Nagarjuna Suhrllekha - Brief an einen Freund

  • In seiner Schrift Suhrllekha gibt Nagarjuna einem befreundeten König Ratschläge zur Dharmapraxis im Alltag. Ähnlich wie in Ratnavali sind diese Ratschläge verknüpft mit Erklärungen der Lehre des Buddha.


    Nach den einleitenden Versen schreibt Nagarjuna im 4.Vers:


    "Der Siegreiche lehrte sechs Objekte der Vergegenwärtigung:

    den Buddha, den Dharma, den Sangha, die Freigebigkeit, die Ethik

    und die Götter. Denke an sie im Bewusstsein der Vielzahl ihrer

    jeweiligen Vorzüge."


    Vergegenwärtigung bedeutet hier Erinnerung. Mittels der Vergegenwärtigung erinnert man sich immer wieder an die Dharmainhalte, die man kennt, und vergisst sie nicht.


    Was sollten wir im Zusammenhang mit dem Buddha uns vergegenwärtigen?


    Ein Aspekt ist, dass der Buddha zu Beginn genauso war wie wir. Er hat sich also am Anfang nicht von unserem Seinszustand unterschieden. Sein Geist war anfangs also genauso wie unser jetziger Geist von den drei Geistesgiften Unwissenheit, Begierde, Hass und den daraus resultierenden Leidenschaften geprägt. Dann hat er einen spirituellen Weg eingeschlagen und hat seinen Geist geschult und umgewandelt. Man wird also durch einen abhängigen, bedingten Prozess zum Buddha.


    Deshalb schreibt Candrakirti im 1.Vers des Madhyamakavatara:


    "Buddhas werden von den Bodhisattvas geboren.

    Der Geist des Mitgefühls, Verständnis der Nicht-Dualität

    und der altruistische Erleuchtungsgeist sind die Ursachen der Kinder der Siegreichen."


    Zum Buddha wird man also nur, wenn man in den Bodhisattva-Pfad eintritt und dann die Bodhisattva-Handlungen übt und vollendet.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Dass man mittels der Übung des Bodhisattvapfades zum Buddha werden kann, ist nur möglich, weil der Geist leer ist von einem Eigenwesen. Nur deshalb ist es möglich, alle Leidenschaften und Hindernisse für die Allwissenheit aufzugeben.


    Schaut man sich die Beschreibung des Bodhisattvapfades an wie sie im Mahayana gegeben wird, dann wird deutlich, dass er sehr lange dauert.


    Es wird aber auch deutlich, dass dieser Prozess durch den man zum Buddha wird, ein innerer Prozess ist. Auch der Zustand des Buddhaseins ist deshalb ein innerer Zustand, ein Zustand des Geistes und nichts Äußeres.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Jeder kann ein Bodhisattva sein, wenn wir uns an den Tugenden, an den paramita üben. Jeder ist ein Buddha, weil Buddhanatur IST.

    Und doch bedarf es Übung und kultivation um Buddha zu manifestieren und wie ein Bodhisattva zu handeln, ohne Verblendung, Gier und Hass

    Den Schmetterling des Zen im Netz des Verstandes zu fangen; machen wir uns das klar, dass das nicht geht

  • Vergegenwärtigung bedeutet hier Erinnerung.

    Das erscheint mir erheblich zu kurz gegriffen. Kläre (am besten mit Hilfe Deines Lehrers), was anusmṛti ("Vergegenwärtigung", Pali anussati) eigentlich ist. Smṛti (ohne das 'anu' davor) bzw. Pali sati bedeutet übrigens tatsächlich wörtlich "das, was erinnert wird". Trotzdem ist mit dem 7. Aspekt des edlen achtfachen Pfades gewiss nicht 'Rechte Erinnerung' gemeint.


    Jedenfalls - mit einer Klärung des Begriffs sollte sich auch diese Frage klären lassen:

    Was sollten wir im Zusammenhang mit dem Buddha uns vergegenwärtigen?

    Die sechs in Vers 4 genannten anusmṛti - Übungen findet man im Palikanon z.B. in den beiden Mahānāma-Sutten (AN XI.12-13). Als Beispiel für die buddhanussati - Übung im Theravada hier eine geführte: free buddhist audio : Buddhanussati - Kontemplation über Den Buddha Von Dhammaloka.


    Leider nur noch im Webarchiv verfügbar diese kurze Einführung zu anusmṛti im Mahāyāna.


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  • Das ist dann aber nicht mehr die Figur Buddha, sondern:


    "Siddhartha Gautama lebte um 500 v. Christus in Nordindien; als sein Geburtsort gilt Lumbini. Sein Vater Suddhodana war Oberhaupt einer der regierenden Familien in der kleinen Adelsrepublik der Shakya im Norden von Indien im heutigen indisch-nepalischen Grenzgebiet. Hinweise auf den Königsstand von Buddhas Vater sowie auf den Prunk und die Zeremonien an dessen Hof, denen man besonders in späteren Texten begegnet, sind höchstwahrscheinlich Übertreibungen; es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Familie zumindest dem Adel angehörte. Seine Mutter hieß Maya und starb sieben Tage nach der Geburt des Kindes. Die Eltern nannten ihren Sohn Siddhattha (in Pali) bzw. Siddhartha (in Sanskrit), was „der sein Ziel erreicht hat“ bedeutet. Der Beiname Shakyamuni bezieht sich auf seine Herkunft und bedeutet „der Weise aus dem Geschlecht von Shakya“. Nach der Geburt Siddharthas wurde vorausgesagt, dass er entweder ein Weltenherrscher oder aber, wenn er das Leid der Welt erkennt, jemand werden würde, der Weisheit in die Welt bringt. Er lebte in einem Palast, wo ihm alles, was zum Wohlleben gehörte, zur Verfügung stand und wo er der Überlieferung nach von allem weltlichen Leid abgeschirmt wurde. Sein Vater sah in ihm den idealen Nachfolger und wollte verhindern, dass Siddhartha sich von seinem Reich abwendete. Daher wurde ihm nur selten gestattet, den königlichen Palast zu verlassen, und wenn, wurden die Straßen zuvor frei von Alten, Kranken und Sterbenden gemacht." (wiki).


    So wie wir/jedermann war der da nicht :D


    Kannst du bitte die Lehrredenstelle nachreichen, aus der klar wird, dass man über die Götter reflektieren soll? Ich kenne ne Menge Lehrreden und hab das noch nicht gelesen und verstehe auch nicht warum das gut sein sollte, das zu 'vergegenwärtigen', also warum man sich die Vorzüge vorstellen soll, die ein Dasein in den Brahmawelten mit sich bringt. Menschliches Dasein - das wurde doch in den Lehrreden herausgehoben genannt.


    Ich denke mir, das bringt schon ein Erkenntnisproblem mit sich, wenn es kein Leid gibt, dass man fühlen kann und sich deswegen auch nicht fragen kann, wie das entstanden ist, woher das kommt. Ich habe die höheren Daseinsbereiche so verstanden, dass es dort eher kein Leid gibt.


    Was ist konkret der Vorzug eines feinstofflichen Daseins?

  • Kannst du bitte die Lehrredenstelle nachreichen, aus der klar wird, dass man über die Götter reflektieren soll? Ich kenne ne Menge Lehrreden und hab das noch nicht gelesen und verstehe auch nicht warum das gut sein sollte


    Die sechs in Vers 4 genannten anusmṛti - Übungen findet man im Palikanon z.B. in den beiden Mahānāma-Sutten (AN XI.12-13)

    Übersehen? Manchmal hilft es, auch zu lesen was Andere schreiben ...


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  • Das erscheint mir erheblich zu kurz gegriffen. Kläre (am besten mit Hilfe Deines Lehrers), was anusmṛti ("Vergegenwärtigung", Pali anussati) eigentlich ist. Smṛti (ohne das 'anu' davor) bzw. Pali sati bedeutet übrigens tatsächlich wörtlich "das, was erinnert wird".

    Ich denke, der Rückgriff auf Pali- oder Sanskritbegriffe hilft nicht wirklich weiter. weil es das Sanskritoriginal von Suhrllekha nicht mehr gibt und bisher auch in anderen Sanskritschriften keine Zitate aus dem Suhrllekha gefunden werden konnten. Wir wissen deshalb also nicht welche Begriffe Nagarjuna in Vers 4 verwendet hat.


    Vom Suhrllekha gibt es nur noch eine Übersetzung ins Tibetische und drei ins Chinesische. Nur auf der Grundlage dieser Übersetzungen kann Nagarjunas Suhrllekha in westliche Sprachen übersetzt werden.


    Ob es Übersetzungen der chinesischen Fassungen in Deutsche gibt, weiß ich nicht. Ich kenne nur drei Übersetzungen ins Deutsche, die auf der tibetischen Fassung beruhen. In allen drei Übersetzungen wird deutlich, dass Nagarjuna den König auffordert, dass er stets die Qualitäten der drei Juwelen, der Freigebigkeit, der Ethik und der Götter erinnern solle.


    Der Vers lautet in Michael Hahns Übersetzung:


    "Der Siegreiche hat sechs Dinge genannt,

    auf die man sich konzentrieren soll:

    den Erleuchteten, seine Lehre,

    die Gemeinde seiner Mönche,

    Wohltätigkeit, Sittlichkeit und die Himmelswesen.

    Sie alle sind Anhäufungen von Tugenden;

    deshalb denke voller Achtsamkeit an sie." (1), (2)


    Erinnern kann man sich aber nur an das was man erlebt oder erlernt hat. Im Vers 4 geht es meines Erachtens um das Erinnern an Gelerntes.


    Man kann sich an die Qualitäten der sechs Objekte nur erinnern, wenn man weiß worin sie bestehen. Bei diesem Erinnern geht es darum, das Wissen um diese Qualitäten im eigenen Bewusstsein zu halten und sie nicht zu vergessen. Dadurch vertieft und stabilisiert man auch sein Wissen um die Qualitäten dieser sechs Objekte, die in Vers 4 von Nagarjuna genannt werden. Das macht auch den eigenen Geist heilsamer.


    -----------------------------------------------


    (1) Michael Hahn, Der Brief an einen Freund, in Hahn/Dietz [Hrsg], Wege zur rechten Erkenntnis - Buddhistische Lehrbriefe, Verlag der Weltreligionen, 2008, S.11


    (2) Der im Eingangspost zitierte Vers 4 stammt aus einer anderen Übersetzung

    Gruß Helmut


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  • Ich denke, der Rückgriff auf Pali- oder Sanskritbegriffe hilft nicht wirklich weiter. weil es das Sanskritoriginal von Suhrllekha nicht mehr gibt und bisher auch in anderen Sanskritschriften keine Zitate aus dem Suhrllekha gefunden werden konnten. Wir wissen deshalb also nicht welche Begriffe Nagarjuna in Vers 4 verwendet hat.

    [...]

    Vom Suhrllekha gibt es nur noch eine Übersetzung ins Tibetische und drei ins Chinesische.

    Dieser Rückgriff hilft durchaus weiter, weil sich an Hand tibetischer Übersetzungen verlorengegangene Sanskrittexte ziemlich zuverlässig rekonstrieren lassen - was mit chinesischen Übersetzungen aufgrund der völlig anderen lexikalischen Struktur äußerst schwierig ist.


    Vom Suhṛllekha gibt es zwei Übersetzungen ins Tibetische, Pek. ed. 5409 und Pek. ed. 5682, die einige Varianten zu 5409 enthält. Außerdem den Kommentar Mahāmatis, Pek. ed. 5690. Die "anderen Sanskritschriften", in denen Zitate aus dem Suhṛllekha gefunden werden können (allerdings nicht āryāgīti 4) sind Candrakīrtis Catuḥśatakatīkā sowie Bodhibhadras Samādhisaṁbhāraparivarta.


    Empfehlenswerte Literatur für die Beschäftigung mit Nāgārjuna über die Mūlamadhyamakakārikā hinaus:


    Master of Wisdom

    Writings of the Buddhist Master Nāgārjuna

    Translations and Studies by Chr. Lindtner


    Yeshe De Buddhist Research and Translation Project

    Dharma Publishing 1986; 2nd Edition 1997

    ISBN-10 : 0898002869


    Dr. Lindtner ist international anerkannter Spezialist für die Werke Nāgārjunas. Das o.g. Buch enthält zwar keine Übersetzung speziell des Suhṛllekha (dafür die von 7 anderen Texten sowie Editionen in Sanskrit und Tibetisch von 6 Texten), aber in Teil III eine Studie zu Parallelen im Suhṛllekha mit anderen Texten Nāgārjunas sowie zu den kanonischen Quellen, auf denen das Suhṛllekha beruht. Zu Vers (āryāgīti) 4 merkt Dr. Lindtner an:

    Zitat

    six anussmṛti (buddha-, dharma-, saṁgha-, tyāga-, śila-, and devatanusmṛti [see references in BHSD, p. 36; CPD, under anussati, etc.])

    (Anmerkung: BHSD = Buddhist Hybrid Sanskrit Dictionary; CPD = Critical Pali Dictionary)


    Falls da angesichts der Identität der Objekte zu denen der 6 klassischen anussmṛti-Übungen tatsächlich irgendwelche vernünftige Zweifel bestehen sollten, so ist zumindest Dr. Lindtner der gleichen Meinung wie ich.


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  • Hallo Sudhana ,


    vielen Dank für deine Antwort und die Hinweise auf die Quellenlage. Einiges kannte ich noch nicht.


    Ch. Lindtner ist mir durchaus ein Begriff. Aber weil ich kein Englisch beherrsche, helfen mir seine Schriften wie zum Beispiel die Nagarjuniana nicht weiter. Ich stütze mich stattdessen mehr auf Michael Hahns Publikationen sofern sie auf Deutsch erschienen sind. Darüber hinaus stütze ich mich auf Erklärungen / Kommentare meiner Lehrer.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Nagarjunas Suhrllekha ist zwar vor Jahrhunderten entstanden und an einen König seiner Zeit gerichtet; aber wenn wir uns heute noch mit dieser Schrift Nagarjunas beschäftigen, dann bedeutet dies ja, dass sie für uns heutzutage für unser spirituelles Leben noch eine Bedeutung hat.


    Es hat also eine Bedeutung für uns, wenn wir uns der Qualitäten der Objekte der Vergegenwärtigung bewusst sind, die Nagarjuna in Vers 4 nennt: den Qualitäten des Buddhas, des Dharmas, der Sangha, der Freigebigkeit und der Ethik

    Gruß Helmut


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  • Zu den in Vers 4 genannten sechs Objekten der Vergegenwärtigung gehört auch die Freigebigkeit.


    Die Freigebigkeit greift Nagarjuna in Vers 6 auf und nennt drei Aspekte:

    1. man solle erkennen , dass Besitz unbeständig und gehaltlos ist;
    2. diejenigen denen gegenüber man freigebig sein sollte;
    3. der Nutzen der Freigebigkeit für die eigene spirituelle Entwicklung auf dem Pfad.

    Bei dem ersten Punkt geht es darum, dass die eigenen Besitztümer nicht die Qualität besitzen, einem dauerhaftes Glück oder dauerhafte Zufriedenheit zu bescheren. Dies sei zu erkennen.


    Beim dritten Punkt geht es darum dass man durch Freigebigkeit die Ursachen dafür ansammelt, dass man in zukünftigen Existenzen wieder die notwendigen Umstände vorfindet, die es einem ermöglichen als Mensch weiterhin den Dharma praktizieren zu können.


    Im zweiten Punkt sagt Nagarjuna wem gegenüber man Freigebigkeit üben solle. Er sagt in diesem Vers nichts darüber aus was das Wesen der Freigebigkeit ist, sondern er verdeutlicht nur, dass man nicht mit Geiz an seinen Gütern festhalten solle, sondern seine Güter dafür benutzen sollte, anderen zu helfen.

    Gruß Helmut


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  • In der Übersetzung des Verses 6 durch Michael Hahn heißt es:


    "Erkennt, dass die Genüsse unbeständig

    und ohne wirkliche Substanz sind;

    spendet statt dessen lieber den Mönchen,

    den Brahmanen, den Bedürftigen und Freunden ..."


    ------------------------

    Quelle: Hahn/Dietz (Hrsg), Wege zur rechten Erkenntnis - Buddhistische Lehrbriefe, Verlag der Weltreligionen, 2008

    Gruß Helmut


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  • In einer anderen Übersetzung des Suhrllekha heißt es 6.Vers: "... gib in rechter Weise den Bhiksus ..." usw.


    In rechter Weise deutet darauf hin, dass man Freigebigkeit mit Weisheit verbunden ausführen sollte.


    In Erklärungen unseres damaligen Lehrers, die er 2002 in unserem Zentrum gab, heißt es hierzu, dass

    1. wir unterscheiden müssen in welchen Situationen wir geben sollten und in welchen nicht;
    2. wir wissen müssen wer ein geeignetes Objekt fürs Üben dieser Tugend ist und wer nicht;
    3. wir erkennen müssen was anderen nutzt und was nicht;
    4. wir die Situation in der wir Geben korrekt beurteilen müssen, um dann zu entscheiden was im Sinne des Dharma das Angemessenste ist.

    Gruß Helmut


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  • Nagarjuna nennt in Vers 4 sechs Objekte der Vergegenwärtigung und fordert uns auf, stets an deren Vorzüge zu denken, sie stets zu erinnern und sie nicht zu vergessen.


    Welche Vorzüge der Freigebigkeit sollte man sich also vergegenwärtigen? Ein Punkt ist meines Erachtens, sich stets des Wesens der Freigebigkeit bewusst zu sein.


    Die Freigebigkeit ist ein heilsamer Geisteszustand und besteht in dem Willen des Weggebenwollens. Dieser Wille motiviert die körperlichen und sprachlichen Handlungen des Gebens und begleitet diese Handlungen während ihrer Ausführung.

    Gruß Helmut


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  • Ein weiterer Punkt der Vergegenwärtigung bezüglich der Freigebigkeit wären meines Erachtens die vier Arten des Gebens:

    1. das Geben von Dharma
    2. das Geben von Schutz und Furchtlosigkeit
    3. das Geben von materiellen Gütern
    4. das Geben von liebevoller Zuneigung

    Gruß Helmut


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  • In Vers 5 und 7 behandelt Nagarjuna die Ethik als fünftes der in Vers 4 genannten Objekte der Vergegenwärtigung.


    In Vers 5 sagt Nagarjuna, dass die Ethik im Befolgen der zehn heilsamen Handlungsweisen besteht. Das ist gleichbedeutend mit dem bewussten Unterlassen der der zehn unheilsamen Handlungen von Körper, Rede und Geist. Darüber hinaus fordert er den den König auf, sich von berauschenden Getränken fernzuhalten, und sich am rechten Lebenserwerb zu erfreuen.


    In Vers 7 fordert Nagarjuna den König auf, einen sittlichen Lebenswandel zu befolgen, denn der Buddha hat gelehrt, dass die Ethik die Grundlage aller Tugenden ist.


    Der Brief an einen Freund ist zwar an einen König gerichtet, aber ich denke, dass dies auch Anweisungen sind, die man gut als Laie befolgen kann, da dies leicht zu praktizierende Anweisungen sind..

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Im Vers 8 nennt Nagarjuna die sechs Vollkommenheiten

    und ermuntert den König, diese zu üben und zu vermehren, damit er Samsara überwinden und zu einem Buddha werden kann.


    Mit diesem Vers endet ein Abschnitt in dem Nagarjuna für Laienschüler und Ordinierte geeignete Ratschläge gibt. Dieser Abschnitt umfasst die Verse 4 - 8.


    Es schließt sich ein Abschnitt an in dem Nagarjuna Unterweisungen gibt, die hauptsächlich an Laien gerichtet sind. Dieser Abschnitt ist recht umfangreich und umfasst die Verse 9 - 37.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Helmut


    Aufbauende Lektüre, finde ich. Eine Frage habe ich. Wie ist ‘Ethik' unter den 6 Vollkommenheiten einzuordnen? Freigiebig sein, kann man ja je nachdem auch als 'ethisch' auffassen.


    Ist mit Ethik hier sowas wie freundliche Rede und Höflichkeit/Zuvorkommenheit gemeint?

  • Helmut


    Aufbauende Lektüre, finde ich. Eine Frage habe ich. Wie ist ‘Ethik' unter den 6 Vollkommenheiten einzuordnen? Freigiebig sein, kann man ja je nachdem auch als 'ethisch' auffassen.


    Ist mit Ethik hier sowas wie freundliche Rede und Höflichkeit/Zuvorkommenheit gemeint?

    Die Ethik ist der Wille, Handeln, das andere schädigt, aufzugeben. Ethik ist ein Geisteszustand der dadurch gekennzeichnet ist, das er den Geist davor bewahrt, eine bestimmte unheilsame Grenze zu überschreiten. Ethik zügelt gewissermaßen den eigenen Geist.


    Santideva erklärt Ethik im Bodhicaryavatara (Eintritt in den Weg zur Erleuchtung) folgenermaßen:


    "Die Vollkommenheit der Ethik ist vielmehr der Wille, unheilsames Verhalten aufzugeben, sowie das äußere Verhalten, das sich aus diesem Verzicht ergibt."

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Es geht nicht nur um ein Enthalten des Unheilsamen, auch um ein Nicht-Enthalten des Heilsamen, wie Śantideva erklärt. Zur Verdeutlichung das Zitat mal etwas umgestellt: die Vollkommenheit der Ethik ist [auch] das äußere Verhalten, das sich aus dem Verzicht auf unheilsames Verhalten ergibt.


    Konkret: "Nichts Schlechtes tun, hingebungsvoll Gutes tun, den Geist reinigen. Das ist die Lehre aller Erwachten." (Dharmapada Vers 183, u.a. zitiert von Dōgen in der Einleitung zu Shōbōgenzō Shoaku-makusa). Mit śilapāramitā("Vollkommenheit der Ethik") ist natürlich schon ein wenig mehr gemeint als nur "freundliche Rede und Höflichkeit/Zuvorkommenheit". Es ist die Umsetzung der Bodhisattva-Gelübde im Übungsfeld sozialen Verhaltens. Richtig ist natürlich, dass es nicht wirklich eine Abgenzung zwischen śilapāramitā und dānapāramitā ("freigiebig sein") gibt; das gilt für alle pāramitā (6 nach Zählung des Lotossutra, die Theravadin nennen 10) - sie sind lediglich verschiedene Aspekte von bodhicitta und nicht wirklich voneinander abgrenzbar. Zum rechten Verständnis der pāramitās, der geistigen Haltung, die diesem Sozialverhalten komplementär ist, wird ihre entwickelte Form in den Abschnitten III und IV des Diamantsutra dem Subhūti von Buddha dargelegt, wobei er sich- eine stellvertretend für alle - auf die erste pāramitā beschränkt, dānapāramitā.


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  • Danke mal explizit Helmut für die Antwort, und Danke Sudhana für die mehr philologisch? bezogene Erklärung.


    Du triffst damit schon die Überlegung, die ich da beim Lesen der 6 Vollkommenheiten hatte (Bedeutungsüberschneidungen). Ich denke mir, dass gerade so ein kultivierter Begriff (sage ich mal, um die Bindung dieses Begriffs an eine bestimmte Denkkultur zu kennzeichnen) Ethik womöglich eine schwierige Übersetzung ist. Könntest du das Originalwort mal wörtlich übersetzen?