»Daher, Sālher, haben wir es gesagt:
Geht nicht nach Hörensagen,
nicht nach Überlieferungen,
nicht nach Tagesmeinungen,
nicht nach der Autorität heiliger Schriften,
nicht nach bloßen Vernunftsgründen und logischen Schlüssen,
nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen,
nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge,
nicht nach der Autorität eines Meisters!
Wenn ihr hingegen selber erkennt: 'Diese Dinge sind heilsam und untadelig, sie werden von Verständigen gepriesen, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Segen und Wohl', dann, o Sālher, möget ihr sie euch zu eigen machen. Was ich so gesagt habe, wurde eben mit Beziehung hierauf gesagt.
Derart von Begierde und Übelwollen befreit, unverwirrt, wissensklar und achtsam, durchdringt der edle Jünger mit einem von Güte - von Mitleid - von Mitfreude - von Gleichmut erfüllten Geiste die eine Himmelsrichtung, ebenso die zweite, ebenso dritte, ebenso die vierte. So durchdringt er oben, unten, quer inmitten, überall, allerwärts, die ganze Welt mit einem von Güte, Mitleid, Mitfreude oder Gleichmut erfüllten Geiste, einem weiten, umfassenden, unermeßlichen, von Haß und Übelwollen befreiten.
Er weiß dann: 'Dieses ist da, Niedriges ist da, Erhabenes ist da, und über diesen Bereich der Wahrnehmung hinaus gibt es ein Entrinnen' (*2). Indem er also weiß, also erkennt, wird sein Geist befreit vom Sinnlichkeitstrieb, befreit vom Daseinstrieb, befreit vom Nichtwissenstrieb. Im Befreiten aber erhebt sich die Erkenntnis des Befreitseins, und er weiß: 'Versiegt ist die Wiedergeburt, erfüllt der heilige Wandel, getan ist, zu tun war, nichts weiteres gibt es mehr zu tun nach diesem hier.'
Und er weiß: 'Einstmals bestand Begehren, und das war von Übel; das besteht jetzt nicht mehr, und so ist's gut. Einstmals bestand Haß, und das war von Übel; das besteht jetzt nicht mehr, und so ist's gut. Einstmals bestand Verblendung, und das war von Übel; das besteht jetzt nicht mehr, und so ist's gut.'
So verweilt er schon bei Lebzeiten gestillt, erloschen, abgekühlt, in seligem Gefühle, heilig gewordenen Herzens.«
Anmerkungen
(*2) Auch in M.7. - K: Nachdem der edle Jünger die (vorerwähnten) Göttlichen Zustände meditativ entfaltet und sich aus der Vertiefung erhoben hat, beginnt er nun die Entfaltung der Einsicht und weiß dann:
'Dieses ist da' (atthi idam), nämlich die 5 Daseinsgruppen, die auch in 'Körperliches und Geistiges' (nāma-rūpa) eingeteilt werden und den Inhalt der Wahrheit vom Leiden bilden.
'Niedriges ist da' (atthi hīnam), nämlich die Leidensentstehung (2. Wahrheit).
'Erhabenes ist da' (atthi panītam), nämlich der achtfache Pfad (4. Wahrheit).
'Und es gib eine Freiheit (wtl: Entkommen) jenseits jener Wahrnehmung' (imassa saññāgatassa uttarim nissaranam): es gibt das Nibbāna (3. Wahrheit) als das Entrinnen aus jener [noch in körperlich geistigen Objekten befangenen] Hellblicks-Wahrnehmung.