Beiträge von Merkur-Uranus

    Simo:


    Meiner Ansicht nach ist das eine überaus inkonsequente Deutung der Vier Edlen Wahrheiten (der 4 Grundannahmen).
    Liebe Grüße.


    "Wenn irgendein Glaubenssatz als grundlegend für Buddhas Lehre betrachtet werden kann, dann dürften es die vier edlen Wahrheiten sein, wie sie in der Ersten Lehrrede formuliert worden sind, von der angenommen wird, dass sie im Wildpark bei Isipatana (Sarnath) verkündet worden ist, nicht lange nach seinem Erwachen in Uruvelā (Bodh Gaya). Doch wenn wir den Text in der Fassung lesen, in der er uns überliefert wurde (es gibt siebzehn Versionen in Pali, Sanskrit, Chinesisch und Tibetisch), erscheint er auf den ersten Blick fest in der Erlösungslehre des Buddhismus 1.0 verwurzelt zu sein. Das Leiden in Form von Geburt, Krankheit, Altern und Tod (die erste edle Wahrheit) hat seinen Ursprung im Verlangen (die zweite edle Wahrheit). Nur wenn dieses Verlangen durch die Erfahrung von nibbāna (die dritte edle Wahrheit) zu einem Halt gebracht werden kann, wird das Leiden, das durch Verlangen verursacht wird, gleichfalls zu einem Ende kommen. Und der einzige Weg, diese endgültige Befreiung vom Leiden zu verwirklichen, besteht darin, dem edlen achtfachen Pfad zu folgen (die vierte edle Wahrheit). Das Ende vom Leiden ist deshalb nur zu erreichen, indem das Verlangen beendet wird, welches das Rad der Wiedergeburt antreibt. In der Tat verkündet der Buddha gegen Ende der Rede, dass «dies die letzte Geburt» sei. So lange man in dieser Welt als verkörpertes Lebewesen verbleibt, ist das Höchste, das man erreichen kann, eine gewisse Linderung des Leidens. Denn, damit Leiden tatsächlich aufhört, muss man den Prozess der Wiedergeburt überhaupt anhalten.


    Eine solche Lesart der Lehrrede würde anscheinend wenig Raum für eine säkulare Auslegung des Textes übrig lassen, wenn überhaupt. Denn diese Welt der Geburt, Krankheit, Altern und Tod, welche unser saeculum ausmacht, ist genau das, was notwendigerweise zu einem Ende gebracht werden muss, wenn wir jemals echte Erlösung oder Befreiung erreichen wollen. Orthodoxer Buddhismus zeigt sich hier im Grunde der indischen asketischen Tradition verpflichtet, die das Leben in dieser Welt als etwas betrachtet, das jenseits von Erlösung ist und dem entsagt werden soll. Der wichtigste Wert der menschlichen Existenz besteht darin, dass sie im Ablauf der unendlichen Runde der Wiedergeburten den günstigsten Zustand darstellt, um geboren zu werden, weil sie eben die besten Bedingungen bietet, der Wiedergeburt überhaupt zu entfliehen. Und das ist nicht nur die Sicht des «Hinayana»-Buddhismus. Die «Mahayana»-Traditionen sagen genau das gleiche, der einzige Unterschied besteht darin, dass der mitfühlende Bodhisattva so lange auf seine oder ihre endgültige Befreiung von der Wiedergeburt verzichtet, bis nicht zuerst auch alle anderen fühlenden Wesen sie erreicht haben.


    Dennoch, bei genauerer Analyse dieser Lehrrede treten gewisse Ungereimtheiten in der Struktur des Textes zu Tage. Die Erste Lehrrede kann nicht als wortwörtliche Niederschrift von dem, was der Buddha im Wildpark lehrte, behandelt werden, sondern als ein Dokument, das sich über eine unbestimmte Zeit entwickelt hat, bis es die Form erreichte, in der es heute in den Kanons der verschiedenen buddhistischen Schulen vorgefunden wird. An diesem Punkt kommt uns die moderne, historisch-kritische Wissenschaft zu Hilfe, als ein Mittel, einige der altehrwürdigen Ansichten buddhistischer Orthodoxie zu erschüttern.


    6.


    Der britische Philologe K.R. Norman ist einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der «Mittleren Indo-Ᾱryan Prakrits», d.h. der gesprochenen Sprachen (Prakrits), die aus dem Sanskrit abgeleitet sind, und die nach der klassischen Periode und vor der Neuzeit in Indien verwendet wurden. Zu diesen gehört Pali, die Sprache, in der die Lehrreden, welche dem Buddha zugeschrieben werden, in der Theravada-Schule erhalten sind. In einer aus 1992 stammenden Arbeit unter dem Titel «The Four Nobles Thruths» bietet Norman eine detaillierte philologische Analyse der Ersten Lehrrede an und kommt zu dem überraschenden Schluss, dass «die früheste Fassung dieses Sutta das Wort ariya-saccaṃ (edle Wahrheit) nicht enthalte» (Norman 2003: 223). Aus grammatikalischen und syntaktischen Überlegungen zeigt er auf, wie der Ausdruck «edle Wahrheit» unfachmännisch zu einem späteren Zeitpunkt als dem der ursprünglichen Abfassung in den Text interpoliert worden war. Aber weil kein solcher Originaltext bis auf unsere Tage überliefert ist, können wir nicht wissen, was er wirklich aussagte. Alles was vernünftigerweise gefolgert werden kann, ist, dass statt der Rede von vier edlen Wahrheiten, der Text lediglich von «vier» sprach.


    Der Begriff «Edle Wahrheit» wird so sehr als selbstverständlich angenommen, dass wir seinen polemischen, sektiererischen und arroganten Ton gar nicht bemerken. Alle Religionen behaupten, dass das, was sie und nur sie allein lehren, sowohl «edel» als auch «wahr» ist. Dies ist die Art von Rhetorik, wie sie im Religionsgeschäft verwendet wird. Man kann sich leicht vorstellen, wie im Laufe der Jahrhunderte nach Buddhas Tod seine Anhänger, im Laufe des Sich-gegenseitig-übertrumpfen-Wollens der konkurrierenden Sekten im alten Indien, zunehmend überhöhte Ansprüche bezüglich der Überlegenheit der Doktrinen ihres Lehrers machten, was in der Einführung des Ausdrucks «edle Wahrheit» resultierte, um das Dharma zu privilegieren und von dem, was ihre Mitstreiter lehrten, zu unterscheiden.


    Eine Implikation von Norman’s Entdeckung ist, dass der Buddha sich möglicherweise überhaupt nicht mit Fragen der «Wahrheit» beschäftigt hat. Sein Erwachen dürfte wenig damit zu tun gehabt haben, eine wahrhaftige Erkenntnis der «Realität» zu gewinnen, oder ein privilegiertes Verständnis darüber, wie die Dinge wirklich sind. Zahlreiche Passagen im Kanon bezeugen, wie sehr der Buddha sich weigerte, die großen metaphysischen Fragen anzusprechen: Ist die Welt ewig, nicht ewig, endlich, unendlich? Sind Körper und Geist dasselbe oder unterschiedlich? Gibt es eine Existenz nach dem Tod, oder nicht, oder keines von beiden, oder beides?2 Statt sich in solchen Diskussionen zu verlieren, bestand er darauf, einen therapeutischen und pragmatischen Weg zu enthüllen, welcher die Kernfrage des menschlichen Leidens betraf. Er erkannte, dass man endlos über die Wahrheit oder Falschheit von metaphysischen Behauptungen diskutieren könnte, ohne jemals zu einer endgültige Entscheidung zu gelangen, und darüber versäumen würde, mit der weit dringenderen Angelegenheit der eigenen Geburt und des Todes, sowie der der anderen, klarzukommen.


    Sobald die verführerische Vorstellung von «Wahrheit» den Diskurs des Dharma zu durchdringen beginnt, entsteht die Gefahr, dass der pragmatische Schwerpunkt der Lehre durch spekulative Metaphysik ersetzt wird, und Erwachen wird so als das Erreichen eines inneren Geisteszustandes gesehen, der irgendwie mit einer objektiven metaphysischen «Realität» übereinstimmt. Diese Tendenz wird dann noch ausgeprägter, wenn «Wahrheit» weiter qualifiziert wird, entweder als eine «absolute» (paramattha) oder als eine nur «relative» (samutti) Wahrheit. Obwohl diese Zwei-Wahrheiten-Lehre von zentraler Bedeutung für das Denken aller buddhistischen Orthodoxien ist, kommen die Begriffe «absolute Wahrheit» und «relative Wahrheit»nicht ein einziges Mal im den Sutta oder Vinaya Pitakas (Körbe) des Pali Kanons vor. Doch für die meisten buddhistischen Schulen – einschliesslich des Theravada – wird Erleuchtung heute als das Gewinnen eines direkten Einblicks in die Natur irgendeiner ultimativen Wahrheit verstanden.


    Dieses Privilegieren von «Wahrheit», würde ich sagen, ist einer der wichtigsten Indikatoren dafür, wie der Dharma allmählich von einer befreienden Praxis des Erwachens in das religiöse Glaubenssystem namens Buddhismus transformiert wurde.


    7.


    Öffne ein einführendes Buch über Buddhismus und du wirst üblicherweise auf den ersten paar Seiten eine Aufzählung der vier edlen Wahrheiten finden. Ausnahmslos werden sie in der Form von vier Aussagen vorgestellt werden, ungefähr wie folgt:


    1. Leben ist Leiden.


    2. Ursprung des Leidens ist Verlangen.


    3. Beendigung von Leiden ist nibbāna.


    4. Der edle achtfache Pfad ist der Weg, der zur Beendigung des Leidens führt.


    Genau durch die Art und Weise, in der diese Information meistens vorgestellt wird, wird der Leser herausgefordert zu überlegen, ob diese Aussagen wahr oder falsch sind. Am Anbeginn jeden Engagements für das Dharma erfährt man sich selber als Spieler des Sprachspiels «Auf der Suche nach der Wahrheit». Die unausgesprochene Annahme besteht darin, dass du dann qualifiziert bist, ein Buddhist zu sein, wenn du glaubst, dass diese Aussagen wahr sind, während du es nicht bist, wenn du sie als falsch erachtest. So wird man stillschweigend aufgefordert, den nächsten Schritt zu tun und eine Unterscheidung zwischen «Gläubiger» und «Ungläubiger» zu bekräftigen, d.h. zwischen denen, die den Zugang zur Wahrheit erlangt, und denen, die ihn nicht erreicht haben. Dies führt die Art von Trennung ein, die letztendlich ebenso zu kultischer Solidarität führen kann als auch zu Hass gegen andere, die nicht die eigenen Ansichten zu teilen. «[W]enn das Wort Wahrheit geäußert wird», bemerkte der italienische Philosoph Gianni Vattimo, «dann wird auch ein Schatten von Gewalt geworfen».3 Aber, falls Mr. Norman Recht hat, dann dürfte der Buddha seine Ideen überhaupt nicht im Sinne von «Wahrheit» dargelegt haben.


    Jede dieser Aussagen ist ein metaphysisches Statement, in seiner Art nicht unterschieden von «Gott ist die Liebe», «Schöpfung entsteht durch den Odem des Einen», «Glückseligkeit ist ewige Verbindung mit Brahman», oder «Du kommst zum Vater nur durch mich». Vielleicht wegen der eher psychologisch klingenden und nicht-deistischen Begriffswelt des Buddhismus (ganz zu schweigen von der weit verbreiteten Überzeugung, Buddhismus sei «rational» und «wissenschaftlich») mag man die offensichtlich metaphysische Natur der Behauptungen der vier edlen Wahrheiten nicht bemerken, bis man beginnt, sie entweder zu beweisen oder zu widerlegen.


    «Verlangen ist die Ursache von Leiden». Wie ist dann Verlangen die Ursache von Alter? Wie soll Verlangen die Ursache der Schmerzen eines Babys sein, das mit zystischer Fibrose geboren wurde? Wie ist Verlangen die Ursache dafür, in einem Unfall von einem Lastwagen überfahren zu werden? Ich habe festgestellt, dass heutige buddhistische Lehrer, die sich vielleicht mit der Metaphysik von kamma und Wiedergeburt nicht so wohl fühlen, oft versuchen werden, dies psychologisch zu erklären. «Verlangen ist natürlich nicht die Ursache von physischem Schmerz des Alters oder des zerquetscht Werdens unter den Rädern eines 3,5 Tonnen schweren Fahrzeuges», werden sie sagen. «Aber es ist durch das Verlangen, diese Dinge mögen nicht passieren, und durch das Unvermögen, das Leben so zu akzeptieren, wie es uns begegnet, dass wir uns selber unnötigen mentalen Kummer bereiten, zusätzlich zum physischen Schmerz.» Es ist offensichtlich, dass wir uns selbst oft auf diese Weise unnötigen seelischen Schmerz bereiten, und eine Anzahl von Passagen im Pali Kanon kann zitiert werden, um solch eine Lesart zu stützen. Doch wenn der Buddha in der Ersten Lehrrede erklärt, was er unter dukkha versteht, dann beschreibt er es nicht als «unnötigen seelischen Schmerz», sondern als Geburt, Krankheit, Alter und Tod, sowie die «fünf Bündel des Anhaftens» selbst. In anderen Worten: die Gesamtheit unserer existenziellen Situation in dieser Welt. Wenn wir den Text so nehmen, wie er dasteht, dann ist die einzige vernünftige Interpretation der Aussage «Verlangen ist die Ursache von Leiden» die traditionelle: Verlangen ist die Ursache von Leiden, weil Verlangen das ist, was verursacht, dass man sich Taten hingibt, die dazu führen, dass man geboren, krank und alt wird und stirbt. Aber natürlich ist dies Metaphysik: eine Wahrheitsbehauptung, die weder überzeugend bewiesen noch widerlegt werden kann.


    In meinem Buch Buddhismus für Ungläubige (1997) habe auch ich den Fehler begangen, dukkha im Sinne von Verlangen zu interpretieren, welches dieses verursachen soll. Ich überlegte, wenn dukkha von Verlangen herrührt, dann muss es sich auf den seelischen Schmerz beziehen, der durch den Griff des Verlangens erzeugt wird. Deshalb übersetzte ich dukkha als «seelischen Schmerz» [in der deutschen Übersetzung des Buches wurde das englische Wort «anguish» mit «Angst» übersetzt, was den Übersetzern dieses Textes aber als besonders unpassend erscheint]. Ungeachtet dessen, ob Verlangen solchen seelischen Schmerz hervorruft oder nicht, das ist nicht wie dukkha in der Ersten Lehrrede dargelegt wird. Als ein Ergebnis dieser Art Interpretation wird dukkha als ein rein subjektives Problem gesehen werden, das durch korrekte Anwendung der Techniken von Achtsamkeit und Meditation «gelöst» werden kann. Denn dukkha ist genau dasjenige Leiden, dass unnötigerweise zu den unausweichlichen Schmerzen und Frustrationen des Lebens hinzugefügt wird. Diese psychologische Lesart dreht die Praxis des Dharmas zusehends nach innen, weg von der Sorge um ein allgegenwärtiges dukkha des Lebens und der Welt, hin zu einer exklusiven, sogar narzisstischen Angelegenheit mit subjektiven Gefühlen von Mangel und Kummer.


    8.


    Der Begriff «Wahrheit» ist so sehr in unserem Diskurs über Religion verankert, und wird weiter noch verstärkt durch die dem Buddhismus eigene Darstellung der Lehre, dass man es schwierig, sogar bedrohlich, finden könnte, zu «verlernen», (nur) in dieser Weise über das Dharma zu denken und zu sprechen. Doch dieses Verlernen ist genau das, was getan werden muss, wenn wir den Übergang von einem glaubens-basierten Buddhismus (Version 1.0) zu einem praxis-basierten Buddhismus (Version 2.0) unternehmen wollen. Wir müssen uns bis zu dem Punkt trainieren, an dem unsere erste Reaktion beim Hören oder Lesen eines Textes aus dem Kanon nicht mehr «ist das wahr?», sondern «funktioniert das?» ist.


    Gleichzeitig müssen wir auch eine kritische Analyse der Texte selbst unternehmen, um, so gut wir aus dieser zeitlichen Entfernung noch können, die zentralen Begriffe und narrativen Strategien zu entdecken, die eine bestimmte Passage oder Lehrrede prägen. Wenn wir die Worte «edle Wahrheit» aus dem Satz «vier edle Wahrheiten» subtrahieren, bleibt bloß das Wort «vier» übrig. Und die knappste Formulierung der vier, die überall in den buddhistischen Traditionen gefunden wird, ist folgende:


    Leiden (dukkha)
    Entstehen (samudaya)
    Aufhören (nirodha)
    Weg (magga)


    Sobald der Satz des Epithetons «edle Wahrheit» beraubt und nicht mehr in behauptender Sprache formuliert wird, gelangen wir zu den vier Grundpfeilern, auf denen sowohl Buddhismus 1.0 als auch Buddhismus 2.0 aufgebaut sind. Genau so wie es vier Nukleobasen (Cytosin, Guanin, Adenin und Thymin) gibt, aus denen DNS, die Nukleinsäure zusammengebaut ist, welche die genetischen Informationen für alle lebenden Organismen enthalten, so könnte man sagen, dass «Leiden», «Entstehen», «Aufhören» und «Pfad» die vier Nukleobasen sind, die das Dharma, den Korpus an instruktiven Ideen, Werten und Praktiken ausmachen, die alle Spielarten des Buddhismus entstehen lassen." Stephen Batchelor


    http://www.saekularerbuddhismus.org/?page_id=1251

    Aiko:


    12 Interwies ist ja mal eine Datenbasis, die haut aber jeden Forscher glatt um - und da zieht ihr derart weitreichende Schlüsse?

    [/quote][/quote]


    Ich weiß nicht, inwieweit du mit wissenschaftlicher Arbeit vertraut bist und dem Unterschied zwischen qualitativer und quantitativer Forschung. Beides sind unterschiedliche - im besten Falle ergänzende - wissenschaftliche Forschungsmethoden.


    "Unter qualitativer Sozialforschung wird in den Sozialwissenschaften die Erhebung nicht standardisierter Daten und deren Auswertung verstanden. Besonders häufig werden dabei interpretative und hermeneutische Methoden als Analysemittel verwendet.


    Wissenschaftstheoretische Grundlagen für qualitative Methodologien in den Sozialwissenschaften liefern unter anderem Theorietraditionen wie die phänomenologische Soziologie oder der symbolische Interaktionismus, die oft unter der Bezeichnung interpretatives Paradigma oder interpretative Soziologie zusammengefasst werden.
    Im Alltag und der von Wissenschaftlern und Nicht-Wissenschaftlern geteilten Lebenswelt sind Sinnkonstruktionen und der vernünftige Charakter sozialen Handelns in spezifischen kulturellen Kontexten bereits immer gegeben, bevor sich die soziologische Analyse überhaupt ihrem Gegenstand zuwendet. Im Gegensatz zu naturwissenschaftlichen Tatsachen ist der sozialwissenschaftliche Gegenstand also immer schon in gewisser Weise durch die Untersuchten und Befragten vorstrukturiert und damit reflexiv. Die Methodentradition der qualitativen Forschung versucht, diesem besonderen Charakter sozialwissenschaftlicher Gegenstandsbereiche durch den offenen Charakter der Datenerhebung und den interpretativen Charakter der Datenauswertung Rechnung zu tragen. Dabei legen qualitative Sozialforscher zumeist großen Wert auf die Erfassung der Akteursperspektive und der Handlungsorientierung und der Deutungsmuster der Befragten, vor allem wenn sie sich der interpretativen Soziologie verpflichtet fühlen." Wiki

    Kusala:

    Kann bitte hier jemand mal in Stichworten zusammentragen was "Säkularer Buddhismus" genau bedeutet?
    Was möchte "er"?
    Wie wird praktiziert?
    Was ist das Ziel?
    Welche Stützen/"Geländer" bietet es den Menschen in "Krisenzeiten", die "intellektuell nicht ganz so versiert" sind?


    ()



    1. Was möchte er? Der säkulare Buddhismus versteht sich als eine praxis-orientierte Form (im Gegensatz zu einer glaubensbasierten Form). Das heißt, er orientiert sich sehr stark an den Worten des Buddha - ohne sich dabei mit einem metaphysischen Überbau (Wiedergeburt, himmlische Wesen usw) anzuhängen.


    Hier äußert sich Stephen Batchelor ausführlicher zu diesem Punkt: http://ibuddhismus.blogspot.de…-herz-des-buddhismus.html


    2. Er wird auf der Basis der vier edlen Wahrheiten, des achtfachen Pfades und der drei Daseinsmerkmale praktiziert.


    3. Das Ziel ist das Erlöschen des Durstes.


    4. Welche Stützen bietet er Menschen in Krisenzeiten, die intellektuell nicht ganz so versiert sind? In dieser Diplomarbeit wurde beispielsweise versucht herauszufinden, welche wie Berufstätige ihre buddhistische Praxis in den Arbeitsalltag integrieren können. Das geht vielleicht schon mal in die Richtung deiner - äußerst komplexen - Fragestellung: http://integralesleben.org/if-…on-buddhistischer-praxis/


    Es ist halt wirklich die Frage, ob das tatsächlich die Worte des Buddha waren, oder ob sich hier nicht mythologische Eigenarten eingeschlichen haben...

    Zu erst einmal handelte es sich um einen ganz "berühmten" Mönch, der zu Buddhas Zeiten eben lebte.


    Und irgendwas (ich weiß es leider nicht mehr so genau, war er unachtsam? hat er Frauen Blicke zugeworfen? war er nachlässig) hat er eben scheinbar nicht richtig gemacht, worauf ihn ein anderer Mönch beim Buddha meldete.


    Die Erwiderung des Mönches ist eigentlich sehr bekannt. Er schildert, was vortreffliche Achtsamkeit ist und das er immer vortrefflich ist...


    hm...

    Hi,


    vielleicht kann mir ja der eine oder die andere weiterhelfen.


    Ich bin auf der Suche nach einem Mönch, der zu Lebzeiten des Buddha gelebt hat. Dieser Mönch wurde eines Tages von einem anderen Mönch wegen eines vorgeblichen Vergehens beim Buddha angeschwärzt. Daraufhin fragte der Buddha, was los ist.
    Der beschuldigte Mönch hielt dann einen Monolog über seine vortreffliche Achtsamkeit und wie gewissenhaft er praktiziert usw.


    Eine Idee?

    mukti:
    Merkur-Uranus:

    Oder er wird sich einem säkularen christlichen Prozess unterziehen, wie es mittlerweile viele Christen machen (weit mehr als Buddhisten übrigens): http://gott90.de/


    Gegen säkular ist nichts einzuwenden, aber ein Christ der nicht an Gott glaubt folgt nicht der überlieferten Lehre des Christus. Man kann Theorien aufstellen dass Christus gar nicht von Gott gesprochen habe und damit die Bezeichnung "Christ" rechtfertigen, so wie ein Elektriker sagen könnte er ist eigentlich Mechaniker, weil auch mechanische Elemente beim Elektriker vorkommen. Aber ist er deshalb wirklich Mechaniker? "Ich bete nicht weil ich nicht an Gott glaube, aber die Ethik des Christus gefällt mir, daher bin ich Christ". Da stimmt doch was nicht.



    Der Begriff "Gott" bleibt ja durchaus bestehen - nur eben die Definition was "Gott" ist, ändert sich.

    Geronimo:

    Du verstehst nicht das das alles Äußerlichkeiten sind, so wie die Wahl der Ausrüstung, der Kleidung und des Bergführers. Auch der Zugang selbst ist eine Äußerlichkeit, ob du dich nun von Norden, Süden, Westen oder Osten näherst, das macht auf grundlegender Ebene keinen Unterschied, Außer vielleicht das es im Süden etwas steiniger sein kann, und im Norden etwas eisiger, was den Aufstieg naturgemäß etwas schwieriger gestalten wird.


    Aber der Akt des Bergsteigens an sich ist für alle Menschen, für alle Zeiten, vollkommen unabhängig vom Berg, immer der gleiche, Ein Bein vor das andere, Hindernisse überwinden, und den Gipfel fest im Blick. Den Berg interessiert es nicht die Bohne ob du deine Ausrüstung bei Globetrotter (Buddhismus) oder bei Adidas (irgendeine andere Religion) gekauft hast. Ihn interessiert auch nicht woher du kommst, welcher Kultur du angehörst oder wie dein Lehrer heißt. Das ist ihm alles vollkommen egal. Das einzige worauf es ankommt ist, das der Berg bestiegen wird,


    Es gibt nur ein Dharma. Es spielt überhaupt keine Rolle aus welcher Richtung wir uns nähern und welche Techniken wir dabei verwenden. Es gibt daher auch nicht viele verschiedene absolute Wahrheiten zu entdecken, sondern nur exakt genau eine. Aber das versteht man erst wenn es bereits zu spät ist, im besten Sinne. Die Welt der Vielfalt kennt dagegen unendliche viele relative Wahrheiten, aber das hat mit Buddha-Dharma alles überhaupt nichts zu tun. Am Ende gibt es nur einen einzigen Weg, egal welcher Kultur, Schule oder Tradition du angehörst. Nur zu Anfang glaubt man noch das es viele Wege gibt...


    Okay, bleiben wir bei dem Beispiel mit dem Berg!


    Nach einer tiefergehenden Analyse wirst du feststellen, dass du Hilfe brauchst, wenn du den Gipfel erreichen möchtest. Ich meine, der Berg ist wirklich hoch und steil. Diese Hilfe wird dir in deinem Fall von einheimischen Sherpas angeboten, die sich bereit erklären, dich auf den Gipfel zu führen. Die Sherpa sind eine Bevölkerungsgruppe im nordöstlichen Teil von Nepal. Sie sind in der Regel Buddhisten und gut an die äußerst harten Lebensbedingungen im Hochgebirge angepasst. Zudem haben sie ungefähr ein Liter mehr Blut in ihrem Körper sowie die doppelte Menge an roten Blutkörperchen als ich und du. Dadurch sind sie zu schier unglaublichen Leistungen fähig. Es fühlt sich also schon mal ziemlich gut an, zu wissen, dass sie dich unterstützen werden.
    Gut, du stehst jetzt am Fuße dieses gewaltigen Berges, die Sherpas warten geduldig neben dir, in der Ferne hörst du ein Yak schnauben. Nimm dir einen Moment, um dich einmal anzusehen. Was hast du eigentlich an? Trägst du dasselbe wie ein traditioneller Sherpa? Nun, vermutlich nicht. Stattdessen trägst du so etwas wie eine 3-lagige Gore-Tex Pro Hose für mehre hundert Euro, eine wasserfeste, atmende Lafuma Prescott Jacke, Triple Points Gamaschen von Lowe Alpine und Ajungilak Bivakboots.


    Fassen wir mal kurz zusammen: Dein Ziel ist das Erwachen, so wie es Buddha gelehrt hat und du weißt, du kannst dieses Ziel erlangen. Dazu sind wir doch hier, nicht wahr. Dass wir bestimmte Dinge, die wir uns vornehmen auch erreichen. Mingyur Rinpoche bezeichnet in seinem Buch „Buddha und die Wissenschaft vom Glück“, uns Menschen als sogenannte „Purushas“. Übersetzt bedeutet das soviel wie „mächtige Wesen“. Ja, wir sind mächtige Wesen, weil wir einen Willen haben und diesen Willen realisieren können. Der Punkt ist nun, dass wir unsere Ziele jedoch nicht auf traditionelle Art erreichen werden, sondern auf eine moderne Weise, auf unsere Art und Weise. Wenn du einen 7000er besteigst, wird in deiner Tasche wohl eher ein Satellitentelefon stecken, anstatt einer Gebetsmala aus Yakknochen. Oder?


    Und genauso verhält es sich momentan mit dem Buddhismus in den westlichen Ländern. All die wunderbaren Qualitäten, die durch die buddhistische Praxis erreicht werden können, sind genau jene Qualitäten, die viele Menschen in ihr Leben integrieren möchten. Viele Menschen wollen mitfühlende Menschen sein, weise Menschen, achtsame Menschen, sie wollen ein sinnvolles Leben führen und dabei die Gipfel ihrer Bewusstseinsebenen erklimmen. Doch sie wollen dies nicht auf eine kulturfremde Art und Weise erreichen. Ja, sie können es nicht auf einer kulturfremden Art und Weise erreichen.
    Übersetzt bedeutet dies, auch wenn es buddhistische Ziele sind, die du erreichen möchtest, so bleibt dein persönlicher Bezugspunkt doch ein westlicher. Ich meine, du stehst am Rande dieses riesigen Berges und hast teleskopische Wanderstöcke in deinen Händen, die von Vaude Himalaya Mitt Unisex Handschuhen umhüllt sind. Dabei checkst du den Wetterstand, der dir durch hochmoderne Gerätschaften aus einer weit entfernten Wetterstation übermittelt wird. Du wirst vermutlich nicht den Geist des Berges anrufen und um Sonne beten (auch wenn dies unter Umständen wirksamer ist, als auf einen Plastikkasten voller Drähte und Festplatten zu starren).


    Meiner Meinung kommen so wenig Menschen mit den Qualitäten des Buddhismus in Berührung, weil sie denken, sie müssten sich wie Sherpas kleiden und anfangen sich gelbe Zipfelmützen auf den Kopf zu setzen. Das stimmt jedoch nicht. Darum geht es gar nicht. Ich bin der Auffassung, dass ein buddhistischer Ansatz, der die weitreichenden Erkenntnisse der westlichen Kultur integriert, eine mächtige und zukunftsträchtige Möglichkeit darstellt, sich den buddhistischen Inhalten auf eine angemessene Weise zu nähern.

    Die traditionellen Buddhisten verzerren sich immer so schön nach dem Bild des Mönches. Dabei sind sie zumeist zu faul, um selbst ins Kloster zu gehen und versuchen deshalb eine monastische Praxis in ein weltliches Alltagsleben zu pressen - sehr unschön.


    Der säkulare Buddhismus zeigt diesen Zwiespalt offen auf und bietet angemessene Möglichkeiten, die Lehre des Buddha im 21. Jahrhundert zu praktizieren.

    Christof Spitz - der Dolmetscher des Dalai Lama und Lehrer am Tibetischen Zentrum Hamburg - sagt folgendes dazu:


    "Ich bin mit Schmithausen der Meinung, dass die Kern-Praxis des Buddhismus nicht auf den Karma-Glauben angewiesen ist, unter der Bedingung, dass andere Maßstäbe für ethisches Handeln gefunden werden. Āryadeva nennt ja eindeutig die Gewaltlosigkeit, und um diese zu entwickeln, gibt es andere Mittel als den Glauben an Karma, nämlich Mitgefühl.


    Wiedergeburt, selbst wenn es sie geben sollte, woran Āryadeva und andere indische Meister wahrscheinlich glauben, ist sowieso Teil des Leidenskreislaufs, warum also daraus einen Bestandteil des Weges zur Befreiung machen?


    Und man kann und sollte sich wohl auch ernsthaft die Frage stellen, ob das Konzept der Wiedergeburt in Höllen- bis Götterbereichen noch zeitgemäß ist. Mit zeitgemäß meine ich nicht, ob es modern genug ist oder nicht, sondern, inwieweit es unseren heutigen Erkenntnissen entspricht, die sich in vielen Bereichen weiterentwickelt haben seit der damaligen Zeit. Wer wollte das bestreiten? In den klassischen buddhistischen Texten wird zum Beispiel die Bedeutung des Gehirns gar nicht erkannt, allenfalls könnte man die Beschreibung der Sinnesfähigkeiten noch irgendwie damit in Verbindung bringen. Wollen wir deshalb den Erkenntnisfortschritt der letzten Jahrhunderte negieren?


    Die zentralen Lehren aber sind davon meines Erachtens nicht tangiert und bleiben trotzdem gültig: die Lehre vom abhängigen Entstehen und vom Nicht-Selbst; die Sicht der Verbundenheit der Lebewesen und der Bedeutung von Nicht-Verletzen und Mitgefühl; die Notwendigkeit von ethischen Werten; die Tatache, dass unser Denken und Handeln Wirkungen auf uns selbst hat (diesen Teil der buddhistischen Variante der Karma-Lehre würde ich auch für wesentlich halten); die Bedeutung von meditativer Schulung. Zusammenfassen kann man das zu den zwei Punkten, die auch Āryadeva für den Kern der Lehre Buddhas hält.


    Insofern kann doch jemand, der sich auf diese beiden Punkte konzentriert, und andere Punkte eher als kulturell geprägtes Beiwerk hält, mit starken Argumenten sich als Buddhist empfinden."

    Dieser Essay lotet die Möglichkeit einer vollständig säkularen Neudefinition von Buddhismus aus. Er argumentiert, dass eine solche säkulare Re-Formation über das Modifizieren einer traditionellen buddhistischen Schule, Praxis oder Ideologie hinausgehen würde, welches nur auf ihre Vereinbarkeit mit der Moderne abzielt, sondern ein grundlegendes Überdenken der Kernideen beinhalten würde, auf denen die Konzeption des «Buddhismus» beruht. Beginnend mit einer kritischen Interpretation der vier edlen Wahrheiten, wie sie in Buddhas erster Lehrrede dargelegt werden, schlägt der Autor vor, Erwachen nicht im Sinne von «Wahrheiten» zu begreifen, die zu verstehen sind, sondern als «Aufgaben», die zu vollenden sind. Solch eine pragmatische Herangehensweise macht es möglich, über die Grenzen einer auf Glauben beruhenden Metaphysik der klassischen indischen Erlösungslehre (Buddhismus 1.0) hinauszugehen, und zu einer praxisbezogenen, post-metaphysischen Vision des Dharmas (Buddhismus 2.0) zu gelangen.


    http://www.saekularerbuddhismus.org/?page_id=1251

    Ayya Khema schreibt, dass der Buddha eine Prophezeiung gab, nachdem der Buddhismus ca. 2.500 Jahre nach seinem Ableben eine Blütezeit erleben würde. Nach Ayya Khema befinden wir uns gerade in dieser Blütezeit, beziehungsweise haben schon ihren Zenit überschritten.


    Was haltet ihr von dieser Aussage Ayya Khemas? Orakel oder einfach nur Bullshit?


    Ich sag es mal so: Der Pali-Kanon ist hervorragend geeignet für Anfänger des Weges. Klare Anweisungen, jeder darf sich ein wenig als Experte betrachten.


    Spätere Traditionen machen es sich da schon nicht mehr so einfach: Das Herunterleiern der Sutras besitzt weniger Stellenwert. Stattdessen geht es tatsächlich darum, den Weg zu gehen - als über ihn zu wachen.

    "Der Buddha hat folgendes gesagt: Stützt euch auf die endgültige, nicht auf die vorläufige Bedeutung. (...) Auf unserem Weg zur letztendlichen Wahrheit lernen wir viele relaitve Wahrheiten kennen. Als der Buddha zum Beispiel die Wahrheit vom Leid gelehrt hat, hat dies geholfen, Menschen auf jenen Weg zu führen, der sie vom Leid befreit hat. Seinem Wesen, seiner Natur nach ist Leid jedoch etwas Relatives. In der letztendlichen Natur des Geistes exisitiert es nicht. Tatsächlich existent sind Selbst-losigkeit, Mitgefühl, Freude, Wachheit, und so weiter. Darin besteht die letztendliche Natur des Geistes. In der dritten Stütze fordert der Buddha uns auf, uns jeweils auf die endgültige, auf die letztendliche Bedeutung zu verlassen. Würden wir etwa versuchen, an unserer Auffassung von Leid in der Weise festzuhalten, als sei es eine letztendliche Wahrheit, könnten wir niemals die Freude erleben, von Leid frei zu sein." Dzogchen Ponlop Rinpoche

    hedin:
    Merkur-Uranus:

    Unter diesem Blickwinkel lassen sich im Westen verschiedene buddhistische Hauptgruppierungen ausmachen, die sich – gerade im Hinblick auf den katastrophalen Zustand dieser Welt – gegenseitig befruchten und bereichern können.


    Und die wären zum Beispiel:.................


    hedin


    Einfach den Text bis zum Ende lesen ;)



    Ich sehe es so, dass es nicht darum geht, den einzig wahren Buddhismus zu finden, sondern die Würde der Vielfalt zu respektieren und anzuerkennen.


    Ein wichtiger Punkt, wenn wir über den Buddhismus im 21. Jahrhundert sprechen, betrifft seine natürliche und vitale Entwicklung. Wenn wir auf die buddhistische Gemeinschaft in Europa blicken, fällt auf, dass es verschiedene Gruppierungen und Ansichten gibt, die sich zum Teil antagonistisch gegenüberstehen. Wie Professor Jay Garfield schreibt, sollten wir jedoch „niemals die engstirnige Frage stellen, welcher Buddhismus nun der authentische ist. Besser ist es zu fragen: Wie ist es möglich, dass der Buddhismus sich so vielfältig entwickelt hat, dass er eine solche Vitalität besitzt? Wir sollten ihn mit einer Pflanze vergleichen, bei der es ja ein Zeichen von Gesundheit und Stärke ist, dass ihre Blüten, ihre Äste und Zweige eben nicht genauso ausse- hen wie ihre Wurzeln, sondern sich in ihrer ganzen Vielfalt entwickeln.“


    Unter diesem Blickwinkel lassen sich im Westen verschiedene buddhistische Hauptgruppierungen ausmachen, die sich – gerade im Hinblick auf den katastrophalen Zustand dieser Welt – gegenseitig befruchten und bereichern können.



    Der traditionelle Buddhismus richtet sich originalgetreu an den asiatischen Formen des Buddhismus aus. „Traditionellen Buddhisten“ kommt somit die ehrenvolle Aufgabe zu, für die präzise und authentische Überlieferung des Dharma zu sorgen. Die Integration der überlieferten Lehren wichtiger buddhistischer Meister und Meisterinnen ist schließlich unabdingbar für die Entstehung eines eigenständigen westlichen Buddhismus. So sorgte das Prinzip der ununterbrochenen Übertragungslinien dafür, dass sich der Buddhismus über 2 500 Jahre lebendig halten konnte und nicht „verwässerte“.


    Der säkulare Buddhismus hingegen betrachtet den Dharma als eine psychologische Erkenntnislehre bzw. als eine Kulturtechnik oder eine Wissenschaft des Geistes. „Säkulare Buddhisten“ setzen sich dafür ein, die Essenz der buddhistischen Lehre in einer zeitgemäßen und aufgeklärten Form in unsere Gesellschaft zu bringen. Das Kunststück des säkularen Buddhismus ist es, eine westliche Form zu finden, die von einer atheistischen Gesellschaft anerkannt und genutzt werden kann. Frei von mythologischen Ansichten, kann die Essenz der buddhistischen Lehre einem breiten Spektrum der Bevölkerung zugänglich gemacht werden. Das Tibetische Zentrum Hamburg erwirbt sich hier große Verdienste, indem es den Dialog zwischen traditionellen Buddhisten und Wissenschaftlern fördert, wie zuletzt eindrucksvoll auf dem Achtsamkeitskongress in Hamburg geschehen. Gerade diese enge Verbindung zwischen traditionell Praktizierenden und säkularen Buddhisten sorgt dafür, dass sich der Dharma konstruktiv und zeitgemäß entwickeln und verändern kann.