Sutren jenseits des Palikanon

  • Es gibt ja einige Sutren jenseits des Palikanon. Aus welchen Quellen stammen die eigentlich und wie wird der Status der Überlieferung in einzelnen Fällen eingeschätzt? Und gibt es auch Sammlungen mit diesen Sutren?

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Da ist vor allem (als umfangreichster) der chinesische Tripitaka zu nennen. Er enthält (in chinesischer Übersetzung natürlich) in der modernen Edition Taishō Daizōkyō die vier Āgamas des nördlichen Kanon (die grob den vier 'großen' Nikāyas des Palikanon entsprechen: der Khuddakanikāya hat keine Entsprechung). Madhyamāgama and Samyuktāgama stammen von den Sarvāstivādin, Dirghāgama and Ekottarāgama entweder (ist mW nicht geklärt) von den Mahāsāṃghika oder den Vibhajyavādin (die vermutlich Vorläufer der Theravadin waren).


    Dazu 627 Mahāyāna Sūtras und 572 Tantras.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Sudhana Ich bin jetzt öfter auf das Diamantsutra, das Lotussutra und das Herzsutra gestoßen und in dem Zusammenhang auch auf die Rede von der "Prajnaparamita". Kannst du mir sagen in welchem Zusammenhang diese Sutren zu finden sind und worauf sich "Prajnaparamita" bezieht?

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Neben dem Palikanon gibt es verschiedenenartige Kanons bzw. Textsammlungen in verschiedenen asiatischen Sprachen. Zum einen gibt es Übersetzungen in chinesischer Sprache, wobei es hier mehrere, unterschiedliche Textsammlungen gibt. Mehr Infos hierzu hier:

    http://kanji.zinbun.kyoto-u.ac…n/can/can2/ind/canwww.htm
    https://de.wikibrief.org/wiki/Chinese_Buddhist_canon, http://www.cbeta.org/,

    Daneben gibt es dann noch Übersetzungen der Schriften in koreanischer Sprache. Infos hier https://www.spiritwiki.de/w/Tripitaka_Koreana und hier http://www.acmuller.net/descriptive_catalogue/ sowie auch in japanischer Sprache. Infos hier https://www.japanese-wiki-corp…sm/Buddhist%20Sutras.html und hier https://21dzk.l.u-tokyo.ac.jp/SAT/index_en.html. Dann gibt es als weitere große Textkategorie noch die tibetischen Textsammlungen. Infos finden sich hier https://library.bdrc.io/ und hier http://databases.aibs.columbia.edu/
    Bei allen Kanon ist anzumerken, dass es hier nicht nur immer einen Kanon gibt, sondern jeweils mehrere Textsammlungen mit jeweils einer unterschiedlichen Anzahl von Schriften. Sowohl im chinesischen, als auch koreanischen, japanischen und tibetischen Kanon gibt es eine größere Schnittmenge an gemeinsamen Texten, aber es gibt auch immer eine Anzahl von Schriften, die sich nur in einem der Kanon finden lassen. Die chinesischen, koreanischen und japanischen Sammlungen basieren meist auf den chinesischen Übersetzungen, die aus dem Sanskrit ins chinesische übersetzt wurden. Die tibetischen Texte basieren auf Übersetzungen aus dem Sanskrit oder dem nepalesischen Übersetzungen.
    Weitere Infos und Datensammlungen:
    https://buddhanexus.net/
    https://buddha-kanon.de/uebers…istischer-textsammlungen/

    SuttaCentral
    Early Buddhist texts from the Tipitaka (Tripitaka). Suttas (sutras) with the Buddha's teachings on mindfulness, insight, wisdom, and meditation.
    suttacentral.net

    Welcome to the International Dunhuang Project

    https://www.database-of-medieval-chinese-texts.be/
    http://agamaresearch.dila.edu.tw

    GRETIL - Göttingen Register of Electronic Texts in Indian Languages

    84000 Translating the Words of the Buddha
    A global non-profit initiative to translate the Buddha’s words into modern languages, and to make them available to everyone.
    84000.co

    Kostenlose Übersetzungen tibetisch-buddhistischer Texte

    The List of English Tripiṭaka Publications | Bukkyo Dendo Kyokai

    Abhidhamma.de, Abhidhamma die systematische Lehre des Theravada-Buddhismus

  • Sudhana Ich bin jetzt öfter auf das Diamantsutra, das Lotussutra und das Herzsutra gestoßen und in dem Zusammenhang auch auf die Rede von der "Prajnaparamita". Kannst du mir sagen in welchem Zusammenhang diese Sutren zu finden sind und worauf sich "Prajnaparamita" bezieht?

    Das Diamantsutra heisst im Sanskrit Vajracchedikā Prajñāpāramitā Sūtra und ist zwischen dem 2 Jhd. und 5. Jhd. zurückverfolgbar. Die ersten Kommentare sind im 5 Jhd. nachverfolgbar. Es gibt hiervon verschiedene Übersetzungen und Versionen in den asiatischen Sprachen. Sanskritversion https://gretil.sub.uni-goettin…hedikA-prajJApAramitA.htm

    Das Herzsutra heisst in Sanskrit Prajñāpāramitā Hṛdayasūtra und ist bis zum 6 Jhd. zurückverfolgbar. Es gibt hiervon auch verschiedene Übersetzungen und Versionen in den asiatischen Sprachen. Sanskritversion https://gretil.sub.uni-goettin…JApAramitAhRdayasUtra.htm

    Das Lotussutra heist in Sanskrit Saddharmapuṇḍarīkasūtra und ist bis zum 3. Jhd. zurückverfolgbar.

    Es gibt hiervon auch verschiedene Übersetzungen und Versionen in den asiatischen Sprachen. Sanskritversion https://gretil.sub.uni-goettin…JApAramitAhRdayasUtra.htm

    Zur Klasse der Prajñāpāramitā Sutra zählen verschiedene Texte. Im tibetischen Kanon finden sich z.B. 24 verschiedene Sutra und 62 Kommentare http://databases.aibs.columbia.edu/

    Prajñāpāramitā
    encyclopediaofbuddhism.org

    Der älteste bisher gefundene buddhistische Text ist z.B. ein Fragment des Aṣṭasāhasrikā prajñāpāramitā Sutra. Der Text wird ins 1 Jhd. datiert. https://www.spiritwiki.de/w/As…%81ramit%C4%81-s%C5%ABtra

  • Sudhana Ich bin jetzt öfter auf das Diamantsutra, das Lotussutra und das Herzsutra gestoßen und in dem Zusammenhang auch auf die Rede von der "Prajnaparamita". Kannst du mir sagen in welchem Zusammenhang diese Sutren zu finden sind und worauf sich "Prajnaparamita" bezieht?

    Also erstmal sind alle diese Sutren Mahayanasutren.


    Prjanaparamita ist eine ganze Gattung von Texten. Das Herzustra ist dabei ein recht kurzer Text, der aber viele Aussagen über Prjanaparamita prägnant ( „Form ist Leerheit – Leerheit ist Form“) auf den Punkt bringt.


    Auch das Diamantsutra ist ein früher Prjanaparamita-Text , der besonders für die Eintwicklung von Zen eine große Bedeutung hatte.( Ein funfacts ist, dass es einer ältesten gedruckten Texte ist, die wir haben. Allerdings würde er zum Vergraben gedruckt, weil es die Idee gabb, dass man wenn man Texte vergräbt und diese dann in späteren Zeiten, wenn die Lehre verloren ist, ausgraben werden, dies einen großen karmischen Verdienst darstellt)


    Das Lotussutra ist eine andere Baustelle und ein ganzes Segment des Mahayana - die Tientai Schule und an sie anschließend der Nichiren-shu - betrachtet das Lotussutra als die letzte und höchste Belehrung Buddha Shakyamunis. Hier ist eine wichtige Idee die, dass buddhistische Lehren ūpaya ( geschickte Mittel sind:


    Im dritten Kapitel des Lotus-Sutra wird das „Eine Fahrzeug“ mittels der Metapher der Welt als brennendes Haus erklärt. Dabei lockt der Vater (Buddha) seine im Spiel vertieften Kinder aus dem brennenden Haus, indem er ihnen sagt, er habe draußen verschiedene Wagen, je mit Ziegen, Rehen oder großen Ochsen bespannt (diese stehen für die verschiedenen Fahrzeuge) und für sie zum Spielen eigens hergerichtet. Die Kinder laufen aus dem Haus und ihr Leben ist gerettet. Nach Verlassen des Hauses verlangen die Kinder nach den ihnen versprochenen drei Wagen. Der Vater schenkt daraufhin jedem von ihnen einen prächtig verzierten, großen und weißen Ochsenwagen (der für das Ekayana steht)

    Während andere buddhistische Lehren und nur vorläufig sind, sieht sich das Lotussutra selber als der Weisheit letzter Schluß. Es ist ein ganz bedeutender Mahayanatext in dem sehr viel drin steckt. Es gibt großartige Stellen aber allerlei Phantastisches, Seltsames und Frauenfeindliches. Sogar ein "Gleichnis vom verlorenen Sohn" gibt es:


    Ein Sohn, jung an Jahren, verläßt seinen Vater und lebt lange, fast fünfzig Jahre, in der Fremde, wo er immer mehr in Not gerät. Auf seinen Wanderungen kommt er in sein Heimatland. Der Vater lebt inzwischen in einer anderen Stadt und ist sehr reich. Er besitzt mit Juwelen gefüllte Schatzhäuser, er hat viele Diener und Knechte und riesige Herden. Ungestillt ist aber die Sehnsucht nach seinem Sohn. Der Vater ist alt und sehnt sich nach seinem Erben. Hat die Sehnsucht des Vaters den Sohn zurückgeführt? Als der arme Sohn zufällig zum Haus des Vaters kommt, erkennt dieser ihn sofort, doch der Sohn erkennt nicht den Vater, der von unermeßlichem Reichtum umgeben ist. Ein unendlicher Abstand trennt sie beide. In Angst eilt der Sohn, der den Vater nicht erkennt, hinweg. Der Vater schickt ihm Boten nach, um ihn zurückzuholen. Doch diese erreichen nichts. Aus Angst, in Gefangenschaft zu geraten, fällt der Sohn in Ohnmacht. Da befiehlt der Vater, den Sohn freizulassen, und denkt sich ein "geschicktes Mittel" aus, um den Sohn für sich zu gewinnen. Er paßt sich ganz der Situation des Sohnes an und schickt armselige Menschen zu ihm, die ihn anheuern sollen, Schmutz beiseite zu räumen. Darauf geht der Sohn ein. Dies ist der erste Schritt des Vaters, den Sohn zu sich zu führen, und der erste Schritt des Sohnes zum Vater. Als der Vater den Sohn in seiner Elendsgestalt arbeiten sieht, nimmt der Vater voll Erbarmen selbst "Knechtsgestalt" (vgl. hierzu die Aussage bei Paulus im Philipper-Brief des Neuen Testaments, Phil 2,7) an, um sich dem Sohn zu nähern und sein Vertrauen zu gewinnen. "Er nimmt seine Perlenketten, sein weiches Obergewand, alle Schmuckgegenstände ab und zieht sich ein grobes, zerrissenes und schmutziges Gewand an, beschmiert sich mit Staub, nimmt in die rechte Hand eine Kehrrichtschaufel und zeigt sich etwas furchtsam" (Lotos-Sutra, Herder Spektrum, S.127). So bespricht er mit dem Sohn, daß jener für immer dableiben soll und er selbst ihn wie einen Sohn halten will. Allmählich wächst das Vertrauen des Sohnes zum Vater, aber 20 Jahre räumt er noch Schmutz beiseite. Als der Vater krank wird, läßt er den Sohn seine Schatzhäuser kennenlernen; denn wie er sagt, "es gibt nun keinen Rangunterschied mehr zwischen dir und mir". Als der Vater seinen Tod nahen fühlt, eröffnet er den Verwandten, dem König, den Ministern, Kriegern und Bürgern: "Dieser hier ist mein Sohn, den ich gezeugt habe ... Jetzt gehören alle Besitztümer, die ich habe, meinem Sohn". Der Sohn ist darüber hocherfreut und preist den Besitz des Schatzes am Ende als sein Glück, als den Inbegriff seiner Sohnschaft.

  • Danke für die hilfreichen Ergänzungen. Dazu noch zwei kurze Hinweise.


    1.) Im tibetischen Kanon (bKngjur / Kangyur) bzw. seinen diversen Editionen finden sich kaum Übersetzungen früher Sutras (aus den Āgamas); grob fünf oder sechs Dutzend (die genaue Zahl habe ich nicht präsent). Wenn man sich also für möglichst frühe buddhistische Texte interessiert, ist das eine recht unergiebige Quelle.


    2.) Dabei habe ich die Prajñāpāramitā - Texte (eine äußerst umfangreiche Sammlung) des Kangyur nicht berücksichtigt. Die frühen Prajñāpāramitā - Texte, insbesondere das bereits genannte Aṣṭasāhasrikā, fanden noch Eingang in den (im Original verlorenen) Kanon der Mahāsāṃghika, einer der ältesten buddhistischen Schulen. Die (englische) Übersetzung dieses Textes von Edward Conze ist mE empfehlenswert (ich kenne auch keine andere) und hilfreich beim Verständnis des Bodhisattva - Ideals. Ein wenig auf nonduales Denken muss man sich freilich einlassen können ...

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