ZitatDas Erleben des puthujjana ist (sankhára-)dukkha von oben bis unten, und die Folge davon ist, das er keine Möglichkeit hat, dukkha für sich selbst zu erkennen; wie weit er auch immmer im reflexiven Bemühen von sich selbst „zurücktreten” mag, er nimmt immer noch dukkha mit sich mit. (Ich habe diese Frage in der Begrifflichkeit von avijjá [„Unwissenheit”] IN EINE NOTIZ ZU PATICCASAMUPPÁDA §§23&25 erörtert, wo ich aufzeige, dass avijjá, was dukkhe aññánam ist [„Nicht-Wissen von dukkha”], eine hierarchische Struktur besitzt und immer nur sich selbst ausbrütet.) Der ganze Punkt bei der Sache ist, dass das Nicht-Wissen von dukkha des puthujjana genau das dukkha ist, von dem er nichts weiß, und dieses dukkha, das zugleich Nicht-Wissen von dukkha ist, ist identisch mit der Sichtweise des puthujjana, wenn er (fälschlicherweise) das, was ein „Selbst”, „Subjekt” oder „Ego” zu sein schein, für bare Münze nimmt (als nicca/sukha/attá, „beständig/angenehm/Selbst”).
Und wie kommt dann Wissen über dukkha zustande? Wie es bei einem Buddha ist, kann ich nicht sagen (obwohl es von den Suttas her den Anschein hat, als ob es sich um gewaltig intelligentes Lernen durch Versuch-und-Irrtum über einen langen Zeitraum hinweg handelt); aber bei allen anderen kommt es zustande, indem sie (als puthujjanas) die Buddhalehre hören, die ihrer gesamten Denkweise widerspricht. Sie akzeptieren diese Lehre von anicca/dukkha/anattá aus Vertrauen (saddhá); und diese wird, sobald sie akzeptiert ist, zum Kriterium oder zur Norm, auf die sie sich beziehen, wenn sie schließlich für sich selbst sehen, dass alle Dinge dukkha sind – für den puthujjana. Aber indem sie dies sehen, hören sie auf, puthujjanas zu sein. Und in dem Maße, in dem sie aufhören, puthujjanas zu sein, in dem Maß hört auch (sankhára-)dukkha auf, und in dem Maße haben sie auch in all ihrem Erleben ein „eingebautes” Kriterium oder eine Norm, als Referenzpunkt zu weiterem Fortschritt. (Der sekha – kein puthujjana mehr, aber noch nicht arahat – hat eine Art „doppelter Schauung”, ein Teil nicht regenerierend, der andere regenerierend.) Sobald man ein sotápanna wird, ist man im Besitz von aparapaccayá ñánam oder „Wissen, das von keinem anderen abhängig ist”: es heißt auch, dass dieses Wissen „nicht von puthujjanas geteilt wird”, und für den Menschen, der es besitzt, besteht (außer, um seinen Fortschritt zu beschleunigen) keine weitere Notwendigkeit, die Lehre zu hören – in gewissem Sinne ist er (zum Teil) diese Lehre.
Also, weit davon entfernt, dass es ein Subjekt (unsterbliche Seele) ist, das beurteilt, „alle Dinge sind dukkha” in Bezug auf ein objektives sukha, geschieht es erst mit dem Nachlassen der (Vorstellungen von) Subjektivität, dass ein (objektives) sukha erscheint, in Bezug auf welches die Beurteilung „alle Dinge sind dukkha (für den Weltling)” überhaupt erst möglich wird.
Nanavira Thera - Notizen zu Dhamma (Brief 99 an H. Brady vom 2. Juli 1965)