert habe, ist doch nichts in irgendeiner sinnentstellenden Art und Weise "aus dem Zusammenhang gerissen".


    Und dass man solche Forschungsergebnisse als Argument "in den eigenen Argumentationsfaden einbaut", ist ebenfalls völlig legitim.

    Wer anderer Meinung ist, kann dafür ja Gegenargumente vorbringen. Das gehört zu einer sachlichen Diskussion: das Abwägen von Argumenten für oder wider bestimmte Thesen.


    Wenn Du unterstellst, dass diejenigen, die anderer Auffassung sind als Du, lediglich etwas "zwanghaft verteidigen", bringst Du lediglich ein Überlegenheitsgefühl zum Ausdruck, ohne auf Argumente einzugehen.


    Dass durch spirituelle Praxis eine Veränderung bzw. Transformation der Sexualität erfolgen kann, wurde übrigens von mir nie bestritten.