SGI-Ausstieg - wie kann ich weiter praktizieren?

  • Hallo zusammen,


    Ich habe vor kurzem in diesem Forum geschrieben und daraufhin einige interessante Impulse bekommen. Nun, kurze Zeit später, bin ich mir sicher, dass mein Weg in der SGI nicht weitergehen wird. Grund dafür ist die starke Ausrichtung auf den Präsidenten Daisaku Ikeda sowie das Fehlen wesentlicher buddhistischer Grundlagen in Studium und Praxis.


    Meine Entscheidung ist noch nicht vollzogen, aber zwei Verantwortliche aus meiner Gruppe habe ich bereits informiert. Auch wenn ich zu allen ein durchweg freundschaftliches Verhältnis habe, so habe ich doch etwas Respekt vor möglichen Konsequenzen meiner Entscheidung, z. B. das Abwenden des einen oder anderen.


    Nun zu meiner Frage: Gibt es in meiner Region (Schleswig-Holstein / Hamburg) eine Sangha, wo ich Anschluss finden und weiterhin unabhängig von der SGI praktizieren und studieren kann? Ich möchte die Praxis beibehalten, da sie mir sehr gut gefällt, doch werde ich sie leicht ändern, da mir z. B. das "Runterattern" der Sutra-Texte und des Daimoku nicht gefällt und ich lieber etwas bewusster und "melodischer" rezitiere.


    Mit Gassho

    Namu Myoho Renge Kyo

    _()_

  • Hendrik

    Hat das Thema freigeschaltet.
  • Von den Independent Nichiren-Gruppen hab ich keine Ahnung, was es da in Deutschland gibt. Vielleicht mal Kontakt zu den englischsprachigen aufnehmen, oder vielleicht weiß Benkei mehr (ihn finde ich diesem Zusammenhang (und auch sonst) eh interessant, weil er eine eigene Mischung aus Zen, Nichiren- und Amida-Buddhismus praktiziert, wenn ich das richtig verstanden habe).
    In NRW gibt es einen Nichiren Shu-Tempel. Meines Wissens in Frankfurt/Main einen Tendai-Tempel (deren Webseite scheint aber nicht mehr aktiv zu sein, ist aber vielleicht auch von deinen Vorstellungen zu weit weg). Ansonsten einfach selber anfangen und Leute suchen, und schaun, wie die anderen Independent Nichiren-Leute das so machen. Aber ich hab den Eindruck, dass es viele SG-Aussteiger gibt, da müsste eigentlich etwas gehen. Dir viel Erfolg auf deinem Weg.
    Von der Hokkeko (Laienorganisation der Nichiren Shoshu) scheint es ne Seite zu geben, da steht aber nichts von Gruppen, Aber interessante Texte.

    "Im letzten Jahr ihres Lebens sagte meine Mutter im Alter von 95 mehrmals: "Es ist befreiend zu erkennen, dass nichts wirklich eine Rolle spielt." Sie sagte es freudig, erleichtert, so, als ob sich eine Last (auf)gehoben hätte."


    Joan Tollifson

  • Namaste!


    Liebe Keine Ahnung,

    das mit der Mischung aus Zen, Nichiren- und Amida-Buddhismus stimmt bedingt.

    Tatsächlich praktiziere ich täglich Zazen, Daimoku und Nenbutsu, aber als "Mischung" würde ich das nicht ansehen. Daimoku und Nenbutsu sind Teil meiner täglichen Andachten und Zazen verrichte ich auch täglich mindestens einmal, oft auch häufiger. Ich bin Shin-Buddhist, studiere also die Schriften und Reine Land-Interpretationen von Shinran Shonin [auch die von Hônen Shonin und Ippen Shonin] und so erfolgt meine Rezitation des Nenbutsu aus Dankbarkeit für die Rettende Gelübdekraft des Buddha Amida. Das Daimoku rezitiere ich aus Verbundenheit mit dem Lotos Sutra, welches ich sehr schätze, auch vor dem Hintergrund der Reine Land-Lehren, die aus meiner Sicht damit sehr konform gehen, und natürlich auch, um quasi "den Spiegel zu polieren", wie man so schön sagt. Eine kleine Hand-Mala Daimoku passt nach meinem Dafürhalten wunderbar nach drei Sangêmon ["Das Tor der Reue"].

    Zazen saß ich früher mal, um Kenchô oder gar Satori zu erfahren - "Muss doch irgendwann hinhauen!" Jetzt geschieht das eher, weil es mir gut tut und weil ich es nicht missen möchte; auch aus Verbundenheit zu meiner Zen-Sangha und meinem -Meister. Es hat etwas von "Buddha-sein im Augenblick", oder wie Dôgen Zenji ja auch sagte: "Praxis und Erleuchtung und das Leben der Menschen, das ist dasselbe".

    Diese "Mischung" wäre nichts, was ich weitergeben oder lehren würde - das hat sich bei mir so aus den Gegebenheiten heraus entwickelt und es passt aktuell wunderbar. Aber das Leben - auch das im Dharma - ist auch ein Prozess, der stetig fortschreitet. Ich will nicht ausschließen, dass meine Praxis bzw. meine Andachten künftig mehr Sôtô-Aspekte enthalten könnten, oder dass meine Zazen-Praxis aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten muss... - wer weiß schon, was die Zukunft bringt?

    Mir war seit jeher die historische Tendai Shû sympathisch, da sie quasi die allermeisten Arten von buddhistischen Praktiken kennt und teilweise auch lehrte. Heute hat man sich allerdings sehr auf den esoterischen Aspekt konzentriert und die eigene Zen-Überlieferung der Tendai Shû gilt als ausgestorben; immerhin finden die Meditationslehren des chineischen Meisters Tendai Chigi (Zhiyi) aktuell eine Art Wiederentdeckung! Auch die Stellung der Laien in der Tendai Shû ist nach meiner [vielleicht falschen!?] Einschätzung eine recht untergeordnete - eher die von gläubigen Unterstützern. [Soweit ich weiß gibt es aktuell in Deutschland keine Tendai-Sangha; die in Frankfurt dürfte "Geschichte" sein.]

    Natürlich ist die Tendai Shû auch die Schule, aus der die japanischen Laien- und Mönchsordinationen hervorgingen, die heute noch dort und in der Sôtô Shû, der Rinzai Shû und der Jôdo Shû weitergegeben werden.


    Mit dem "echten", angewandten Nichiren-Buddhismus hatte ich bislang immer nur mit den Mönchen der Nipponzan Myôhôji-ha Kontakt. Andere Kontakte beschränkten sich auf elektronische Kommunikation, wo man schnell festgestellt hat, dass entweder größere räumliche Distanzen vorlagen, dass Internet-Auftritte nicht mehr aktuell sind oder das gar keine stehende Sangha (mehr) existiert, sondern vielleicht nur noch ein einsamer Priester oder Laie. Bei der SGI habe ich aus Vorurteilen nie reingeschaut, auch wenn man von Ikeda teilweise durchaus gute Sachen lesen kann.


    Meine Empfehlung könnte also dahin gehen, Kontakt mit der Nipponzan Myôhôji-ha aufzunehmen...

    Da ist aber der große Nachteil, dass die nächsten Dôjôs in Wien, Großbritannien oder auf Sizilien sind und auch die dazugehörigen Sanghas sind wohl eher klein. Auch handelt es sich bei den japanischen Mönchen, zumindest bei den beiden, die ich in Europa kennenlernen durfte, nicht unbedingt um Menschen, die gern viel in Englisch schreiben. Face-to-Face ist der Austausch, auch über den Dharma, wunderbar, aber beim Schreiben hält man sich doch eher knapp und manchmal kommt, wegen der eher unregelmäßigen Nutzung der Messager-Dienste, auch für ein paar Tage / Wochen gar keine Antwort.


    Lieber haiku1996,

    such lieber nach Gleichgesinnten in Deiner Nähe. Vielleicht findest Du ja eine unabhängige Sangha, die das Daimoku chantet.

    Wenn nicht gibt es vielleicht eine Sangha einer anderen Tradition, wo Du zumindest gemeinschaftlich Buddhismus praktizieren kannst und das Daimoku lässt Du dann in Deine "Privatpraxis" einfließen...!


    < gasshô >


    Benkei


    BuPôSo-en!

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin

  • Danke für deine inspirierende Schilderung.
    Ich finde es schade, dass die vielleicht interessantesten Schulen aus meiner Sicht, Tendai und Kegon (ich bleib der Einfachheit halber bei den jap. Namen) im Westen so wenig Interesse erzeugen. Aber auch Shin ergeht es ja nicht viel besser.

    "Im letzten Jahr ihres Lebens sagte meine Mutter im Alter von 95 mehrmals: "Es ist befreiend zu erkennen, dass nichts wirklich eine Rolle spielt." Sie sagte es freudig, erleichtert, so, als ob sich eine Last (auf)gehoben hätte."


    Joan Tollifson

  • Namaste!


    Naja, immerhin gibt es hierzulande einige Shin-Priester und auch Möglichkeiten an (teilweise) öffentlichen Andachten teilzunehmen. Wenn man Englisch versteht und sprechen kann gibt es auch einige Fort- und Weiterbildungsangebote und da pflegen die deutschen Shin-Buddhisten rege Kontakte zu anderen Shin-Buddhisten in Europa und zu den größeren Sanghas weltweit, insbesondere in den USA, in Kanada und in Japan, aber auch in Lateinamerika.

    Leider hatte die Pandemie aber auch ihren Anteil daran, dass so manches vormals aktive Mitglied wieder in die Versenkung abgetaucht ist und das einige Sachen aktuell nur online angeboten werden.


    Tendai Shû außerhalb Japans ist da schon weitaus schwieriger, denn da gibt es meines Wissens oft nur vereinzelte Sanghas, die sich meist um einen einzelnen Priester oder ordinierten Laien gruppieren [ein oder zwei größere Standorte in den USA mal ausgenommen]. Das ist kaum mit der Ausbreitung der BCA (Buddhist Churches of America), der JSBTC (Jôdo Shinshû Buddhist Temples of Canada) und der Jôdo Shinshû Missions of Hawaii vergleichbar; wobei man natürlich feststellen muss, dass die Shinshû-Verbreitung mit der Mission unter den ausgewanderten Japanern einherging.


    Die Kegon Shû ist als solche in Japan mittlerweile recht unbedeutend, abgesehen von den altehrwürdigen Tempeln, die sie in Nara und Umgebung unterhält. Auf Oahu gab es einen Zweig-Tempel des Todaiji, der sich aber mittlerweile unabhängig gemacht hat. Von der Praxis her unterscheiden sich nach meinem Wissen die alten Nara-Schulen kaum noch voneinander; sie sind sehr von der Shingon Shû beeinflusst und die Priester werden auch entsprechend ausgebildet. Nur die jeweilige Philosophie unterscheidet sich.

    In Deutschland gab es mal ein paar Sanghas des koreanischen Seon bzw. des Jogye-Ordens. Die hatten damals das Blütenschmuck-Sutra als pdf auf der Homepage und hatten das auch zum Gegenstand von Aufsätzen und wohl auch von Belehrungen gemacht... keine Ahnung, was aus denen geworden ist? Heute findet man da international hauptsächlich die Kwan Um School of Zen, ebenso wie hierzulande, und die scheinen sich eher auf das Herz-Sutra und das Diamant-Sutra zu fixieren.


    Nichiren-Buddhismus jenseits der SGI ist in Deutschland ebenso schwierig.

    Von der Rissho-Kosei-Kai, bzw. von einem derer Präsidenten hab ich einen schönen Kommentar zum Lotos-Sutra, sogar auf Deutsch [längst vergriffen]. Aber da scheint es aktuell hierzulande gar keine Aktivitäten oder Präsenz zu geben.

    Auch der hiesige Tempel der Nichiren Shû scheint eher eine Art Kulturzentrum zu sein, welches mehr Wert auf den interreligiösen Dialog legt als darauf, die Lehren Nichiren Shonins an den Suchenden zu bringen oder einen Austausch mit anderen Sanghas zu pflegen.


    Alles sehr schade.

    Aber so ist das Leben.


    Letztlich geht ja immer jeder seinen eigenen Weg!

    < gasshô >


    Benkei


    BuPôSô-en

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin

  • Wenn du aus der SGI kommst wäre mein Rat erst mal ein wenig Zeit zwischen Dich und die SGI kommen zu lassen. Werde Dir klar darüber wo Du her kommst, Was Dich zum Ausstieg bewogen hat. Reflektiere darüber. Suche Dir eventuell auch Hilfe auch das alles zu verarbeiten. Sortiere Dich - in meinen Augen bedeutet dein Ausstieg aus der SGI erst einmal den Ausstieg aus einer Sekte. Suche nicht gleich nach einem Ersatz. Wenn dich der Buddhismus, der Nichiren-Buddhismus weiter interessiert - schau dich um nimm dir die Zeit. Ein Interview das ich eben an anderer Stelle verlinkt habe: The Cult Vault (94) - #94 SGI - The Final Chapter with Blanche - YouTube

    Einmal editiert, zuletzt von catflap08 ()

  • Da ich selbst in Südwestdeutschland (und in einer anderen Tradition) zu Hause bin, kann ich Dir lediglich raten, Dich an das Ehepaar Matsudo / Matsudo-Kiliani in Heidelberg zu wenden; wenn es in Deiner Nähe eine unabhängige Nichiren-Gemeinschaft gibt, wissen sie wahrscheinlich davon. Ich habe die beiden als freundliche, hilfsbereite und kompetente Gesprächspartner kennengelernt.

    Email: info@daimokupower-institut.com bzw. Kontaktseite: Kontakt

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Ich hab bei der Webseite so einen komischen Eindruck. Was sie als Webinar so anbieten, klingt mir doch noch sehr nach "Werde reich (oder zumindest erreiche deine Vision/deine Vorstellungen) und glücklich durch die Daimokupower. Andererseits scheint die DBU kein Problem mit ihnen zu haben.

    "Im letzten Jahr ihres Lebens sagte meine Mutter im Alter von 95 mehrmals: "Es ist befreiend zu erkennen, dass nichts wirklich eine Rolle spielt." Sie sagte es freudig, erleichtert, so, als ob sich eine Last (auf)gehoben hätte."


    Joan Tollifson

  • Andererseits scheint die DBU kein Problem mit ihnen zu haben.

    Gehabt zu haben. Sie sind nach ein paar Jahren wieder ausgetreten, wobei mir die Gründe nicht bekannt sind. Zur Zeit ihres Eintritts gab eine Übungsgemeinschaft, die sich wöchentlich im Souterrain ihres Hauses traf. Die scheint nicht mehr zu existieren, jedenfalls findet sich nichts auf der Webseite. Das lief auch getrennt von 'Daimoku Power', was auch immer man davon halten mag. Ich hatte im Vorfeld der DBU-Aufnahme auch ein Buch von Herrn Matsudo gelesen - das hatte schon deutlich mehr Tiefgang.


    Aber der Tip ging ja in die Richtung, dort einfach mal zu fragen, ob sie eine Independent-Nichiren-Gruppe in Norddeutschland kennen. Wenn das jemand weiss, dann Herr Matsudo. Wobei die beiden übrigens schon früher SGI-Aussteiger beraten (nicht 'abgeworben') haben.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Dann mag es ja eine gute Idee sein. Ich dachte nur, dass dann da auch Daimokupower-Gruppen mit darunter sind, und da hab ich (siehe oben) so meine Bedenken. Mich erinnerte das ganze nur ein wenig an die Big Mind-Bewegung eines Ex-Zenmeisters.
    Sein Buch "Nichiren, der Ausübende des Lotos-Sutra" und seine DBU-Studie über Buddhismus in Deutschland fand ich eigentlich recht fundiert (nur dass man die Buddhisten mit asiatischen Background da ausgeklammert hat, fand ich seltsam, aber kann man von mir aus machen), nur empfand ich die Webseite so ganz anders (Da hatte ich so ein vom Regen in die Traufe-Gefühl). Aber wenn sie das gut trennen können, können sie ja durchaus eine Hilfe sein, da hast du sicher recht.

    "Im letzten Jahr ihres Lebens sagte meine Mutter im Alter von 95 mehrmals: "Es ist befreiend zu erkennen, dass nichts wirklich eine Rolle spielt." Sie sagte es freudig, erleichtert, so, als ob sich eine Last (auf)gehoben hätte."


    Joan Tollifson

  • Gehabt zu haben.

    Auch nach meiner Kenntnis sind die Matsudos und ihr, ja als was mag man das bezeichnen, nicht mehr Teil der DBU. Hintergründe kenne ich nicht ganz genau, kann mir aber so meinen Teil denken. Auch traue ich ihnen nicht zu in irgendeiner Weise Aussteiger aus der SGI beraten zu können. Weiter will ich aber auf diese beiden Personen nicht eingehen. Ich weiß, dass sich vor einigen Jahren eine Gruppe von Anhängern der Nichiren Shu im Kölner Raum (?) gebildet hat (nicht zu verwechseln mit der Nichiren Shoshu) in Italien gibt es einen Tempel. Die Nichiren Shu erachte ich als guten Ansprechpartner herauszufinden was der Nichiren Buddhismus, historisch und inhaltlich gesehen, ist. Mein wichtigster Rat ist aber, sich nicht gleich nach einer neuen Gruppierung umzusehen, sondern erst mal Raum und Zeit zwischen sich und das erlebte kommen zu lassen. Mir hat geholfen durch Eigenstudium zu verstehen in welchem Kontext die SGI steht. Wenn Buddhismus ein gehaltvolles Glas Orangensaft ist, dann ist die SGI wie ein Glas Fanta – ähnliche Farbe aber keine einzige Orange darin.

    Einmal editiert, zuletzt von catflap08 ()