Zunächst einmal ist es sinnvoll, sich dem Thema 'Freude' in Buddhas Lehre auf Grundlage einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Begriff duhkha zu nähern. Was wiederum nichts anderes heisst, als sich um ein korrektes Verständnis der sog. 'ersten Wahrheit' zu bemühen. Dazu ist das Studium der schriftlichen Überlieferung nur die halbe Miete. Besser gesagt: nur ein Drittel. Es ist vielmehr erst der trialektische Ansatz śīla-samādhi-prajñā, der hier mit der Zeit zu einem tieferen Verständnis dessen führt, was duḥkha ist, was die erste Wahrheit ausdrückt. Der Buddhadharma ist nun einmal keine Philosophie, sondern ein Yoga. Duḥkha einfach mit 'Leiden' zu übersetzen hilft wenig.
Unter dem Vorbehalt, dass eine rein intellektuelle Annäherung an duhkha bestenfalls eine Andeutung geben kann, was dieser Begriff beinhaltet (und im ungünstigsten Fall irreführend ist) möchte ich auf den hier schon erwähnten ersten deutschen 'Budhaisten' Arthur Schopenhauer verweisen, der mE einen trotz seiner Unzulänglichkeit (insofern rein theoretisch) sehr erhellenden Blick auf das Problem, um das es hier geht, eröffnet: zensplitter: Duhkha. Ergänzend dazu sei hier angemerkt, dass Schopenhauers Pessimismus in keiner Weise mit seiner auf Platos Ideenlehre beruhender Ästhetik kollidiert (die viele Künstler insbesondere des 19. Jahrhunderts inspirierte) und dass er selbst insbesondere Musik nicht nur zu schätzen wusste (insbesondere Rossini) sondern auch ausübte. Man geht sicher nicht fehl in der Annahme, dass er am Musizieren Freude hatte ...
Eines der tiefergehenden Missverständnisse ist es, aus Buddhas Pessimismus (im philosophischen Sinn) einen Nihilismus abzuleiten. Buddhas Darlegung der ersten Wahrheit stützt sich zum einen auf eine Analyse des Seins, die zu den drei allen Seinsmomenten (dharmas) gemeinsamen Seinsmerkmalen (trilakṣaṇa) führt - anitya, duḥkha, anātman. Diese 'Merkmale' stehen nicht jeweils für sich, sondern bedingen einander - insbesondere bedingen anitya und anātmanduḥkha, das das durchgehende Merkmal der Erfahrungsqualität des Seins ist. Bemerkenswert ist dabei, dass anātman Merkmal aller Seinsmomente (dharmas) ist, während anitya und duhkha Merkmale aller bedingten (oder zusammengesetzten) Seinsmerkmale / dharmas sind. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass ein nicht-bedingtes dharma nicht das Merkmal der Leidhaftigkeit trägt. Hier deutet sich der 'Ausweg' aus der Leidhaftigkeit des Seins an und daher ist es auch ein Grundthema insbesondere der frühen buddhistischen Philosophie, die dharmas zu identifizieren und da zwischen bedingten und nicht-bedingten dharmas zu unterscheiden. Es gab da verschiedene Modelle, die insoweit übereinstimmen, als nirvāṇa als nicht-bedingtes dharma klassifiziert wird. Im Theravada ist nirvāṇa das einzige nicht-bedingte dharma - historische Systeme unterschieden z.T. zwischen verschiedenen Formen des nirvāṇa oder zählten auch den Raum als nicht-bedingtes dharma.
Wie schon erwähnt, ist duḥkha als Seinsmerkmal eine Erfahrungsqualität - mithin hat dieses Merkmal außer objektiven Bestimmungen, die es bedingen (anitya, anātman - bemerkenswerterweise negative Bestimmungen) auch eine subjektiv-psychologische, die dann zur zweiten Wahrheit überleitet: tṛ́ṣṇā, (Pali tanha) - den 'Durst', das Begehren. Genau hier ist dann auch der therapeutische Ansatz Buddhas zur dauerhaften Überwindung von duḥkha. Tṛ́ṣṇā ist seinerseits bedingt durch die komplementären Geistesantriebe lobha und dveṣa, 'Gier' und 'Hass' (auch diese Begriffe sind, wie duḥkha,Leiden, Fachbegriffe und nicht einfach im umgangssprachlichen Sinn zu verstehen), die wiederum avidya, 'Unwissen', als gemeinsame Wurzel haben.
Beim Verständnis von tṛ́ṣṇā ist es von besonderer Bedeutung, das Prinzip des mittleren Weges zu beachten, weil man sonst leicht in den oben erwähnten Nihilismus abgleitet. Bei tṛ́ṣṇā lassen sich drei Grundformen unterscheiden, die verschiedene Formen von Verlangen, von Durst in zunehmender Subtilität sind: kama-tṛ́ṣṇā, bhava-tṛ́ṣṇā und vibhava-tṛ́ṣṇā. Ihr gemeinsamer Oberbegriff ist samudaya, meist als 'Ursache des Leidens (duḥkha)' übersetzt, also die zweite Wahrheit. Samudaya ist das, was mit duḥkha untrennbar verbunden ist – das 'Mitaufsteigende' ('sam' = mit, 'du' = auf). Ohne samudaya kein duḥkha und umgekehrt. Im Grunde ist samudaya Unterscheiden, Messen, Werten und dies ist wiederum nichts Anderes als das Aufsteigen von Gier und Hass, Zu- und Abneigung, Lust und Unlust.
kama-tṛ́ṣṇā steht für das Verlangen(!) nach sinnlichem Input, nach Reizung der Sinnesorgane zur Auslösung angenehmer Empfindungen. Das leidverursachende Problem sind dabei nicht die Empfindungen selbst, sondern eben das Verlangen danach - das notwendig nur zeitweise befriedigt werden kann und immer wieder frustriert wird. Etwas subtiler ist nun bhava-tṛ́ṣṇā, der Wunsch nach Werden. Dieses Verlangen kann durchaus eine Falle für den Übenden auf dem Weg Buddhas sein - es ist z.B. der Wunsch nach Anerkennung, der Wunsch, die eigene Übung und Tiefe des Erkennens anerkannt zu sehen, sei es durch die Mitübenden oder durch den Lehrer. Die Überwindung dieses Wunsches nach Selbst-Bestätigung bedarf einer Einsicht (und damit ist keine intellektuelle Einsicht gemeint) in die Natur dieses Selbst - in anātman. Der Wunsch nach einem 'Werden' ist im tiefsten Grunde der nach einem ewigen 'Sein' - und scheitert damit auch an der 'objektiven' Bedingung anitya.
Eine noch subtilere Falle - und definitiv ein Abweichen vom mittleren Weg - ist nun vibhava-tṛ́ṣṇā, das man zu Recht einen Vernichtungswillen nennen kann. Dabei kann der Vernichtungswille auf die als leidhaft erfahrenen Objekte gerichtet sein oder scheinbar tiefergehend auf das Subjekt der Erfahrung, so dass dann von einem 'Selbstvernichtungsbegehren' gesprochen werden könnte. Doch ist dies nur eine künstliche Unterscheidung – konkret existent sind weder Subjekt noch Objekt als voneinander getrennte Dinge; konkret existent ist lediglich die beides umfassende Erfahrung, auf die der Vernichtungswille gerichtet ist. Vibhava-tṛ́ṣṇā ist die ins Negative gewendete Gier, anders gesagt: Hass, dveṣa. Eine Gier, die sich durchaus auch auf das Erwachen oder auf nirvāṇa richten kann.
Ohne Aufgabe und Loslassen des Wunsches nach Weltüberwindung, nach persönlicher Überwindung von duḥkha, erfüllt sich jedoch dieser Wunsch nicht. Dies ist der eigentliche Kern der Lehre vom mittleren Weg – die Übung nicht auf ein 'Sein' bzw. 'Werden' zu richten, aber auch nicht auf ein 'Nicht-Sein' / 'Beenden'.
Was dabei die Freude angeht - wenn sie kommt, kommt sie. Ob man sie herbeiwünscht oder nicht. Wenn sie geht, geht sie. Ob man das nun bedauert, ob man daran leidet, oder nicht. Daran, Freude zu empfinden, ist nichts Verkehrtes. Verkehrt - leiderzeugend - ist es, sie herbeizusehnen oder ihr nachzutrauern. Suchtverhalten - und um dies zu vermeiden, darf man das suchterzeugende Potential der Freude nicht verleugnen. Wem das nicht asketisch genug klingt, der mag in Buddhas Namen halt statt Freude von angenehmen Empfindungen reden. Angenehme Empfindungen als angenehme Empfindungen wahrzunehmen, unangenehme Empfindungene als unangenehme, neutrale als neutrale - das hat Buddha ausdrücklich empfohlen. Es ist der 7. Aspekt des achtfachen Pfades, der zur Beendung von duḥkha führt.