man soll den Worten eines anderen nicht nur vertrauen, weil er oder sie eine Autorität ist, sondern sie auch immer an der eigenen Erfahrung messen. Es gibt aber noch eine andere Art von Vertrauen (die kein blinder Glauben ist), und das ist die, die davon ausgeht, dass ein anderer es gut mit mir meint und mir etwas beibringen kann.
Es ist wie mit einem Koch und seinem Lehrling und das Meister-Schüler-Verhältnis kommt ja auch aus dieser mehr handwerklichen Kunst. Ich bekomme ein Rezept und dann weiß ich nicht, wie ich Zwiebeln schneiden müsste oder anderes Gemüse - also ist beim Erlernen der Kochkunst vieles ein Verweisen auf "wie geht das?". Im Zen wird daher gezeigt, wie es geht.
Dann gibt es eine Grenze der Vermittlung - da liegt dann die Freiheit begründet, dass jeder die Phase der Nachahmung überschreiten sollte und in freier Weise eben sein So-Sein lebt und ausdrückt.
Das war bei mir der Fall, als ich eben zwar ein Rezept fürs Zazen hatte - das Fukanzazengi - aber ich doch mir zeigen lassen musste, wie denn das So-Sitzen sein soll.
Nun hatte ich Glück und fand in meiner Nähe eine Zen-Sangha, in der ich darauf vertraute, dass dort diese Kompetenz vorhanden war. Und - ich wurde nicht enttäuscht.
Ob die es mit mir gut meinen, war mir damals egal. Ich konnte davon aber ausgehen, dass sie jeden Newbe freundlich begrüßen.
Ich hatte aber noch doppelt Glück, denn ich fand auch noch auf der "spirituellen" Ebene Dinge wieder, die mir gut bekannt und vertraut waren. Um es mit meiner Koch-Metapher zu erklären: der Koch-Meister hatte eine ähnliche Rezeptsammlung, wie ich es gewohnt war und seine Gerichte schmeckten mir.
Ja, jeder muss Erfahrungen selbst machen, wie man ja auch selbst laufen muss, wenn man von A nach B möchte. Aber es ist gut, wenn ich andere Menschen nach dem Weg fragen kann, gerade dann, wenn es unwegsam wird und ich Gefahr laufe, mich in der Interpretation von Erfahrungen zu verirren, indem ich unangemessene Selbstbilder daraus generiere. Der buddhistische Weg ist von unzähligen Möglichkeiten, sich in den Geschichten des eigenen Egos zu verirren, geprägt. Da hilft der Blick eines Menschen, der den Weg schon gegangen ist, gewaltig – allerdings nur, wenn ich in der Lage bin, Kritik anzunehmen.
Der Mensch ist ein Erfahrungstier, schrieb mal Foucault, und im Palikanon steht "Das Bewusstsein erfährt". Weil Lebewesen Bewusstsein und sogar Selbstbewusstsein haben, erfahren sie ihre Welt. Nur die Welt meines Lehrers ist nicht meine Welt. Wir können zwar einen gemeinsamen Bereich definieren und so etwas wie Gemeinschaft herstellen - doch wir sind eben auch getrennt. Der Koch kann eben seine Erfahrungen nicht weiter geben - er kann davon erzählen, aber die Gefahren in meiner Welt sind grundlegend andere.
Es gibt aber diesen gemeinsamen Bereich - und den hat Buddha formuliert: dukkha. Ausnahmslos alle Lebewesen erfahren dukkha.
Weil das so ist, gibt es den Weg - und ich kann den anderen nicht davor schützen, aufgrund seiner Verblendung in den nächsten Sch...haufen zu treten.
Nun ist der Weg kein ausgetretener Pfad, sondern unwegsames Gelände, "man bahnt sich durch das Dickicht" - heißt es in einem der unzähligen Koan - und mit dem Dickicht oder auch dem hohen Gras sind die kleshas gemeint.
Nach meiner Erfahrung ist Aufrichtigkeit das wirksamste Mittel gegen Verblendungen und Irrtümer. Sich selbst zu erforschen -
Zitat Den Buddhaweg ergründen heißt dich selbst ergründen (Dem Buddhaweg folgen heißt dir selbst folgen/Den Buddhaweg gehen heißt selbst gehen).
Dich selbst ergründen (dir selbst folgen/selbst gehen) heißt dich selbst vergessen.
Dich selbst vergessen heißt von den zehntausend Dingen bezeugt werden.
Von den zehntausend Dingen bezeugt werden heißt Körper und Geist von dir selbst und den anderen fallen lassen.
Die Spuren deines Erwachens lösen sich auf, doch die aufgelösten Spuren des Erwachens führen endlos fort.