Beiträge von Daoist im Thema „Wie sehr muss man im Buddhismus glauben?“

    Zitat

    Ratschlag über Zuflucht


    Hör auf,

    Zuflucht zu deinen Gedanken, Gefühlen und Empfindungen zu nehmen.

    Hör auf,

    Zuflucht in deinen Überzeugungen und Vermutungen zu nehmen.

    Lass deinen Glauben an Subjekt und Objekt fallen.

    Nimm Zuflucht zum leeren Gewahrsein

    Dessen Klarheit ist: Alles ist, was es ist.

    Wenn du Zuflucht nimmst in der Täuschung, dass Illusion wirklich sei,

    Wird Verwirrung mühelos andauern


    James Low

    Ich hab auch den Eindruck, daß wenn ich auf den Buddhismus als ganzes schaue, Karma und Wiedergeburt eine verschieden große Rolle spielt und die Sichtweisen darauf differieren. Weder im säkularen Buddhismus, noch im Zen, noch im Shinbuddhismus, noch bei TNH scheint er mir ne große Rolle zu spielen.
    Im Vajrayana hingegen hab ich den Eindruck, daß Karma und Reinkarnation fast persönlich gedacht werden.

    Aus meiner (Außen)-Sicht bleibt aber die Frage: Ist dieser Prozeß der Gewißwerdung nicht doch der eines Glaubens, eines Anvertrauens an Lehrer und Lehre, ist er wirklich einer des Wissens (Gibt es so was wie letzgültiges Wissen überhaupt?)? Und das wird dann mit Erfahrungen (die aber oft durch die Beschäftigung mit verschiedenen Vorstellungen geschehen) untermauert. (So hab ich so den Eindruck, das Buddhisten keine Marienvisionen haben, aber durchaus Erfahrungen, manchmal auch Visionen, die sie als Wiedergeburtserfahrung deuten, während das bei Katholiken eher umgekehrt ist).

    In den Worten der Lassie Singers : Jeder ist in seiner eigenen Welt, aber meine ist die richtige.

    Aber 700 vor ist doch früher als 500 vor, oder irre ich mich da? Du hast den Glauben an eine Wiedergeburt und Karma übrigens auch bei Mahavira, bei ihm auch ohne den Glauben an Götter. Und das war auch ein paar Jahre vor Buddha, aber ihre Lebensdaten überschneiden sich wohl. Man könnte sich höchstens fragen, ob die Atman=Brahman-Lehre eine Antwort auf die Anatman-Lehre war oder sie sich gegenseitig beeinflusst haben. Aber dazu weiß ich zu wenig. Ich wüßte ja noch nicht mal alle geschichtlichen Zusammenhänge zu den Zeiten von Laozi und Zhuangzi (zeitlich ja auch so in etwa die Zeit von Buddha, irgend etwas muss da in der Welt in der Luft gelegen haben, das sich da so viel neues entwickelte, in China waren da ja noch Konfuzius und Mozi, in Israel auch ein paar der großen Propheten, hab aber vergessen, welche).
    Freilich würden Buddhisten und Jains noch damit argumentieren können, daß es ja frühere Buddhas und Tirtankaras gab, aber das ist aus meiner Sicht mehr Mythologie.

    Also ich weiß nicht - einerseits ist ein gewisses Vertrauen in die Lehre sicherlich sehr wichtig. Aber Zweifel loswerden? Das klingt für mich nach einem Paradies für Fanatiker.

    Lieber Grashuepfer,


    'Zweifel loswerden' ist ein Merkmal des Stromeintritts, zumindest für jene, die einem bestimmten gelehrten Buddha-Dharma folgen. :rad:

    Das sollte man betonen. Denn in einer anderen Schule ist den große Zweifel zu entwickeln ziemlich essentiell.

    Der große Zweifel von Jeff Shore

    Ansonsten glaube ich, das der Zweifel ein wichtiger Teil der Vernunft ist.

    Ich weiss die Quelle leider nicht mehr, aber ich las letztens, dass es wohl eher umgedreht sei und das Konzept der Wiedergeburt in den Upanishaden durch und nach Buddhas Lehre ausgebaut wurde und nicht umgedreht. Ob es davor schon in einfacherer Form da war (laut dem Autor) und sozusagen doppelt übernommen wurde (also vom Hinduismus zum Bud. und zurück oder was er genau meinte) dazu stand nichts weiter da. Das habe ich zum ersten Mal gehört, weiss ja jemand etwas darüber?

    Der Text über Batchelor nimmt Bezug auf die Bṛhadāranyaka Upaniṣad, dieses ist 700 v.u.Z. entstanden. Buddha lebte um 500 v.u.Z.
    Sicher, es gibt auch Upanischaden, die nach Buddha erschienen sind (die Atman=Brahman-Lehre könnte nach oder zur Zeit des Buddha entstanden sein), aber viele auch vor. Manche sehen ihn auch als einen ein wenig abweichenden Upanischadenlehrer. Sagen wir einfach, es war eine ziemlich umtriebige Zeit. Die Upanischadenbewegung, Mahavira, Buddha. Da gibt es ja überall Überschneidungen mit den Lehren. Wer da nun was gekannt hat, wissen wir eh nicht. Buddha hatte aber zwei Lehrer, die glaub ich aus der upanischadischen Ecke stammten, Alara Kalama und Uddaka Ramaputta. Er hat sicher seine Lehre eben nicht in einem luftleeren Raum entwickelt, sondern upanischadische Ideen weiterentwickelt und durch den Anatman-Gedanke revolutioniert. Denn in den Upanischaden hast du ja noch die Idee: Es gibt kein Ich, aber es gibt Atman. (Was dann irgendwann noch mit Brahman, dem ewigen Urgrund eins wurde). Es gibt manchmal so ne Tendenz, das geschichtliche auszublenden. Auch sein Orden-modell war nicht viel anders, als von anderen Gurus.
    Insgesamt find ich interessant, daß im Hinduismus der Glaube an Karma und Reinkarnation erst recht spät entstanden ist. (Ich glaub sogar zu ner ähnlichen Zeit wie im Judentum der Glaube an ein Leben nach dem Tod).

    Ich bin der Letzte, der glaubt mit Logik und Verstand, alles erfassen zu können.

    Aber, wenn man das zu Ende denkt müsste ich jedem alles glauben.


    Grüße

    Aber was sagt denn Buddha:


    Zitat

    Geht, Kâlâmer, nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr aber, Kâlâmer, selber erkennt: 'diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden, dann, o Kâlâmer, möget ihr sie aufgeben.



    Also ich les da nicht: Geht nach Vernunftsgründen und logischen Schlüssen.

    Naja, die säkularen Buddhisten würden da Karma und Reinkarnation als kulturelles Beiwerk betrachten.

    Für Karma nicht, finde ich. In der Definition: Die Summe aller meiner Erfahrungen und Handlungen, die meine Gewohnheiten und mein jetziges Handeln mitbestimmen.

    Naja, sie sind da anscheinend anderer Meinung. Wiki über Batchelor: Er hält vor allem die Lehre vom Karma und der Wiedergeburt für ein Merkmal der alten indischen Zivilisation und nicht für das, was Siddharta Gautama im Kern lehrte. Du musst das ja nicht teilen. Aber er modifizierte hier meiner Meinung nach nur die Lehre der Upanischaden.
    Zumal es auch in den Wesentlichen Punkten des Buddhismus nicht vorkommt. Dukkha, Anicca, Anatta, Nibbana. Leiden, Vergänglichkeit, Nicht-Selbst, Verlöschen.

    Naja, die säkularen Buddhisten würden da Karma und Reinkarnation als kulturelles Beiwerk betrachten. Aber selbst dann brauch ich noch Glaube daran/Vertrauen darauf, das es so was wie Erwachen gibt, das es einen Weg dahin gibt. Das die Lebensfrage des Buddha: Wie entkomme ich dem Leiden, auch meine Lebensfrage ist. Auch das die Lehre von anatman stimmt, weil das widerspricht ja auch erstmal unserem Empfinden.

    Es ist eigentlich ein allgemeines religiöses Phänomen, vielleicht ein rein menschliches. Eine Variante: Man geht mit den Widersprüchen weiter, und irgendwann lösen sie sich auf. Das ganze wird für einen stimmig. Hat mkha' gut beschrieben.
    Oder man ringt mit ihnen und es wird nicht stimmig, und man sucht sich dann etwas anderes, was für einen stimmiger ist. (Wär es nicht so, würden sich ja niemand vom Buddhismus abwenden. Aber das gibt es ja auch im Westen nicht so selten, und in Asien sogar massenhaft. Aber du findest das auch bei anderen Religionen häufig, sonst gäbe es ja keine Kirchenaustritte.).

    Aber das ist ja sonst im Leben nicht anders. Wenn etwas passt (was auch ein langer Prozeß sein kann), dann bleibt man. Wenn etwas auf Dauer nicht passt, sucht man (auch meist nach langem Ringen) was anderes.

    Das stimmt zweifelsohne. Aber auch ein Theist hat starke Indizien für seine Anschauung, ein Materialist für seine, ein Pantheist für seine, ein Monist für seine, ein Anhänger der Stoa für seine. Es geht also mehr darum, daß es für einen Buddhisten starke Indizien sind, meiner Meinung ist es aber nicht verallgemeinbar.

    Dagegen ist es bislang nicht beweisbar, dass man unter gewissen Umständen als Höllenwesen wiedergeboren wird, dass Gott existiert oder dass der Karmapa wirklich re-inkarniert wurde.

    Da wird es ja dann wirklich schwierig. Weil wir haben ja mindestens 3. Aber genau genommen sind es glaub ich dann eher Emanationen (Ausstrahlungen), nicht Wiedergeburten. (Ähnlich wie es von Chenrezig viele Emanationen gibt). Aber da Karmapa auch ne Ausstrahlung von Chenrezig ist, wird es dann echt kompliziert. (Und inwieweit das Wiedergeburtskonzept im Vajrayana zu persönlich gedacht wird, wär dann nochmal ne andere Frage siehe zensplitter: Reinkarnation).

    Mit den Erfahrungen ist das so eine Sache. Ich hab im Bekanntenkreis Leute, die Erfahrungen mit kleinen grünen Marsmenschen haben. Ich hatte zum Beispiel Erfahrungen mit Zwergen, trotzdem glaube ich nicht daran. Es gibt unzweifelhaft Leute, die Erfahrungen mit früheren Leben haben, ebenso Leute, die Erfahrungen mit Jesus oder Krsna haben. Also ich bin da immer ein wenig vorsichtig.

    Nur was kommt dann raus? Nehmen wir Karma - Ursache und Wirkung.
    a) Ist es sinnvoll ein physikalisches Prinzip auf die Moral zu übertragen?
    b) Im Bereich der Quantenmechanik würde man ein Ursache-Wirkungsprinzip anzweifeln. Da würde man eher von Wahrscheinlichkeiten sprechen.
    Ähnlich lässt sich ja auch bei Wiedergeburt vorgehen. (Irgendjemand meinte einmal es müsste Weitergeburt, nicht Wiedergeburt heißen, denn es wird ja niemand wiedergeboren).
    Es müsste ja eine konstante Zahl an Lebewesen (hungrige Geister und Höllenwesen eingeschlossen) geben. Das kann man nur dann begründen, wenn man von anderen Welten, oder eben von Geister- und Höllenbereichen ausgeht. Oder karmische Impulse können sich aufsplitten oder vereinen.Es funktioniert nur, wenn man also im Bereich der puren Spekulation bleibt. Mit anderen Worten, wenn man glaubt.

    Deshalb sagt ja Buddha auch: Richtet euch nicht nach der Vernunft. Sondern fragt euch, ist das heilvoll.
    Ein extremeres Beispiel findet man ja auch bei Konfuzius. Dieser empfiehlt bestimmte Rituale an Geister oder ähnliches. Er glaubt aber nicht, daß sie existieren. Aber er sieht die Rituale als heilvoll an.

    Erst mal denk ich, daß es wichtig ist zu sehn, wieviel wir glauben. Glaube hat so nen schlechten Ruf, daß wir glauben, daß wir nichts glauben. Ich glaube zum Beispiel, daß sich die Erde um die Sonne dreht. Ich hab das nie nachgerechnet, ob das wirklich stimmt.
    Oder ich glaube, daß die Erde eine Kugel ist, während immer mehr Menschen glauben, daß die Erde eine Scheibe ist.
    Es hat also viel mit Vertrauen zu tun. Ich vertrau da verschiedenen Wissenschaftlern. (Während andere das nicht tun, und sagen, daß seien Erdkugelfaschisten).

    Oder ich glaube, daß ich heut abend noch lebe. Ich weiß das aber überhaupt nicht. Und ich glaube, daß es heute heiß wird, weil der Wetterbericht das gesagt hat.

    Genauso gut kann man einer religiösen Lehre vertrauen. Das ist dann oft das Gefühl einer Stimmigkeit. Die Lehre des Buddhas, oder die Geschichten des Zhuangzi, oder der Glaube an einen allmächtigen Gott sind für mich stimmig. Oder ich finde einen Lehrer besonders toll und habe den Eindruck: Dem kann ich vertrauen. (Manchmal merkt man später: War vielleicht doch nicht die beste Idee - wie mal ein Lehrer sagte: Charisma is a bitch).

    Und in Teilen des Buddhismus spricht man sogar explizit von Glaubensbuddhismus. Da ist das Anvertrauen sogar die Hauptpraxis.

    Eine anderer Punkt ist aber, auch genau in die Texte zu schaun: Was meinen die einzelnen Begriffe? Welche Vorstellungen stecken da dahinter? Was meint Karma, was meint Wiedergeburt? Oder warum steht da meist nur Geburt? Also der Versuch einer Durchdringung: Was ist da überhaupt gemeint? Weil die Sicht auf Karma (um mal ein Beispiel zu nehem) ist meines Eindrucks nach eine andere als im Hinduismus oder Jainismus. (Ich hab manchmal aber auch den Eindruck, daß sie in verschiedenen buddh. Schulen anders ist). Da geht es also erstmal um ein Klarstellen der Begriffe. Um zu verstehen: Wovon reden die überhaupt?

    Ein genaues Schauen gilt auch auf das Kalamersutra, Buddhas Nr. 1 Sutra im Westen (Ein Buddhologe wies mal darauf hin, daß dieses Sutra im Osten keine nennenswerte Rolle spielte, kaum kommentiert wurde). Buddha legt da nicht (oder nur durch die Hintertür) seine Lehre dar. Es geht ja darum: Hier kommen ständig andere Lehrer durch, jeder lehrt was anderes, wem sollen wir glauben?
    Und Buddha legt dann verschiedene Punkte dar. Erstmal Punkte, die er ablehnt. Gehen nach Überlieferung, heiligen Schriften, Vernunft (!).
    Letztlich soll man rein moralisch entscheiden: Was ist heilsam, was ist nicht heilsam? Was bringt Segen und Wohl?
    Danach legt er noch dar, daß seine Lehre diesen Kategorien entspricht.
    (Wer man böse, würde man sagen, es ist ne geschickte Missionsstrategie).