Fragen zu Anatta und die Rolle des Karmas auf Myanmar

  • gruenkern:

    Führt "sich" überhaupt nicht als irgendetwas zu betrachten dann nicht leicht zu dem, was ich oben von der Seite "Frauen und Buddhismus" zitiert habe?

    Zitat

    Die Idee, das Selbst bekämpfen zu müssen. Das Selbst als Feind eines spirituellen Menschen. Oder wir verwechseln es mit dem Gefühl unserer Wertlosigkeit und Unbedeutsamkeit.


    Wenn jemand das Selbst bekämpfen will, muss er es ja erst einmal als reale Gegebenheit voraussetzen. Und das wäre das Gegenteil der buddhistischen Herangehensweise, die solche Betrachtungen als Verblendung bezeichnet. Sich selbst vernichten zu wollen wäre genauso verblendet wie sich selbst ewig erhalten zu wollen, denn in beiden Fällen muss etwas als "ich" betrachtet werden.


    Zitat

    Aber vielleicht habe ich auch das nur ein wenig falsch formuliert, sprich: "Nicht dich selbst, sondern deine 5 Skandhas als Teil des Gesamten sehen". Oder liege ich immer noch total daneben? :D


    Die 5 Khandhas sind weder "ich" noch "mein". Es ist aus meiner Sicht nicht falsch, was Thich Nhat Hanh da schreibt, aber er gibt (meiner Meinung nach) das abhängige Entstehen bzw. die Lehre vom Nicht-Selbst nicht so wieder wie sie der Buddha (im Palikanon) lehrte, aber das ist wahrscheinlich auch gar nicht sein Anspruch.


    gruenkern:

    Und wäre es schlimm, wenn ich mich dazu entschließen sollte buddhistischer Laie zu werden (der noch keine Ahnung von spiritueller/buddhist. Praxis hat) die anatta-Lehre noch nicht zu verstehen?


    Ich denke, dass unser aller Verständnis noch mehr oder weniger "löchrig" ist. Buddhist sein kann man natürlich auch ohne dieses Verständnis. Das gilt nicht nur für Laien, sondern auch für Mönche. Das Bemühen ist entscheidend.


    gruenkern:

    Deswegen: sich selbst als Teil eines Gesamten zu sehen, ist wahrscheinlich schon ein Großer Schritt für eine(n) Durschnitts-WestlerIn.


    Ja. Aber "sich selbst" überhaupt als irgend etwas zu sehen ist laut dem Buddha immer ein Festhalten an etwas, weil man nicht sieht bzw. nicht sehen kann, dass dieses Etwas nicht hält, was man sich davon verspricht. Ganz ohne Festhalten gibt es nur noch "da ist", aber nicht mehr "ich bin" oder "für mich ist".

  • Vinnana:


    Die 5 Khandhas sind weder "ich" noch "mein". Es ist aus meiner Sicht nicht falsch, was Thich Nhat Hanh da schreibt, aber er gibt (meiner Meinung nach) das abhängige Entstehen bzw. die Lehre vom Nicht-Selbst nicht so wieder wie sie der Buddha (im Palikanon) lehrte, aber das ist wahrscheinlich auch gar nicht sein Anspruch.


    Ich fürchte doch.


    mfg.
    accinca

  • Ok, vielen lieben Dank nochmals an alle! Ich werde erstmal ein wenig Lesen und Grübeln und melde mich bei dringenden Fragen wieder.


    Das Problem für mich waren von Anfang an die verschiedenen Auffassungen der anatta-Lehre. Ein Glück gibt es dieses Forum für Fragen und Diskussionen. In Flensburg existiert leider "nur" eine Diamantweg-Gruppe. Ansonsten würde ich Buddhisten aus verschiedenen Schulen vor Ort ansprechen.


    Vinnana:

    Es ist aus meiner Sicht nicht falsch, was Thich Nhat Hanh da schreibt, aber er gibt (meiner Meinung nach) das abhängige Entstehen bzw. die Lehre vom Nicht-Selbst nicht so wieder wie sie der Buddha (im Palikanon) lehrte, aber das ist wahrscheinlich auch gar nicht sein Anspruch.


    Ich möchte Thich Nhat Hanh auch nicht unbedingt in Schutz nehmen. Nur, für mich als Einsteiger klang das von ihm Geschriebene (von den verschiedenen Meinungen, die ich bisher las/hörte) am plausibelsten und es las sich anfangs so, als ob Du mit seiner Meinung alles andere als einverstanden bist und sie als falsch ansiehst.
    Und das wunderte mich. Wie kann ein Mönch verschiedener Schulen, der sein Leben dieser Religion hingab, so stark falsch liegen?

    Wikipedia:

    Orthodoxen buddhistischen Kreisen geht Thích Nhất Hạnhs Lehrauslegung mitunter zu weit - wobei schon der Buddha betonte, dass auch seine eigene Lehre (wie alle Dinge) dem Wandel unterliegt und stets in der Darstellungsform der jeweiligen Zuhörerschaft und ihrem spezifischen historisch-sozialen Kontext angepasst werden muss.

    Allerdings dürfte der letzte Satz nicht eine Abänderung der "Kernlehre" bedeuten.



    Ach ja, und der Beitrag von think ging leider unter. Wäre schön (und interessant), wenn er auch noch beantwortet werden könnte:

    think:

    Vielen Dank an Mr_Aufziehvogel, Qi und nikaya für Eure Antworten bezüglich Karma! :) Langsam wird mir das ganze etwas klarer ...


    Darf ich nochmal kurz zusammenfassen? Wenn ich das richtig verstehe, bedeutet Karma im Grunde, dass jede Handlung viele Auswirkungen - sowohl auf die handelnde Person selbst als auch auf alle Wesen, die mit ihr verbunden sind - hat. Abgesehen von den direkten, sofort sichtbaren Auswirkungen, gibt es auch noch viele andere - wenn z.B. wie in Qi's Beispiel ein Mensch einen anderen schlägt, hat das logischerweise eine starke Wirkung auf den geschlagenen Menschen, aber auch auf den Schläger selbst (sowohl auf psychologischer als auch auf geistiger Ebene), und natürlich auch auf alle im Jetzt und in Zukunft lebenden Wesen, da das Weltgeschehen ja ein Zusammenspiel der Handlungen aller Wesen ist. Im Bezug auf die Reinkarnation bedeutet das, dass man also selbst an der Erschaffung der Welt beteiligt ist, in der man sich wieder manifestieren wird. Karma ist aber weder eine "Strafe", noch geht es dabei um eine Art "Auge um Auge"-Prinzip (man kassiert also keine Ohrfeige als "Strafe", weil man im letzten Leben eine Ohrfeige ausgeteilt hat, sondern eher, weil man eine Welt mitgestaltet hat, in der Ohrfeigen ausgeteilt werden) ... hmmm ... ist meine Zusammenfassung in etwa richtig?


    Vielen Dank und liebe Grüße
    Think

    "If you can learn to make the mind still, it will be the greatest help to the world."
    (Ajahn Chah)

  • gruenkern:

    Ich möchte Thich Nhat Hanh auch nicht unbedingt in Schutz nehmen. Nur, für mich als Einsteiger klang das von ihm Geschriebene (von den verschiedenen Meinungen, die ich bisher las/hörte) am plausibelsten und es las sich anfangs so, als ob Du mit seiner Meinung alles andere als einverstanden bist und sie als falsch ansiehst.


    Das tue ich auch, aber eben "nur" bezogen auf die Übereinstimmung mit dem abhängigen Entstehen und der der Anatta-Lehre wie sie der Buddha (laut Palikanon) lehrte bzw. auf mein Verständnis davon. Wenn Thich Nhat Hanh meint, mit seinen Ausführungen den Buddha korrekt wiederzugeben, dann befindet er sich meiner Meinung nach damit im Irrtum. Warum ich das so sehe, habe ich versucht zu begründen. Damit will ich aber auf keinen Fall sagen, dass seine Worte wertlos sind oder sowas in der Art.

  • Vinnana:

    Damit will ich aber auf keinen Fall sagen, dass seine Worte wertlos sind oder sowas in der Art.


    Nein, das habe ich auch nicht behauptet. Und wie gesagt: Thich Nhat Hanh kann sich natürlich auch gewaltig irren.

    "If you can learn to make the mind still, it will be the greatest help to the world."
    (Ajahn Chah)

  • gruenkern:


    Ach ja, und der Beitrag von think ging leider unter. Wäre schön (und interessant), wenn er auch noch beantwortet werden könnte:


    Danke! :) Vielleicht fällt ja noch jemandem etwas dazu ein? *liebguck*

  • Vinnana:
    gruenkern:

    Ich möchte Thich Nhat Hanh auch nicht unbedingt in Schutz nehmen. Nur, für mich als Einsteiger klang das von ihm Geschriebene (von den verschiedenen Meinungen, die ich bisher las/hörte) am plausibelsten und es las sich anfangs so, als ob Du mit seiner Meinung alles andere als einverstanden bist und sie als falsch ansiehst.


    Das tue ich auch, aber eben "nur" bezogen auf die Übereinstimmung mit dem abhängigen Entstehen und der der Anatta-Lehre wie sie der Buddha (laut Palikanon) lehrte bzw. auf mein Verständnis davon. Wenn Thich Nhat Hanh meint, mit seinen Ausführungen den Buddha korrekt wiederzugeben, dann befindet er sich meiner Meinung nach damit im Irrtum. Warum ich das so sehe, habe ich versucht zu begründen. Damit will ich aber auf keinen Fall sagen, dass seine Worte wertlos sind oder sowas in der Art.


    Ich finde auch nicht, das falsche und verkehrte Worte wertlos sind - im Gegenteil
    ist ihr Wert doch unheilsam! :roll:


    'Wenn das tun (sprechen) des Unheilsamen nicht zum Schaden und Unglück
    gereichte, so würde ich nicht sagen: 'Laßt das Unheilsame!' Weil aber das
    Lassen des Unheilsamen zum Segen und Wohl gereicht, deshalb eben
    sage ich: 'Laßt das Unheilsame!'


    mfg.
    accinca

  • think:
    gruenkern:


    Ach ja, und der Beitrag von think ging leider unter. Wäre schön (und interessant), wenn er auch noch beantwortet werden könnte:


    Danke! :) Vielleicht fällt ja noch jemandem etwas dazu ein? *liebguck*


    Bei Kamma sollte man beachten dass es ein völlig unpersönliches Geschehen von Ursache und Wirkung (bedingtes Entstehen) ist,also nichts mit persönlicher Strafe oder Verdienst o.ä. zu tun hat.Andererseits gibt es nur Kamma wenn aus persönlichem Wollen eine Handlung (vor allem geistige Handlung) entsteht.Aus der Ich-Illusion entsteht dann der Eindruck es wäre "mein Kamma",obwohl es "nur" bedingtes Entstehen von unpersönlichen Prozessen ist.


    Deine Darstellung ist meines Erachtens soweit in Ordnung.Die Welt wird von einem angenommenen Selbst entsprechend den vorhandenen Trieben (Wollen) mitgestaltet.Jemand der es gewohnt ist seine Triebe mit Gewalt zu befriedigen wird es auch in einem Kloster versuchen oder an der Nichterfüllung der Triebe verzweifeln.


    Der Buddha hat jedoch geraten nicht das Gesetz von Kamma verstehen zu wollen,denn dieses versteht nur ein Befreiter der das bedingte Entstehen auch sieht.Alles andere sind nur Vorstellungen von Kamma und nicht die Wirklichkeit (=gewirktes Erleben).Vor allem in esoterischen Kreisen wird viel in Kamma hineingedacht ohne es zu verstehen.Da sollte man genau differenzieren.Auch ich maße mir nicht an Kamma zu verstehen,es sind auch nur gestaltete Vorstellungen darüber. :roll:

    Zitat

    A.IV. 77 Die vier unerfaßbaren Dinge (acinteyya)


    Vier unerfaßbare Dinge gibt es, ihr Mönche, über die man nicht nachdenken sollte, über welche nachdenkend man dem Wahnsinn oder der Verstörung anheimfallen möchte. Welches sind diese vier Dinge?
    Der Machtbereich der Buddhas, ihr Mönche, ist etwas Unerfaßbares, über das man nicht nachdenken sollte und über das nachdenkend man dem Wahnsinn oder der Verstörung anheimfallen möchte.
    Der Machtbereich der Vertiefungen
    die Wirkung der Taten (kamma-vipāka)
    das Grübeln über die Welt ist etwas Unerfaßbares, worüber man nicht nachdenken sollte, und worüber nachdenkend, man dem Wahnsinn oder der Verstörung anheimfallen möchte.


    Quelle:http://www.palikanon.de/angutt/a04_071-080.html#a_iv77

  • nikaya:

    (...)
    Der Buddha hat jedoch geraten nicht das Gesetz von Kamma verstehen zu wollen,denn dieses versteht nur ein Befreiter der das bedingte Entstehen auch sieht.Alles andere sind nur Vorstellungen von Kamma und nicht die Wirklichkeit (=gewirktes Erleben).Vor allem in esoterischen Kreisen wird viel in Kamma hineingedacht ohne es zu verstehen.Da sollte man genau differenzieren.Auch ich maße mir nicht an Kamma zu verstehen,es sind auch nur gestaltete Vorstellungen darüber. :roll:


    Aaahh, das ist mal eine Aussage, die mir gut gefällt. Mein Gefühl sagt mir nämlich auch, dass man da nun viel daherreden kann, was man irgendwo gelesen hat - mir kommt das alles so müßig und nutzlos vor. :?

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • nikaya:


    Bei Kamma sollte man beachten dass es ein völlig unpersönliches Geschehen von Ursache und Wirkung (bedingtes Entstehen) ist,also nichts mit persönlicher Strafe oder Verdienst o.ä. zu tun hat.Andererseits gibt es nur Kamma wenn aus persönlichem Wollen eine Handlung (vor allem geistige Handlung) entsteht.Aus der Ich-Illusion entsteht dann der Eindruck es wäre "mein Kamma",obwohl es "nur" bedingtes Entstehen von unpersönlichen Prozessen ist.


    Vielen Dank für die Antwort! :) Dann bin ich ja sehr beruhigt - die Vorstellung, Leid wäre so etwas wie eine "gerechte Strafe" bzw. leidende Wesen hätten es "verdient" zu leiden, kann ich also hocherfreut in die Tonne kloppen :D.


    nikaya:

    Der Buddha hat jedoch geraten nicht das Gesetz von Kamma verstehen zu wollen,denn dieses versteht nur ein Befreiter der das bedingte Entstehen auch sieht.Alles andere sind nur Vorstellungen von Kamma und nicht die Wirklichkeit (=gewirktes Erleben).Vor allem in esoterischen Kreisen wird viel in Kamma hineingedacht ohne es zu verstehen.Da sollte man genau differenzieren.Auch ich maße mir nicht an Kamma zu verstehen,es sind auch nur gestaltete Vorstellungen darüber.


    Alles klar! Nachdem o.g. Punkt geklärt ist, muss ich ja auch nicht weiter darüber nachdenken. War wahrscheinlich ein Relikt meiner katholischen Erziehung (Sünden + Sündenstrafen und so) ;).


    Vielen Dank und liebe Grüße
    Think