Warum gibt es so wenig Literatur zum Graeco-Buddhismus?

  • Ich finde diese Epoche total interessant. Sie ist so weit ich weiß so alt wie die Theravada-Strömung und hat den Buddhismus stark geprägt. Die riesigen Statuen in Afghanistan sind (waren) Graeco-Buddhistisch. Interessant ist auch, dass der Auswuchs am Kopf des Buddhas also diese Erhöhung soweit ich weiß in Wahrheit auf einen griechischen Haarknoten zurückgeht, mit dem er dargestellt wurde.

    Und bis heute haben die Statuen deshalb diese Erhöhung am Kopf. Daran erkennt man Buddhastatuen aus dieser Zeit, weil der Auswuchs klar als Haarknoten zu erkennen ist und die Robe schaut eigentlich auch aus, wie ein griechisches Kleidungsstück.

    Ich würde gerne wissen, wie diese Auslegung des Buddhismus wohl ausgesehen hat - also von den Lehren her. Okay, sie war hellenistisch geprägt, also gab es diese griechischen Gottheiten dazu. Aber was sonst ... Wie wurde es praktiziert?

    Graeco-Buddhismus – Wikipedia

    Statue mit Haarknoten: Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.

    Einmal editiert, zuletzt von Rolf82 ()

  • Rolf82

    Hat den Titel des Themas von „Warum gibt es so wenig Literatur zum Graeco-Buddhismus und wie wurde unter diesen Buddhisten der Buddhismus praktiziert?“ zu „Warum gibt es so wenig Literatur zum Graeco-Buddhismus?“ geändert.
  • Nur weil es da eine neue Formsprache gab bedeutet es eben nicht, dass es eine unterschiedliche Auslegung des Buddhismus war.


    Ein wichtiges Werk ist das Milindapanha -


    Die Milindapanha (Pali, m. pl., Milindapañhā, Die Fragen des Milinda) ist ein der buddhistischen Schule des Theravada zugeordneter Pali-Text aus dem 4.–5. Jahrhundert n. Chr. Das weitgehend in Dialogform gehaltene Werk handelt von einer Reihe philosophischer Gespräche zwischen dem indo-griechischen König Menander und einem buddhistischen Mönch namens Nagasena.

    Nāgasena gehörte wohl der Saravastida Schule des Buddhismus an. Und da weiß man ja recht genau, was deren Lehrinhalte waren.


    Während Milinida der graeco-indische König Menadros I von Baktrien ist, der sich zur Lehre Buddha bekannte. Auch wenn da griechische Traditionen fortlebten ( so hatte Manadros eine Abbildung von Pallas Athena auf seine Münzen) denke ich nicht, dass sich das vermischte - und auf einmal griechische Götter in den Buddhismus eingeflossen wären


    Auf der formellen Ebene ist das etwas anderes. Wenn Bildhauer die gewohnt sind griechische Götter zu bauen auf einmal Buddhas machen sollen, dann bleibt eine Beinflussung nicht aus.


    Es gibt deswegen wenig Literatur, weil die Quellenlage schlecht ist:


    Die Chronologie und Bewertung des Königreiches ist aufgrund der sehr dürftigen Quellenlage (oft stehen nur Münzfunde zur Verfügung) in mehreren Punkten relativ unsicher bzw. umstritten.

  • Danke.

    Ich weiß eben leider darüber gar nicht so viel. Aber ich habe den Eindruck, dass diese Epoche eigentlich überlebenswichtig war für den Buddhismus.

    Gandhara – Wikipedia

    Ich finde es auch schade, dass sich der Buddhismus im afghanischen Raum und auch Iran nicht gehalten hat:

    Der Graeco-Buddhismus ist das Ergebnis eines kulturellen Synkretismus zwischen der klassischen griechischen Kultur und dem Buddhismus, der sich über einen Zeitraum von 800 Jahren in dem Landstrich, der heute Afghanistan und Pakistan umfasst, entwickelte. Graeco-Buddhismus – Wikipedia

  • Die große Bedeutung Gandhara lag wahrscheinlich darin, dass da die buddhistischen Texte verschriftlicht wurden - was wohl einen Innovationschub in Gang setzte.


    Und es gibt noch einen Grund für die immense Bedeutung der frühbuddhistischen Handschriften aus Gandhāra: Die Verschriftlichung der Texte des Buddhismus setzte einen literarischen und religiösen Innovationsschub in Gang – und trug wesentlich zur Ausbreitung des Buddhismus über Indien hinaus bei, durch die er erst zu einer Weltreligion wurde. „Unter den Handschriften finden sich sowohl bekannte Texte in neuer Fassung als auch Texte, die gänzlich neu sind. Das weckt auch heute ein großes Interesse von Buddhistinnen und Buddhisten, etwa aus Ländern wie Thailand oder China“, so Baums. „Viele sehen darin heilige alte Texte, die die Worte des Buddha verkünden und die verehrungswürdig sind – auch für moderne Gläubige.“

    Ist dieser Innovationsschub mit dem Übergang zum Mahayana verbunden? In der Publikationsliste findet man einige frühe Mahayana Texte z.B auch aus der Prajanaparamita Literatur.


    Oder ist das nur ein "Conservation Bias"? Also dass es so anders genauso interessante Entwicklungen gab, aber die entsprechenden Schriften im feuchtwarmen Klima vergammelt sind?

  • Kleiner Exkurs zu Alphabeten und Schriftsystemen

    Viele heutigen indischen Schreibsysteme wie etwa der Devanagari (inklusive den Schriften der Länder die man früher als Ostindien bezeichnet hätte wie Burmesisch, Thai, ausschließlich Vietnam) beruhen ja auf der Brahmi-Schrift. Diese stellt mit ihren Nachfahren einen Ast in einem Abstammungsbaum der Schriften und Alphabete dar, die auf eine Buchstabenschrift von der Sinai-Insel zurück geht. Man kann das im Prinzip sogar noch in unserem Lateinischen Alphabet erkennen, dass aus einem anderen Zweig stammt. Der Buchstabe "A", bzw. auch griechisch Alpha lässt sich z.B. zurückverfolgen auf einen Stierkopf im Proto-Sinai Alphabet. Diese Form lässt sich direkt erkennen wenn man das A auf den Kopf dreht, da sind die Hörner oben.


    Jedenfalls gibt es eine Abstammungslinie von den Proto-Sinai Zeichen über die Aramäische Schrift zur Brahmi-Schrift. Für das Lateinische Alphabet führt eine entsprechende Abstammungslinie über die Phönizische Schrift zu den Altitalischen Schriften und schließlich zum Lateinischen Alphabet.


    Ebenso stammen die Hebräische Quadratschrift wie auch die arabische Schrift von den Proto-Sinai Zeichen ab. Es ist eine interessante Tatsache dass fast alle Schriftsysteme dieser Welt die noch in aktueller Verwendung sind entweder von den Proto-Sinai-Zeichen abstammen, oder vom chinesischen Schriftsystem (ausnahmen sind Koreanische Schrift, da ist man sich nicht so recht sicher ob sie erfunden wurde oder doch einen Bezug zur Proto-Sinai Schrift hat und ggf. ein paar Nischenschriftarten bzw. Neuschöpfungen der letzten 200 Jahre).

    Verschriftlichung indischer Texte

    Um nun den Bogen wieder zu schlagen zur Verschriftlichung von indischen Texten, soweit ich mich erinnere sind die Aśoka (268 to 232 Regierungszeit vor unserer Zeitrechnung) Inschriften mit die ersten Verschriftlichungen von buddhistischen Texten und diese sind in der Brahmi-Schrift gehalten. Wohlgemerkt nicht in einer griechischen Schrift.


    Die Niederschrift des Pali Kanons erfolgt der Überlieferung nach 89 bis 77 v. unserer Zeitrechnung auf Śri Lanka. Klingt mir irgendwie nicht danach als ob da zwingend der Impuls von den Griechen ausgegangen sein muss. Ich kann es auch nicht ausschließen.


    Jedenfalls scheint es ab da auch möglich gewesen zu sein im feuchten tropischen Klima den Pali Kanon in Körbchen aufzubewahren mit dem geeigneten Schreibmedium (Blätter).

    Zum Greco-Buddhismus

    Es gab schon einen profunden Austausch, in ikonographie aber auch in der Mythologie. Bzgl. Herakles (Herkules)

    Zitat

    Via the Greco-Buddhist culture, Heraclean symbolism was transmitted to the Far East. An example remains to this day in the Nio guardian deities in front of Japanese Buddhist temples.


    Aber was für mich immer noch so ein offener Punkt ist: Warum ist Greco-Buddhismus in der griechischen Heimat kein Thema geworden? Vielleicht lags daran dass ~ 146 vor unserer Zeitrechnung die griechischen Stadtstaaten komplett römisch dominiert waren und dann erstmal eher mit sich und der neuen Situation beschäftigt waren.


    Gleichzeitig sehe ich eine gewisse parallele zwischen Stoikern und Buddhismus, und es gibt Theorien dass die Pyrrhonische Skepsis ein solcher Import von einem Teilnehmer der Feldzüge des Alexanders sein könnte. Da habe ich ein interessantes Buch zu gelesen "Greek Buddha" von Christopher Beckwith (https://press.princeton.edu/bo…780691176321/greek-buddha), es ist allerdings doch eher als eine Auslotung einer historischen Möglichkeit zu sehen, statt als wasserdichte historische Arbeit. Beckwith zieht markante Schlüsse aus dürftiger Quellenlage.

  • Während Milinida der graeco-indische König Menadros I von Bakterien ist, der sich zur Lehre Buddha bekannte.

    Hihi! Du meinst Baktrien, nicht wahr? :party:  Baktrien – Wikipedia


    Hm, vielleicht waren es verschiedene Einflüsse, weshalb der Buddhismus damals nicht dauerhaft Fuß fassen konnte. Nach der Zeit Alexanders gründeten seine Generäle eigene Königreiche, dann kamen auch noch die Hunnen dazwischen, nicht zuletzt die islamische Eroberung im 7./8. Jahrhundert.

    Weniger kann ich mir vorstellen, dass polytheistische Glaubenssysteme die Etablierung abbremsten; schließlich hat ja der Buddhismus auch in anderen polytheistischen Systemen, wie auch Geister- und Ahnenglauben u. ä., Fuß gefasst, indem er das Vorhandene einfach assimiliert hat. Das soziale Gefüge scheint mir da doch eher ausschlaggebend zu sein, möglicherweise war da nicht alles kompatibel.


    Insgesamt weiß ich aber zu wenig darüber.

    Es sind vielmehr meine Mutmaßungen, dass die Kombination verschiedener Konstellationen in der damaligen Epoche eher ungünstig wirkten.


    Aber es ist eine sehr interessante Frage! Die hatten wir hier, glaube ich, noch nicht.

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Während Milinida der graeco-indische König Menadros I von Bakterien ist, der sich zur Lehre Buddha bekannte.

    Hihi! Du meinst Baktrien, nicht wahr? :party:

    Oh Gott! Die Autokorrektur!

    Hm, vielleicht waren es verschiedene Einflüsse, weshalb der Buddhismus damals nicht dauerhaft Fuß fassen konnte.

    Ashoka sandt seine Gesandschaft 200 v.Christi. jetzt wurde ja wie ich in dem Thread schrieb, in Ägypten eine Buddhastatue aus dem Jahr 250 n Chr gefunden. 450 Jahre sind eine bemerkenswert lange Zeit.