Ich lese gerade ein Buch, in dem darum geht, wie Kukai - der Gründer des Shingons - des japanischen Vjrayana im Jahre 809 den Vajrayana nach Japan brachte.
(The Weaving of Mantra Kukai and the Construction of Esoteric Buddhist Discourse=
Und da würde mich jetzt die Meinung der tibetischen Vajrayana-Pratizierenden dazu interessieren. Deswegen fass ich das mal zusammen:
Die Haupttexte die er da aus China mitbrachte und die so zu den beiden Grundpfeiler des japanischen Vajrayana wurden, waren das Mahavairocana Tantra und das Vajrasekhara Sutra beide sind auch intibetischen Buddhismus bekannt. Das Vajrasekhara Sutra wird dabei in die Kategorie Yogatantra eigeordnet werden das Mahavairocana Tantra als Carya Tantra gilt. In beiden Sutren spielt Mahavaironcana die Hauptrolle weswegen sie in Japan als eng zusammengehörig gesehen werden, was wohl für Tibet nicht so gilt.
Während der Tantrismus der nach Tibet kam dies in einer ausgereiften Form tat, kam er sehr früh (noch vor Padmsamphava) nach Japan. Teilweise geschah das aus ähnlichen Gegenden wie die tibetische Form (z.B die nordindische Klosteruniversität Nalanda) Teilweise lenten einige der Lehrer Kukais aber auch in Sumatra, das damals ja ebenfalls eine bedeutendes Zentrum des Vjrayana war, in dem anderes gelehrt wurde. Das Mahavarioncana Sutra gilt als erstes richtiges buddhitisches Tantra überhaupt und repräsentiert damit den Tantrismus in einem frühen Entwicklungsstadium.
Interessant ist das es in Japan auch schon vor Kukai tantrische Texte gab, diese dort jedoch noch im Kontext eines Mahayana-Denkens interpetiert wurden. Es gab Dharnis und es gab die Verehrung tantrischer Gottheiten, aber dabei wurden die Mantras ( so wie im Herzsutra) als Verstärkung und Komression des Inhalts verstanden oder auch als machtvolle Formeln, die bestimmte mehr oder weniger weltliche Wirkungen herbeirufen sollten.
Von daher hatte Kukai bei seiner Rückkehr aus China zu allererst das Problem, gegenüber den Vertretern des Mahayana (Mādhyamaka und Yogacara ) zu eklären, was Vajrayana ist, und inwieweit dieses sich von dem gewohnten Mahayana unterscheidet. Denn für gelehrte Priester wie Tokuitsu wirkte das Mahavarioncana Sutra ersteinmal sehr merkwürdig. Zu erst wunderte es ihn, dass es sich nicht auf Shakyamuni zurückführte. Als nächstes wunderte es ihn, wo und wem gegenüber es überliefert wurde. Einerseits heisst es ja - fragte Tokuitsu- es trage sich in Mahayavarocana Plasast zu. Aber wie, so fragte Tokuitsu - könnten dann Bodhisattvas anwesend sein, die zu so einer Ebene keinen Zugang haben? Und waum wird Buddhas Vajrasattva. etwas glehrt, wo do Buddhas gar keine Belehrung bedürften. Und warum kamen in dem Mandala so etwas wie "Buddhaspekte" vor: Weil jeder Buddha zwangsläufig alle Buddhaspekte verwirklicht, kann es doch gar keine Buddhas geben die nur Aspekte verkörpern! Und was sollte es mit dem Anspruch, dass im Mahavairocana Tantra der Dharmakaya selbst predigt? Das hatte man ja noch nie gehört. Von daher war Tokuitsu sehr irritiert.
Ich finde diese Stelle interessant, weil in ihr klar wird, was für ein Paradigmenbruch da stattfand. In seiner Antwort betonte Kukai, dass es wirklich der Dharmakaya ist, der da als Ursprung gilt. Und dass die Bedeutung des Vajrayana eben darin liegt, dass sich Dharma nicht sprachlich weitergegeben wird, sondern in speziellen tantrischen Äußerungsformen zu denen eben Mandala, Mantra und Mudra gehören, die - indem sie im Ritual zusammenfinden - eine Sprache bilden, in der sich der Dharmakaya direkt ausdrücken kann und so weitergeben lässt.
(Ich hoffe ich habe das jetzt richtig verstanden. Würde man das "Tibetisch" genauso sehen?)
Und damit kehrt sich im Mahavairocana Tantra die Beziehung zwischen Erläuterung und Praxis um. Während in einem Mahayana-Sutra der Text des Sutras der eigentliche Text ist (während ein Mantra eher als Verstärkung oder Ausdruck dieses Inhalts gilt) ist Im Vjarayana das Ritual der eigentliche Text während die Erläuterung nur dienenden Charakter hat.
Und in diesem Punkt entfremdete sich Kukai auch von seinem alten Freund Saichō - dem Gründer der japanischen Tendaischule. Denn Saichō folgte dem Ideal des Ekayana - des "einen Fahrzeugs" - wie es im Lotussutra verkündet wird. Für ihn waren alle buddhitischen Lehren Teilaspekte dieses einen Fahrzeugs und so forderte er bei Kukai Tantratexte für seine Bibliothek am Hiei an, die er kopieren wollte. Doch für Kukai sah er den radikalen Bruch zwischen Mahyana und Vjrayana nicht. Im Gegensatz zu diesen liegt der Text nicht im Text selbst und sich Mahavarioncana statt im lebednigen Ritual über den Text zu nähern, heisst ihn zu verkennen.