Zazen und Spielgefährte

  • Tai:

    Aufschlussreich wäre vielleicht zu ergründen, warum er sich überfordert fühlt. Vor etlichen Jahren hörte ich einmal Baker Roshi über den Besuch bei einem Freund berichten, der auf einem riesigen Stück Land einige tausned Bisons hielt. Die Bisons, so der Freund, seien ein wenig schwer zu kontrollieren. Man könne sie nur bewegen, dahin zu gehen, wohin sie ohnehin gehen wollten. So ähnlich verhält es sich auch mit Kindern. Wenn einer in der Arbeit mit ihnen demotiviert ist und sich schnell überfordert fühlt, mag es daran liegen, das er zu sehr versucht, sie in die ein oder andere Richtung zu zwingen. (Das Ganze ist natürlich auch eine Metapher auf die Kontrolle des Geistes im Zen)


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    Das leuchtet mir für die Arbeit mit Kindergruppen sehr ein. Soweit ich mich erinnere, bewegen sich große Kindergruppen in Horden. Wenn man also ein Spielangebot macht, etwa Bilderbuchkino, und die Horde begibt sich zum betreffenden Ort, ist es eher kontraproduktiv, einzelne Kinder noch extra zu fragen, ob sie mitmachen wollen. Ungefragt kommen die allermeisten Nachzügler von alleine zu dem selbstverständlich auf freiwilliger Teilnahme basierenden Spielangebot. Gefragt fällt ihnen immer irgendwas ein, was sie jetzt lieber wollen.


    Als Metapher für die Kontrolle des Geistes: Man kann den eigenen Geist nicht zur Ruhe zwingen. Egal, wie subtil man es auch probiert, es funktioniert nicht. Anders verhält es sich mit dem Glauben. Der christliche Glaubensinhalt Gott vermag den Geist zu beruhigen, sofern dieser Glaube vorhanden ist. Das Mahayana aktiviert mit der Konzentration auf Liebevolle Güte und Loslassen der Egozentrik auf ähnliche Weise ein inneres Glück, würde ich behaupten.


    Dabei tun wir etwas, was der Geist eigentlich will. Dies lässt sich evolutionär, stammesgeschichtlich und in Hinsicht auf die individuelle Entwicklung sehr gut begründen. Einmal ist der Homo Sapiens ein Säugetier, dem fürsorgliches Empfinden in die Wiege gelegt ist, was zugleich für die individuelle Entwicklung maßgeblich ist. Auch stammesgeschichtlich lebt er in Horden und erlebt seine glücklichen Stimmungen gemeinschaftlich, würde ich meinen. Immerhin sichert die Kooperation sein Wohlergehen.

  • Mir fällt bei dem Thema Ryokan ein.


  • Lucy:

    Das Geschirr ist unsere Aufgabe, die wir mit soviel Geduld, Gleichmut, Freundlichkeit und egolosigkeit machen, wie wir können.


    Die buddhistische Ausrichtung hat mich da unglaublich weiter gebracht. Aber auch ein 'passender' Arbeitsplatz ist für mich sehr wichtig, damit ich das ansatzweise kann.
    (Ein Wohnheim ist schon speziell mit dem hohen Maß an Verbindlichkeit, das erforderlich ist. Wenn der dritte Kollege krank wird müssen ja dennoch rund um die Uhr und rund ums Jahr die Dienste abgedeckt sein. Das ist nicht ohne.)


    Und dann habe ich mich irgendwann aus dem Anspruch entlassen, liebevoll und fürsorglich (deine Worte) sein zu müssen. Ich übe mich in Gleichmut, bin dankbar für die guten praxismöglichkeiten (auch) bei der Arbeit und bin heiterer als je zuvor.


    Hallo Lucy,


    Meine Dienste enthalten Geschirrwaschen, besser gesagt räume ich den Geschirrspüler ein und aus – sofern kein Zivildiener mir zur Seite steht. Für mich ist das Ein- und Ausräumen einfach eine vollkommen hirnlose Tätigkeit. Einerseits ist sie so anspruchslos, dass ich dabei plaudern oder meinen Gedankenwelten und Träumen nachhängen kann. Andererseits möchte ich die geistige Unterforderung ausgleichen, damit es mir gut geht. Für mich passen daher auch die speziellen Dienstzeiten im Wohnhaus, da ich die vielen freien Vormittage schätze. Da kann ich dann mit ausgeruhtem Geist nachdenken.


    Deine Haltung ist da doch anders. Wie definiert man seine Praxis, welcher Lehre folgt man? Neben deiner inneren Zufriedenheit profitiert sicher auch die Qualität deiner Arbeit sehr von der buddhistischen Geistesschulung. Das gilt letztlich sogar fürs Geschirr. Bei mir plumpst es einfach irgendwie in die Maschine. Dafür bekäme ich im Zen-Kloster vermutlich einen ordentlichen Schlag mit dem Stock… :?


    Zum Thema persönlicher Ehrgeiz versus Gleichmut und heitere Gelassenheit: Ich nehme ja eher an der Selbstbezogenheit Anstoß, aber nicht an meinem Ehrgeiz. Doch gibt es einen Zusammenhang. Der Dalai Lama wird im Buch der Freude mit folgenden Worten zitiert:


    Stress und Ängste beruhen oft auf zu hohen Erwartungen und zu viel Ehrgeiz. Wenn wir diese Erwartungen nicht erfüllen oder jenes ehrgeizige Ziel nicht erreichen, sind wir enttäuscht. Das ist eine durch und durch egozentrische Haltung: „Ich will dieses, ich will jenes.“ Oft sind wir nicht realistisch, was unsere Fähigkeiten oder die objektive Realität betrifft. Solange wir ein klares Bild von unseren Möglichkeiten haben, können wir bei unseren Bemühungen realistisch sein. Dann haben wir viel größere Chancen, unsere Ziele zu erreichen. Unrealistische Bemühungen führen nur in die Katastrophe. In vielen Fällen wird also unser Stress durch unsere Erwartungen und unseren Ehrgeiz verursacht.