Beiträge von Merkur-Uranus

    raterZ:


    ok nochmal abseits der polemik: die wiedergeburts debatte gab es schon (zu) häufig hier im forum. wer auf wiedergeburt verzichtet, schlägt einen nihilistischen pfad ein.
    was hat das für auswirkungen? ich sehe darin das problem, dass man in zu kurzen zeitspannen denkt. klar bringt meditation und ethik etwas - man führt ein glücklichres leben mit 1-2 std meditation pro tag. das wars dann aber auch schon mit dem streben nach vollkommener befreiung. warum sollte man sich diesen stress der askese auch geben? da denkt man sich zu leicht: "lieber noch meine restliche zeit ganz glücklich verbringen.. wozu der stress? ein bisschen meditation tut es doch auch!"


    das ist wellness-dhamma!


    Der Punkt ist doch: Wer den ursprünglichen Buddhismus praktizieren möchte, muss sich ernsthaft fragen, warum er nicht in ein Kloster geht. Darum kann ich auch die Vertreter des "wahren Buddhismus" wie beispielsweise Accina nicht so recht ernst nehmen: Einerseits möchten diese Menschen den ursprünglichen Buddhismus leben - andererseits praktizieren sie ihn nur halbherzig, indem sie darauf verzichten, in ein Kloster zu gehen.


    Ein säkularer Buddhismus hingegen ist klar auf ein Leben in der Gesellschaft ausgerichtet. Ein moderner Laienbuddhismus, wenn man so möchte.

    void:


    Säkularisation bedeutet doch vor allem die Trennung von geistigen und weltlichen. Also dass in der Kirche keine Kruzifixe herumhängen oder das kein Land buddhitisch geführt wird. Säkulrisation bedeutet eine strenge Trennung von Religion und Staat die gerade die unter Punkt 2. genannten Misstände beseitigt. Aber ebenso wie der weltliche Bereich dadurch weltlicher wird, wird der spirituelle Bereich eben NICHT weltlicher sondern kann sich auf seiner Kernaufgabe konzentrieren. In diesem Sinne ist dann pardoxerweise konservative Knochen wie Geshe Kelsang säkularer als der Dalai Lama weil er meint Gelug-Mönche sollten eher meditieren als Exilstaaten zu führen, sich mit Hollywood und Wissenschaft austauschen oder für Apple Werbung machen.


    Auf der anderen Seite kann man unter Säkularisierung versteht, die Religion selbst zu verweltlichen. Also alles was man als nicht mehr zeigemäß und mit der modernen Sicht auf Demokratie, Menschenwürde und Rationalität unvereinbar erachtet, wegzulassen. Wenn man dabei meint, das was modern sei, sei deswegen immer auch heilsam im buddhitischen Sinn und das was nicht modern sei sei unheilsam, mogelt man sich um das eigentlich Problem herum und macht es sich unglaublich einfach.


    Das finde ich einen klasse Kommentar von dir Void.


    Batchelor möchte einfach die Metaphysik aus dem Buddhismus entfernen. Damit meint er alle Passagen aus dem Pali-Kanon, in denen es um Götter, Höllen, Wiedergeburten, Devas usw. geht. Übrig bleibt dann seines Erachtens die Kernlehre des Buddha:


    1. "das Prinzip der Bedingtheit (gegenseitige Abhängigkeit, bedingtes Entstehen)


    2. der Prozess der Vier Edlen Wahrheiten. (Ich ziehe es vor, von den Vier Edlen Wahrhei- ten als von den Vier Edlen Aufgaben zu sprechen.)


    3. die Praxis der Achtsamkeit. (Soweit wir wissen, war Meditation zur Zeit des Buddha weitgehend eine Innenschau und eine Vertiefung der Konzentration bis zu dem Punkt, an dem man sein eigenes wahres Selbst oder atman erkennen konnte.)


    4. die buddhistische Betonung des Sich-auf- sich-selbst-Verlassens. (Einer der Pali-Begriffe für eine Person, die den Achtfachen Pfad eingeschlagen hat, ist aparapaccaya – „nicht von anderen abhängig“. Mit anderen Worten: Das Einschlagen des Pfades ist zugleich das Erlangen der Unabhängigkeit.)" S.B.



    Die Frage ist: Braucht der Buddhismus wirklich mehr als diese genannten Punkte? Und wenn ja, warum?

    Aiko:

    Hier stimme ich Onyx zu - ich hatte mich genau aus diesem Grunde zurück gehalten - das Geschreibsel ist für den Autor einfach nur peinlich. Daran zeigt sich eben, dass er nicht in dieser Tradition sich auskennt. Ein Blinder, der von Farbe schwätzt.
    Darüber - über das Zitat - lässt sich auch nicht argumentieren, denn es sind einfach Mutmaßungen eines Schwätzers.


    Stephen Batchelor war viele Jahre lang Zen-Mönch. Insgesamt blickt er auf mehrere Jahrzehnte buddhistischer Praxis zurück. Soviel zur Aussage "Batchelor kennt sich nicht aus."


    Meine Frage Aiko: Du scheinst dich ja vortrefflich auszukennen - wie sieht bitte schön dein buddhistischer Hintergrund aus? Was befähigt dich, Stephen Batchelor einen Schwätzer zu nennen?


    Leider lässt sich nicht der Ansatz einer Argumentation in deinem Beitrag sehen. Stattdessen ablehnende Darstellung ohne jegliche fundierte Begründung.

    Aiko:
    Merkur-Uranus:

    Stephen Batchelor über die Beziehung zwischen säkularem und traditionellen Buddhismus:


    "Ich denke, von allen buddhistischen Traditionen ist Zen bereits am stärksten säkularisiert. Wenn man zum Beispiel Dogen liest, ist das ziemlich weltlich. Und wenn man sich mit den frühen Koan-Sammlungen befasst - Die Niederschrift von der Smaragdenen Felswand zum Beispiel -, so hat das nichts mit Metaphysik zu tun. Meine persönliche Identität als Buddhist enthält ein starkes Zen-Element, und ich vermute, dass meine Zen-Praxis mein aktuelles Denken stark geprägt hat. Zum Beispiel, indem Zen den Schwerpunkt eher auf Fragen statt auf Antworten legt - das ist bereits ein großer Sprung weg vom dogmatischen Glauben. Der Punkt ist, dass sich in vielen Texten des Zen nichts direkt Religiöses oder, besser gesagt, Metaphysisches findet. Zen, denke ich, war eine Rückkehr zur anti-metaphysischen Haltung des Buddha." S. Batchelor


    Ich denke - es reicht. Hanzze beobachtet dich schon, wie du hier versuchst zu provozieren.


    Eine Debatte zu führen wird von dir als Provokation gewertet? Wo fühlst du dich angegriffen?

    Stephen Batchelor über die Beziehung zwischen säkularem und traditionellen Buddhismus:


    "Ich denke, von allen buddhistischen Traditionen ist Zen bereits am stärksten säkularisiert. Wenn man zum Beispiel Dogen liest, ist das ziemlich weltlich. Und wenn man sich mit den frühen Koan-Sammlungen befasst - Die Niederschrift von der Smaragdenen Felswand zum Beispiel -, so hat das nichts mit Metaphysik zu tun. Meine persönliche Identität als Buddhist enthält ein starkes Zen-Element, und ich vermute, dass meine Zen-Praxis mein aktuelles Denken stark geprägt hat. Zum Beispiel, indem Zen den Schwerpunkt eher auf Fragen statt auf Antworten legt - das ist bereits ein großer Sprung weg vom dogmatischen Glauben. Der Punkt ist, dass sich in vielen Texten des Zen nichts direkt Religiöses oder, besser gesagt, Metaphysisches findet. Zen, denke ich, war eine Rückkehr zur anti-metaphysischen Haltung des Buddha." S. Batchelor

    accinca:
    Merkur-Uranus:

    Deshalb schlage ich vor, darüber nachzudenken, ob wir den Patienten vielleicht einer etwas größeren Operation unterziehen sollten. Mir ist dabei sehr wohl bewusst, dass der Patient das möglicherweise nicht überleben wird." Stephen Batchelor


    Das kann allerdings nur jemand vorschlagen der jegliche
    Bodenhaftung schon lange verloren hat. Jedenfalls brauchte
    man für den Rest weder einen Buddha noch einen Batchelor.
    Und es wird alle diejenigen die wissen wollen was der Buddha
    gelehrt hat nicht befriedigen.


    Leider gibt es von dir nur selten stichhaltige Argumente, sondern die meiste Zeit nur eine ablehnende Polemik.

    void:

    Ich verstehe nicht ganz wie Batchelor seinen Buddhismus 2.0 meint? Sieht er darin rein eine zusätzliche Möglichkeit für Ungläubige oder soll der ganz Buddhismus auf Version 2.0 upgeradet werden? Ist das 2.0 so etwas ähnliches wie die Sicht der Christen auf die Juden, die diesen ja quasi vorwerfen den Messias verschalfen zu haben. Das wäre schon ein wenig herablassend. Und jemand der in so modernen Zeiten immer noch Niederwerfungen und Mantras praktiziert oder an Widergeburt glaubt wäre dann wie jemand der Betamax benutzt, ein Grammophon besitzt und Regentänze aufführt - ein Ewiggestriger. Meint Batchelor das oder sind das unsere Ängste?


    "Der Punkt, um den es mir geht, ist folgender: Dem Buddhismus ist es gelungen, von Indien nach China, Tibet und Japan zu gelangen, in ganz unterschiedlichen Kulturen, und jedes Mal passte er sich erfolgreich an, ohne die ihm zugrundeliegende Metaphysik des indischen Denkens zu hinterfragen. Mein Gefühl gegenüber einem Buddhismus, der jetzt in die Moderne vordringt - und ich meine damit nicht nur den Westen, sondern die gesamte moderne globalisierte Welt -, ist, dass die Lücke zwischen dem traditionellen Buddhismus in Asien und der Moderne größer ist als die Lücke, die vielleicht zwischen Indien und China bzw. Indien und Tibet existierte. Ich bin mir ganz und gar nicht sicher, ob der Buddhismus überhaupt eine Zukunft haben wird, solange einfach nur kleine Änderungen an den asiatischen Traditionen vorgenommen werden. Deshalb schlage ich vor, darüber nachzudenken, ob wir den Patienten vielleicht einer etwas größeren Operation unterziehen sollten. Mir ist dabei sehr wohl bewusst, dass der Patient das möglicherweise nicht überleben wird." Stephen Batchelor


    Ein weiterer Punkt der für einen säkularen Buddhismus spricht: Da die "wahren Buddhisten" es nicht schaffen, zu erwachen - und sie sich deswegen mit Versprechungen an weitere Wiedergeburten klammern müssen - wird deutlich, dass es sich hier um nicht mehr als einen mythischen Popanz handelt.


    Ich halte es hier mit Jack Kornfield, der klar sagt, dass wenn ein Praktizierender nach 30 Jahren buddhistischer Praxis noch nicht erwacht ist, er etwas grundlegend falsch macht und/ oder den falschen Lehrer hat.


    Das was die "wahren Buddhisten" hier treiben, unterscheidet sich in keinster Weise von der katholischen Kirche: Ihre Anhänger werden mit einem jenseitigen Ziel vertröstet: "Praktiziere nur hingebungsvoll genug, dann wirst du in günstigen Umständen, zu Füßen eines wunderbaren Lehrers wiedergeboren werden."


    Das was hier als "wahrer Buddhismus" verkauft werden soll, unterscheidet sich in keinster Weise von der Ansicht einiger Fundamentalisten, die glauben, sie würden im Paradies wiedergeboren, mit 99 Jungfrauen zu ihren Füßen, wenn sie nur das täten, was ihnen der große Guru erzählt. Finsteres Mittelalter.

    Bakram:
    Zitat

    Als säkularer Buddhist verstehe ich meine Praxis in erster Linie als Antwort auf die Krise, die Fragen und das Leiden unserer Zeit. Zitat Buddhismus heute 2/13 S. 21 S. Bachelor


    Praxis a la Bachelor zielt nicht auf ein Individuum, schon gar nicht auf sich selber sondern auf eine unbestimmbare Masse anderer: in diesem Fall unsere Zeit, die angeblich eine Krise hat und Fragen und Leiden. Als ob "Zeit" Leiden könnte, Fragen hätte und Krisen durchmachen würde.


    Dann müsste der Tibetische Buddhismus ebenfalls geschlossen werden. Auch dieses System wurde konstruiert, um eine Antwort auf die Krisen, Fragen und das Leiden der damaligen Zeit zu finden. Es wurde eine geschlossene Herrschaftsform gebildet, in die sich jeder einzufügen hatte. Die Praxis zielte in Tibet nur zum Teil auf das Individuum. Zum anderen Teil war sie in jedem Moment eingebunden in ein verflochtenes kulturelles Gebilde.


    Oder nehmen wir die Funktion eines klassischen, traditionellen buddhistischen Klosters:
    "Die klassisch-buddhistische Form einer Gemeinschaft ist die Sangha, die Gemeinschaft von Mönchen und Nonnen, die den Weg des Buddha gehen. Traditionell leben Mönche und Nonnen dabei in Klöstern, die in früheren Zeiten oftmals einen zentralen Ort der Sozialisation und Wertevermittlung für die gesamte Dorfgemeinschaft bildeten. Der Mönch Aggacitta Bhikkhu schreibt, dass die Klöster lange Zeit ein integraler Bestandteil der vorwiegend ländlichen Dorfstruktur waren.Als solche erfüllten sie die Funktion des Dorfzentrums, in welchem Versammlungen und Festivitäten, Beratungen und Streitbeilegungen abgehalten wurden. Sie waren die örtliche Bibliothek, dienten als Vorschule für die Kinder ab fünf Jahren und waren eine Art Internat für die älteren, in dem sie wohnten, wenn sie zu weit von zu Hause entfernt zur Schule gingen. In den Klöstern wurden die jüngeren Kinder als Tempeljungen oder Novizen mit Grundkenntnissen in Lesen, Schreiben und Rechnen vertraut gemacht, von anderen Kindern, denen das zu Hause schon beigebracht wor- den war, lernten sie zu kochen, und die Mönche, von denen viele handwerkliches Geschick besaßen, brachten ihnen Dinge wie Körbeflechten oder Holzarbeiten bei. Sie wurden zu Disziplin, Gemeinschaftssinn, Respekt und Dankbarkeit erzogen und mit dem Dhamma vertraut gemacht. Die meisten Wats waren auch Orte, an dem das Wissen über bud- dhistische Theorie und Praxis ebenso wie über die traditio- nelle Kräutermedizin bewahrt und weitergegeben wurde. Reisende konnten hier immer mit einem Platz zum Schlafen, mit Wasser und Nahrung rechnen. Für alleinstehende ältere Frauen waren die Wats Zuflucht und Heimat, in der sie ihren Lebensabend verbringen konnten. Familien, die nicht genug hatten, um ihre Kinder zu versorgen, ließen diese als Novizen ordinieren, um sie so wenigstens körperlich und geistig versorgt zu wissen." Wetzky


    Wenn du dir die Mühe machst, einmal zu lesen, welche Funktionen ein buddhistisches Kloster auch hatte, dann wird deutlich, dass es IMMER auch darum ging, eine Antwort auf die Krise, die Fragen und das Leiden der jeweiligen Zeit zu finden.

    Es ist wirklich interessant zu sehen, dass diejenigen, die sich als die "wahren Buddhisten" bezeichnen, es nicht hinbekommen, eine vernünftige und logische Debatte zu führen. Stattdessen hagelt es Pauschalurteile und knappe und ablehnende Sprüche ohne Substanz.


    Meiner Ansicht liegt das daran, dass die "wahren Buddhisten" entweder es nicht schaffen, oder sich nicht trauen, eine eigene Meinung zu formulieren, beziehungsweise Dinge selbstständig durchdenken und eigene logische Schlüsse zu ziehen. Stattdessen wird sich auf den Pali-Kanon berufen und Zitate in den Raum geschmissen, die mehrdeutig zu interpretieren sind.


    Es ist nunmal so: Dieser mythische Buddhismus wird in der westlichen Gesellschaft immer ein Randphänomen bleiben. Für die wenigen, die zu diesem Randphänomen gehören, ist das auch vollkommen in Ordnung. Es ist auch okay, dass sie sich in dem Bewusstsein sonnen, den einzig wahren Buddhismus zu praktizieren.


    Nur: In einigen Jahren wird sich niemand mehr darum kümmern. Die Säkularisierung des Buddhismus ist nicht aufzuhalten und in einigen Jahren schon, wird er als der "normale Buddhismus" in die Bücher eingehen. Alles ist im Wandel.

    Bakram:

    Entweder Säkularismus oder Religigiosität.


    Bakram


    EIn guter Punkt: Warum sollte der Buddhismus eine Religion sein? War er für Buddha eine Religion? Nicht, das ich wüsste. Wer also hat die Lehre des Buddha zur Religion erhoben?


    Wenn man sich diesen Fragen stellt, ist es bis zu einer Säkularisierung der Lehre nicht mehr weit ;)


    Deine Antworten zeigen deutlich, dass du dich inhaltlich nicht mit dem säkularen Buddhismus auseinander gesetzt hast, sondern lediglich deine Ansichten eines "wahren Buddhismus" herunter spulst. Da du von den Silas sprichst: Wenn jemand sich an einer Diskussion beteiligt, ohne sich die Argumente der jeweiligen Parteien angehört hast, betreibst du eine unredliche Sache. Du gibst etwas vor (zu wissen, was der säkulare Buddhismus ist) ohne das dies der Wahrheit entspricht.


    Es gibt die fünf Silas. Doch kümmert sich niemand darum. ;)

    Bakram:


    Dhukka ist da und wird immer da sein ( 1. Wahrheit ) ganz gleich welches System, welche Ideale wir anstreben.


    Der Weg ( achtfacher Pfad) besteht nicht darin, die Welt an deine Bedürfnisse anzupassen sondern genau umgekehrt.


    Bakram


    1. Wo schreibt Stephen Batchelor, dass es kein Dhukka mehr geben wird? Falls du den Text gelesen hast, kannst du sehen, dass die vier edlen Wahrheiten, explizit aufgeführt sind.


    2. Wo schreibt Batchelor, dass es darum geht, die Welt an die eigenen Bedürfnisse anzupassen?

    accinca:


    Jeder kann sich auch seine eigene Wurst braten.
    Er sollte sie dann aber nicht "Buddhismus" nennen.


    Der Begriff "Buddhismus" ist bekanntermaßen ja ein europäischer Begriff, noch keine 200 Jahre alt. Alles was wir "Buddhismus" nennen, sehen wir durch unsere europäische Brille - ob uns das nun bewusst ist oder nicht, ob wir das nun mögen oder nicht.


    Ein "säkularer Buddhismus" ist einfach nur konsequent: Alle wesentlichen Elemente der Lehre sind darin enthalten (Die drei Merkmale, 4 e. Wahrheiten, 8facher Pfad). Diese werden nun jedoch so formuliert, dass auch eine westlich-säkulare Gesellschaft damit etwas anfangen kann.


    Der einzige Kritikpunkt den ich sehe, ist die Frage, wie "tief" ein säkularer Buddhismus reicht, also ob er wirklich die Essenz der buddhistischen Lehre erfasst.

    Unter diesem link findet ihr einen Auszug des Beitrages von Stephen Batchelor in der neuen Buddhismus aktuell: http://www.buddhismus-aktuell.de/heftaktuell_probe.pdf


    Kurz gesagt, skizziert er dort die Grundlagen eines säkularen Buddhismus: "Was meine ich mit dem Wort „säkular“? Einer- seits benutze ich es so, wie es üblicherweise ver- wendet wird, nämlich im Gegensatz zu dem, was wir uns unter Religion vorstellen. Doch ich ver- wende es auch in seinem wortgeschichtlichen Sinn. „Säkular“ kommt vom lateinischen „saeculum“, was „diese Zeit“ bedeutet. Damit ist nicht nur das Hier und Jetzt gemeint, sondern das Zeitalter, in dem wir uns befinden. Als säkularer Buddhist verstehe ich meine Praxis in erster Linie als Antwort auf die Krise, die Fragen und das Leiden unserer Zeit." S.B.


    Für Batchelor reicht die säkulare Vision vollkommen aus, "um ein ethisches Leben zu führen und sich in einer spirituellen Praxis zu engagieren, die ein solches Leben prägt. Das bedeutet aber für mich, dass wir den Buddhismus von Grund auf neu denken müssen. Ich stelle mir einen säkularen oder modernen Buddhismus nicht als moderne Umgestaltung einer traditionellen asiatischen Schule vor. Ich bin nicht besonders daran interessiert, die Schule des Theravada-, die tibetischen oder die Zen-Schulen zu reformieren. Sie werden zweifellos neue Formen entwickeln, die ihren Ursprüngen entsprechen. Aber ich glaube, dass ein säkularer Zugang tiefer geht. Mein Ausgangspunkt bei diesem Projekt besteht darin, zu den frühesten, heute verfügbaren Lehrtexten zurückzugehen. Und zwar, um zu fragen: Was von dem, was der Buddha gelehrt hat, stammt tatsächlich von ihm selbst?" S.B.


    Auf diese Weise gelangt Batchelor zu dem, was er das Spezifische an Buddhas Lehre bezeichnet:


    1. "das Prinzip der Bedingtheit (gegenseitige Abhängigkeit, bedingtes Entstehen)


    2. der Prozess der Vier Edlen Wahrheiten. (Ich ziehe es vor, von den Vier Edlen Wahrhei- ten als von den Vier Edlen Aufgaben zu sprechen.)


    3. die Praxis der Achtsamkeit. (Soweit wir wissen, war Meditation zur Zeit des Buddha weitgehend eine Innenschau und eine Vertiefung der Konzentration bis zu dem Punkt, an dem man sein eigenes wahres Selbst oder atman erkennen konnte.)


    4. die buddhistische Betonung des Sich-auf- sich-selbst-Verlassens. (Einer der Pali-Begriffe für eine Person, die den Achtfachen Pfad eingeschlagen hat, ist aparapaccaya – „nicht von anderen abhängig“. Mit anderen Worten: Das Einschlagen des Pfades ist zugleich das Erlangen der Unabhängigkeit.)" S.B.


    Für Batchelor ist aus dem Buddhismus im Laufe der Jahrhunderte eine Religion geworden, obwohl es Buddha nie darum ging:


    "Das bestätigt, was ein englischer Buddhismusforscher, Trevor Ling, vor etwa 50 Jahren in einem Buch über den Buddha ausgeführt hat. Er geht
    davon aus, dass Buddhismus nie als Religion gemeint gewesen sei, sondern eher als eine neue Zivilisation oder Kultur, die im Laufe der Zeit zu einer Religion mutiert sei. Sicherlich kann man Ähnliches auch vom Christentum und wohl auch vom Islam sagen. Religionen neigen dazu, die Inspirationen zu vergessen, die in ihrem eigenen Ursprung liegen.
    Buddhismus ist für mich also etwas, was es zu tun, nicht etwas, woran es zu glauben gilt. Er ist im Wesentlichen pragmatisch. Das zeigen auch viele der berühmten Parabeln, etwa die vom vergifteten Pfeil, bei der es darum geht, den Pfeil schnell herauszuziehen, ohne lange danach zu fragen, woher er gekommen ist. In einer ande- ren Parabel beschreibt sich der Buddha als jemanden, der in einen Wald gegangen ist, dort einen alten, überwachsenen Pfad entdeckt, die- sem folgt, in eine Ruinenstadt gelangt und sich schließlich daran macht, sie wieder aufzubauen. Der Buddha vergleicht diesen Pfad mit dem Achtfachen Pfad, den schon alle Buddhas der Vergangenheit gegangen seien. Es ist sehr inter- essant, dass dieser Pfad nicht ins Nirvana und zum Ende von Geburt und Tod führt, sondern zum Wiederaufbau einer Stadt. Das ist für mich ein zutiefst säkulares Bild, es verortet unsere Praxis darin, die Struktur dieser Welt zu verändern." Stephen Batchelor


    Der bekannte buddhistische Fundamentalist Hans Gruber bezeichnet Neumann ja als einen "gezielten christlichen Umdeuter", der den Buddhismus nicht verstanden hat.

    Matthias65:
    Merkur-Uranus:

    Würde der Buddha den Anhängern der Wiedergeburtslehre raten, sich in endlosen Diskussionen darüber zu verlieren, ob es denn Wiedergeburt gibt oder nicht? Oder würde er sagen, "wenn du ein richtiger Buddhist sein willst, dann lass den Diskussions-Quatsch und kümmere dich um die Überwindung deiner eigenen Ansichten und Konzepte?"


    Wenn Du, Merkur-Uranus, geschrieben hättest, würde der Buddha den Anhängern und Gegnern der Wiedergeburtslehre raten....u.s.w. dann hätte ich die Frage richtig gut gefunden oder meintest Du das auch so ?


    Natürlich sind damit alle gemeint. ;)

    Die Original-Literatur ist seit dem Ableben des Buddha nicht mehr vorhanden. Seit dem Tode Buddhas gibt es lediglich (kulturell eingefärbte) Interpretationen von Buddhas Lehre.


    Genau darum ist auch die Lehre des Erhabenen dem Wandel unterworfen. Seit Buddhas Tod verändert sich die Lehre - bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie ganz verschwindet. Dann reifen die Bedingungen, dass sich ein neuer Buddha manifestieren kann.


    Würde der Buddha den Anhängern der Wiedergeburtslehre raten, sich in endlosen Diskussionen darüber zu verlieren, ob es denn Wiedergeburt gibt oder nicht? Oder würde er sagen, "wenn du ein richtiger Buddhist sein willst, dann lass den Diskussions-Quatsch und kümmere dich um die Überwindung deiner eigenen Ansichten und Konzepte?"

    Falls es stimmt, dass der Buddha gesagt hat:


    "„Ihr Bhikkhus, wenn die Achtsamkeit auf den Körper immer wieder gepflegt, entfaltet, geübt, als Fahrzeug verwendet, als Grundlage benutzt, verankert, gefestigt und gut ausgeübt worden ist, können diese zehn Vorteile davon erwartet werden. Welche zehn?“ ...
    „Man erinnert sich an viele frühere Leben, das heißt, an eine Geburt, zwei Geburten, drei Geburten, vier Geburten, fünf Geburten, zehn Geburten, zwanzig Geburten ...
    (MN 119)"


    dann müsste es ja eine ganze Menge Menschen geben, die sich an ihre früheren Geburten erinnern können. Auch hier in Deutschland wäre zu erwarten, dass es einige Praktizierende geschafft haben, sich an ihre frühere Leben zu erinnern.


    Da sich jedoch niemand daran erinnert (selbst der Dalai Lama nicht), gibt es drei Möglichkeiten:


    1) Diese Aussage ist nicht von Buddha - und dann muss angenommen werden, dass alle andere Passagen über Wiedergeburt im PK nicht von Buddha sind.


    2) Buddha hat einfach die Wiedergeburt mit in seine Lehre miteinbezogen, als "geschicktes Mittel" sozusagen, um die Leute da abholen zu können, wo sie gerade stehen.


    3) Die Praktizierenden von heute (egal ob Ost oder West) sind nicht mehr in der Lage, angemessen zu praktizieren, so dass sie zumindest sich an vergangene Leben erinnern können. Wenn jedoch die Praktizierenden von heute sowieso nicht mehr in der Lage sind, angemessen zu üben und dementsprechende Vorteile erfahren... dann ist die ganze Diskussion auch in dieser Hinsicht überflüssig.


    merkur


    "Im populären Buddhismus, der eher auf Hingabe und Glaube basiert, gibt es die Vorstellung, dass wenn der Körper sich auflöst, die Seele in einen anderen Körper wechselt, in einen Baum, einen Hirsch, in eine andere Person, vielleicht schwarz oder braun oder weiß usw. Mit Rechter Sichtweise ist diese Anschauung naiv. Zu sagen, dass wir nach unserem Tod in anderen Formen des Lebens weiterexistieren, ist kein tiefes buddhistisches Verständnis. Die cinematografische Natur des Bewusstseins schließt eine solche Sichtweise aus. Nichts wird geboren, nichts stirbt, es gibt nur immer wieder neue Manifestationen in neuen Formen." Thich Nhat Hanh

    Meines Erachtens liegt die Schwierigkeit darin, eine buddhistische Form finden zu wollen, die FÜR ALLE Gültigkeit besitzt. Das liegt wohl in der menschlichen Natur (vor allem die des Westens), die Paradoxien nur schwer aushalten kann.


    Vielleicht ist es hilfreich, wenn man sich an eine pluralistische Vorgehensweise gewöhnt: Es gibt buddhistische Gruppierungen, für die "Wiedergeburt" extrem wichtig ist - und das ist vollkommen in Ordnung.


    Und es gibt buddhistische Gruppierungen, die mit "Wiedergeburt" nichts anfangen können und die auch nicht für ihre Praxis entscheidend ist - und das ist ebenfalls vollkommen in Ordnung.


    Auf diese Weise würden sich die verschiedenen Lager nicht mehr bekämpfen müssen - und unglaublich viel Energie verbrauchen, die nicht mehr für die Praxis da ist - sondern würde die Unterschiedlichkeit der Menschen und ihres Karmas anerkennen und würdigen.


    Wie Professor Jay Garfield schreibt, sollten wir „niemals die engstirnige Frage stellen, welcher Buddhismus nun der authentische ist. Besser ist es zu fragen: Wie ist es möglich, dass der Buddhismus sich so vielfältig entwickelt hat, dass er eine solche Vitalität besitzt? Wir sollten ihn mit einer Pflanze vergleichen, bei der es ja ein Zeichen von Gesundheit und Stärke ist, dass ihre Blüten, ihre Äste und Zweige eben nicht genauso aussehen wie ihre Wurzeln, sondern sich in ihrer ganzen Vielfalt entwickeln.“

    Frage zu dem Text von SoGen: Also sind die Bemühungen in diesem Leben durch Meditation, rechte Lebensweise Erleuchtung zu erlangen vergeblich, wenn es eben nicht bis zur Erleuchtung reicht? Oder sind sie ganz im Geiste des Mahayana ein Dienst für andere Wesen, explizit für die Existenz, die "zufällig" das angesammelte Karma übernimmt?
    Als Buddha Gautama starb wurde das Objekt des cuti-vinnana nicht an ein patisandhi-vinnana weitergegeben sondern verlosch?


    Antwort von SoGen: Werter Suchender, Du fragst:
    "Also sind die Bemühungen in diesem Leben ... Erleuchtung zu erlangen vergeblich, wenn es eben nicht zur Erleuchtung reicht?"


    Wenn man sich 'bemüht', den achtfachen Pfad zu gehen, 'um Erleuchtung zu erlangen' - dann wird das wohl nichts - auch, wenn es richtig ist, dass man in aller Regel den Pfad BETRITT, um Erleuchtung zu erlangen. Man bleibt dann beim 'Betreten' stehen. Sich um den Pfad zu bemühen, heisst von ihm getrennt zu sein. Den Pfad zu verkörpern, ist keine Mühe - sondern Erleuchtung. Der Knackpunkt dabei ist, das "um" zu überwinden. Das ist 'spiritueller Materialismus': ich praktiziere, UM damit etwas zu erreichen. Oder sogar: ich praktiziere, um damit etwas FÜR MICH zu erreichen. Genau diese Sicht steht der Erleuchtung im Weg. Es gibt Erleuchtung, aber ICH kann sie nicht haben. Ich kann allenfalls durch das Verkörpern des Pfades an ihr teilhaben. Übung ist Erleuchtung, Erleuchtung ist Übung. Zumindest wird es in meiner Tradition so gelehrt.


    "Oder sind sie ganz im Geiste des Mahayana ein Dienst für andere Wesen, explizit für die Existenz, die 'zufällig' das angesammelte Karma übernimmt?"


    Die Übung "im Geist des Mahayana" ist ein Dienst für ALLE Wesen. 'Alle Wesen' heisst nicht, für jedes einzelne - dahinter steht vielmehr die Sicht, dass 'alle Wesen' nicht voneinander getrennt existieren. Wenn dies so ist, dann ist da auch nicht 'ein Wesen', das die karmische Frucht 'eines (anderen) Wesens' erntet. 'Alle Wesen' wirken Karma. 'Alle Wesen' ernten die Frucht des Karma.


    Im Diamant-Sutra heisst es:


    »Jeglicher, o Subhuti, der hier den Pfad der Bodhisattvas betreten hat, muss seine Gedanken so gestalten: So viel Wesen es in dieser Welt des Daseins gibt, zusammengefasst unter dem Begriff der Wesen - sie seien aus einem Ei geboren oder aus dem Mutterleib, aus Feuchtigkeit entstanden oder durch Verwandlung - geformt oder ohne Form, denkend oder nicht denkend, oder weder denkend noch nicht-denkend; soweit Welten von Dasein bekannt sind, alle diese müssen von mir in der vollkommenen Welt der Auslöschung erlöst werden. Und dennoch, wenn so unermesslich viele Wesen erlöst wurden, wurde doch kein einziges Wesen erlöst. Und warum? Wenn, o Subhuti, ein Bodhisattva dem Gedanken eines Wesens anhinge, könnte er nicht Bodhisattva genannt werden. Und warum? Weil, o Subhuti, niemand ein Bodhisattva genannt werden sollte, für den der Gedanke eines Wesens (sattva), der Gedanke einer individuellen Seele (jiva) oder der Gedanke einer individuellen Person (pudgala) existiert.«


    "Als Buddha Gautama starb wurde das Objekt des cuti-vinnana nicht an ein patisandhi-vinnana weitergegeben sondern verlosch?"


    So wird es von den Theravadin gelehrt. Das Objekt des cuti-vinnana, sein 'Inhalt', sind ja die karmischen Prägungen. Diese wurden durch das Erwachen ausgelöscht - und einmal erwacht, entstehen auch keine neuen karmische Prägungen mehr. Man könnte sagen, das cuti-vinnana Buddhas war 'leer'.


    Aber das ist müßige Spekulation. Es ist eine Frage nach dem Wesen des Buddha - und eben diese Frage gehört nach theravadischer Auffassung zu den sog. accinteyani - den 'Unfassbarkeiten' oder 'Undenkbarkeiten'. Was nichts anderes heisst, als dass solche Fragen grundsätzlich unbeantwortbar sind.

    Zugegebenermaßen etwas lang, dennoch sehr lesenswert ist das Statement von SoGen (Zen; Buddhismus aktuell) zu


    Reinkarnation:


    "Wohl in keinem Punkt der buddhistischen Lehre existieren so viele Missverständnisse und Unklarheiten wie bei der Frage, ob und wie sich die Auffassung einer Wiedergeburt mit ihr vereinbaren lässt. Für den Außenstehenden und nur oberflächlich Informierten scheint die Sachlage klar zu sein: Buddhisten glauben an Wiedergeburt. Der Dalai Lama ist der Beweis dafür … Wer sich allerdings ein wenig tiefer mit dem Dharma beschäftigt, dem fällt recht schnell auf, dass vor allem die westliche Vorstellung von Reinkarnation (die im Abendland seit Buddhas Zeitgenossen Pythagoras präsent ist) als einer Metempsychose (Seelenwanderung) mit einer Kernaussage des Dharma in unauflösbar scheinendem Widerspruch steht: der Lehre vom Anatman, die die Existenz eines unveränderlichen Persönlichkeitskernes, einer Seele, bestreitet. Eine der Konsequenzen der Anatman-Lehre ist, dass zwischen zwei aufeinanderfolgenden Existenzen / Inkarnationen keinerlei Identität in der Substanz besteht.


    Ja, viele tibetische Buddhisten glauben an eine Art Reinkarnation. Bis die Tibeter von Buddhas Lehre zu ihrer eigentümlichen Reinkarnationslehre fanden, musste allerdings sehr viel Wasser den Ganges hinunterfließen. Die Entwicklung dieser Idee lässt sich geistesgeschichtlich einigermaßen gut verfolgen und ich versuche mal, das ein wenig zu skizzieren. Besonderes Gewicht werde ich auf die früheste Phase legen, da sie die Basis für das Verständnis des Späteren bildet.


    Einmal alle Fragen der Textkritik beiseitegelassen, so können wir doch mit einiger Sicherheit annehmen, dass die Sutten des Palikanon ziemlich genau die ursprüngliche Auffassung des Buddhadharma wiedergeben - wobei nicht verschwiegen werden soll, dass es gerade in der 'atman-Frage' schon sehr früh eine zahlenmäßig bedeutende dissidente Schulrichtung gab - die Vatsiputriya oder 'Personalisten'. Bei deren Lehren geht es uns freilich ähnlich wie bei frühen christlichen Häresien - wir kennen sie fast nur aus Polemiken ihrer Gegner und können sie daher nicht zuverlässig rekonstruieren.


    Das beschreibende Modell dafür, wie das 'Wandern in Samsara' vor sich geht, ist der sog. Konditionalnexus, pratityasamutpada (pali paticcasamuppada) - 'bedingtes Entstehen'. Um meine Ausführungen nicht allzusehr auszuwalzen, möchte ich nun nicht näher auf pratityasamutpada eingehen, nur klarstellen, dass eben dieses Modell das karmische Wirken beschreibt, ohne dazu eine durch die Zeiten (und verschiedene Leben) wandernde Entität annehmen zu müssen, einen 'atman'. Die Person ist 'zusammengesetzt' aus 'Aggregaten des Ergreifens', upadanaskandha. Darüber hinaus existiert nichts und diese skandhas sind 'leer' von einem Eigensein, was bedeutet, dass sie nur aus ihren spezifischen Ursachen und Bedingungen heraus existieren und mit diesen untergehen, also vergänglich (anitya) sind. So wie aus dem 'anatman' das 'anitya' folgt, folgt aus diesem wiederum das 'dukkhata', die leidhafte Qualität - das dritte der 'Seinsmerkmale' trilaksana.


    Um dies mit Belegstellen des Palikanon zu illustrieren:


    18. "Ist das Bewußtsein unvergänglich oder vergänglich?" - "Vergänglich, o Herr." - "Was aber vergänglich ist, ist das leidig oder freudig?" - "Leidig, o Herr." - "Was nun vergänglich, leidig, wandelbar ist, kann man dies mit Recht so ansehen: 'Dies ist mein, das bin ich, das ist mein Selbst'?" - "Gewiß nicht, o Herr."
    [...]
    23. "Daher, o Sona, was es irgend an Bewußtsein gibt, vergangen, künftig, gegenwärtig, eigen oder fremd, grob oder fein, gewöhnlich oder edel, fern oder nahe: von jedem Bewußtsein gilt: 'Dies ist nicht mein, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst'. - So hat man dies der Wirklichkeit gemäß mit rechter Weisheit zu betrachten.


    Samyutta Nikaya 22.49 - diese Aussage über das Bewusstsein (vijnana-skandha) wird für sämtliche weiteren skandhas wiederholt - ich erspare mir hier diese Wiederholungen. Des weiteren:


    Wenn nun, ihr Mönche, einer sagt: 'Außerhalb von Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung, Gestaltungen will ich des Bewußtseins Kommen oder Gehen, Schwinden oder Entstehen, Wachstum, Entwicklung, Fülle verkünden' - so besteht keine Möglichkeit dafür.


    Samyutta Nikaya 22.53 - d.h. das Bewusstsein, der vijnana-skandha, ist durch die anderen skandhas bedingt und kann nicht unabhängig von ihnen existieren.


    Konkrete Hinweise, wie man sich nun den Vorgang des 'Wanderns in Samsara' vorzustellen hat, findet man in den Sutten nicht - offensichtlich empfand Shakyamuni Buddha solche Darlegungen als nicht hilfreich. In der Regel beantwortete er konkrete Fragen in dieser Hinsicht mit Verweisen auf pratityasamutpada oder indem er derartige metaphysische Spekulationen als 'unweises Nachdenken' verurteilte - was für nachfolgende Generationen allerdings kein Hinderungsgrund war und ist, solche Spekulationen anzustellen.


    Als Beispiel dafür, wie die Theravada-Tradition die Sutren in Bezug auf 'Wiedergeburt' auslegt möchte ich mich im Folgenden auf das Visuddhimagga des Buddhaghosa beziehen. Zunächst die bekannte Stelle, die so anschaulich das Prinzip der 'Leere von einem Eigensein', anatman, wiedergibt:


    Das Leiden gibt es, doch kein Leidender ist da. Die Taten gibt es, doch kein Täter findet sich. Erlösung gibt es, doch nicht den erlösten Mann. Den Pfad gibt es, doch keinen Wanderer sieht man da.
    (Visuddhimagga XVI.4)


    Folglich kann auch nichts durch die Existenzen wandern - obwohl eine karmische Verbindung zwischen verschiedenen Existenzen besteht:


    Die in der Vergangenheit durch Karma bedingt entstandenen Daseinsgruppen [= skandhas, also Körperlichkeit, Empfindung, Wahrnehmung, Wille und Bewusstsein], die sind eben dort erloschen. Durch das vergangene Karma aber bedingt, sind in diesem Dasein andere Gruppen entstanden; doch ist aus dem vergangenen Dasein nichts in dieses Dasein übergegangen. Auch die in diesem Dasein durch Karma bedingt entstandenen Gruppen [skandhas] werden erlöschen; doch wird aus diesem Dasein nichts in das künftige Dasein übergehen.
    (Visuddhimagga XIX.8)


    Wie nun die Aufeinanderfolge verschiedener Existenzen vorgestellt wird, erläutert zunächst Kapitel XIV des Visuddhimagga, in dem der Vijnana-skandha untersucht wird - dort ist von einem individuellen 'Bewusstseinstrom' oder 'Bewusstseinskontinuum' (bhavanga sota) die Rede. Allerdings keinem anfangs- und endlosen, sondern einem, das mit der Geburt ins Dasein tritt (patisandhi citta) und mit dem Sterben endet (cuti citta). Nyanatiloka gibt in seiner Übersetzung (die ich hier zitiere) 'patisandhi' bzw. 'patisandhi-vinnana' mit 'Wiedergeburt' und 'Wiedergeburtsbewusstsein' wieder, was vielleicht seine eigenen Ideen wiedergibt, aber nicht unbedingt den Text. 'Patisandhi' heisst 'Wiederverknüpfung', 'Regruppierung'. Was da wieder verknüpft und gruppiert wird, sind skandhas. Unmittelbar auf patisandhi ("Sobald aber das *Wiedergeburtsbewußtsein* geschwunden ist") folgt nun das 'Unterbewusstsein' bhavanga mit demselben Bewusstseinsobjekt. Das bhavanga ist nicht präexistent, es entsteht erst mit dem "Schwinden" des patisandhi-vinnana. Dieses bhavanga liegt nun sämtlichen folgenden Bewusstseinsprozessen zugrunde; die es konstituierenden Bewusstseinsmomente bilden das individuelle "geistige Kontinuum", das im Theravada gelehrt wird.


    Der allererste Bewusstseinsmoment, das patisandhi-vinnana, initialisiert also ein permanentes Substrat, das sogenannte Bewusstseinskontinuum oder bhavanga-sota, das dann als tiefste Schicht des Bewusstseins karmische Prägungen aufnimmt. Diese 'Prägungen' sind das Bewusstseinsobjekt des Bewusstseinsubjektes bhavanga-sota. Ein 'Kontinuum' ist dieser Bewusstseinstrom, weil er auch im Tiefschlaf oder bei tiefer 'Bewusstlosigkeit' nicht abreisst - er ist der eigentliche Grund für die Kontinuität der empirischen Person. So wie patisandhi-vinnana der erste Bewusstseinsmoment dieses Bewusstseinsstromes ist, so ist das Sterbebewusstsein cuti-vinnana sein letzter. Der Bewusstseinsskandha ist dann auf seine tiefste Schicht, sein Substrat, reduziert bevor es unwiderruflich erlischt.


    Pratityasamutpada, das bedingte Entstehen wird nun in Visuddhimagga XVII erläutert. Die 'Verknüpfung' zweier Existenzen, patisandhi, wird über ein karmisch gestaltetes Bewusstseinsobjekt hergestellt. Das Subjekt dieses Bewusstseinsobjektes ist zunächst ein Sterbebewusstsein, cuti-citta.
    "Der allerletzte Unterbewußtseinsmoment in einem Dasein nämlich wird wegen seines Schwindens als das 'Abscheiden' (cuti, Sterben) bezeichnet".
    Mit diesem "Schwinden" ist die Kontinuität eines Bewusstseins beendet, der Vijnana-skandha nicht mehr existent. Das Bewusstseinsobjekt wird nun als initialisierendes Objekt eines anderen Subjektes, eines neu entstehenden Bewusstseins, ergriffen. Eben dies ist patisandhi, der erste Bewusstseinsmoment eines neuen Vijnana-skandha.


    Ein bloßes Phänomen ist's, ein bedingtes Ding, Was da ins Leben tritt im spätern Dasein. Nicht wandert es aus früh'rem Dasein dort hinüber, Und doch ist's nicht entstanden ohne früh'ren Grund. [...] Hierbei nun wird das frühere Bewußtsein wegen seines Abscheidens als das 'Sterben' (cuti) bezeichnet, das spätere Bewußtsein aber wegen seines Sichwiederverbindens mit dem Anfang eines neuen Daseins als die 'Wiedergeburt' (patisandhi, wörtlich 'Wieder- verbindung'). Nicht aber ist dieses Bewußtsein aus dem früheren Dasein in dieses herübergewandert, noch auch ist es entstanden ohne solche Anlässe wie Karma, Karmaformationen, Neigung, Objekt usw., wie man wissen sollte.
    (Visuddhimagga XVII)


    Nochmals - patisandhi ist der Moment, in dem ein neu entstehendes ("aufsteigendes") Bewusstsein, das als patisandhi-vinnana bezeichnet wird, ein Bewusstseinsobjekt ergreift, das vorher Objekt eines nicht mehr existenten (geschwundenen) Bewusstseins (cuti-vinnana) war. Zwischen cuti-vinnana und patisandhi-vinnana ist eine 'Nullstelle' (um den Begriff 'Kontinuum' physikalisch zu gebrauchen), ist die Grenze zwischen zwei individuellen geistigen Kontinua, die als bhavanga-sota bezeichnet werden. An dieser 'Nullstelle' existiert kein Bewusstsein, es existiert lediglich das Bewusstseinsobjekt als 'Verknüpfung'.


    Wer bisher mitgelesen hat, wird sich nun vielleicht fragen, wie denn ein Bewusstseinsobjekt von einem Bewusstsein in ein anderes wechseln kann, als wäre es ein Frosch, der von einem Tümpel zum anderen hüpft. Das hieße praktisch, dass das Bewusstseinsobjekt (zumindest im Moment des Wechsels, der 'Nullstelle' zwischen den Bewusstseinskontinua) unabhängig von einem Subjekt existieren kann. Dieses Problem bleibt - soweit ich sehe - im Theravada-Abhidhamma ungeklärt. Die (nach dem Madhyamaka) zweite große Schule des Mahayana, die Yogacara- oder Vijnaptimatra-Schule, hat hier einen Lösungsansatz formuliert, indem sie ein zeitlich unbegrenztes, über-individuelles Kontinuum postuliert hat, das gewissermassen das Medium darstellt, mittels dessen karmische Eindrücke als 'Samen' (bija) oder 'Gewohnheitsenergien' (vasana) von einem untergangenen Bewusstsein in ein neu entstehendes eintreten können. Dieses Medium oder Kontinuum ist der alaya, der 'Speicher'. Die (gängigere) Bezeichnung 'alaya-vijnana' ist etwas verfänglich, da sie häufig die irrige Auffassung begünstigt, es handle sich um ein individuelles überzeitliches Bewusstsein - eines, das womoglich sogar ein Selbstbewusstsein hat. Das wäre natürlich nichts anderes als ein atman / brahman - Konzept. Der alaya-vijnana ist jedoch eher mit dem abendländischen Begriff 'Geist' (im Hegel'schen Sinn) verwandt - es ist der Seinsgrund aller Dinge, der durch karmische Impulse Form erhält, jedoch 'leer' im Sinne der anatman-Doktrin ist.


    Bis hierher haben wir also zwei unterschiedliche Konzepte von geistigen Kontinua. Wir haben den individuellen, zeitlich begrenzten bhavanga-sota des Theravada-Abhidhamma und wir haben den überzeitlichen, aber auch jede Indivdualität übersteigenden und umfassenden alaya der Yogacarin. Lassen wir jetzt noch ein paar hundert Jahre die Wasser des Ganges weiterplätschern und im 7. Jahrhundert - weit über ein Jahrtausend nach Buddhas parinirvana - tritt in Nordindien ein Mann namens Dharmakirti auf, der sich vor allem als Logiker einen Namen machte. Bei ihm (bzw. in seinem Werk Pramanavarttika) finden wir nun die Wurzel der spezifisch tibetischen Vorstellungen von Reinkarnation. Diese beruhen - zusammengefasst - ebenfalls auf einem individuellen Bewusstseinsstrom, Bewusstseinskontinuum oder Geisteskontinuum (die Terminologie ist nicht einheitlich), das dem bhavanga-sota durchaus vergleichbar ist, nur dass dieses als anfangs- und endlos angesehen wird. Oder anders formuliert: ein alaya, das aber nicht monistisch (alles Sein umfassend) aufgefasst wird, sondern als individuelles Bewusstseinssubstrat. Aus dem einen alaya-vijnana der Yogacarin werden also unendlich viele, individuelle und überzeitliche Bewusstseinsströme. Ausgebaut, ausformuliert und schließlich bis in unsere Tage tradiert wurde diese Lehre dann im Anuttara-Yoga-Tantra (nicht vor dem 8. Jahrhundert u.Z. entstanden). Die Kagyupa (eine der vier tibetischen buddhistischen 'Sekten') führen außerdem noch gerne das Uttaratantra-Shastra an, das Asanga von dem zukünftigen Buddha Maitreya persönlich diktiert worden sein soll. Was natürlich ein krasser Anachronismus ist, wenn man es mit anderen Schriften des Yogacara-Begründers Asanga (geb. um 300) vergleicht. 'Entdeckt' wurde der Text von Maitripa (im 11. Jahrhundert u.Z.) .... Gemäß dieser Lehre wird jedem Wesen ein eigenes, isoliertes "geistiges Kontinuum" zugeordnet, das ohne Anfang und Ende ist und das nach dem Tod dieses Wesens auf Grundlage einer "subtilen Energie" oder eines "subtilen Körpers" weiterexistiert bis es sich "mit einer anderen physischen Grundlage fortsetzt" (die in Anführungszeichen gesetzten Passagen stammen aus einem einschlägigen Vortrag Alexander Berzins, vgl. hier). Würde ich um eine Definition von 'atman' oder 'Seele' gebeten, dann würde sie sich ziemlich genau so anhören.


    Die Namen der Texte (Anuttara-Yoga-Tantra, Uttaratantra-Shastra) verraten es schon - wir sind hier im Vajrayana, dem esoterischen tantrischen Buddhismus und es ist nicht zu übersehen, dass hier in erheblichem Umfang hinduistische Vorstellungen Eingang gefunden haben. Diese tantrische 'Bewusstseinskontinuum-Theorie' hat keinen Eingang in den 'mainstream' des fernöstlichen Buddhismus (China, Korea, Japan, Vietnam) gefunden und selbstverständlich auch nicht in den Theravada-Buddhismus Sri Lankas und Südostasiens (Burma, Thailand, Siam, Kambodscha). Sie wurde nach dem Untergang des Buddhismus in Nordindien zu einer tibetischen 'Spezialität'."