Hallo lieber accinca.
Danke für deine Zeilen. Ich antworte jetzt erst, weil es mal wieder Zeit war eine Pause von der Vielheit des Internet einzulegen.
Beitrag von accinca am 23.11.2017, 07:20:
accinca:
Raphy:
Ich würde mich zwar nicht als Mahayanist bezeichnen, aber genau so ist es meiner Meinung nach. Weder sollte einem Vielfalt gefallen (im Sinne von Haben wollen, Gier), noch sollte man sie ablehnen.
Sich der Vielfalt nicht zuzuwenden, muß ja nichts mit Ablehnung zu tun haben, sondern einfach mit Wahl. Irgendwohin wendet man sich eben. Ein Ja zu einer Sache ist ein Nein zu allen anderen Sachen in diesem Moment. Aber dieses Nein muß kein Ablehnen, Hass sein.
Von Hass hatte ich, glaube ich auch überhaupt nichts geschrieben.
Ja das stimmt. Du hattest von ablehnen geschrieben. Und nach meiner Einschätzung bezweifelt dass Vielfalt einem weder gefallen noch abgelehnt werden sollte. Nun ist aber in meinem Verständis der Lehre "ablehnen" eine feinere Form von grobem Hass. Für mich ist jegliches "Haben wollen" subtile Gier und jegliches "Nicht-Haben wollen" subtiler Hass. Oder umgekehrt: Gier ist eine grobe Form von "Haben wollen" für mich und Hass eine grobe Form von "Nicht-Haben wollen".
Soweit zur Einordnung der Begriffe die ich verwende.
Es geht mir nicht darum dir Hass zu unterstellen. Also können wir gerne bei deinem Wort "ablehnen" bleiben. Was für mich aber eine der 3 unheilsamen Wurzeln (lobha, dosa, moha) repräsentiert. Und diese sollten meiner Meinung nach nicht kultiviert werden.
Wenn also in den Sutten von Begehren (Tanha) die Rede ist, bedeutet das für mich immer Haben wollen und Nicht-Haben wollen. Also das Begehren etwas haben zu wollen aber genauso das Begehren etwas loswerden, weg-haben, nicht-haben zu wollen. Was sich dann in gröberen Ausformungen als Gier, Begierde oder Hass, Ablehnung zeigen kann.
Wenn in den 4 edlen Wahrheiten von Begehren (Tanha) als Ursache von Dukkha (Leid, Unbefriedigtheit) die Rede ist, ist für mich immer die Rede von Haben wollen und Nicht-Haben wollen. Also das Begehren Sinnesgenuß (Sinnlichkeit) Haben zu wollen und das Begehren Sinnesgenuß (Sinnlichkeit) Nicht-Haben zu wollen, das Begehren Dasein Haben zu wollen und das Begehren Dasein Nicht-Haben zu wollen, das Begehren Nicht-Dasein Haben zu wollen und das Begehren Nicht-Dasein Nicht-Haben zu wollen, sind die Ursache von Dukkha (Leid, Unbefriedigtheit).
Und das ist gemäß der 3. edlen Wahrheit zu überwinden:
Zitat
Majjhima Nikāya 9
Richtige Ansicht - Sammādiṭṭhi Sutta
...
17. "Und was ist das Aufhören von Dukkha? Es ist das restlose Verblassen und Aufhören, das Aufgeben, der Verzicht, das Loslassen und Zurückweisen eben jenes Begehrens. Dies nennt man das Aufhören von Dukkha."
...
Alles anzeigen
Quelle: http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m009z.html
Was dann durch den edlen achtfachen Pfad erreicht werden kann, laut der 4. edlen Wahrheit.
accinca:
Und Mitleid oder Mitgefühl lehnst du nicht ab oder?
Ja genau Mitleid oder Mitgefühl lehne ich nicht ab, da ich mich ja darin übe weder abzulehnen (Nicht-Haben wollen) noch Haben zu wollen.
Mitleid oder Mitgefühl sind ja sogar Gegenmittel gegen Grausamkeit laut MN 62. Sie sollten also bei Bedarf kultiviert werden.
Aber dieses kultivieren sollte möglichst nicht durch haben wollen motiviert sein, sondern durch weises Betrachten, um dann eine weise Wahl zu treffen und Mitleid oder Mitgefühl zu kultivieren.
Natürlich ist klar, dass jeder der noch nicht vollständig erwacht ist, von Haben wollen und Nicht-Haben wollen beinflußt ist bzw. dadurch bedingt ist. Es wird also trotzdem natürlich trotz weisem Erwägen auch immer ein Haben wollen mit dabei sein oder ein Nicht-Haben wollen. Was aber nichts daran ändert, dass Begehren etwas Haben zu wollen und Begehren etwas Nicht-Haben zu wollen, letztendlich überwunden werden sollten.
accinca:
Trotzdem gehe ich doch davon aus, das du Mord und Totschlag ablehnst
und hat das was mit Ablehnung zu tun oder nicht?
Mord und Totschlag sollte man nicht ausüben, wenn man ein angenehmes, friedvolles Leben führen will oder wenn man auch nur einen kleinen Schritt Richtung Befreiung vom Leid gehen will. Wenn man es doch ausübt, sind keine guten Folgen zu erwarten. Für einen selbst nicht, aber auch für den anderen ist so eine Art Tod sicher nicht schön.
Mord und Totschlag wird als Fährte in die niederen Daseinsbereiche beschrieben, also Tierreich, Gespensterreich, Hölle und was es sonst noch gibt an Leidensfährten.
Umgangssprachlich würde ich also sagen ich lehne Mord und Totschlag ab, um deutlich zu machen, dass es nicht ratsam ist das zu betreiben und weil es Leid vermehrt statt vermindert. Für beide Seiten.
Trotzdem kann es Mord und Totschlag nur geben in einem Geist der von Begehren beherrscht wird, also von Haben wollen und Nicht-Haben wollen. Also auch in einem Geist der von Ablehnung beherrscht wird.
Ohne Ablehnung kann es kein Mord und Totschlag geben. Aber mit Ablehnung ist zumindest immer das Potential da, dass sich Mord und Totschlag zeigt.
Deswegen ist jegliche Ablehnung zu überwinden.
Also bitte nicht ausüben. Aber das wird ja auch unmissverständlich deutlich in der überlieferten Buddhalehre, die für mich eine der gewaltfreiesten Lehren ist die ich kenne. Deswegen versuche ich ihr ja auch zu folgen, weil sie so gut ist.
Was aber vielleicht sein kann ist, dass es eine große Anstrengung ist für manche Menschen sich von Mord und Totschlag fern zu halten. Diesen gegenüber ist dann sehr eindringlich darzulegen warum man das nicht ausüben sollte.
Und klar ist auch, dass wenn man sich gegen Mord und Totschlag entscheidet immer auch Ablehnung von Mord und Totschlag dabei ist, mehr oder weniger subtil, es sei denn man ist ein Arahant und hat Ablehnung bis in die subtilste Wurzel überwunden.
Aber dieser ist dann garnicht mehr fähig, laut Überlieferung, Mord und Totschlag auszuüben. Was ja Sinn macht.
Von daher ist Ablehnung fast zwangsläufig immer mit dabei. Trotzdem sollte versucht werden Ablehnung auf jedem Gebiet zu überwinden, wenn man Arahant werden will.
Ich selbst muß auch noch viel üben.
Man könnte auch sagen die Ablehnung von Mord und Totschlag ist ein Zeichen, dass Ablehnung langsam weniger wird in einem selbst. Und das ist gut.
Ich hoffe ich habe mich jetzt deutlich genug gegen Mord und Totschlag ausgesprochen.
accinca:
Und da gibt es aber noch eine grundsätzlichere Sichtweise
von der der Buddha sagt:
Zitat
Er erkennt der Wirklichkeit gemäß die mörderische Körperlichkeit: 'Denn mörderisch ist die Körperlichkeit.' Er erkennt der Wirklichkeit gemäß das mörderische Gefühl - die mörderische Wahrnehmung - die mörderischen Gestaltungen - das mörderische Bewusstsein: 'Mörderisch sind sie.'
(S 22, 85)
Das ist natürlich meistens nichts für Laien.
Ja diese Formulierung ist für mich ein Gegenmittel gegen Haben wollen von Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung, Gestaltungen und Bewusstsein.
Das heißt aber nicht dass man jetzt Nicht-Haben wollen von diesen Dingen praktizieren sollte. Man sollte sie weder Haben wollen noch Nicht-Haben wollen. Erst dann haftet man nicht an ihnen und ist von ihnen befreit.
Die grundsätzlichere Sichtweise wären für mich die 4 edlen Wahrheiten, wo für mich deutlich wird dass weder Haben wollen noch Nicht-Haben wollen kultiviert werden sollten, sondern im Gegenteil das Begehren etwas haben zu wollen und das Begehren etwas nicht haben zu wollen, sollten überwunden werden.
Wenn man die Jhanas (Vertiefungen) kennt, dann macht das auch Sinn, weil man da sieht, dass jede kleine Regung zu etwas hin oder von etwas weg, dazu führt dass das Jhana verblasst bzw. man daraus auftaucht, wenn man diesen Regungen nach geht.
Jedenfalls bezogen auf das was ich als Jhana oder zumindest Richtung Jhana bezeichnen würde.
Und das sich abwenden von den Sinnen hat nicht zwangsläufig etwas damit zu tun, dass man die Sinne ablehnt, sondern dass man sich dafür entscheidet sich von den Sinnen abzuwenden. Das geht am Besten mit möglichst wenig Haben wollen und Nicht-Haben wollen.
Aber alles nur (m)eine Meinung. Ich kann mich auch irren.
Danke für deine Mühe accinca.
Liebe Grüße