Beiträge von Thorsten Hallscheidt

    die erfolgreiche Schaffung einer zeitgemäßen Kriegstüchtigkeit des Buddhismus

    Glücklicherweise muss Buddhismus nicht zeitgemäß sein. Eine Gesellschaft besteht aus vielen Kräften, die (zumindest in einer Demokratie) unterschiedlich argumentieren sollten und müssen. Als Buddhist bin ich Ahimsa verpflichtet – Ahimsa, wo immer das möglich ist. Es gibt Kräfte, für die Krieg das Mittel der Wahl ist, um Frieden zu sichern. Und so muss es auch Kräfte geben, für die Krieg nie Mittel zum Frieden sein wird. Ahimsa ist die Grundlage buddhistischer Lebenspraxis und eines jeden zivilisatorischen Fortschritts, der den Namen verdient. Wo Billionen (tausende Milliarden!) ausgegeben werden, um Waffen zu produzieren, gibt es mit Sicherheit auch friedliche Wege, diese Billionen für einen für alle Seiten gerechten und globalen Frieden zu nutzen.

    Wenn du so weitermachst, wirst du einen Psychotherapeuten brauchen. Das ist ja vollkommen irrsinnig. Schau dir einfach die Bienen an oder meinetwegen Menschenaffen, wenn du nur denen einen Willen unterstellen willst. Die Unheilsamkeit entsteht in deinem dualistischen Gehirn.

    Ach was. Ich brauche keinen Therapeuten. Ich genieße mein Leben. Aber ich weiß eben auch um die Augenblicke der Stille, in denen es ruhig ist und nichts mehr zerrt oder drückt, um irgendwas oder irgendeinen Zustand zu erreichen. Würde ich das nicht kennen, würde ich die Idee mit der Blume auch für irrsinnig halten.


    Die Vorstellung von heilsam/unheilsam ist natürlich dualistisch. Damit habe ich auch kein Problem, denn es sind für einen langen Teil des Weges zumindest für mich nützliche Kategorien, die sich immer wieder in realem Erleben niederschlagen: Ursache – Wirkung.


    Es gibt weder eine noch zwei Wahrheiten. Vielleicht so etwas wie die "nackte Realität".

    Die "nackte Realität" erst recht nicht. Was soll das auch sein? Die zwei Wahrheiten sind buddhistische Konzepte, natürlich. Sie dienen der Orientierung. Nicht mehr, nicht weniger. Mit den meisten Texten und Konzepten ist das so. Muss man das immer wieder betonen? Wer weiß das denn nicht? Vor allem in einem Forum wie hier, das nur aus Text besteht? Der Finger ist nicht der Mond..., ok, ja doch, ok, ok, ok, :doubt: darüber müssen wir nicht mehr reden und darüber können wir auch nicht reden, weil sich das alles, weil sich der Mond der Sprache komplett entzieht. Darum hast Du natürlich immer recht, wenn Du darauf hinweist. Aber es ist eben auch eine Binsenweisheit, die nirgendwohin führt.


    Ich denke, für Dich sind die Sila noch immer viel zu sehr mit einem christlich/religiösen Sündenbegriff verbunden. Daher vielleicht diese Wut. Es geht nicht um Schuld und Sühne, Verbrechen und Strafe, Heilung und Krankheit. Es geht um die Stille zwischen einem Begehren, Gedanken, einer Abneigung, Vorstellung, einem Konzept und dem nächsten, die größtenteils lückenlos aufeinander folgen, wodurch es nie still wird. Manchmal entstehen in der Ruhe diese Lücken, diese Pausen. Durch diese Lücken wird etwas sichtbar, hörbar, spürbar das sonst im Rauschen untergeht. Die Sila bedingen im besten Falle die Grundlage für die Stille. Die "Geistesgifte" sind nicht "böse" und die Einhaltung der Sila ist nicht "gut". Nur ist das alles (dieses ganze Begehren, Hassen, Wollen, Aufregen, Leiden, Frustriert sein, dieses ständige ich, ich, ich, ich, ich, mir und mein) zu laut und zu grell, um (wieder) sehen, hören, riechen und schmecken zu lernen – und letztlich auch handeln. Letztlich! Sind die Schritte zu groß, legt man sich leicht auf die Fresse und hält das für Freiheit.


    Er steht im Gefolge der Waldtradition von Buddhadasa Bhikkhu und hat verstanden, dass die buddhistische Übung auch Befriedigung bringen darf und kann und nicht zu so einem grüblerischen Getue führen sollte.

    Natürlich bringt sie Befriedigung, sonst würde sich wohl keiner lange damit beschäftigen. Und genau diese Befriedigung ist es doch, die im Laufe der Zeit zu einer unwillkürlichen Verschiebung der Wertmaßstäbe führt. Die fette Karre ist immer noch nett und aufregend, aber sie lohnt im Vergleich eben den Aufwand an Arbeit und Zeit nicht mehr. Es gibt besseres. Und Besseres. Und Besseres. Und irgendwann ist der Geruch der Blume noch immer wundervoll. Aber es gibt vielleicht auch dann noch Besseres: Vielleicht weil der Geruch der Blume einfach da ist, ohne dass ich ihn herbei gezerrt hätte, indem ich hingegangen bin, um das Erlebnis dieses Geruchs zu haben?


    Grübeln schadet nicht, wenn es mit Erleben einhergeht. Konzepte sind Landkarten oder Flöße, die man wegwerfen kann, wenn man angekommen ist. Bis dahin sind sie nützlich. Sie sind nicht die Realität – selbstverständlich nicht.

    Auf dem Zenweg hat man zunaechst Dualismen zu überwinden, um Moral zu begreifen, nicht umgekehrt.

    Und genau, weil eine unmittelbare Erfahrung der Leerheit sehr viel Übung benötigt (wenn sie überhaupt eintritt), gehört zum Zenweg am Anfang das Nehmen der Gelübde, zumindest in den traditionellen Formen des Zen wie Soto oder Rinzai.


    Die Sila sind der erste Schritt, die Dominanz der eigenen Bedürfnisse vor denen der anderen zu relativieren und sie sind Garant dafür, Ruhe und etwas Frieden ins Leben zu bekommen. Es ist zudem keinesfalls leicht, die Sila zu befolgen, weil auch dieses Übungsfeld im Laufe der Jahre immer subtiler wird. Danach gehört irgendwann sogar das willentliche Riechen an einer Blume zur unheilsamen Handlung des Stehlens (des Nehmens, was nicht freiwillig gegeben wurde), weil hier das Geistesgift der Begierde Triebkraft für die Hinneigung zur Blüte ist. Jede, durch Gier, Hass oder Unwissenheit getriebene Handlung läuft so den Sila in mehr oder weniger subtiler Form entgegen. Gier, Hass und Unwissenheit sind hingegen keinesfalls leicht zu überwinden.


    Dualismen sind nichts, was "überwunden" werden muss oder kann, weil sie innerhalb der zwei-Wahrheiten-Lehre des Mahayana (und in der Realität) ihre Berechtigung und Wirklichkeit haben. Die Zwei-Wahrheiten-Lehre bedeutet nicht, dass die eine Wahrheit besser als die andere wäre, sodass man die eine zugunsten der anderen überwinden müsste. Beide Wahrheiten sind fester Bestandteile der Realität, die immer wieder ineinander greifen und sich gegenseitig bedingen. Die Kategorien von heilsam und unheilsam z.B. sollen weder überwunden noch absolut gesetzt werden.


    Über die Gebote im Zen hat Robert Aitken ein Buch geschrieben, das die subtilen Facetten dieser Praxis und die für den Zen grundlegende Bedeutung der Sila sehr gut beleuchtet:


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    Gras und Meditieren passt ja noch zusammen.

    Nicht im Buddhismus (es sei denn aus medizinischen Gründen). Da sollte der Geist so klar wie möglich sein, denn die Lehre ist eh nicht so leicht zu verstehen. Und das geht nun mal nicht gut mit Drogen, egal welcher Art auch immer.


    Zitat

    Da kam mir, ihr Mönche, der Gedanke: 'Entdeckt hab' ich diese tiefe Satzung, die schwer zu gewahren, schwer zu erkunden ist, die stille, erlesene, unbekrittelbare, feine, Weisen erfindliche. Vergnügen aber sucht ja dieses Geschlecht, Vergnügen liebt es, Vergnügen schätzt es. Dem Vergnügen suchenden Geschlechte nun aber, Vergnügen liebenden, Vergnügen schätzenden ist ein solches Ding kaum verständlich: als wie das auf gewisse Weise bedingt sein, die bedingte Entstehung; und auch ein solches Ding wird es kaum verstehen: eben dieses Aufgehen aller Unterscheidung, die Abwehr aller Anhaftung, das Versiegen des Durstes, die Wendung, Auflösung, Erlöschung. Wenn ich also die Satzung darlege und die anderen mich doch nicht begreifen, so ist mir Plage gewiß und Anstoß.


    Quelle

    OT:

    Den Begriff "links-grün-versifft" hat Jörg Meuthen (AfD) geprägt.


    Interessant ist, was als links-grüne (versiffte) Position gesehen wird:


    • Klima- und Umweltschutz
    • Schutz der Menschenrechte
    • kulturelle Vielfalt
    • globale Gerechtigkeit / Klimagerechtigkeit
    • Schutz von Minderheiten
    • Wende hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft
    • Selbstbestimmung
    • Gleichberechtigung


    Diese Dinge haben eigentlich gar keine politische Adresse oder Richtung, sollte man zumindest meinen. Sie sollten vollkommen selbstverständliche Ziele sein, die sich eine Kultur gibt. All diese Dinge und Entwicklungen kommen allen Menschen zugute – nicht nur einer Gruppe oder Nation. Zudem ist eine höchst konservative (lat. conservare „erhalten“, „bewahren“) Position, wenn konservativ bedeutet, sich um den Erhalt von Werten (Toleranz, Gerechtigkeit, Nächstenliebe, Liebe zur Natur, zukunftsfähige Wirtschaft, etc.) und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen zu bemühen. Es geht bei diesem ganzen Diskurs wahrscheinlich weniger um rechts-links im herkömmlichen politischen Sinne als um den Gegensatz altruistisch-egoistisch.

    Angenommen, alle Gesetze des Staates würden nur für kurze Zeit aufgehoben, würde der Mensch sofort in eine grausame Bestie verwandelt werden, wie es Hollywood sehr gut demonstriert in Filmen wie "The Purge – Die Säuberung" (siehe Wiki) und vielen Fortsetzungen, bestimmt nichts für schwache Nerven.

    Keinesfalls. Die Sozialanthropologie hat Erkenntnisse über Jäger- und Sammlerkulturen, die über Hunderttausende (!) von Jahren stabile kooperative Gesellschaften gebildet haben, z.T noch bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Nachzulesen hier:


    Suzman, James | Sie nannten es Arbeit
    Eine andere Geschichte der Menschheit. 2022. 978-3-406-76548-3. Heute bestimmt unsere Arbeit, wer wir sind, und das rastlose Konsumieren gilt als natürliche…
    www.chbeck.de


    Hollywood ist keine gute Quelle.


    Und die Kategorisierung des Sex, die zu Ausgrenzungen und Gewalt gegenüber "Andersartiger" führte, nahm erst ab dem 18. Jahrhundert so stark zu. Nachzulesen hier:


    Sexualität und Wahrheit. Buch von Michel Foucault (Suhrkamp Verlag)
    Foucaults Hauptinteresse richtet sich auf die Erforschung der ›polymorphen... | Buch von Michel Foucault versandkostenfrei & direkt vom Verlag kaufen
    www.suhrkamp.de

    Das tut mir leid, was dir passiert ist.

    Oh, nein, das muss Dir nicht leid tun und war nicht der Grund, warum ich das erzählt habe. Ich wollte nur klarmachen, dass ich Ausgrenzungserfahrungen kenne und nicht wie ein Blinder von der Farbe rede. Ich habe aber meinen Frieden damit geschlossen und würde auch heute kein anderes Leben wählen wollen... im Gegenteil. (:

    Schön, dass du so stark bist, es (gut?) auszuhalten, wenn du mit Ablehnung deiner Person konfrontiert wirst. Liegt sicher auch an deiner buddhist. Praxis, welche Anhaftung an div. Identitäten vermindert?

    Als Sohn einer alleinerziehenden, schwer alkoholkranken Mutter, die ihr lesbisches Coming-out hatte, als ich 12 war, und die ein pathologischer Katzenmessie war, hatte ich sehr viel Übung, mit der Ablehnung meiner Person umzugehen, zumal wir sehr arm wurden, was an dem Kleinstadt-Gymnasium für reiche Jungs und Mädchen, auf dem ich zur Schule ging, wenig angesagt war. :grinsen:


    Mit anderen Worten: Mir muss niemand erzählen, wie sich Ausgrenzung anfühlt. Die Welt funktioniert so auf unzähligen Ebenen. Jeder versucht sein eigenes Grüppchen gegen die anderen abzugrenzen. Jeder und jede klammert sich an seine und ihre "Identitäten" und ist tief verletzt, wenn ein anderer diese Identität infrage stellt oder angreift. Jede Grüppchen- jede Identitätsfixierung grenzt andere Grüppchen und Identitäten aus. Und die größte Gewalt geht immer von der Gruppe aus, die die meiste Macht innehat. Es ist dabei beliebig, durch welche Gegebenheiten oder Wahngebilde eine Gruppe versucht, Identität zu etablieren: Nation, Rasse, Sexualität, Macht, Reichtum, Kultur, Ethik, Weisheit, Religion, etc., etc.. Immer wird es dazu führen, dass andere ausgegrenzt werden. Die "Rechten" grenzen die "Linken", die "Linken" grenzen die "Rechten" aus. Der Buddhismus geht das Problem und das Leiden, das dadurch erzeugt wird, bei der Wurzel an: der Identifikation. Buddha sagt: Das bin ich nicht, das gehört mir nicht, das ist nicht mein Selbst. Und das gilt bezüglich aller Phänomene. Das ist soooo wohltuend! :taenzerin:

    Unsere Gruppe hat als Hauptverantwortlichen einen älteren CIS-hetero Mann. Als Übende kommen neben anderen CIS Heteros: Transsexuelle, Non-Binäre, Schwule, Lesben, Bisexuelle, Polyamore. Bei manchen ist es offensichtlich, bei anderen überhaupt nicht (woher auch).

    Diese ganzen Kategorien... Ich wäre nach diesem System ein älterer CIS-hetero Mann. Dabei hat sich diese Facette meines Daseins im Laufe meines Lebens immer wieder verändert, sodass ich gar keine Lust auf diese Schublade habe und sie für mich ablehne. Aber vielleicht sind heute diese neuen Schubladen aufgrund der systematischen Pathologisierung der verschiedenen Spielarten von Sexualität, wie sie in der Vergangenheit stattfand, notwendig, bis klar wird, dass sich auch dieser Teil der Wirklichkeit allen Kategorien, Definitionen, Erwartungen und Vorstellungen entzieht und entziehen muss. Das Alphabet an Abkürzungen wird nicht reichen, alle Facetten zu erfassen. Das '+' in LGBTQIA+ ist ein guter Anfang.


    Schönes Buch zum Thema: Sexualität und Wahrheit

    Würde Buddha heute lehren, vielleicht hätte er eine Geschichte von Mara zum besten gegeben, wie er Homophobes einzuflüstern versucht. Und die Geschichte würde von einer Person handeln, die Mara erkennt und überwindet.

    Würde es um Statussymbole, gesellschaftliche Stellung, Reichtum, Armut, Erfolg, Jugend, Alter, Krankheit, Tod also um die "üblichen" Leidenschaften und Ängste gehen, wären wir uns vielleicht einig, dass wir es mit Vorstellungen, Verblendungen, dass wir es mit Dukkha zu tun haben. Warum – erst gemeinte Frage – sollte es bei der sexuellen Identität anders sein?


    Vielleicht würde Buddha auch lehren, der Frage und Anhaftung von und an sexueller Identität (wie jeder Form von Identifikation) nicht so viel Bedeutung zuzumessen, bzw. aktiv gegen diese Form von Ich-Macher vorzugehen: Ich bin dies und das, ich bin dies nicht und das nicht. Oder ist die sexuelle Identität eine Kategorie, die sich mit der buddhistischen Lehre nicht fassen lässt, die außerhalb von Samsara existiert?

    Klar kann man dann immer noch sagen "dann geh halt und suche dir einen neuen Arbeitsplatz"

    Nein, kann man nicht. Denn in diesem Fall wird aus einer Befremdung (als persönlicher und moralisch zunächst wertfreier Emotion) eine soziale und sozial koordinierte Ausgrenzung. Und das ist vollkommen unzulässig.

    Das freut mich für dich, dass du das Problem nicht verstehst.

    Ok, dann erkläre es mir, wenn Du magst. Mich befremdet dieser Fokus, weil er mir fremd ist, nicht weil ich ihn ablehne oder er mir persönlich unangenehm wäre. Und weil er mir fremd ist, verstehe ich ihn wahrscheinlich nicht.

    Gurkenhut

    Ist es Deiner Ansicht nach schon ein Fall von struktureller Diskriminierung, wenn jemand queere Menschen nicht mag?


    Letztlich ist es auch die Frage, was jemand eigentlich genau meint, wenn er oder sie sagt, ihm oder ihr seien queere Menschen suspekt. Ist es ein bestimmtes Klischee, eine Vorstellung, eine Projektion oder ein bestimmter Habitus? Wie gesagt, ich kann es nicht gut nachvollziehen, weil ich mit Menschen, die sich als queer bezeichnen, keine Probleme hatte oder habe. Vielleicht kann Rigpa das genauer fassen?


    Mir ist z.B. generell der starke Fokus auf sexuelle Identität fremd, egal bei wem. Wenn ich einen Mann kennenlerne, dem es extrem wichtig ist, als heterosexueller Mann wahrgenommen zu werden, so befremdet oder belustigt mich das etwas. Aber ich kann nachvollziehen, dass diese Fokussierung in manchen Phasen der Selbst(er)findung sehr wichtig sein mag. In einem Retreat hingegen ist es mir persönlich schlicht egal, welcher sexuellen Orientierung mein Nebenmann, -frau, alles dazwischen hat, weil Sex oder Gender beim Retreat für mich einfach keine Rolle spielen.


    Für die meisten meiner Freunde, die sich mit dieser Identitätsfrage herumgeschlagen haben, ist dieses Thema allerdings auch nicht mehr sonderlich zentral. Vielleicht, weil sie Antworten auf Fragen gefunden haben oder weil der Fokus generell nicht mehr auf diesen Dingen liegt.

    void

    Nehmen wir den Fußballfan. Mir ist das Gesaufe und Gegröle unangenehm, sodass ich gerne Reißaus nehmen würde, wenn ich in einer Straßenbahn mit diesen Leuten zusammen sein muss. Zudem verstehe ich überhaupt nicht, was sie so an diesem öden Spiel interessiert. Mich nervt auch diese alkoholsatte Aufdringlichkeit, mit der sie einen immer wieder zulabern.


    Würde aber eine Partei versuchen, die Fußballfans zu verbieten, würde ich für das Recht, Fußballfan sein zu dürfen, auf die Straße, vor Gericht und auch ins Gefängnis gehen, wenn es sein muss. Jemanden bzw. bestimmte Facetten einer Person nicht zu mögen, heißt ja nicht gleich, ihn oder sie zu diskriminieren.


    Ich muss nicht jeden mögen, muss auch nicht mit jedem Wunsch oder Lebensentwurf einer anderen Person einverstanden sein. Ich muss aushalten, wenn jemand Buddhisten, Männer, Künstler oder Boomer völlig bekloppt findet und damit nichts zu tun haben will. Ich muss und kann das aushalten.

    Ein Anrecht auf keine Antwort kriegen, hat man mMn nicht

    Nun ja... es gibt Grenzen. Wenn z.B. die Meinung, queere Menschen in großer Zahl bei einem Retreat nicht zu feiern, sogleich mit einer grundsätzlichen Haltung gegen Ausländer verglichen wird, so ist eine Grenze überschritten, weil der Schritt zur Nazikeule nicht mehr weit ist.


    Ein Klassiker mittlerweile:

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    Ich bin zur Hälfte deiner Meinung

    Glücklicherweise! Wenn alle Menschen der gleichen Meinung wären, wäre das keine Harmonie, sondern Monotonie – nichts ist langweiliger. Wenn Meinungen, Wertmaßstäbe und Lebensweisen verschieden sind, so sind gute Voraussetzungen gegeben, in einen Dialog zu treten. Zumindest, solange eine Gruppe nicht der Auffassung ist, ein Meinungsdiktat über die andere verhängen zu müssen.

    Gurkenhut

    Keine Ahnung, was Du verstanden hast. Warum soll Rigpa denn unbedingt mit queeren Menschen zusammen sein wollen? Wenn ihm oder ihr das suspekt ist, und er/sie äußerst das, dann kann man das doch stehen lassen, ohne gleich ein Thema daraus zu machen. Er/sie hat ja geschrieben, dass er/sie sich in einer Gesellschaft, in der besonders viel queere Menschen zusammenkommen, er/sie sich nicht wohlfühlen würde. Ja, warum auch nicht? Kommen viele queere Menschen zusammen, ist das queer-Sein auch immer wieder Thema. Zumindest ist es in meinem Bekanntenkreis so. Wenn einen dieses Thema aber überhaupt nicht interessiert oder es einem sogar unangenehm ist, so kann und muss man das meiner Ansicht nach akzeptieren.

    Mir macht eher Sorgen, dass sich eine Gesellschaft etabliert, in dem jemand nicht mehr sagen kann, dass er oder sie mit queeren Menschen oder anderen Gruppen, Milieus nichts anfangen kann, ohne sogleich moralisch verdächtig zu werden. Und eigentlich müsste ich jetzt sagen: Ich habe nichts gegen queere Menschen (was auch den Tatsachen entspricht - mir ist es komplett egal, wie sich jemand sexuell definiert oder auslebt), um nicht in den Verdacht zu kommen, moralisch nicht integer zu sein. Ebenso muss ich klarmachen, dass ich für die Unterstützung der Ukraine mit Waffen, für eine multikulturelle Gesellschaft, gegen die AfD, für Israel, gegen Verbrennermotoren, kurz für das bin, was die links-grüne Moral- und Mehrheitsgesellschaft erwartet, um nicht als verdächtig (Rechtsradikal? Querdenker? Putinversteher? Antisemit? Homophob?) zu gelten.


    Glücklicherweise, muss ich schon fast sagen, bin ich von meinem Wesen und Denken her weitgehend links-grün. Wäre ich es aber nicht, so hätte ich einige Probleme in meinem Umfeld, wahrscheinlich auch darüber hinaus. Und das ist nicht in Ordnung. Man muss doch Leute aushalten, die andere Weltsichten und Wertmaßstäbe haben, ohne sie gleich zu verurteilen oder auszugrenzen, zumindest, solange sie friedlich sind und niemanden verletzen. Meinungsvielfalt! Sonst wird die Luft irgendwann sehr stickig... so gesund sie auch riechen mag.

    Ich glaube nicht an den Buddha oder an den Dharma, sondern ich glaube dem Buddha und dem Dharma, d.h. ich vertraue darauf, dass der Buddha einen Pfad gelehrt hat, der mich von Gier, Hass und Verblendung befreien kann. Warum glaube ich dem Buddha und dem Dharma? Weil ich schon einiges prüfen konnte und so davon ausgehen kann, dass auch vieles, zu dem ich noch keinen Zugang habe, der Wahrheit entspricht.


    Das ist etwas anderes als an den Weihnachtsmann zu glauben, d.h. an etwas, dessen Existenz oder Richtigkeit ich nicht durch eigene Prüfung oder Erfahrung verifizieren kann.


    Zitat

    Die Welt im Buddhismus ist meine eigene Welt. Buddha ist kein Gott, kein Prophet, sondern ein außergewöhnlicher Mensch. Außergewöhnlich deshalb, weil er durch seine eigenen Bemühungen den Geist von verschiedenen Befleckungen befreien kann. Das Wort ‚Glaube' gibt es in Pali, der Sprache, in der Buddha gesprochen hat, gar nicht. Im Buddhismus gibt es Vertrauen – es ist sehr kostbar. Wenn man aber etwas ohne kritische Betrachtung annimmt, ist es Glaube und das gibt es so gesehen im Buddhismus nicht.


    Bhante Dr. Seelawansa zitiert hier: Klick

    Wenn ich jemandem vertraue, indem ich seine oder ihre Aussagen überprüfen kann, so ist dieses Vertrauen viel weniger angreifbar, als wenn ich auf blindes Vertrauen angewiesen bin. Diesen Glauben kann man leicht verächtlich machen, vor allem, wenn ich das, was ich für meine Person halte und deren Wert darauf gebaut habe, davon abhängig mache.

    In den letzten zehn Jahren wurde ich mehrmals damit konfrontiert, dass ich, wenn ich mich als Buddhist geoutet habe, vor allem von anderen Männern hart angegangen wurde. Dies hat Groll und Zweifel in mir genährt und mein Mitgefühl geschwächt; ich wurde regelrecht aggressiv. Es wurde praktisch als Schwäche ausgelegt, dass ich ein Buddhist bin, nach dem Motto: "Ein Buddhist lässt sich alles gefallen." Auch wurde ich belächelt, wenn ich erzählte, dass ich an das Dharma glaube. Diese Belästigungen waren in der Vergangenheit teilweise unerbittlich und unvermeidlich. Ich war fast selbst gewalttätig geworden. Fast traumatisch habe ich erleben müssen, wie ich aufgrund meiner Zugewandtheit und meines Versuchs, Verständnis aufzubringen, behandelt wurde.

    Selbst geschrieben! Klingt doch schon viel besser. Besten Dank. _()_


    Ich habe keinen Glauben, muss ich zugeben. Daher ist es schwer, den verächtlich zu machen. Buddhismus ist für mich vor allem eines: ein pragmatischer Weg, mit Problemen umzugehen. Mitgefühl kommt zustande, wenn ich merke oder mich erinnere, mit welcher Gewalt die Geistesgifte in mir tätig sind und waren. An den Dharma glaube ich nicht. Ich probiere ihn aus und denke oft: Genial, wie das funktioniert. Wenn ich einem Deutschen sage: Ich glaube an den Dharma, ist dies eine Steilvorlage für den Kalauer: Dünndharma, Dickdharma oder Enddharma? Darum sage ich meist nur "buddhistische Lehre" oder buddhistische Weltsicht. Die Leute hier im Dorf wissen, dass ich Buddhist bin, ein paar kommen auch zum Meditieren zu uns. Alt eingesessene Schwaben und Schwäbinnen. Zugleich bin ich als praktizierender Buddhist auch in der Gemeinde tätig. Wir betreiben einen Gesprächskreis zu gesellschaftlichen, philosophischen und politischen Themen. Aus der Kirche ausgetreten bin ich nicht, nicht, weil ich an Jesus als Gottes Sohn glaube, sondern weil ich es gut finde, dass es bei uns religiösen Zentren gibt, in denen Mitgefühl und Nächstenliebe gelehrt und sehr oft auch gelebt werden. Das finde ich unterstützenswert. Mit Männern hatte ich bisher keine Probleme. Die buddhistische Weltsicht ist auch alles andere als schwach. Es ist eine Lehre, die sehr stark machen kann, wenn Stärke bedeutet, Probleme zu sehen und anzugehen, sich gegen potenzielle Gefahren und Leiden zu wappnen, Selbstbeherrschung und Resilienz, Konzentration und Tatkraft, Genügsamkeit und Zufriedenheit und nicht zuletzt Mitfreude zu üben. Die sechs Paramita heißen nicht ohne Grund sechs himmlische Vollkommenheiten. Sie bieten ein Werkzeugkasten an Fähigkeiten, der uns befähigt, mit immer mehr Problemen und Herausforderungen auf intelligente, nachhaltige, freundliche und kraftvolle Art umzugehen. Ich muss den Buddhismus nicht verteidigen, weil er für mich eh nicht mehr an Wert verlieren kann, egal, was andere auch sagen. Wenn jemand fragt, erzähle ich gerne von der buddhistischen Lehre, denn sie ist ein zentrales Element in meinem Leben, allerdings verzichte ich weitgehend auf exotische Kleidung, Rituale, Worte. Ich halte sie persönlich für überflüssig, da mein Unterbewusstsein eh mit christlicher Ikonographie und westlichen Sprachbildern funktioniert. Ich werde kein Tibeter, Inder oder Japaner mehr. Da der Buddhismus aber ein Heilspragmatismus ist, der Ontologie und conditio humana zur Grundlage hat, die allen Menschen gemeinsam sind, sehe ich darin auch eher eine große Chance zur Verständigung mit Nicht-Buddhisten. Genauer: Buddhismus ist im Grunde eh ein leerer Begriff, weil es um Menschsein und Seinserfahrung geht. Texte aus der westlichen Phänomenologie lesen sich daher manchmal wie Abschnitte aus dem Abhidharma. Buddhismus ist die Lehre vom Menschen, seinen Erfahrungen, Erfahrungsmöglichkeiten, Problemen und Lösungen aus der ersten-Person-Perspektive

    Würdest du dich deshalb als "krank" bezeichnen, wie es Fromm anheim legt?

    Zumindest als unterbelichtet, weil ich nicht ausreichend in der Lage bin, entsprechende Handlungen aus meinem Wissen zu generieren. Zudem ist es schon recht bizarr, an Handlungen festzuhalten, deren Nutzen sich als Trugschluss und schädlich erwiesen hat.