Beiträge von Yeshe im Thema „Rime“

    Sherab Yönten:

    Es wurde gesagt, dass um Dzogchen bzw. Mahamudra praktizieren zu können, natürlich vorbereitende Übungen notwendig wären, aber auch eine Einführung in die Natur des Geistes. Diese explizite Einführung in die Natur des Geistes bietet die Madhyamaka-Philosophie nicht. Gelugpa können sie aber im Tantra indirekt bei jeder Einweihung erfahren, auch wenn dies nicht explizit angekündigt wird.
    .


    Um Dzogchen zu praktizieren, sind (theoretisch) keine Vorbereitungen notwendig. Die erste Aussage von Garab Dorje lautet "Erkenne Rigpa durch direkte Einführung!" und nicht "Mache erstmal Vorbereitungen!". Wenn das dann mit dem Erkennen von Ripgpa nicht so richtig klappen will, tja dann...
    Bei einer formellen Einweihung in die inneren Tantras gemäß der Nyingma-Tradition wird Dzogchen (=Ati-Yoga) als 4. Einweihung eingeführt. In der Regel werden in der Nyingma-Tradition die drei inneren Tantras (= Maha-, Anu- und Ati-Yoga) innerhalb einer Sadhana praktiziert.


    Yeshe

    Um noch mal was zum OT zu sagen: Wie soll es so etwas wie Rime geben, wenn es nicht mal Einigkeit über die Grundlagen des Buddhadharma gibt?


    Alles Liebe
    Yeshe

    Doris Rasevic-Benz:


    Gegenstand des Dharma ist nichts mehr und nichts weniger als die Erforschung der eigenen Person.


    Also klassischerweise besteht jeder Dharma aus Basis/Sicht, Pfad/Anwendung und Resultat/Frucht. Im Buddhadharma ist "die Erforschung der eigenen Person" nicht Gegenstand des Pfades.
    Z. B. hier aus dem Palikanon:
    "Wenn, o Hausvater, in einem edlen Jünger diese fünf schrecklichen Übel geschwunden sind, wenn er ausgestattet ist mit den vier Gliedern des Stromeintritts und er den edlen Richtweg in Weisheit ganz verstanden und durchdrungen hat, so mag er, wenn er will, von sich selber erklären: »Entronnen bin ich der Hölle, entronnen dem Tierschoße, entronnen dem Gespensterreich, entronnen den niederen Welten, der Leidensfährte, den Daseinsabgründen. Eingetreten bin ich in den Strom, nicht mehr ausgesetzt den Daseinsabgründen, gesichert bin ich, der vollen Erleuchtung gewiß.« (A.X.92 Der Stromergriffene - 2. Bhaya Sutta)


    Jedoch ist da kein "ich" bzw. keine Person, die erforscht werden könnte:
    "Ob, ihr Mönche, Vollendete erstehen oder ob Vollendete nicht erstehen: eine Tatsache bleibt es,
    eine feste und notwendige Bedingung des Daseins,
    - dass alle Gebilde vergänglich sind (anicca (p.))
    - dass alle Gebilde dem Leiden unterworfen sind (dukkha (p.))
    - dass alle Dinge ohne ein Selbst sind (anattā(p.))" (Anguttara Nikaya III 137)


    Eine weitere Behauptung Bachelors ist es, dass die Sichtweisen des 21. Jahrhunderts in irgendeiner Form neu seien. Die auch in diesem Thread vertretene Meinung, dass es keine andere Welten gibt, gab es auch schon zu Zeiten des Buddha, und er hat diese Ansicht als falsch bezeichnet:
    "8. (A.2) "Da es tatsächlich eine andere Welt gibt, hat derjenige falsche Ansicht, der die Ansicht hegt 'es gibt keine andere Welt'. Da es tatsächlich eine andere Welt gibt, hat derjenige falsche Absicht, dessen Absicht auf 'es gibt keine andere Welt' beruht. Da es tatsächlich eine andere Welt gibt, hat derjenige falsche Rede, der die Behauptung aufstellt 'es gibt keine andere Welt'. Da es tatsächlich eine andere Welt gibt, widerspricht derjenige, der sagt 'es gibt keine andere Welt', den Arahants, die die andere Welt kennen. Da es tatsächlich eine andere Welt gibt, überzeugt derjenige einen anderen von einem unwahren Dhamma, der einen anderen von der Aussage 'es gibt keine andere Welt' überzeugt; und weil er einen anderen von einem unwahren Dhamma überzeugt, lobt er sich selbst und setzt andere herab. Somit ist jegliche geläuterte Sittlichkeit, die er früher hatte, aufgegeben und durch verdorbenes Verhalten ersetzt. Und diese falsche Ansicht, falsche Absicht, falsche Rede, Widerspruch gegenüber den Edlen, das Bestreben, andere von einem unwahren Dhamma zu überzeugen, und Selbstlob und Herabsetzung anderer - diese verschiedenen üblen, unheilsamen Zustände kommen somit mit falscher Ansicht als Bedingung zustande."
    (Majjhima Nikāya 60, Die unbestreitbare Lehre - Apaṇṇaka Sutta)


    Yeshe

    Thomas23:

    Das hatt ich ja bereits weiter vorne verdeutlichen wollen: Der Glaube an Gottheiten+Geistwesen ist kein speziell indisches bzw tibetisches Phänomen sondern war zur Zeit des Buddha (als es noch keinen Monotheismus gab) in nahezu allen oder wenigstens verdammt vielen Ländern verbreitet bevor dieser Glauben in den meisten Ländern gewaltsam ausgelöscht wurde.
    Griechische, römische, keltische, germanische, slawische, skythische, ägyptische, iranische usw usw Mythologien nur als wenige Beispiele von vielen weiteren. Der Glaube an Himmelswesen etc ist also kein rein auf Indien/Tibet begrenzbares Phänomen. In asiatischen Ländern hat sich dieser Glauben allerdings durch die im Vergleich zu Christentum und Islam "sanfte" Ausbreitung des Buddhismus bis heute erhalten können. Aber auch in Europa ist dieser Glaube nicht ausgestorben, aktuell baut man seit über 1 Jahr in Island an einem Asatru-Heidentempel ;) Mal von den zahlreichen Rekonstruktionsvereinen ganz zu schweigen.
    Von einer Anbetung und einem wie Du es nennst "Aberglauben" rede ich aber gar nicht. Es geht einfach darum das es genausowenig Gegenbeweise für die Existenz von Daseinssphären gibt wie Beweise. Angesichts der Tatsache das der Glauben an die genannten Wesenheiten und Naturbeseeltheit zum kulturellen Erbe der Menschheit gehört sollte man das aber m.E. nicht als lachhaften Kram abtun sondern wenigstes mit etwas mehr Ehrfurcht und Ernsthaftigkeit behandeln.
    Ob man nun dran glaubt oder nicht dürfte weniger relevant für den Pfad sein.


    Ich für meinen Teil - Relevant für die Lehre hin oder her - finde diese mystischen, rational nicht fassbaren Anteile des Buddhismus klasse :D


    Reinkarnation und Samsara hingegen, da schließe ich mich Yeshe an, halte ich für essentiell. Ansonsten meine ich auch das die Bezeichnung "Buddhismus" nicht mehr passt und man dem Kind einen anderen Namen geben sollte


    Guter Beitrag!

    Doris Rasevic-Benz:


    "Buddhistisch", weil einfach alles im Kopf geschieht. Wir wissen nicht wirklich wie es "da draussen" aussieht. Wir können nur mit den Mitteln unseres Körpers die Welt so wahrnehmen, wie es eben möglich ist. Um es simpel auszudrücken: Wir können nachts nichts sehen, weil unsere Augen dafür nicht geeignet sind und unser Hirn wohl auch nicht.
    Und dann produzieren wir aus diesen Berührungen karmisch bedingte Vorstellungen: sprich eine Platte aus vier Beinen kennen wir als "Tisch" und werden dann auch ziemlich wahrscheinlich als "Tisch" benennen, sie als "Tisch" behandeln und alles, was wir mit dem Ding dann anfangen, in Beziehung zu "Tisch" setzen.


    Würden diese Himmelswesen existieren, könnte sie jeder oder fast jeder wahrnehmen, in jeder Kultur. Sie wären nicht auf die Himalaya-Region beschränkt. In der schamanistisch geprägten Kultur Tibets existieren diese Wesen aber als Vorstellungen. Für viele Menschen dort scheint das Realität zu sein. Nur, zu behaupten ihre Wahrnehmungsinterpretationen und Vorstellungen seien korrekter, halte ich für problematisch. Schon gar, wenn das als unerlässlich für den Buddhismus eingeordnet wird, denn dann fällt die Mehrheit der Traditionen unter den Tisch. Könnte natürlich sein, dass es allein einer kleinen Minderheit im Vajrayana vorbehalten ist, die Wahrheit zu kennen …


    Was für Himmelswesen meinst Du denn, die Devas? Ansonsten finde ich Deine Argumention in sich unschlüssig. Zuerst gibt es keine Gewissheit über die Beschaffenheit der Außenwelt, sondern nur karmische Sichtweisen. So verstehe ich den ersten Absatz (der im übrigen mit zwei flotten Sätzen den gesamten Abhidharma negiert).
    Im zweiten Absatz gilt der erste aber nicht mehr, denn jetzt ist es nicht mehr Karma, sondern es sind "kulturelle Vorstellungen" die die Existenz von vorgestellten Wesen bedingen sollen. Das ist ein Widerspruch.
    Unerlässlich für den Buddhadharma ist aus meiner Sicht nicht der Glaube an die Daseinsbereiche, wohl aber an das Prinzip Samsaras, sprich der ewigen Wiederkehr ohne Unterlass (es sei denn, man tut etwas dagegen).


    Alles Liebe
    Yeshe


    Sicher ist das wahr: https://www.youtube.com/watch?v=MuHi9Zpx7zo

    Doris Rasevic-Benz:


    Wenn Leute wie Bachelor sich um einen säkularen Zugang zum Dharma bemühen, wenn sie versuchen die kulturellen Eigenheiten fremder Kulturen herauszuschneiden und versuchen, den Kern zu finden, in einer Weise, in der er mit dem Denken und der Kultur des modernen Menschen kompatibel ist, dann finde ich, dass dies ein lobenswertes Unterfangen ist und durchaus logisch. Wie ein Vorschreiber schon schrieb, jedesmal wenn der Dharma in eine Kultur getragen wurde, hat er sich an diese angepasst und wurde er mit den Mitteln und Bildern der jeweiligen Kultur vermittelt, verschmolz mit ihr, ging in ihr auf. Nichts anderes tut Bachelor. Vielleicht werden das die Menschen in fünfhundert Jahren rückblickend sehen können und den Säkularen Buddhismus als ebenso als genuin für unser Europa heute betrachten, wie wir heute den Vajrayana Tibets (wobei wir nicht außer acht lassen sollten, dass viel Buddhisten witzigerweise den Vajrayana nicht als "wahren Buddhismus" erachten.) Die Entwicklung hat erst angefangen. Die Lehren Buddhas sind noch nicht lange hier angekommen.


    Leider tut Bachelor etwas gänzlich anderes. Durch sein Ablehnen von der Lehre von Samsara nimmt er dem Dharma seinen eigentlichen Grund (nämlich die Befreiung aus Samsara), bzw. er verlässt den Buddhadharma.


    Yeshe

    Doris Rasevic-Benz:


    Das sehe ich nicht als unzulässige Vermischung. Es ist eine mögliche Sichtweise, ein Aspekt.


    Liebe Doris,
    auf welchen Sutras gründet diese Sichtweise? Was macht diese "buddhistisch", im Unterschied z.B. zu "nihilistisch" oder "existenzialistisch"?


    Yeshe

    Doris Rasevic-Benz:


    Vielleicht glaubte er ja daran, es war schließlich Teil seines kulturellen Narrativs. Alle haben gewusst, auf was er sich bezieht. Da aber "alles geistgeboren" ist, kann man auf die Idee kommen, dass es auf diese Dinge ebenfalls zutrifft.


    Buddha Shakyamuni war eben nicht Teil "seines kulturellen Narrativs", sondern ein vollkommen Erwachter, ein Buddha!


    Außerdem vermischt die Behauptung, "alles sei geistgeboren" im obigen Kontext auf unzulässige Weise relative und absolute Wahrheit. Ich wurde zum Beispiel aus dem Schoß meiner Mutter geboren, nicht aus irgendeinem Geist. Hennen schlüpfen aus Eiern usw. Das ist die relative Ebene, in der die Wesen der sechs Daseinsbereiche geboren werden. Die Aussage "alles geistgeboren" bezieht sich dagegen auf die absolute Ebene, in dieser gibt es jedoch auch keine 6 Daseinsbereiche mehr in der Form, wie wir sie erleben!
    Das stört mich so am "säkularen Buddhismus", es ist eben kein Buddhadharma mehr! Ich meine, jeder kann glauben/ablehnen/erfinden was er oder sie will, das stört mich nicht. Was mich aber stört ist es, wenn man meint dem Ganzen einen irreführenden Namen geben zu müssen.
    Yeshe

    Sherab Yönten:

    Zum Thema Rime möchte ich ergänzend noch erwähnen, dass die Überlieferungslinien der jeweiligen Schulen auf der einen Seite zwar eine trennende Seite aufweist, auf der anderen Seite der Ursprung der Linien aber auf den Buddha zurückzuführen ist und daher im Grunde alle die selbe gemeinsame Basis haben.


    Sicher haben sie alle die selbe Basis. Die Linien gehen aber teilsweise nur sehr indirekt auf Buddha Shakyamuni zurück. Der erste Nirmanakaya, der die Dzogchen-Linie, die bis heute in der Nyingma-Tradition praktiziert wird, lehrte, war Garab Dorje. Dieser "erhielt" die Lehren vom Sambhogakaya Vajrasattva, welcher sie wiederrum von Samathabadra "erhielt".
    Buddha Shakyamuni hat laut der mündlichen Belehrungen eines meiner Dzogchen-Meister Garab Dorje in einem Sutra (er sagte leider nicht welches) lediglich vorhergesagt.


    Yeshe

    fotost:

    Der Geist funktioniert dort weitaus besser, wo Freiheit herrscht und wo der technische Fortschritt für eine ausreichende Lebensgrundlage sorgen kann.


    Sei mir nicht böse, aber das ist genau so eine typische Wellness-Buddhismus-Aussage. Wir haben zz. deutlich weniger realisierte MeisterInnen als in der Vergangenheit und es geht im Buddhadharma letztlich nicht darum, dass "der Geist besser funktioniert." Auch dieses ganze komische Abarbeiten an der Wiederkehr. Es geht ja im Buddhadharma darum, Samsara zu verlassen.


    Yeshe

    Ich sehe die verschiedenen Wege innerhalb des sog. tibetischen Buddhismus als Ornamente des Raums. D.h. eine Gleichmacherei wäre armselig, die Behauptung ein Ornament sei besser als das andere kindisch. So gesehen ist Rime mMn dann in Ordnung, wenn eine nicht-sektirerische Grundhaltung gepflegt wird. D.h. man respektiert andere Richtungen und hört sich bei Interesse deren Sichtweisen an. Wenn Rime aber derart gedeutet wird, dass in einem "tibetischen Rime-Zentrum" ein Geshe Lamrim lehrt und das als Rime verkauft wird, weil man ab und zu ein Wunschgebet aufsagt, in dem Padmasambhava vorkommt, dann bin ich doch froh, dass es Stellen gibt, die näher an den Lehren von Padmasambhava und seinen Meisterinnen und Meistern sind!


    Yeshe


    P.S.: "Säkulärer Buddhismus" ist nach meinem Kenntnisstand kein Pfad, der unmittelbar zur Befreiung führt.