Was macht eigentlich eine Religion zu einer Religion?

  • Der Buddhismus wird ja allgemein immer als Religion bezeichnet, nur kann ich persönlich mit dem Begriff kaum etwas anfangen. Für mich ist Buddhismus eigentlich nichts weiter als eine ziemlich gute Landkarte, und so helfen auch Wikipedia Erklärungen zum Begriff Religion meinem Verständnis diesbezüglich nicht viel weiter.


    Ich würde gerne manchmal Menschen erklären das es sich dabei, meines Erachtens, nicht um eine Religion im üblichen Sinne handelt, aber ich finde nicht die passenden Worte.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Religionen


    Arthur Schoppenhauer (Philosoph 1788-1860) kritisierte alle Religionen ausgehend von der Annahme eines allge-meinen „metaphysischen Bedürfnisses“ des Menschen, als „allegorisch und mythisch ausgesprochene und dadurch der Menschheit im Großen zugänglich und verdaulich gemachte Wahrheit“
    Er bezeichnet die Religion deshalb auch als „Metaphysik des Volks“.

    Über ein Kernthema der Natürlichen Theologie, nämlich das Verhältnis von Vernunft und Glauben, schreibt Schopenhauer:
    „Wer ein Rationalist seyn will, muss ein Philosoph seyn und als solcher sich von aller Auktorität emanzipieren, vor-wärts gehn und vor nichts zurückbeben.

    Will man aber Theolog seyn; so sei man konsequent und verlasse nicht das Fundament der Auktorität, auch nicht, wenn sie das Unbegreifliche zu glauben gebietet. Man kann nicht zweien Herren dienen, also entweder der Vernunft oder der Schrift. (…)


    Entweder glauben oder philosophieren! was man erwählt, sei man ganz.“


    Zitat aus Wikipedia


    hedin

  • Der Buddha hat nichts übriggelassen das angebetet werden kann.
    Der Buddhismus hat immer noch das Bestreben ein Solches zu schaffen, scheitert aber immer wieder an Buddha der nichts übrig gelassen hat das angebetet werden kann.
    Jede Religion verteidigt mit ALLEN Mitteln das von ihr Angebetete.

  • Ich persönlich finde die Wikipedia-Definition des Begriffs Religion, die keine eindeutige ist, übrigens sehr lesenswert.


    Ich frage mich allerdings eher immer wieder, wofür diese Bezeichnung wichtig ist.
    Insbesondere frage ich mich, was lässt manche westliche Buddhisten so vehement dagegen argumentieren, dass diese Lehre ein Religionsgebäude bildet, bzw. bilden kann?
    Auch, wenn man sich darüber im klaren ist, dass eine Religion nicht theistisch sein muss, wird das immer noch gerne abgelehnt. Warum?
    Gleiches gilt für die Sucht danach, Elemente der Lehre oder Tradition beweisbar machen zu wollen, sie so vom quasi spirituellen Status (ich vertraue) zu einem seienden Status (es ist) zu überführen.
    Mein Eindruck ist, dass damit ein verzweifelter, weil zu keinem Ziel führender Kampf gegen die Anfeindungen, die ein spiritueller Mensch nach der Aufklärung erfahren mag, geführt wird. In dem Moment, wo ich einen der "klassischen" Wege des Buddhismus annehme, stelle ich mich außerhalb des westlichen Menschen- und Weltbildes nach der Aufklärung. So what? Da muss ich mich letztlich nicht für verteidigen.
    Fragen danach, ob tradierte buddhistische Prinzipien, Mechanismen, Erkenntnisse, Weisheiten in einer "neuen" Verbindung mit dem jetzt auch einen neuen Weg für den Einzelnen eröffnen können, werden mit der Schublade Religion/Nicht-Religion auch nicht offener.


    Also bleibt: Wofür ist diese Unterscheidung wichtig?


    Hochachtungsvoll
    Mal Sehen

  • malsehen:

    Also bleibt: Wofür ist diese Unterscheidung wichtig?


    Abgrenzung von Selbst und Anderen


    oder


    Abgrenzung von Vorstellung und Vorstellung.


    8)

  • Ich finde das nicht ganz unwichtig, weil mit dem Begriff Religion in den meisten Köpfen gleich viele Vorstellungen geweckt werden, die ganz besonders auf die Lehre des Buddha nicht anwendbar sind. Hat ein Mensch ersteinmal die Schranke "Religion" im Kopf, so ist er fast automatisch gleich ein weniger offen für das was dahinter steht. So funktioniert der menschliche Geist eben.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
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  • Geronimo:

    Ich finde das nicht ganz unwichtig, weil mit dem Begriff Religion in den meisten Köpfen gleich viele Vorstellungen geweckt werden, die ganz besonders auf die Lehre des Buddha nicht anwendbar sind. Hat ein Mensch ersteinmal die Schranke "Religion" im Kopf, so ist er fast automatisch gleich ein weniger offen für das was dahinter steht. So funktioniert der menschliche Geist eben.



    DAS sehe ich auch so.
    Bei dem Begriff Religion
    entsteht in den Köpfen schon
    gleich
    - automatisch konditioniert -
    eine Trennung.


    Messe ich diesem Wort keine Bedeutung mehr ein,
    und betrachte die Kernlehre einer jeden Glaubensrichtung
    als Essenz
    sehe ich eine einheitliche
    Erfahrung dahinter.


    LG

    Es ist eine wahre Schmach und Schande, daß wir Christen wie blinde Hühner umhergehen und nicht erkennen, was in uns ist und davon gar nichts wissen.
    Johannes Tauler

  • Ich bin mit Euch ja à jour, dass der Begriff in den Köpfen eine Schranke fallen lassen mag.
    Was ist das Problem damit?


    Und – ich persönlich mag die Einheilichkeit der Erfahrung dahinter eher nicht so sehr. Wir wünschen uns alle so sehnlich "nicht getrennt sein". Letztlich sogar, in dem wir die Erfahrungshorizonte unterschiedlicher spiritueller Wege und Konzepte egalisieren.
    Mal abseits von der Überlegung, dass für religiöse Überzeugungen schon recht viel Blut geflossen ist – wem tun wir einen Gefallen damit, die Unterscheidlichkeit nicht anzuerkennen?
    Führt der Weg zu immer über den kleinsten gemeinsamen Nenner?
    Je nachdem, wen ich damit befrage, wird er es mögen, auf Gemeischaftliches hin überprüft zu werden, oder er findet es unangenehm. Im zweiten Fall tue ich etwas aus meiner Sicht wohlmeinendes und stülpe dem anderen doch etwas über, dass ihm kein wohlmeinendes Gefühl lässt. Warum auch immer.
    Was ist mit dem staunenden, Unsicherheit zulassenden, entdeckenden, nicht bewertenden, nicht gleichmachenden, nicht ablehnenden Blick eines 5-jährigen, der einfach nur wahrnimmt, dass es dort anders ist, als er sich es hier vorstellen kann?


    Hochachtungsvoll
    Mal Sehen

  • Ich sehe da kein großes Problem. Aber es ist mir natürlich ein Bedürfnis eine angenehme Entdeckung an andere weitergeben zu können. Umso weniger Schranken dies behindern umso besser.


    Wenn ich das leckerste Eis der Welt entdecke und es zudem auch noch überraschender Weise vegan ist, und ich das dann meiner strikt veganen Freundin zum kosten anbieten möchte, aber einfach nur das Wort Eis erwähne, und sie dann möglicherweise sofort an ein Milchprodukt denkt und es daher ablehnt, und dann auch skeptisch bleibt wenn ich erkläre das es sich tatsächlich um ein veganes Eis handelt, ich das gerade aber nicht beweisen kann, weil ich die Verpackung nicht mehr habe, dann erschwert das natürlich erst einmal die Situation mit ihr eine angenehme Entdeckung zu teilen.


    Und meiner Erfahrung nach verfallen viele beim Begriff Religion schon in bestimmte Arten der Konditionierung, was ich persönlich sehr schade finde, da ihnen möglicherweise etwas tolles entgeht.


    Das gleiche gilt übrigens auch für das Wort Meditation, bei dem sehr viele Menschen offensichtlich schnell mit den Augen rollen.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Geronimo:

    Der Buddhismus wird ja allgemein immer als Religion bezeichnet, nur kann ich persönlich mit dem Begriff kaum etwas anfangen. Für mich ist Buddhismus eigentlich nichts weiter als eine ziemlich gute Landkarte, und so helfen auch Wikipedia Erklärungen zum Begriff Religion meinem Verständnis diesbezüglich nicht viel weiter.


    Genau so ist es. Der Religionsbegriff ist vollkommen wertlos. Es gibt viele verschiedene Definitionen dieses Wortes, die inhaltlich teilweise stark voneinander abweichen; es gibt einfach kein einheitliches westliches Konzept von "Religion", an dessen Kriterien man den Buddhismus messen könnte, insofern sind alle entsprechenden Versuche reine Wortklauberei.


    Schöne Grüße
    KDR

    DRACO DORMIENS NUNQUAM TITILLANDUS

  • KDR:

    …insofern sind alle entsprechenden Versuche reine Wortklauberei.


    Wobei die Zuordnung Buddhismus <=> Religion ja völlig losgelöst von der nicht enden wollenden "internen" Diskussion "ob oder ob nicht" stattfindet bzw. längst stattgefunden hat. Auch die Tatsache, dass der Religions-Begriff in seiner Definition keine einfache Schublade zu sein scheint, tut dem ja keinen Abbruch, dass man dieser Schranke begegnet/begegnen muss. Intern mag man also Wortklauberei vermuten, in der Begegnung mit der "Außenwelt" hilft es ggf. schon, etwas über die Konnotationen des Wortes zu wissen, wenn man denn einen Dialog zu führen gedenkt.
    Im Gegenteil, im Dialog mit einer Außenwelt wirkt das kategorische Ablehnen des Begriffes eher peinlich, meist den Dialog zu Beginn unmöglich machend. Ich würde da zu einer gewissen Entspanntheit raten, und die Frage zurückgeben, à la "Religion, ok, mag sein, was macht das jetzt mit dir?"


    Hochachtungsvoll
    Mal Sehen

  • malsehen:
    KDR:

    …insofern sind alle entsprechenden Versuche reine Wortklauberei.


    Wobei die Zuordnung Buddhismus <=> Religion ja völlig losgelöst von der nicht enden wollenden "internen" Diskussion "ob oder ob nicht" stattfindet bzw. längst stattgefunden hat. Auch die Tatsache, dass der Religions-Begriff in seiner Definition keine einfache Schublade zu sein scheint, tut dem ja keinen Abbruch, dass man dieser Schranke begegnet/begegnen muss. Intern mag man also Wortklauberei vermuten, in der Begegnung mit der "Außenwelt" hilft es ggf. schon, etwas über die Konnotationen des Wortes zu wissen, wenn man denn einen Dialog zu führen gedenkt.
    Im Gegenteil, im Dialog mit einer Außenwelt wirkt das kategorische Ablehnen des Begriffes eher peinlich, meist den Dialog zu Beginn unmöglich machend. Ich würde da zu einer gewissen Entspanntheit raten, und die Frage zurückgeben, à la "Religion, ok, mag sein, was macht das jetzt mit dir?"


    Da spekulierste doch nun wieder ganz schön viel...

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Geronimo:

    Der Buddhismus wird ja allgemein immer als Religion bezeichnet, nur kann ich persönlich mit dem Begriff kaum etwas anfangen. Für mich ist Buddhismus eigentlich nichts weiter als eine ziemlich gute Landkarte, und so helfen auch Wikipedia Erklärungen zum Begriff Religion meinem Verständnis diesbezüglich nicht viel weiter.


    Ich würde gerne manchmal Menschen erklären das es sich dabei, meines Erachtens, nicht um eine Religion im üblichen Sinne handelt, aber ich finde nicht die passenden Worte.


    Der Begriff Religion kommt erst auf, als die Einheit von Kult und Gesellschaft zerfallen ist und andere Kulte neben dem Haupt-Kult möglich sind. Die Römer hatte da bis zur Übernahme des Christentums als Staatsreligion eine recht liberale Haltung - aber es gab auch den Kaiser-Kult. In seiner Ausbreitung traf der Buddhismus immer schon auf vorhandene Kulte und hat diese aufgenommen und/oder wurde von den Herrschern als Staatskult etabliert. So in Korea und Tibet z.B. - kultische Praktiken sind dann die Verehrung von Bildnissen und der Bau von Tempel um diese Statuen herum, die Befolgung von Riten und die Initiation in einen Heilsweg.

  • KDR:

    Der Religionsbegriff ist vollkommen wertlos. Es gibt viele verschiedene Definitionen dieses Wortes, die inhaltlich teilweise stark voneinander abweichen; es gibt einfach kein einheitliches westliches Konzept von "Religion", an dessen Kriterien man den Buddhismus messen könnte, insofern sind alle entsprechenden Versuche reine Wortklauberei.


    Nun, der Begriff mag wertlos sein, kennzeichnet aber doch sehr gut das Verweilen und Beharren, das Heimstattbauen des bewußt-Seins, das Beabsichtigen.


    Wenn man aber von Anfang an nichts anderes vorhat als sich eine Heimstatt zu bauen, sich einzurichten in Vorstellungen und Lehren und Traditionen, dann mag man Überlegungen hierzu als irrelevant hinstellen wollen. 8)


  • Also, ich weiß nicht - für mich wäre es schwierig, Sachen auf eine so simple Ebene runterzubrechen, dass sie einfach schon wieder falsch sind. Man sollte den Leuten schon die Wahrheit sagen, und die liegt eben darin, dass es keinen festen Religionsbegriff gibt, mit dem man auch nur irgendwie arbeiten könnte. Natürlich muss man solche Begriffe benutzen, sobald es um den Vergleich mit "anderen Religionen", um soziale, politische, rechtliche Aspekte etc. geht, aber wenn man wirklich die Karten auf den Tisch legen will, kommt man nicht drumherum, die Frage, ob oder inwiefern der Buddhismus eine Religion ist, als Scheinproblem zu entblößen.


    Grund:

    Nun, der Begriff mag wertlos sein, kennzeichnet aber doch sehr gut das Verweilen und Beharren, das Heimstattbauen des bewußt-Seins, das Beabsichtigen.


    Wenn man aber von Anfang an nichts anderes vorhat als sich eine Heimstatt zu bauen, sich einzurichten in Vorstellungen und Lehren und Traditionen, dann mag man Überlegungen hierzu als irrelevant hinstellen wollen. 8)


    Was - hilf mir bitte mal eben - wer wann wie getan hat?


    Schöne Grüße
    KDR

    DRACO DORMIENS NUNQUAM TITILLANDUS



  • 8)

  • Geronimo:
    malsehen:

    Wobei die Zuordnung Buddhismus <=> Religion ja völlig losgelöst von der nicht enden wollenden "internen" Diskussion "ob oder ob nicht" stattfindet bzw. längst stattgefunden hat. Auch die Tatsache, dass der Religions-Begriff in seiner Definition keine einfache Schublade zu sein scheint, tut dem ja keinen Abbruch, dass man dieser Schranke begegnet/begegnen muss. Intern mag man also Wortklauberei vermuten, in der Begegnung mit der "Außenwelt" hilft es ggf. schon, etwas über die Konnotationen des Wortes zu wissen, wenn man denn einen Dialog zu führen gedenkt.
    Im Gegenteil, im Dialog mit einer Außenwelt wirkt das kategorische Ablehnen des Begriffes eher peinlich, meist den Dialog zu Beginn unmöglich machend. Ich würde da zu einer gewissen Entspanntheit raten, und die Frage zurückgeben, à la "Religion, ok, mag sein, was macht das jetzt mit dir?"


    Da spekulierste doch nun wieder ganz schön viel...


    Ähm. Ja, mag sein – und dann?


    Hochachtungsvoll
    Mal Sehen

  • malsehen:

    Ähm. Ja, mag sein – und dann?


    Und ich habe gerade Johannisbeeren gegessen, ist auch nicht viel passiert.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)