Die Ursache der Erleuchtung ist nicht die Meditation, sondern das Verwirklichen der wahren Pfade und die Meditation ist ein Mittel hierfür im Kontext der wahren Pfade. Erleuchtung / Befreiung / Nirvana erreicht man nur durch die Erkenntnis, die ein direktes Gegenmittel gegen unsere Unwissenheit ist. Die Meditation ist neben Studium und Kontemplation eben eines der Mittel mit der man diese Erkenntnis erlangt mit der wir unsere Unwissenheit überwinden können. Haben wir unsere Unwissenheit vollständig überwunden, also die wahren Beendigungen oder Nirvana erreicht, dann können wir auch nicht zurückfallen, denn die wahren Beendigungen / Nirvana sind beständig.
Danke für die konzise Formulierung. Es ist stimmig und plausibel, was du schreibst. Ich würde sagen, es ist die klassische Art, Erleuchtung zu präsentieren. Und diese altehrwürdige Formulierung beinhaltet zweifelsohne viel Weisheit und wird noch lange Bestand haben. Insbesondere die von mir gefettete Passage ist wichtig.
Was ein gewisses Problem an dieser Beschreibung ist, ist dass sie für manche Leute nicht konkret genug ist. Woher weiß man, ob man die Unwissenheit vollständig überwunden hat? Wie viele Menschen haben dies erreicht? Nur der Buddha? Nur so und so viele Bodhisattvas? Wenn so jemand existiert, wie benimmt sich so eine Person? Wir sie nie wieder wütend, auch wenn sie eine Woche nicht geschlafen hat und permanent gereizt wird? Und falls doch, wie erklärt sich das dann?
Fragen, die von manchem als ignorant-weltlich abgetan werden. Aber Fragen, denen sich ein moderner Buddhismus meiner Meinung stellen sollte. Da muss man dann konkreter werden. Auch, weil es ja nicht nur das Gegenstück "vollkommen befreit" und "vollkommen unwissend" gibt. Unzähligen Menschen hat buddhistische Geistesschulung sehr geholfen, auch wenn sie nicht absolut lupenrein, restlos erleuchtet sind. Und da wirds meiner Meinung nach erst wirklich interessant.
In Theravada-Konzepten: Wie viele "stream entrants" laufen da draußen rum? Wie viele Menschen können ein vergleichbares Level erreichen? Mir scheint, gar nicht sooo wenige. Und für diese Menschen ist dann wichtig, einzuschätzen, wie erwacht sie wirklich sind. Grade, wenn man erste Einsichtserlebnisse hat, neigt man sehr oft dazu, diese massiv überzubewerten, und sich für viel erwachter zu halten, als man wirklich ist.
Und all das hat der kluge Ken Wilber eben so formuliert hat. (Sorry, in eher klobigem Englisch):
In this feature presentation from the 2016 SAND Conference, Ken Wilber explains why the path of “waking up” (spiritual awakening) needs to be complemented by the path of “growing up” (psychological maturity) in order to renew and replenish our understanding of enlightenment in the 21st century.
“It is often said in the great wisdom Traditions that typical, conventional life is like a dream, an illusion, a mistaken reality. And what it’s mistaken for is the real Reality, an ultimate unity, oneness, infinite harmony and interconnectedness with the entire universe—the discovery of our real Self, Big Mind, the groundless Ground of all Being, the Supreme Identity, the Great Liberation in infinite Spirit. Mindfulness meditation, for example, was created as a practice that will help us experience this Enlightenment, Awakening, ultimate Transformation. This is the profound path of Waking Up, and it is found in the great Traditions around the world.
On the other hand, according to these Traditions, the typical, conventional, orthodox Western psychologies only deal with the illusory self—the finite, conventional, skin‑encapsulated ego. Its typical developmental processes are altogether called the path of Growing Up.
So we have the path of Waking Up—which deals with ultimate Reality, with the Ground of all Being, with the divine Self and infinite Spirit—and we have the path of Growing Up—which deals with the finite self, the ordinary, conventional, typical small self and its changes, the path of Growing Up.
Quintessenz: Spirituelles Erwachen muss durch psychologische Reifung ergänzt werden. In buddhistischen Termini könnte man auch sagen, das ist die Weisheitsschulung / Tugend / Kontemplation, die durch die Sangha unterstützt wird. Wenn das in unzureichendem Ausmaß erfolgt, kann man sehr, sehr weit fortgeschrittene und erleuchtete Meister haben, die dennoch ernsthafte psychologische Probleme haben.
Wilber selbst hat das erfahren - er hat längere Zeit mit dem Advaida-Lehrer Andrew Cohen zusammengearbeitet, bis Cohen selber tief gefallen ist. Meines Wissens ging es ausnahmsweise nicht so sehr um Sex, aber um Machtmißbrauch und Ausnutzen der Arbeitsleistung von Schülern.