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Kurze Vorbemerkung. Dieser Text ist auch ein Test in wie weit hier in diesem Forum Toleranz wirklich geht. Evtl. wird dieser Text hier massiven Widerspruch herausfordern oder er wird sogar sofort zensiert und gelöscht. Wenn das allerdings geschieht wäre das eine Reaktion auf Inhalte und Tatsachen die nicht diskutiert werden dürfen und nicht eine Reaktion auf eine Polemik, die man vielleicht berechtigter Weise maßregelt. Die Zensur von überlegt vorgetragenen und begründeten Behauptungen und Inhalten ist das Zeichen eines autoritären Systems. Kann irgend etwas im Buddhismus zu einem autoritären System werden und sich weiter Buddhismus nennen?
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Zum Eigentlichen:
Wäre es nicht hilfreich auch auf Bücher hinzuweisen, die überflüssig bzw. sogar falsch und schädlich sind? Es gibt derartig viele Bücher über Buddhismus, daß es doch wirklich Sinn machen sollte hier etwas die Spreu vom Weizen zu trennen.
Gibt es vielleicht einfache Regeln, die man anwenden kann um z.B. in der Buchhandlung schnell eine vorläufige Entscheidung darüber zu treffen ob ein Buch es wert ist näher betrachtet zu werden? Ich denke die folgende Regel ist in dieser Hinsicht hilfreich:
Regel Nr. 1 zur schnellen vorläufigen Auslese lesenunwerter Literatur: Jeder Autor der mit irgendeiner der Varianten der folgenden Aussage beworben wird ist es vermutlich nicht wert, daß man ihm seine Zeit opfert:
“X ist einer der bedeutendsten spirituellen Meister der Gegenwart."
Bei dieser Regel kann für "Meister" (bzw. natürlich auch "Meisterin") auch "Lehre" o.ä. eingesetzt werden.
Die Begründung der Regel ist denkbar einfach. Es gibt eine Inflation dieser Aussage! Wenn man sich die Ankündigungen für Meister, Bücher oder auch Seminare/Belehrungen und Spirituelle Zentren durchsieht, fällt auf daß dieser Superlativ relativ häufig benutzt wird. Es ist also zum einen logischer Unsinn so für eine Sache/Lehre/Meisterin zu werben. Die weitaus wichtigere Frage ist allerdings, wieso es jemand nötig hat derart für sich und seine Sache zu werben? Mit einer derartigen Aussage begibt man sich nicht nur auf das Niveau gewöhnlicher Reklame – bester Reiniger, bestes Auto, Testsieger xy etc. – man läuft auch Gefahr schlicht für ein aufgeblasenes Ego gehalten zu werden. Was für ein Typ Mensch ist das, der z.B. im Internet neben sein Bild einen solche Satz platziert? Sicher niemand der von falscher Bescheidenheit geplagt wird. Ist aber ein solcher Mensch wirklich offen für ein Gespräch oder wird er vielmehr predigen und kritisches Denken ablehnen? Die Aussage beinhaltet ja, daß es über diesem Meister und über dieser Lehre nichts gibt. D.h. eine Kritik, eine Nachdenklichkeit, ist von vorne herein ausgesachlossen – was soviel heisst wie: Man hat es mit einem autoritären System zu tun. Auf nichts anderes läuft eine solche Anpreisung hinaus!
Ich möchte ein Beispiel geben. Allerdings wird dies wahrscheinlich sofort einen Sturm der Entrüstung hervorrufen und vermutlich wird damit überhaupt dieser Thread sofort von der hier üblichen Zensur bedroht sein. Andererseits könnte man meinen daß Buddhismus nicht das denken verbieten sollte – und etwas Nachdenklichkeit ist bei diesem Beispiel wirklich angebracht.
Ich möchte allerdings nicht in Abrede stellen, daß der Text, den ich als Beispiel für eine mit Allmachtsansprüchen auftretende Lehre vorstelle, unter Umständen, wichtige Impulse für die Sterbehilfe gesetzt hat. Daß dies so ist wird im Umfeld des Autoren für unhinterfragbar gehalten. Allerdings ist die Unhinterfragbarkeit eine Funktion eines autoritären Systems. Von den Anhängern der entsprechenden Person sollte man also solche Aussagen nicht ungeprüft für bare Münze nehmen. Es wäre zu prüfen, was die Sterbebegleitung in Deutschland und anderswo in den letzten dreissig Jahren wirklich voran gebracht hat: Ein mytischer Text von einer Lehre die sich jenseits jeglicher Kritik wähnt oder viel eher von den vielen Menschen die sich die Mühe machen Sterbenden im Altag wirklich und ganz handfest zu helfen. Ich glaube, auch in diesem Falle sind es die Menschen die nicht wegen sondern trotz einer solchen Lehre richtig und gut handeln!
Der Text um den es in meinem Beispiel geht wird wie folgt beworben:
ZitatMeister Xens "bekannter spiritueller Klassiker wird weitgehend als eine der vollständigsten und maßgeblichsten Präsentation (sic!) der tibetisch-buddhistischen Lehren verstanden, die je geschrieben wurden."
Im Kern entspricht diese Aussage dem oben genannten Ausschlußkriterium. "Text" wie "Autor" stellen sich jenseits aller Kritik. Eine kritische Betrachtungsweise, wie diese hier, wird von vorne herein nicht zu gelassen. Die urbuddhistische Aufforderung, selbst zu prüfen, selbst zu fragen, selbst zu entscheiden wird damit ausser Kraft gesetzt. Daß Begriffe wie "vollständig" und "maßgeblich", die einen Superlativ gar nicht zulassen, trotzdem überhöht werden in dem sie zum "vollständigsten" und maßgeblichsten" werden, ist hierbei nur noch als Symptom der zu Grunde liegenden Hybris zu werten.
Also, Kenner werden schon längst wissen um wen und was es geht und sicher werden schon Entgegnungen oder gar Zensurvorhaben geprüft und formuliert, bevor überhaupt eine eingehende Prüfung meiner Überlegung stattgefunden hat. Denn "Das Tibetische Buch vom Leben und vom Sterben" des Autoren Sogyal Rinpoche ist nicht nur auf Grund der Werbung mit der es angepriesen wird suspekt, es gibt auch im Text selber eine ganze Reihe von Hinweisen darauf, daß hier ganz bewußt ein Mythos kreiert wurde.
Ich habe hier dazu einige Notizen zusammengestellt. Von besonderer Wichtigkeit ist der dritte Punkt in dem verlinkten Text! Jeder der die Neuausgabe des Buches von 2004 besitzt kann sich über den Sachverhalt sofort selbst ein Bild machen. Die Anmerkung Nr. 1 auf Seite 24 ist der Knackpunkt. Diese Anmerkung, die es in ursprünglichen Ausgabe des Buches von 1993 nicht gibt (ein sehr wichtiger Punkt), lässt den ganzen Ursprungsmythos den Sogyal Rinpoche über sich in dem Buch erzählt, seine maßgebliche Epiphanie die dafür sorgte, daß er beschloß zum Lehrer zu werden und den Menschen Gutes zu tun, in sich zusammenbrechen. Das entscheidende Erlebnis seines Lebens hat er nie erlebt!
Damit ist zumindest in diesem Fall belegt, daß die oben benannte Form der hochmütigen Werbung für sich selbst oder für einen Text den man selbst verfasst hat, nichts ist als eine Vorspiegelung falscher Tatsachen.
Mit besten Grüßen, der Unbuddhist