Himmelsbaum : ein zweifellos interessanter Vorschlag, wobei mir persönlich die nachgefragte "Lust" (bzw. Zeit dafür) etwas mangelt. Eine nähere Beschäftigung mit dem Plattformsutra liegt bei mir schon etliche Jahre zurück und ich bin nicht so wild darauf, das wieder aufzugreifen. Jedenfalls wäre es in solch einem Fall sinnvoll, sich auf eine gemeinsame Textgrundlage zu einigen - den frühesten überlieferten Text ('Dunhuang-Fassung'), übersetzt von P. Yampolski, oder den kanonischen Text, übersetzt von J. McRae. Ansonsten gäbe es auf Deutsch die Übersetzung U. Jarands, wenn ich mich recht erinnere im Wesentlichen auf der Kōshōji - Version beruhend. Leider ist in der Übersetzung nicht (z.B. in Fußnoten) vermerkt, wo und warum von der Kōshōji - Version abgewichen wurde. Von der Textentwicklung her liegt diese (songzeitliche) Version zwischen Dunhuang-Version und der mingzeitlichen kanonischen Version (TT2008). Begleitend zu solch einer Diskussion wäre der Sammelband 'Readings of the Platform Sūtra' (ed. Morten Schlütter / Stephen F. Teiser, Columbia University Press 2012) empfehlenswert, insbesondere der Aufsatz 'Ordination and Precepts in the Platform Sūtra' von Paul Groner. Zur Einführung ebenfalls empfohlen: Carl Bielefeldt / Lewis Lancaster, T'an Ching (Platform Scripture), Philosophy East and West 25.II, University of Hawaii Press 1975. Bei ernsthaftem Interesse und wenn man die genannten Texte (bis auf Jarands Übersetzung) nicht im Internet findet, PN an mich.
Ich verrate sicher kein Geheimnis wenn ich sage, dass meine Sichtweise stark durch Dōgen geprägt ist, der seinerseits - so meine Lesart - auf Nāgārjuna aufsetzend eine Art nicht-diskursives Madhyamaka entwickelt. Das knüpft natürlich an den durch Shenhui mit Huineng in Verbindung gebrachten Pradigmenwechsel zur Prajñāpāramitā (konkret dem Diamantsutra) an; also der 'Verwerfungslinie' zwischen den halb legendären Meistern der Laṅkāvatāra-Schule und dem sich unter der Ägide Shenhuis formierenden 'südlichen' Chan. Das Plattformsutra (in seiner leider verloren gegangenen Urfassung) war ja so etwas wie dessen 'Gründungsurkunde' - wobei sich mittlerweile herumgesprochen hat, dass der von Shenhui vom Zaun gebrochene Streit mit dem 'nördlichen' Chan von ihm ziemlich polemisch geführt wurde. Das vorgebliche Alleinstellungsmerkmal der 'südlichen Schule' (also derjenigen, die Huineng als einzigen 6. Dharmanachfolger Bodhidharmas anerkannten), nämlich die dunjiao-Doktrin ('Lehre unmittelbaren Erwachens'), wurde, anders als unterstellt, auch von konkurrierenden Chan-Linien gelehrt und war im Übrigen auch kein 'Eigengewächs' des Chan, sondern geht auf Daosheng (um 400 n.d.Z.) zurück.
Eine gewiss nicht unerhebliche Rolle spielte hier der Wettbewerb um die Protektion der Kaiserin Wu Zetian, die ihrerseits auf eine buddhistische Staatsideologie setzte - als Frau war sie für die konfuzianische 'Konkurrenz' inakzeptabel. In der Legende der Baotang-Linie des Chan spielt sie sogar eine wichtige Rolle bei der Übermittlung von Bodhidharmas Robe an Wuzhu. Diese Allianz von Thron und Altar führte dann auch zu einer massenhaften Zunahme von (Laien-)Bodhisattvaordinationen - Wendi Adamek behandelt das recht ausführlich. Nicht zuletzt unter Beamten und Militärs, die damit (möglicherweise vorrangig) ihre Loyalität bezeugten. Diese Ordinationen waren dann auch Anlass von Lehrvorträgen, die ggf. auch aufgezeichnet wurden - eine recht umfangreiche Passage des Plattformsutra (auf die ich bereits verwies) hat als Quelle solch eine Niederschrift und dem Anlass entsprechend spricht Huineng da über 'formlose Zuflucht', über 'formlose Gelübde' bzw. das 'Gelübde der Formlosigkeit'. Man kann - zumindest ich tue dies - mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, dass der 'Rahmen' / der Kontext dieses Vortrages eine durchaus 'normale', d.h. formelle Initiationszeremonie war und der Vortrag deren Exegese. Ohne formalen Ritus wäre schließlich der staatstragende Aspekt der Veranstaltung weggefallen, dafür gibt's keine Subventionen ...
Jemand fragte: "Zwei Drachen streiten sich um einen wertvollen Stein. Wer soll ihn bekommen?" Jōshu antwortete: "Der Verlierer entbehrt ihn nicht, der Gewinner braucht ihn nicht."