Beiträge von Merkur-Uranus

    Simo:


    Buddha wusste sicher so viel mehr. Aber er hat alles gelehrt, was nötig ist, damit sich die Wesen vom pragmatischsten aller Probleme, dem des Leidens, befreien können. Warum hat er das andere nicht gelehrt? Weil es nicht zweckdienlich ist, nicht pragmatisch (pragmatisch="auf die anstehende Sache und entsprechendes praktisches Handeln gerichtet; sachbezogen") .


    Liebe Grüße.


    So betrachtet, würde er wohl den Kopf schütteln angesichts der ellenlangen Diskussionen hier über Wiedergeburt oder säkularen Buddhismus oder dies oder das :) Und vielleicht würde er auch sagen, he leute, erwacht mal wieder und sprecht dann aus der erfahrung des erwachens heraus und nicht darüber...

    Jikjisa:

    merkur:

    Zitat

    Deswegen halte ich auch die - angebliche - Aussage des Buddha für problematisch


    Wieso ? Buddha war ein Sammasambuddha, deswegen hatte er unbegrenztes Wissen und Einsicht, und konnte dies auch artikulieren.
    Auch alle Siddhis hatte er entfaltet. Das in dieser Vollkommenheit, ist aber nicht notwendig, um "gewöhnliche" Buddhaschaft zu verwirklichen. Wenn Du nicht an die Lehre glaubst, bzw. den Erfahrungen Praktizierender, wird es schwierig deine Fragen vertrauensvoll zu reflektieren. Da kommt man dann nicht mal auf den Minimalnenner. Also ist es müßig.


    Damit wird Buddhismus zu einer reinen Glaubensform. Jeder Christ und jeder Muslime wird sagen, dass sich durch Glauben und Vertrauen Gott (oder was auch immer offenbart). Und das ist auch vollkommen in Ordnung. Nur dann ist es halt Religion.


    Auf der anderen Seite ist es jedoch die große Würde der Lehre des Buddha, dass sich Vertrauen auch ohne mythologischen Glauben entfalten lässt. Und das man nichts glauben muss, was sich nicht überprüfen lässt. Und ob Buddha ein Sammasambuddha war und ob er alle Siddhis entfaltet hat - diese Behauptungen lassen sich nicht erfahren, sie lassen sich - ebenso wie der Glaube an Feuerhöllen und himmlische Wesen - nur glauben.

    Jikjisa:
    Merkur-Uranus:

    Beziehungsweise gibt es überhaupt einen Menschen, für den diese Zuschreibung zutrifft?


    Bestimmt, aber die sind ja entsüchtet, sie suchen höchstens nochmal Bestätigung durch einen Meister/Siegel und hängen es nicht an die Glocke oder ans schwarze Brett. Allen gemeinsam ist ja, daß sie ganz oder größtenteils in Abgeschiedenheit leben, als eine Art Adäquat zur Abgeschiedenheit des Geistes ( und Gemüts ).


    Da sollte man aufpassen. Denn mit solchen Aussagen schreibt man anderen Menschen enorme Kräfte zu - ohne es selbst wissen zu können, oder es überprüft zu haben - einfach aus dem persönlichen Glauben heraus.


    Deswegen halte ich auch die - angebliche - Aussage des Buddha für problematisch, wenn er - angeblich - eine Handvoll Blätter in die Hände nimmt und sie als das notwendige Wissen definiert, das es braucht um zu erwachen, während sein Wissen mit den Blättern des ganzen Baumes verglichen wird. - Das sind dann schon immer sehr idealisierende, mythologische Heiligsprechungen, die meiner Ansicht nach nicht wirklich mit dem pragmatischen Ansatz der Lehre des Buddha in Einklang steht.

    Ein lesenswerter Absatz aus dem vorgestellten Buch "Broken Buddha":


    "Was ist Therâvada?
    Das Pâli-Wort thera bedeutet Älterer und weist auf einen Mönch hin, der 10 oder mehr Jahre ordiniert ist. vâda bedeutet Sicht oder Meinung. So kann also das Wort Theravâda mit Lehre der älteren Mönche übersetzt werden. Die Theravâdins behaupten, dass ihre Version des Dhamma exakt mit Buddhas Lehren korrespondiert, so wie sie im Pâli-Kanon aufgezeichnet sind, was aber nur bis zu einem gewissen Grade stimmt. Es wäre korrekter zu sagen, dass der Theravâda auf einer bestimmten Interpretation bestimmter Lehren des Pâli-Kanon basiert. Der Pâli-Kanon beinhaltet eine wahrhaft erstaunliche Vielfalt von Texten, von ethischen bis zu erkenntnistheoretischen, von psychologischer bis zu praktischer Weisheit. Es wäre schwierig, all diese Texte in einer einzigen Schule oder in einem einzigen System zusammenzufassen und tatsächlich haben die Theravâdins das auch nicht getan. Sie haben statt dessen einige von Buddhas Lehren und Konzepten betont, andere eher vernachlässigt oder sogar ignoriert.


    Die vier Ausdrucksformen des Mitgefühls (sangha vatthûni) zum Beispiel, werden oft vom Buddha erwähnt und können wichtige Auswirkungen für ein tieferes Verständnis von Liebe und Mitgefühl und besonders von ihrer sozialen Anwendung haben. Während der Theravâda diesem Konzept so gut wie keine Aufmerksamkeit schenkte, entwickelte der Mahâyâna aus diesem Konzept eine ganze Philosophie des praktischen Altruismus. Ich habe festgestellt, dass die Ausdrucksformen des Mitgefühls auch nicht in Nyanatilokas Buddhistischem Wörterbuch stehen und nach 30-jährigem Studium der Theravâda-Literatur, erinnere ich mich nicht daran, je etwas über dieses Thema gelesen oder einen Hinweis darauf gefunden zu haben.


    Ein anderes Beispiel: Eines der zentralen Konzepte der buddhistischen Lehre ist die Bedingte Entstehung. Von dieser Lehre existieren zwei Versionen – eine, die das Entstehen des Leidens zeigt und eine andere, die das Entstehen von Befreiung, von Freiheit zeigt. Zweifellos ist die erste Version die bekannteste, aber nicht notwendigerweise am besten verstandene aller buddhistischen Lehren. Sie ist praktisch in jedem Lehrbuch über den Theravâda zu finden, sie wird oft in Listen oder Diagrammen dargestellt, die in Form von großen Tafeln an den Wänden der Tempelhallen hängen, und ihre 12 Bestandteile werden oft von den Mönchen bei Zeremonien rezitiert. Die zweite, und wie man denken sollte, wichtigere Version ist praktisch unbekannt, auch bei gelehrten Theravâdins. Bhikkhu Bodhi, der einzige westliche Theravâda-Mönch, der diesem wichtigen Schema der Bedingten Entstehung Aufmerksamkeit schenkte, sagt: „Traditionelle Kommentatoren haben diesem Thema kaum die Aufmerksamkeit zukommen lassen, die es verdient“. Korrekter wäre es, zu sagen, dass sie es gänzlich ignoriert haben. Caroline Rhys-Davids bezeichnete diese positive Version der Bedingten Entstehung als eine Oase und fragte: „Wie hätte sich das Bild des Buddhismus im Westen entwickelt, wenn die positive Variante der Bedingten Entstehung mehr Akzeptanz erfahren hätte?“ Tatsächlich hätte es das ganze Bild des Theravâda in Asien verändert.


    Wenn wir also untersuchen, wie das ausgewählte Material interpretiert wurde, finden wir, dass es häufig auf eine äußerst wörtliche, gestelzte und phantasielose Art geschah, oder dass es einfach missverstanden wurde. Ich gebe dafür nur zwei Beispiele: 1. der Buddha beschreibt eine liebende Person als jemanden, in dessen Geist die Barrieren niedergerissen wurden (cetasa vimariyada katena). Was für ein außergewöhnlicher Ausdruck! Wenn eine Person seine durch eigene Vorstellungen erschaffenen Barrie- ren wie Rasse, Stand, „mein“ und „nicht mein“ durchschaut hat, ist sie in der Lage, alle Wesen bedingungslos zu lieben. Der Visuddhimagga illustriert mit Hilfe einer Geschichte, wie das aus der Theravâda-Perspektive verstanden werden soll. Ein Mönch saß zusammen mit drei anderen – einen Freund, einem Fremden und jemand, der ihn nicht mochte, als sie von eine Gruppe von Schlägern angegriffen wurden, die einen aus dieser Gruppe nehmen und ihrem Gott opfern wollten. Der Mönch wurde nun aufgefordert, das Opfer auszuwählen, aber weil er einen Geist mit niedergeris- senen Barrieren hatte, war er außer Stande, irgendeine trennende Unterscheidung zwischen sich und den anderen vorzunehmen. Er saß einfach da und konnte keine Entscheidung treffen. Unabhängig davon, dass das viel zu vereinfacht ist, widerspricht dies auch einer Aussage des Buddha, dass eine liebende Person sogar dazu fähig ist, ihr Leben für einen anderen zu opfern (D,III,187). 2. Die Begriffe papañca und papaìca - saììâ-saíkhâ sind zum Verständnis der Meditation und Psychologie, wie sie der Buddha lehrte, ungeheuer wichtig. Bhikkhu Ñâòananda zeigt in seinem herausragenden Werk Concept and Reality, dass die Theravâda-Tradition die Signifikanz dieser Begriffe verkannt hat, und dass es interessanterweise der Mahâyâna-Buddhismus war, der viel von ihrer ursprünglichen Bedeutung und folglich auch ihrer tieferen philosophischen Konsequenzen bewahrt hat.


    Diese Kombination von einseitiger Betonung und konservativer, beschränkter und vereinfachender Interpretationen hat den Theravâda zu dem gemacht, was er heute ist. Hätte man verschiedenes Material des Pâli-Kanons herausgestellt und es unterschiedlich, aber in gleichberechtigter oder sogar in stichhaltigerer Weise interpretiert, man hätte einen ziemlich andersartigen Buddhismus erhalten. Und dies ist tatsächlich passiert. Die Sravastavadins, Dharmaguptakas, Sautantikas, Abhayagirivasins usw. waren unterschiedliche Schulen mit einem unterschiedlichen Standpunkt, obwohl sie auf einem Sutta- und Vinaya-Pitaka basieren, der im Wesentlichen die gleiche Pâli-Quelle benutzt, wie der Theravâda. Unglücklicherweise sind diese Schulen verschwunden und haben den Theravâdins als einzige „orthodoxe“ Interpreten der Lehren des Buddha das Feld überlassen. Natürlich würde ein Theravâdin sagen, dass es gefährlich oder unnötig ist, Buddhas Worte zu interpretieren oder weiterzudenken. Aber schon zu Lebzeiten des Buddha wurde das getan. Ich verweise hier auf Mahâ Kacchayâna, der auf eine sehr kreative Art und Weise eine von Buddhas Reden ausgelegt hat (SN,III,9). Es scheint, dass immer, wenn es negativ oder theoretisch wird, die Theravâdins bemerkenswert kreativ werden. Nur, wenn es um etwas geht, das praktisch, positiv oder irgendwo außerhalb ihres selbst gewählten und eng begrenzten Wirkungsfeldes liegt, fehlen ihnen scheinbar die Worte." Bhante Dhammika

    Jikjisa:

    Merkur:

    Zitat

    dass ein Laie erwacht, er am selben Tag noch Mönch werden oder sterben muss.


    Ich bin der festen Überzeugung, daß ein/e Laie, wenn er/sie voll-erwacht ( zum Arhat/MeisterIn ) nur unter dem Schutz der Sangha weiterleben kann oder als Obdachlose/r. Im Westen mag er/sie dann irgendwie aufgefangen werden durch Suppenküchen. Aber er/sie wird die Tendenz haben sich weiter zurückzuziehen. Insofern ist ein baldiger Tod eher warscheinlich, denn ausgeschlossen.


    Interessant. Da bräuchte ich an dieser Stelle noch präzisere Definitionen über das Konzept "voll-erwacht". Ist der Dalai Lama beispielsweise "voll-erwacht"? Beziehungsweise gibt es überhaupt einen Menschen, für den diese Zuschreibung zutrifft?

    Als Basis dieser Frage dient ein Absatz von Bhante Dhammikas Buch "Broken Buddha": Er schreibt:


    "Schon sehr früh schloss der Theravâda die Laien von der Möglichkeit aus, Nibbâna zu verwirklichen – zwar nicht offiziell per Dekret, aber in Form eines ungeschriebenen Gesetzes. Wie der Name schon impliziert, bezieht sich der Theravâda hauptsächlich nur auf ältere Mönche zu, nicht auf Laien und schon gar nicht auf Nonnen oder weibliche Laien. Zur Zeit des Milindapaìha (1. Jh.. u. Z.) war es orthodoxe Lehrauffassung geworden, dass wenn das seltene Ereignis stattfindet, dass ein Laie erwacht, er am selben Tag noch Mönch werden oder sterben muss. Auch Thanissaro deutet an, dass es für einen Laien unmöglich ist, zu erwachen. Er sagt: „(Wir) sollten bemerken, dass der Dhamma nur in Verbindung mit dem Vinaya funktioniert. Man wird das angestrebte Ziel nur mit beiden erreichen. In der Theorie mögen sie getrennt sein, aber in der Person, die beides praktiziert, verschmelzen beide als entwickelte Qualitäten im Geist und Charakter ...“ Für das Erwachen ist der Vinaya ein wesentlicher Faktor, und weil Laien den Vinaya nicht praktizieren, können sie nicht erwachen. Das scheint nicht gerade gut mit dem übereinzustimmen, was der Buddha lehrte, aber der Buddha war eben kein Theravâdin. In den Sutten werden viele Laien erwähnt, die erwachten. Weiterhin wird uns erzählt, dass der Vinaya in den ersten 20 Jahren der Lehrtätigkeit des Buddha noch nicht existiert hat. Wenn Thanissaros Aussagen stimmen würden, dann müsste man sich wohl fragen, wie die vielen Erwachten dieser Zeit es ohne Vinaya geschafft haben? Ganz abgesehen von den vielen großen tibetischen, Ch’an- und Zen-Meistern, die den Vinaya oder wenigstens nicht den Vinaya des Theravâda praktiziert haben. Thanissaros Aussagen zufolge, müssten sie alle von der Möglichkeit des Erwachens ausgeschlossen sein. Und was ist mit Bhaddalis interessanter Beobachtung, dass es mehr Erwachte gab, als noch kein Vinaya existierte? (M,I,444)."


    Was seht ihr?

    mukti:
    Axel Benz:

    Sie endet mit dem Tod. Ob sie durch den achtfachen Pfad (zwangsläufig) aufgehoben wird, kann weder ich noch sonstwer sagen. Wie auch? Über mich selbst kann ich mich irren, in andere kann ich nicht hineinsehen.


    Aha, danke für die klare Antwort Axel. Das war für mich immer die Frage warum ich mich anstrengen soll die Ich-Illusion aufzuheben, wenn ich ja nur auf den Tod zu warten brauche. Da fällt für mich das Motiv weg, es hätte auch gar keinen Sinn überhaupt die Ich-Illusion aufheben zu wollen während des Lebens. Denn sollte das Leben irgendwann völlig ungenießbar werden, mache ich einen Kopfsprung aus dem 15. Stock, das ist wesentlicher einfacher als den achtfachen Pfad mit dem Zweck zu gehen, die Ich-Illusion aufzuheben.


    Das was nach dem Tod passiert, ist meines Erachtens nicht mit dem dualistischen Verstand zu begreifen - warum sich also damit befassen?


    Es scheint jedoch Menschen zu geben, die die Sicherheit eines Lebens nach dem Tode benötigen, um sich nicht in nihilistischen Vorstellungen zu verlieren und sie nicht den Sinn ihrer Praxis verlieren. Für diese Menschen mag der traditionelle Weg notwendig sein.


    Und dann gibt es Menschen, die diese Sicherheit nicht benötigen - die Seelenwanderung - und dennoch so intensiv wie nur möglich praktizieren. Und für diese ist ein säkularer Weg gut genug.


    Das Lustige daran (und damit kann sich der Säkulare genüsslich ein Hintertürchen offen halten): Wenn es denn eine Seelenwanderung geben sollte, so wird das ethisch korrekte und hingebungsvolle Praktizieren wohl ausreichen, um die Bedingungen für eine günstige Wiedergeburt (vielleicht sogar als Hausloser) zu schaffen.

    mukti:


    Nicht-Ich in einem rein weltlichen Sinne, das bedeutet dann wohl die Ich-Illusion ist mit der Geburt entstanden und kann entweder durch den achtfachen Pfad aufgehoben werden, oder sie endet mit dem Tode?


    Warum ist das wichtig zu wissen? Ob etwas mit dem Tode endet oder nicht? Wen befriedigt dieses Wissen? Warum sollte es für die Praxis und den Weg von Belang sein?

    Elliot:


    Was ist das säkulare Nicht-Ich bzw. seine Lehre und was hat es gegebenenfalls mit dem (traditionellen) Buddhismus und dem achtfachen Pfad zu tun?


    Die Lehre des Nicht-Ich stellt den Schlüssel zum achtfachen Pfad dar, da er entweder


    a) auf der Ich-Empfindung aufbaut oder


    b) die Ich-Empfindung niederreißt.


    Praktizieren wir den achtfachen Pfad auf einer säkularen Ebene, geht es also nicht darum ein "spirituelles Ich" aufzubauen, sondern die Illusion des Ich zu durchschauen. (wie beim traditionellen Buddhismus auch).
    Und natürlich ist es sehr schwer, die Bereitschaft aufzubringen, sich kein "buddhistisches Ich" aufzubauen, sondern wirklich, wirklich zum tiefsten Kern der Lehre vorzudringen. Nicht umsonst heißt es, der Dharma verlange vollkommene Hingabe von uns.


    Ich selbst könnte nicht sagen, dass ich bislang, diese vollkommene Hingabe aufbringe. In manchen Monaten läuft es besser, in manchen weniger.


    Mich persönlich würde es weder


    a) meine Hingabe vertiefen, wenn ich an Seelenwanderung glauben würde


    b) noch meine Praxis verändern, wenn ich an Wiedergeburt glaube.

    mukti:
    Zitat

    12. (B.3) "Darüber erwägt ein Weiser so: 'Wenn es eine andere Welt gibt, dann wird dieser gute Mensch bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestimmungsort, ja sogar in der himmlischen Welt wiedererscheinen. Aber egal, ob das Wort jener guten Mönche und Brahmanen wahr ist oder nicht, einmal angenommen, es gibt keine andere Welt: dieser gute Mensch wird trotzdem hier und jetzt von den Weisen als eine sittsame Person gelobt, als einer mit richtiger Ansicht, der die Lehrmeinung der Bejahung [2] vertritt. Wenn es aber andererseits eine andere Welt gibt, dann hat dieser gute Mensch einen doppelt guten Wurf gemacht: weil er von den Weisen hier und jetzt gelobt wird, und weil er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, in glücklichen Umständen, ja sogar in der himmlischen Welt wiedererscheint. Er hat diese unbestreitbare Lehre richtig angenommen und übernommen, auf eine Weise, daß sie sich in beide Richtungen erstreckt und die unheilsame Alternative ausschließt.'
    http://palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m060z.html#r2


    Das ist eben die Frage, wie der "säkulare Buddhimus" dazu steht. Bewertet er "richtige Ansicht als "falsche "Ansicht", oder lässt er das offen? Gibt es da eine Übereinstimmung unter den Säkularen?


    Der Säkulare Buddhismus geht - im Gegensatz zum traditionellen Buddhismus davon aus, dass nicht alles, was im Pali-Kanon steht, auch wirklich die überlieferten Worte des Buddha sind. Darum bedarf es einer Überprüfung, um heraus zu finden, was er wirklich gesagt haben könnte, und was sich im Laufe der Jahrtausende an Bedeutungen eingeschlichen haben könnte.
    Auch gilt es zu überprüfen, inwieweit wir heute die überlieferten Worte noch genauso verstehen können wie Menschen damals vor 2.500 Jahren.


    "Rechte Sicht" bedeutet im Säkularen Buddhismus erstmal die Lehre des Nicht-Ich. Sie ist b- und da besteht ein breiter Konsens - als Schlüsselpunkt des achtfachen Pfades zu verstehen.
    Nicht-Ich kann jedoch auch in einem rein weltlichen Sinne verstanden werden - dazu bedarf es nicht des Glaubens an eine himmlische Welt, in die wir wiedergeboren werden.


    Christof Spitz - der Übersetzer des Dalai Lama - gelangt übrigens heute zu der Einsicht, dass die Lehre von Wiedergeburt und Karma die Lehre des Buddha nur am Rande berühren. Sie ist nicht wesentlich, um die buddhistische Lehre zu praktizieren und zu verstehen. Eine sehr säkulare Haltung, wie ich meine...


    Und hier ist genau der Punkt an dem säkulare Buddhisten stutzig werden. Warum erinnert sich heute kein Praktizierender mehr an diese frühere Geburten? Heißt das, das keiner von ihnen mehr Achtsamkeit im Sinne des Buddha zu praktizieren pflegt.


    Gerade an solchen Stellen wird doch deutlich, dass es eine enorme Diskrepanz gibt, zwischen den Lehren des Buddha und den Praktizierenden von heute.

    Elliot:


    Aber die Frage bleibt: Welche Rolle spielt, welche Folgen hat die erlebte oder angenommene Vergänglichkeit für einen säkularen Buddhisten?


    Eine interessante Frage: Denn die Frage nach der Vergänglichkeit führt einen säkularen Buddhisten direkt in einen existentiellen freien Fall. Das heißt, er muss die Auslöschung seines "ichs" absolut direkt und ohne Ausreden ins Auge blicken.


    Als traditioneller Buddhist kann man sich nämlich sehr wohl einen - meinetwegen auch unbewussten - Ausweg schaffen, indem man an Wiedergeburt und Seelenwanderung glaubt. Das beruhigt das Ego einfach ungemein - zu wissen, dass es noch weiter geht, dass man eben nicht ausgelöscht wird.


    Als säkularer Buddhist kann man sich lediglich sagen: mein "ich" wird mit dem Tode verlöschen, was darüber hinaus passiert, weiß ich nicht. Und der Buddha selbst hat uns dazu aufgefordert, nicht sonderlich viel darüber nach zu denken.

    Elliot:


    Einige könnten sich in die Tiefen des Weltalls zurückziehen und dort bis in alle Ewigkeit unentdeckt verweilen.


    Dies führt zu der Frage, was ist vor dem Urknall passiert. Gab es vor dem Urknall genau dieselben Protonen, die es heute auch gibt? Oder haben sie sich gewandelt in irgendeiner Form?


    Doch genau an dieser Stelle verstummt der Buddha. Und er wird sich wohl etwas dabei gedacht haben, nichts über den Zustand des Universums und dem ganzen Rest zu sagen. Und so sollten wir es wohl auch halten.

    accinca:


    "Seelenwanderung" gibt es nämlich lehrte der Buddha nur, das
    diese "Seele" keinen unwandelbaren Kern hat oder ist. Diese "Seele" ist
    das Problem und Ursache des Leidens. Sie besteht u.a. aus Triebhaften
    Neigungen die ihren Charakter bilden und stirbt nicht mit dem Körper.


    Sind Seele und Bewusstsein dann zwei verschiedene Dinge, bzw. ist Bewusstsein ohne Seele möglich?

    Elliot:


    "Ihr Bhikkhus, die blinde Schildkröte würde weniger Zeit benötigen, um den Hals durch jenes Joch mit dem einen Loch darin zu stecken, als ein Tor, wenn er erst einmal ins Verderben geraten ist, benötigen würde, um das menschliche Dasein wiederzuerlangen, sage ich. Warum ist das so? Weil es dort keine Dhamma-Praxis gibt, kein Praktizieren dessen, was rechtschaffen ist, keine Ausübung dessen, was heilsam ist, kein Ansammeln von Verdiensten. Dort herrscht gegenseitiges Fressen und Gefressenwerden, und das Abschlachten des Schwachen."


    (MN 129)


    Aussagen dieser Art nicht als Seelenwanderung (oder ähnliches) zu deuten, ist dann schon schwer...

    fotost:

    Außerordentliche Behauptungen fordern außerordentliche Beweise! Ich habe absolut kein Problem mit der Idee, daß nach dem Tod Karma weiterwirkt und das es deshalb wichtig ist, so wenig negatives Karma wie möglich entstehen zu lassen. Es gibt kein Reset im Leben.


    Problematisch wird die Vorstellung, daß angesammelte karmische Energie eines Menschenlebens (und früherer) irgendwie mit dem Entstehen eines neuen Menschen verbunden ist. Das hätte ich als moderner Mensch gerne etwas genauer.


    Die eleganteste Lösung wäre es zu sagen, Karma wird wiedergeboren. Und dass ist dann etwas, das jeder und jede sofort überprüfen und nachvollziehen kann: wie eben die eigenen Handlungen nachwirken und noch Generationen nach ihm beeinflussen.


    Schwierig wird es nur, wenn man unbedingt ein "ich" dran hängen muss. "Ich" erlebe das Karma "meiner" früheren Taten.


    Warum nicht einfach sagen: "Ich" erlebe das Karma früherer Taten (vom wem auch immer diese stammen...)


    1. Richtige säkulare Ansicht versteht die Lehre des Buddha als pragmatischen Befreiungsweg, ohne Metaphysik. Es ist ein praxis-orientiert Weg und kein glaubens-basierter.


    2. Anicca kann durch Beobachtung am eigenen Leben, am Leben anderer, durch die Beobachtung der Gesellschaft und der Natur verstanden werden.
    Dukkha kann ebenfalls durch Beobachtung am eigenen Leben, am Leben anderer, durch die Beobachtung der Gesellschaft und der Natur verstanden werden. Es ist - zumindest mir - noch kein einziger restlos glücklicher Mensch untergekommen.
    Anatta kann ebenfalls durch Beobachtung am eigenen Leben, am Leben anderer, durch die Beobachtung der Gesellschaft und der Natur verstanden werden. Zudem zeigen erste neuropsychologische Untersuchungen, dass es kein "ich" gibt.


    3. Da selbst langjährige Mönche Selbstmord begehen, ist gegen Nihilismus kein universelles Kraut gewachsen. Es gibt jedoch in jedem Menschen ein Gefühl des rechten Weges und jeder Mensch weiß auch, wann sein Verhalten ethisch ist und wann nicht.


    4. Den "Durst" beseitigen, wird nur der, der sein Leiden genug wahrnimmt. Dies hat jedoch weniger mit säkularer oder traditioneller Ansicht zu tun. Auch bei den Traditionellen gibt es welche, die das Leiden nicht genug wahrnehmen und dementsprechend weniger praktizieren.


    Ja, da gebe ich dir Recht. Und es ist wohl auch die einzige Möglichkeit, die Lehre des Buddha zu sehen: als eine pluralistische Vielfalt, die es ermöglicht, dass komplett unterschiedliche Menschen damit etwas anfangen können. Insofern ist es auch vollkommen in Ordnung, dass manche Praktizierende der Ansicht sind, nur ihre (traditionelle) Version der buddhistischen Lehre ist richtig - denn auch diese werden durch den Pali-Kanon bedient. Und es ebenso vollkommen in Ordnung, dass es Menschen gibt, die dies anzweifeln und eine säkulare Version benötigen. Und es ist vollkommen in Ordnung, wenn hitzige Debatten entstehen, einfach weil es vermutlich allen weiter helfen wird, die Lehre besser zu verstehen.


    Insofern muss nichts verändert werden - und wenn es dann doch geschieht, ist das auch in Ordnung.


    Was sind wir denn mehr als kleine Seifenblasen, die kurz davor sind, zu zerplatzen. Flüchtige Manifestationen, die dem ständigen Wandel unterworfen sind und die versuchen, sich der Befreiung anzunähern - so wie es eben ihr Karma (weltlich oder überweltlich) zulässt.

    Geronimo:
    Merkur-Uranus:

    Die Richtigkeit dieser Elemente kann jeder und jede Praktizierende schon nach kurzer Zeit der Analyse und Praxis erkennen (im Gegensatz zum Glaubenskonstrukt "Wiedergeburt")


    Das ist sicher so, aber interessant wäre auch zu klären wo die (spirituellen) Ziele des einzelnen säkularen Buddhisten liegen. Mein Ziel ist z.B. ganz klar vollkommener Frieden. Und was das ist, ist auch nicht individuell auslegbar, sondern ergibt sich universell aus dem Verständnis was Triebe sind und was sie für den wahren Frieden bedeuten.


    Das Ziel der buddhistischen Lehre könnte man als Erlöschen des Durstes definieren. Und dieses Ziel ergibt sich aus der Analyse des Durstes, den Bedingungen des Durstes, der Beendigung des Durstes und den Bedingungen der Beendigung.


    Insofern sehe ich eine große Übereinstimmung zwischen traditionellen und säkularen Buddhisten.


    Erst einmal ist es ja eine Stärke von Batchelor, dass er die Schwierigkeiten des Säkularen Buddhismus - und auch die Möglichkeit seines Scheiterns - so offen darlegt.


    Und dann wurden die einfachen grundlegenden Fragen ja schon beantwortet: Ein Kernelement des Säkularen Buddhismus ist der achtfache Pfad. Richtige Ansicht gründet sich in der Einsicht der Drei Daseinsmerkmale. Dazu benötigt es keinen Glauben und keine Metaphysik. Die Richtigkeit dieser Elemente kann jeder und jede Praktizierende schon nach kurzer Zeit der Analyse und Praxis erkennen (im Gegensatz zum Glaubenskonstrukt "Wiedergeburt")

    Elliot:

    "Wiederum, ihr Bhikkhus, besitzt da ein Bhikkhu Vertrauen, Sittlichkeit, Gelehrsamkeit, Großzügigkeit und Weisheit. Er hört, daß die Himmelswesen des Überströmenden Glanzes langlebig und schön sind und große Freuden genießen. Er denkt: 'Ach, möge ich doch bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode unter den Himmelswesen des Überströmenden Glanzes wiedererscheinen!' Er richtet seinen Geist darauf aus, lenkt ihn dort hin, entfaltet ihn. Diese Gestaltungen und dieses sein Verweilen, die so entfaltet und geübt wurden, führen dazu, daß er dort wiedererscheint. Dies, ihr Bhikkhus, ist der Pfad, der Weg, der dazu führt, daß er dort wiedererscheint."


    Hier hört dann die Praxis auf und fängt der Glauben an. Ein komplizierter Punkt, um den sich in dieser Diskussion ja alles dreht.

    Geronimo:


    Weil die Ansicht, das mit meinem Tod triebtechnisch nicht alles vorbei ist, wie auch immer man Wiedergeburt nun auslegt, für mich essentiell ist.
    Würde ich die Sache nicht so sehen, dann würde ich mich höchstwahrscheinlich nur einer besseren Wellness-Praxis zuwenden. Entsagung aber ist ein harter und schwieriger Weg, den man nicht ohne triftigen Grund gehen kann.


    Wozu sollte ich auf viele weltliche Freuden verzichten, wenn es am Ende keinen Unterschied machen würde? Für mich ist jedoch klar welchen Nutzen in der Entsagung liegt, und diese Klarheit ist erst dadurch entstanden, das ich "diese und die nächste Welt" in meine Betrachtungen miteinschließe.


    Das halte ich für einen essenziellen Unterschied zwischen säkularen und traditionellen Buddhisten. Denn diese Vorstellungen beruhen auf sehr unterschiedlichen Weltbildern und Glaubenssätzen.


    Ich möchte sagen, dass meiner Ansicht nach traditionelle Buddhisten ein eher negatives Menschenbild haben: Er muss durch den Glauben an Wiedergeburt in Bewegung versetzt werden - was letztlich eine angstbasierte Motivation ist.


    Während den säkularen Buddhisten eher ein positives Menschenbild zugrunde liegt: Der Wunsch nach Befreiung ist dem Menschen eigen und er wird aus diesem Wunsch heraus, alles erdenkliche unternehmen, um Befreiung zu erlangen. Selbst wenn er nicht sagen kann, was nach dem Tode kommt.


    Insofern braucht es wohl beide Formen: Für diejenigen Menschen, die ihren Hintern nicht hochbekommen (beziehungsweise runter aufs Kissen), braucht es eine angstbasierte Motivation (Feuerhölle!), während andere Menschen aus eigenem Antrieb genügend Motivation besitzen, dem Leiden ein Ende zu setzen, einfach weil sie den Funken der Befreiung in sich spüren.


    Wenn durch diese Praxis vollkommene (Trieb-)Befreiung möglich ist - wozu dann noch an Wiedergeburt, himmlische Wesen, Feuerhöllen etc. glauben? Warum genügt nicht einfach die Praxis?

    JazzOderNie:

    wenn jemand in unserer kultur gross wird und hier sein karma bekommt und auch wissenschaftlich orientiert ist, wieso ist es dann sofort dhamma-beschmutzung oder ein ausschliessen nur weil seine lehre damit ergaenzt? (...) dabei geht es um unterschiedliche zugaenge und entwicklungsstufen und wenn jemand das nicht noetig hat, weil er schon alles versteht, dann ist das sehr erfreulich und er sollte diese weisheit nutzen um den anderen auf ihrem individuellen weg zu helfen, aber es ist kein grund andere auf ihrem weg zu denunzieren.
    so sehe ich das.


    Ein schöner Beitrag, danke. So sehe ich es auch.